Bericht über eine Feier zu Wolf Biermanns 38. Geburtstag in seiner Wohnung
Signatur: BStU, MfS, AOP, Nr. 11806/85, Bd. 18, Bl. 115-117
Das SED-Regime hatte Biermanns künstlerische Wirkungsmöglichkeiten mit der Zeit immer weiter eingeschränkt. Trotzdem war er von der Welt nicht abgeschnitten, wie ein Stasi-Protokoll von der Geburtstagsfeier in seiner Wohnung zeigt.
Wolf Biermann, Sohn einer kommunistischen Arbeiterfamilie aus Hamburg, siedelte 1953 als Schüler in die DDR über. Er hielt den Staat für das bessere Deutschland. Dort nahm er ein Studium am Berliner Ensemble, dem von Bertolt Brecht gegründeten Theater, auf. Mit seinen Liedern und Gedichten, die er bald zu schreiben begann, geriet er zunehmend in Konflikt mit der strengen Linie der Staatspartei SED. 1965 verhängte das Politbüro ein totales Auftrittsverbot gegen den Künstler. Drüber hinaus hörte die Staatssicherheit Biermanns Wohnung und Telefongespräche ab, las seine Briefe und setzte auch Spitzel auf ihn an. Ihn einzusperren oder "verschwinden" zu lassen hätte dagegen zu viele unerwünschte internationale Reaktionen nach sich gezogen.
Obwohl seine künstlerischen Wirkungsmöglichkeiten dadurch auf private Räume eingeschränkt wurden, gewann Biermann weiterhin an Popularität – auch im Westen Deutschlands. Dort veröffentlichte er Schallplatten und Gedichtbände. Das SED-Regime konnte dies nicht verhindern und auch Auftritte des Liedermachers in anderen Staaten formal nicht verbieten. Die DDR-Oberen verweigerten ihm jedoch die Ausreise, wenn es Anfragen an den Liedermacher aus dem Ausland gab.
So war ihm der Weg nach draußen zwar versperrt, aber er war von der Welt nicht abgeschnitten. Biermanns Wohnung in der Berliner Chausseestraße wurde zum Treffpunkt für Freunde und Intellektuelle in der DDR, aus dem Westen und aus aller Welt. Davon zeugt der Bericht über eine Feier anlässlich Biermanns 38. Geburtstag, die die Staatssicherheit akribisch protokollierte.
Metadaten
- Urheber:
- MfS
- Datum:
- 16. Dezember 1974
- Rechte:
- BStU
- Überlieferungsform:
- Dokument
Hagen, Eva-Maria - Schauspielerin, die gegenwärtig durch verstärkte Förderung im Fernsehen der DDR und der DEFA an Massenwirksamkeit gewinnt.
Als weitere Gäste waren zeitweise der Handelsrat der Botschaft der Republik Guinea in der DDR, Donzo , und die Ehefrau des Botschaftsrates Guineas in der DDR, Moriba, anwesend.
Biermann trug einige seiner bekannten Lieder, insbesondere Liebeslieder, vor. Teilweise im Duett mit der Eva-Maria Hagen,
Auf ausdrücklichen Wunsch Biermann´s trug der aus Leipzig anwesende exmatrikulierte Student, Sallmann, Michael, mehrere selbst verfaßte Lieder mit extrem gegen die gesellschaftlichen Verhältnisse in der DDR gerichteten Inhalt vor.
Darin wurde, u. a. das Schicksal einer schwangeren DDR-Bürgerin charakterisiert, die an der Staatsgrenze "im Stacheldraht von DDR-Grenzsoldaten angeschossen, verbluten muß, weil sie zu ihrem in Schweden lebenden Geliebten wollte."
Biermann stellte den Sallmann als seinen Freund vor, den er wegen dieser Lieder besonders schätzen würde.
Durch anwesende Quellen wurde übereinstimmend eingeschätzt:
Keiner der anwesenden Gäste, auch nicht die genannten profilierten Kulturschaffenden, protestierte gegen die feindlichen und negativen Ausfälle und Äußerungen des Sallmann, Biermann und anderer Gäste.
Durch ihre Anwesenheit und ihr Verhalten demonstrierten die Anwesenden, daß sie Biermann´s Auffassungen teilen, sich mit ihm solidarisieren und ihn wegen seines "Mutes und seiner künstlerischen Begabung" bewundern.