Signatur: BStU, MfS, BV Suhl, AIM, Nr. 1633/94, Teil II, Bd. 4, Bl. 32
Das 1979 eröffnete Ringberghaus in Suhl war sowohl Ferienheim als auch Tagungsort. So besuchten es auch regelmäßig ranghohe Vertreter der SED. Der 1. Sekretär der SED-Bezirksleitung in Suhl, Hans Albrecht, empfing am 7. Oktober 1987 im Ringberghaus eine Delegation aus der jugoslawischen Teilrepublik Montenegro. Ein Inoffizieller Mitarbeiter der Stasi berichtete von der Vorbereitung und dem Ablauf der Veranstaltung.
Im Jahr 1979 öffnete das Ringberghaus Suhl nach langwierigen Baumaßnahmen seine Türen. Über der damaligen Bezirksstadt thronend, diente der auf 750 Höhenmetern gelegene Bau, wie es offiziell hieß, als "Ferienobjekt der Genossenschaftsbauern und Werktätigen der sozialistischen Landwirtschaft". Bis zu 900 Urlauberinnen und Urlauber konnten hier untergebracht werden.
Zwischen 1975 und 1979 fanden die Baumaßnahmen unter großer Geheimhaltung statt. Der millionenschwere Prestigebau lag inmitten des Landschaftsschutzgebiets des Thüringer Waldes. Die felsige Kuppe des Ringberges musste weggesprengt und das Plateau anschließend mit schwerem Gerät erschlossen werden. Hierbei kam es zu massiven Eingriffen in die Umwelt.
Im damaligen DDR-Bezirk Suhl wurde deshalb Kritik laut, welche die Stasi dokumentierte. In der Folge berichtete die von der SED-Bezirksleitung herausgegebene Tageszeitung "Freies Wort" weder über Grundsteinlegung, Baufortschritt noch über die Eröffnung. Es hielt sich an die durch die SED verordnete Nachrichtensperre. Die Machthaber befürchteten, es könnte sich noch mehr Kritik an dem Bau entfachen.
Nachdem das Ringberghaus fertig gestellt war, nutzten es das Ministerium für Land-, Forst- und Nahrungsgüterwirtschaft der DDR (MfLFN), der Zentralvorstand der Vereinigung der gegenseitigen Bauernhilfe (VdgB), die Demokratische Bauernpartei Deutschlands (DBD) sowie die landwirtschaftlichen Gremien des Rates für gegenseitige Wirtschaftshilfe (RGW) als Versammlungs- und Tagungsort. Regelmäßig besuchten es zudem ranghohe Vertreter der SED.
Bis 1989 war auch die Stasi Dauergast auf dem Ringberg. Für das Ringberghaus war die Abteilung XVIII (Volkswirtschaft) der Suhler Bezirksverwaltung zuständig. Die Diensteinheit übernahm vielfältige Aufgaben: Stasi-Mitarbeiter nahmen Einfluss auf die Personalauswahl, beteiligten sich an Sicherheitsinspektionen im Haus, bereiteten Überwachungsmaßnahmen vor und sicherten Veranstaltungen ab.
Ein Inoffizieller Mitarbeiter fasst in dem vorliegenden Dokument den Besuch einer Delegation aus der jugoslawischen Teilrepublik Montenegro zusammen. Er berichtet, dass sich der 1. Sekretär der SED-Bezirksleitung, Hans Albrecht "Notizen […] über den Ablauf und die Eigenmächtigkeiten seiner Mitarbeiter" machte.
XVIII
Information zum Besuch der Delegation aus Montenegro mit Gen. Hans Albrecht im Ringberghaus.
Vorbereitung: Es war vorgesehen, am 07.10.87 um 20 Uhr für o. g. Gäste eine Tafel für 24 Personen in der Klause zu stellen. Veranstaltung sollte mit Urlaubern sein und einen gemütlichen, gebietstypischen Charakter haben. Vorgesehen war nur Getränkeservice.
Im Vorfeld dieser Veranstaltung wurde dem Ringberghaus mitgeteilt durch SED-KL Abt. [unleserlich], daß folgendes Programm gebunden sei auf Anweisung von Gen. Albrecht: Gerhard-Schenk-Combo, Schenkensteiner, H.-J. Gröschner, Zella-Mehliser Hirtenbläser, Folkloretanzgruppe Zella-Mehlis und die Nahetaler Volksmusikanten. Programmkosten ca. 6,5 TM. Die ursprünglich vorgesehene Kapelle "Toscana" mit 3 Personen (Preis ca. 290,- Mark) wurde zwar vom Ringberg bezahlt aber spielten nicht. Von gemütlichen Bandenabend war keine Rede mehr. Tanzfläche voller Technik und Künstler. Die Tafel stand auf Anweisung des Gen. (mit Vornamen Adolf) völlig falsch.
Ca. 20.30 Uhr nach 1/2 Stunde Programm verlies die Delegation wegen Lautstärke den Raum. Sie begaben sich ins Cafe, um sich in Ruhe zu unterhalten.
Gen. Albrecht hat sich einige Notizen gemacht über den Ablauf und die Eigenmächtigkeiten seiner Mitarbeiter im Bezug auf die Vorbereitung der Veranstaltung und Witze der Nahetaler Musikanten.
14.10.87 [anonymisiert]
Im Vergleich zur Situation in Produktionsbetrieben oder normalen zivilen Verwaltungen war die SED-Parteiorganisation von besonderen Bedingungen geprägt: einem mit über 90 Prozent sehr hohen Anteil von Parteimitgliedern unter den Mitarbeitern sowie den Organisationsprinzipien der "militärischen Einzelleitung" und der internen Konspiration. Diese Besonderheiten begrenzten den Wirkungsbereich der SED-Parteiorganisation, die weder die übliche "Avantgardefunktion" im Hinblick auf die Nichtmitglieder noch eine konkrete Kontrolle der Arbeitsprozesse ausüben konnte.
Die SED in der Staatssicherheit hatte überwiegend erzieherische Funktionen; angesichts der Rolle des MfS als "Schild und Schwert der Partei" waren diese allerdings von besonderer Bedeutung. Sie umfassten die Vermittlung von politisch-ideologischen Inhalten sowie von Disziplin, Leistungsbereitschaft und anderen Sekundärtugenden. Dabei standen ihr die SED-typischen innerparteilichen Disziplinierungsinstrumente einschließlich der Parteistrafen zur Verfügung.
Die SED-Parteiorganisation gliederte sich nach Diensteinheiten in Grundorganisationen und "Parteiorganisationen" (wie etwa die "Parteiorganisation A" der HV A) sowie auf den unteren Ebenen in Abteilungsparteiorganisationen und Parteigruppen. Höchstes Parteigremium in der MfS-Zentrale Berlin war eine (nichtterritoriale) Kreisleitung, die direkt dem ZK unterstand. Sie setzte sich ganz überwiegend aus im MfS beschäftigten hauptamtlichen SED-Funktionären und den Leitern zentraler Diensteinheiten zusammen.
Die SED-Kreisleitung unterhielt eine eigene, nach dem langjährigen Leiter der Hauptabteilung Kader und Schulung, Robert Mühlpforte, benannte Parteischule. Die SED-Kreisorganisation der MfS-Zentrale verfügte neben der Kreisleitung auch über eine eigene Kreisparteikontrollkommission (Parteigericht) und eine Kreisrevisionskommission (für die Parteiinnenrevision).
Bis Juli 1952 besaß die Staatssicherheit eine einheitliche SED-Parteiorganisation im Range eines (nichtterritorialen) Landesverbandes, der nach Abschaffung der Länder in Bezirksparteiorganisation VII c umbenannt wurde. Diese wiederum wurde im September 1953 zu einer Kreisparteiorganisation heruntergestuft, die betreffende Kreisleitung war nur noch für die Parteiorganisation der Berliner Zentrale zuständig.
Die Parteiorganisationen der Bezirksverwaltungen und Kreisdienststellen wurden in die jeweiligen territorialen Parteistrukturen eingegliedert; sie unterstanden somit den zuständigen territorialen Bezirks- und Kreisleitungen und waren vom Parteiapparat der Zentrale weitgehend abgekoppelt. Einige wenige übergeordnete Funktionen übte die SED-Kreisleitung der MfS-Zentrale jedoch gegenüber den Parteiorganisationen der BV und KD weiterhin aus, so etwa die Erfassung der Mitglieder und teilweise auch Schulungsaufgaben. Zuletzt beschäftigte die SED in der Staatssicherheit insgesamt ca. 500 hauptamtliche Parteifunktionäre.
Eine selbständige Abteilung ist eine Organisationsstruktur in der MfS-Zentrale, die durch den Minister oder einen seiner Stellvertreter direkt angeleitet und durch militärische Einzelleiter geführt wurde. Die weiter untergliederten Abteilungen prägten Linien aus (z. B. Abt. XIV; Linienprinzip) oder blieben auf die Zentrale beschränkt (z. B. Abt. X). Die eng umrissenen Zuständigkeiten mit operativer Verantwortung und Federführung orientierten sich an geheimdienstlichen Praktiken (Telefonüberwachung) oder Arbeitsfeldern (Bewaffnung, chemischer Dienst).
Im Zusammenhang mit der Verwaltungsreform der DDR vom Sommer 1952 wurden die fünf Länderverwaltungen für Staatssicherheit (LVfS) in 14 Bezirksverwaltungen umgebildet. Daneben bestanden die Verwaltung für Staatssicherheit Groß-Berlin und die Objektverwaltung "W" (Wismut) mit den Befugnissen einer BV. Letztere wurde 1982 als zusätzlicher Stellvertreterbereich "W" in die Struktur der BV Karl-Marx-Stadt eingegliedert.
Der Apparat der Zentrale des MfS Berlin und der der BV waren analog strukturiert und nach dem Linienprinzip organisiert. So waren die Hauptabteilung II in der Zentrale bzw. die Abteilungen II der BV für die Schwerpunkte der Spionageabwehr zuständig usw. Auf der Linie der Hauptverwaltung A waren die Abteilung XV der BV aktiv. Einige Zuständigkeiten behielt sich die Zentrale vor: so die Militärabwehr (Hauptabteilung I) und die internationalen Verbindungen (Abteilung X) oder die Arbeit des Büros für Besuchs- und Reiseangelegenheiten in Westberlin (Abteilung XVII). Für einige Aufgabenstellungen wurde die Bildung bezirklicher Struktureinheiten für unnötig erachtet. So gab es in den 60er und 70er Jahren für die Abteilung XXI und das Büro der Leitung II Referenten für Koordinierung (RfK) bzw. Offiziere BdL II. Für spezifische Aufgaben gab es territorial bedingte Diensteinheiten bei einigen BV, z. B. in Leipzig ein selbständiges Referat (sR) Messe, in Rostock die Abt. Hafen.
An der Spitze der BV standen der Leiter (Chef) und zwei Stellv. Operativ. Der Stellv. für Aufklärung fungierte zugleich als Leiter der Abt. XV. Die Schaffung des Stellvertreterbereichs Operative Technik im MfS Berlin im Jahre 1986 führte in den BV zur Bildung von Stellv. für Operative Technik/Sicherstellung.
Inoffizielle Mitarbeiter (IM) waren das wichtigste Instrument des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS), um primär Informationen über Bürger, die Gesellschaft, ihre Institutionen und Organisationen der DDR oder im Ausland zu gewinnen. Unter Umständen hatten IM auf Personen oder Ereignisse in der DDR steuernden Einfluss zu nehmen.
In der DDR-Gesellschaft hießen sie "Spitzel", "Denunzianten" oder "Kundschafter". Mit der deutschen Einheit hat sich die Bezeichnung Inoffizieller Mitarbeiter des MfS für die heimlichen Zuträger etabliert. Sie lieferten u. a. Informationen über Stimmungen und Meinungen in der Bevölkerung.
Die SED-Führung wollte stets über die konkrete Situation und Lage in der DDR unterrichtet sein. Die IM hatten den Auftrag, "staatsgefährdende" Bestrebungen zu ermitteln, was beim MfS "politisch ideologische Diversion" bzw. "politische Untergrundtätigkeit" hieß. Der Bogen hierfür war weit gespannt und reichte von einer privaten Meinungsäußerung bis hin zu politischen Aktivitäten. Überdies sollten sie, wenn auch selten, direkt auf gesellschaftliche Entwicklungen oder einzelne Personen einwirken.
Die IM waren das wichtigste Repressionsinstrument in der DDR. IM wurden auf bestimmte Schwerpunkte angesetzt, von denen tatsächliche oder vermeintliche Gefahren ausgehen konnten. Diese Objekte und Territorien, Bereiche oder Personen waren so zahlreich, dass die geheimpolizeiliche Durchdringung tendenziell den Charakter einer flächendeckenden Überwachung annahm.
Die Anzahl der vom MfS geführten inoffiziellen Mitarbeiter umfasste im Jahre 1989 ungefähr 189.000 IM, darunter 173.000 IM der Abwehrdiensteinheiten, ferner 13.400 IM in der DDR und 1.550 IM in der Bundesrepublik, die von der Hauptverwaltung A geführt wurden, sowie diverse andere wie Zelleninformatoren usw. Auf 89 DDR-Bürger kam somit ein IM. In der Zeit von 1950 bis 1989 gab es insgesamt ca. 620.000 IM.
Die Entwicklung des IM-Netzes ist nicht allein von einem kontinuierlichen Anstieg geprägt, sondern verweist auf besondere Wachstumsphasen in Zeiten innergesellschaftlicher Krisen wie dem 17. Juni 1953 oder am Vorabend des Mauerbaus. Im Zuge der deutsch-deutschen Entspannungspolitik wurde das IM-Netz ebenfalls erweitert. So umfasste es Mitte der 70er Jahre – hochgerechnet – über 200.000 IM. Angesichts wachsender oppositioneller Bewegungen hatte es in den 80er Jahren gleichfalls ein hohes Niveau.
Die flächendeckende Überwachung der Gesellschaft fiel regional recht unterschiedlich aus. Im Land Brandenburg, das die Bezirke Cottbus, Frankfurt (Oder) und Potsdam vereint, war sie stärker als in Thüringen. Die höchste IM-Dichte wies der ehemalige Bezirk Cottbus auf.
Das MfS operierte formal nach territorialen Gesichtspunkten und Sicherungsbereichen, setzte jedoch operative Schwerpunkte in der geheimpolizeilichen Arbeit. Bezogen auf das Gesamtministerium lagen diese – sowohl auf Kreis-, als auch auf Bezirks- und Hauptabteilungsebene – bei der Volkswirtschaft, der Spionageabwehr und auf der "politischen Untergrundtätigkeit", der "Bearbeitung " von oppositionellen Milieus und den Kirchen.
Die Motive zur Kooperation mit dem MfS waren überwiegend ideeller, seltener materieller Natur, noch seltener war Erpressung der Grund. Die Kooperation währte durchschnittlich sechs bis zehn Jahre oder länger. Augenfällig ist, dass darunter nicht wenige soziale Aufsteiger waren. Der Anteil von weiblichen IM lag in der DDR bei 17 Prozent, in der Bundesrepublik bei 28 Prozent. Über die Hälfte der IM war Mitglied der SED. Von den 2,3 Mio. Mitgliedern der Partei ausgehend, waren 4 bis 5 Prozent zuletzt inoffiziell aktiv, d. h. jedes zwanzigste SED-Mitglied.
Das MfS differenzierte IM nach Kategorien: Gesellschaftliche Mitarbeiter für Sicherheit, IM zur Sicherung und Durchdringung des Verantwortungsbereichs, IM im besonderen Einsatz, Führungs-IM und IM zur Sicherung der Konspiration und des Verbindungswesens. Die wichtigste Kategorie waren IM mit "Feindverbindungen" bzw. solche, die Personen zu "bearbeiten" hatten, die "im Verdacht der Feindtätigkeit" standen. Im Laufe der 80er Jahre nahm der Anteil von IM in der Kategorie IMB bis Dezember 1988 auf rund 3.900 zu.
Der Anteil von Bundesbürgern oder Ausländern unter den IM des MfS betrug nicht einmal 2 Prozent. 1989 waren mindestens 3.000 Bundesbürger inoffiziell im Dienste des MfS, zusätzlich mehrere Hundert Ausländer. In der Zeit von 1949 bis 1989 waren insgesamt mindestens 12.000 Bundesbürger und Westberliner IM.
Die operativen Ziele des MfS waren über die gesamte Bundesrepublik Deutschland verteilt. Darüber hinaus gab es Schwerpunkte in Europa, im Nahen Osten und Asien, nachgeordnet auch in Afrika und Lateinamerika. Nachrichtendienstliche Schwerpunkte waren vor allem die Wissenschafts- und Technikspionage, erst danach die politische und mit etwas Abstand die Militärspionage. Die Bundesrepublik Deutschland wurde folglich vor allem als Ressource zur Systemstabilisierung genutzt.
Die politische Spionage diente vornehmlich dazu, die politische Gefährdungslage des herrschenden Systems in der DDR bestimmen zu können. Dieses Profil deutet an, dass die Spionage der Bewahrung des Status quo dienen sollte. Von einer Unterwanderung der Bundesrepublik war die Geheimpolizei zahlenmäßig weit entfernt. Vielmehr waren ihre inoffiziellen Mitarbeiter damit beschäftigt, das DDR-System zu stabilisieren.
Bericht über zu erwartende Besuche im Ringberghaus Dokument, 1 Seite
Anfrage des Personenschutzes der BV Suhl zur Überwachung des Ringberghauses Dokument, 1 Seite
Entwurf eines Fernschreibens des Leiters des AfNS-Bezirksamtes Suhl Generalmajor Gerhard Lange Dokument, 5 Seiten
Entwurf zum Ablauf des Besuchs der Familie Wolf im Bezirk Suhl Dokument, 3 Seiten