Signatur: BStU, MfS, HA VI, Nr. 1308, Bl. 5-10
Am 8. April 1989 versuchten zwei DDR-Bürger, durch einen beherzten Sprint durch die Grenzübergangsstelle Chausseestraße in Berlin in den Westen zu fliehen. Erst der Warnschuss eines MfS-Angehörigen konnte die beiden stoppen.
Am 8. April 1989 wagten zwei DDR-Bürger in Ost-Berlin einen riskanten Fluchtversuch. Kurz vor halb zehn Uhr Morgens mischten sich die beiden Männer unter die Wartenden an der Grenzübergangsstelle Chausseestraße. Als der Schlagbaum auf Ostberliner Seite hochging, um ein Fahrzeug hindurchzulassen, sprinteten sie los. So schnell sie konnten rannten sie zwischen den wartenden Fahrzeugen hindurch und übersprangen zwei Barrieren. Auf den letzten Metern stellte sich ihnen ein Angehöriger der Passkontrolleinheit (PKE) in den Weg. Er gab einen Warnschuss ab, die Flüchtenden blieben sofort stehen und wurden von herbeigeeilten Soldaten der Grenztruppen und Angehörigen der PKE festgenommen.
Den spektakulären Fluchtversuch beschreibt das vorliegende Dokument minutiös. Verfasst hat es die zur Hauptabteilung VI der Staatssicherheit zählende zuständige Passkontrolleinheit. Der Fall wurde auch deswegen genau dokumentiert, weil er im Westen für Schlagzeilen gesorgt hatte. Schaulustige, die von Westberlin aus den Betrieb der Grenzübergangsstelle hatten beobachten wollen, waren Zeuge der dramatischen Ereignisse geworden.
Hauptabteilung VI
Berlin, 9. April 1989
Verhinderter Grenzdurchbruch auf der Grenzübergangsstelle Chausseestraße
Am 8.4.1989, 09.30 Uhr, wurde auf der Grenzübergangsstelle Chausseestraße der Versuch der Bürger der DDR
[geschwärzt]
Abteilung XII – erfaßt mit Archivmaterial
und
[geschwärzt]
Abteilung XII – nicht erfaßt
(suchte entsprechend einer Mitteilung der HA II am 6.3.1989 die Ständige Vertretung der BRD in der DDR auf) die Grenzübergangsstelle zu durchrennen nach Abgabe eines Warnschusses durch den Mitarbeiter der PKE im Sicherungsbereich Vorfeld verhindert.
Hauptabteilung VI (Passkontrolle, Tourismus, Interhotel)
Die Hauptabteilung VI befasste sich mit dem grenzüberschreitenden Reiseverkehr. Sie wurde 1970 durch Fusion der Arbeitsgruppen "Passkontrolle und Fahndung" und "Sicherung des Reiseverkehrs" sowie der Zoll-Abwehr (Überwachung der Zoll-Mitarbeiter) gebildet. Die Hauptabteilung VI hatte an den Grenzübergängen der DDR die Reisenden zu kontrollieren und abzufertigen. Deshalb waren die DDR-Passkontrolleure hauptamtliche Mitarbeiter der Hauptabteilung VI. Zur Tarnung trugen sie Uniformen der Grenztruppen. Zunächst war 1950 die Grenzpolizei mit der Grenzabfertigung beauftragt worden.
Bei der Hauptabteilung VI wurden die Daten der Einreisenden einer ersten Analyse unterzogen, um politisch-operativ interessante Personen herauszufiltern. Die Grenzkontrolle umfasste für die Hauptabteilung VI auch die Überwachung der westlichen Grenzkontrollstellen, in Westberlin auch die der Flughäfen Tegel und Tempelhof sowie der Polizei und des Grenzzolldienstes. Zum Verantwortungsbereich der Hauptabteilung VI gehörte die lückenlose Überwachung der Transitstrecken von und nach Westberlin. Bei ihr liefen Avisierungen für bevorzugte Grenzabfertigungen zusammen.
1970 übernahm sie von der Hauptabteilung XX/5 die Aufgabe, Fluchtversuche zu unterbinden und Fluchthelfer im Westen zu verfolgen, was 1975/76 zu Teilen an die Zentrale Koordinierungsgruppe überging (Republikflucht). Die Hauptabteilung VI überwachte touristische Einrichtungen in der DDR, darunter die Reisebüros und die Interhotels. Ebenso kontrollierte sie DDR-Bürger bei ihren Reisen ins sozialistische Ausland, um Kontakte zu westlichen Staatsbürgern und Fluchtversuche ggf. zu unterbinden.
Die Operativgruppen des MfS in der ČSSR, Ungarn und Bulgarien waren ihr von 1970 bis 1989 unterstellt. 1989 gab sie deren Leitung an die Hauptabteilung II (HA II) ab. Im Verantwortungsbereich der Hauptabteilung VI wurden 1979–1981 drei Mordanschläge auf den Fluchthelfer Wolfgang Welsch durchgeführt, die dieser nur knapp überlebte.
Charakteristisch für die Hauptabteilung VI war die enge Kooperation mit vielen MfS-Diensteinheiten und anderen Institutionen wie Grenztruppen und Zoll, da im Bereich der Hauptabteilung VI eine Vielzahl von relevanten Erstinformationen und Daten zusammenkam. 1985 führte die Hauptabteilung VI 1.064 IM, darunter 67 West-IM, von denen 62 in Westberlin lebten.
Hauptabteilung II (Spionageabwehr)
Die Hauptabteilung II wurde 1953 durch Fusion der Abteilungen II (Spionage) und IV (Spionageabwehr) gebildet. Sie deckte klassische Bereiche der Spionageabwehr ab. Dazu zählte auch die interne Abwehrarbeit im MfS, etwa die Überwachung aktiver und ehemaliger MfS-Mitarbeiter, von Einrichtungen der KGB-Dienststelle Berlin-Karlshorst sowie von Objekten der sowjetischen Streitkräfte und der Sektion Kriminalistik an der Ostberliner Humboldt-Universität. Darüber hinaus betrieb die Hauptabteilung II im Rahmen der "offensiven Spionageabwehr" aktive Spionage in der Bundesrepublik; diese zielte auf westliche Geheimdienste, auf Bundeswehr, Polizei, Massenmedien, Emigrantenverbände u. a.
Die Hauptabteilung II überwachte, sicherte und kontrollierte die DDR-Botschaften im Ausland, die ausländischen diplomatischen Vertretungen in der DDR sowie das Außenministerium der DDR. DDR-Bürger, die westliche Botschaften bzw. die Ständige Vertretung der Bundesrepublik in Ostberlin aufsuchten, wurden systematisch erfasst. In den Zuständigkeitsbereich der Hauptabteilung II fielen auch die Überwachung der in der DDR lebenden Ausländer sowie die Betreuung von Funktionären und Mitgliedern illegaler, verfolgter kommunistischer Parteien, die in der DDR Aufnahme fanden.
Besondere Brisanz beinhaltete die politisch-operative Sicherung der Westkontakte von SED und FDGB. So kümmerte sich die Hauptabteilung II um die Militärorganisation der DKP ("Gruppe Ralf Forster", eine ca. 220 Bundesbürger umfassende Sabotage- und Bürgerkriegstruppe), organisierte in Absprache mit der NVA deren militärische Ausbildung, finanzierte die Gruppe und stattete sie mit Falschpapieren aus.
Die Hauptabteilung II sicherte (bis 1961 und wieder ab 1980; zwischenzeitlich gab es hierfür die Abteilung BdL II) die Abteilung Verkehr des ZK der SED ab, die kommunistische Organisationen im Westen unterstützte und dort SED-Tarnfirmen betrieb. Die Hauptabteilung II versuchte, Aktivitäten bundesdeutscher Behörden gegen DKP, SEW und SED-Tarnfirmen festzustellen und zu verhindern.
Im Ergebnis der Entspannungspolitik nahmen Begegnungen zwischen Ost- und Westdeutschen zu, westliche Medienvertreter konnten sich in der DDR akkreditieren. Das veranlasste den beträchtlichen personellen Ausbau der Hauptabteilung II. Sie war nun auch zuständig für die Überwachung westlicher Journalisten in der DDR. Ziel war es, unerwünschten Informationsabfluss und unbequeme, kritische Berichterstattung zu verhindern. 1987 übertrug Erich Mielke in der Dienstanweisung 1/87 der Hauptabteilung II die Führung der Spionageabwehr, um ein unkoordiniertes Nebeneinander verschiedener Diensteinheiten zu vermeiden.
Die Hauptabteilung II leitete von Beginn an die Operativgruppen des MfS in der Sowjetunion und Polen, seit 1989 auch in der ČSSR, Ungarn und Bulgarien. Mit den entsprechenden Spionageabwehr-Abteilungen in diesen Ländern gab es eine ausgeprägte bi- und multilaterale Zusammenarbeit, die aber erst in den frühen 80er Jahren vertraglich fixiert wurde (kommunistischer Geheimdienst). Im Dezember 1981 übernahm die Hauptabteilung II innerhalb des MfS die Federführung bei der Bekämpfung der unabhängigen polnischen Gewerkschaft "Solidarność". Schließlich unterstützte die Hauptabteilung II Sicherheitsorgane in (pro)sozialistischen Entwicklungsländern, entsandte Berater und bildete deren Geheimdienstmitarbeiter in der DDR aus.
Die Hauptabteilung II verfügte über eigene Abteilungen für Fahndung, Logistik, operative Technik und Beobachtung und war in dieser Hinsicht nicht auf andere Abteilungen angewiesen. Zum unmittelbaren Anleitungsbereich des Leiters der Hauptabteilung II gehörte die Abteilung M (Postkontrolle).
1989 zählte die Hauptabteilung II in der Ostberliner Zentrale 1.432 hauptamtliche Mitarbeiter, in den Bezirksverwaltungen (BV) auf der Linie II weitere 934. Hinzu kamen Mitarbeiter in den Kreisdienststellen (KD), die die Aufgaben der Linie II ausführten. Genaue Zahlen der Inoffiziellen Mitarbeiter (IM) ließen sich bis heute nicht ermitteln. Die Hauptabteilung II hatte mindestens 3.000 IM, die Abt. II der BV etwa 4.000; hinzu kamen weitere IM der KD. 1976 führte die Hauptabteilung II im Westen 109 IM. Unter den West-IM befanden sich z. T. hochkarätige Agenten.
Abteilung zur Speicherung und Verwaltung von Informationen zu Personen und formgerecht geführten Vorgängen (Registratur und Archivaufgaben). 1950 als Abteilung Erfassung und Statistik gebildet, wurde sie 1951 in Abt. XII umbenannt und gehörte zu den auf der Linie des Ministers tätigen Diensteinheiten.
Abteilungen XII existierten in der Zentrale und dem Linienprinzip entsprechend in den BV. Die Kreisdienststellen (KD) archivierten ihre Ablagen nicht selbständig. Die HV A und die HA I besaßen jeweils eigene Registraturabteilungen, die karteimäßig mit der Zentrale verbunden waren. Die Abt. XII bestand aus den Bereichen Kartei und Archiv mit folgenden Hauptaufgaben: Kartei- bzw. Speicherführung und -änderung (Erfassung von Personen und Objekten; Registrierung von Vorgängen und archivierten Akten; Änderung von Personen- und / oder Erfassungsdaten), Archivierung, Überprüfung und Auskunftserteilung.
Die Grunddaten zu erfassten Personen und registrierten Vorgängen wurden in Karteien gespeichert. So war es möglich, jede Person zu überprüfen, zu identifizieren und ihr Verhältnis zum MfS festzustellen. Anfangs existierten für die Erfassung von Personen nur drei Kategorien: 1. "feindliche" Personen; 2. geheime Mitarbeiter (GM, GI, KW); 3. durch das MfS verhaftete Personen.
In den letzten 20 Jahren des MfS gab es im Bereich Kartei folgende wichtige Speicher: Personenkartei (F 16), Vorgangskartei (F 22, F 22 a), Feindobjektkartei (F 17), Decknamenkartei (F 77), Straßenkartei (F 78), Objektkartei für Konspirative Wohnungen und andere Objekte (F 80), IM-Vorauswahlkartei (IM-VAK). Außerdem gab es Neben- und Hilfskarteien. Allein in der Zentrale umfassten 1989 die 12 Hauptkarteien mehr als 18 Mio. Karteikarten.
Die Arbeiten in den Speichern und im Archiv erfolgten ausschließlich auf Anforderung der operativen Diensteinheiten. Diese konnten veranlassen, dass eine Person überprüft, erfasst bzw. ein Vorgang registriert (Registrierung) wurde. Um Mehrfachbearbeitungen zu vermeiden, durfte eine Person nur in einem registrierten Vorgang aktiv erfasst werden (Erfassung, aktive), umgekehrt konnten in einem Vorgang aber mehrere Personen registriert werden. Bei IM-Vorgängen wurde nur eine Person registriert, allerdings nicht bei der Hauptverwaltung A (HV A), wo neben dem IM auch Angehörige und mit dem IM in Verbindung stehende Personen im selben IM-Vorgang registriert werden konnten (Rosenholz).
Hauptaufgaben des Bereichs Archiv der Zentrale waren v. a.: Archivierung politisch- operativen Schriftgutes der Zentrale und speziellen Schriftgutes der BV; Archivierung von Schriftgut anderer staatlicher Institutionen; Erarbeitung und Speicherung von schriftlichen Auskünften; Ausleihe und Nachweisführung über Bewegung von Archivgut, Zuheftung, Kassation und Restaurierung.
Die Bestände teilten sich in die Operative Hauptablage, die Allgemeine Sachablage, den Bestand Kader und Schulung, den Bestand an Akten der Staatsanwaltschaft sowie diverse Sonderbestände und Teilablagen, darunter die Geheime Ablage sowie Akten der Verwaltung Aufklärung des Ministeriums für Nationale Verteidigung und Unterlagen aus der Zeit vor 1945, die aber bereits in den 60er Jahren in das gesonderte Archiv der HA IX/11 abgegeben wurden.
Zuletzt gab es Kategorien für ca. 30 verschiedene Erfassungsarten, die sämtlich separat geführt wurden, darunter: Untersuchungsvorgang, Operativer Vorgang, Operative Personenkontrolle, inoffizieller Mitarbeiter, Zelleninformator, Feindobjekt. Analog zur Registriernummer bei aktiven Vorgängen wurde für jede abzulegende Akte eine eigene Archivnummer vergeben.
Seit Beginn der 70er Jahre setzte das MfS zunehmend auf EDV, was in der Abteilung XII die Erfassung der zentralen Personenkartei F 16 in der elektronischen Datenbank System der automatischen Vorauswahl (SAVO) zur Folge hatte. Ab 1981 begann auch die Zentrale Auswertungs- und Informationsgruppe (ZAIG) mittels der Zentralen Personendatenbank (ZPDB) Einzelinformationen zu Personen und Sachverhalten elektronisch zu speichern. Trotzdem behielten manuell geführte Karteien und schriftliches Archiv bis zuletzt ihre grundlegende Bedeutung.
An den Grenzübergangsstellen (Güst) der DDR führten Passkontrolleinheiten (PKE) der Staatssicherheit die Identitätskontrollen und Fahndungsmaßnahmen durch und überwachten auf diese Weise den gesamten grenzüberschreitenden Verkehr. Im Zuge der Kontrollen realisierten sie auch operative Maßnahmen im Auftrag anderer Diensteinheiten des MfS. Die in den Uniformen der Grenztruppen auftretenden Angehörigen der PKE gehörten zur Linie VI des MfS (Passkontrolle, Tourismus, Interhotel).
Die Passkontrolle war seit 1962 in der Kompetenz des MfS, als das Aufgabengebiet vom Amt für Zoll und Kontrolle des Warenverkehrs auf die damals neu gegründete Arbeitsgruppe Passkontrolle und Fahndung überging. Hintergrund war u. a. die sich nach dem Mauerbau entwickelnde Fluchthilfe.
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Signatur: BStU, MfS, HA VI, Nr. 1308, Bl. 5-10
Am 8. April 1989 versuchten zwei DDR-Bürger, durch einen beherzten Sprint durch die Grenzübergangsstelle Chausseestraße in Berlin in den Westen zu fliehen. Erst der Warnschuss eines MfS-Angehörigen konnte die beiden stoppen.
Am 8. April 1989 wagten zwei DDR-Bürger in Ost-Berlin einen riskanten Fluchtversuch. Kurz vor halb zehn Uhr Morgens mischten sich die beiden Männer unter die Wartenden an der Grenzübergangsstelle Chausseestraße. Als der Schlagbaum auf Ostberliner Seite hochging, um ein Fahrzeug hindurchzulassen, sprinteten sie los. So schnell sie konnten rannten sie zwischen den wartenden Fahrzeugen hindurch und übersprangen zwei Barrieren. Auf den letzten Metern stellte sich ihnen ein Angehöriger der Passkontrolleinheit (PKE) in den Weg. Er gab einen Warnschuss ab, die Flüchtenden blieben sofort stehen und wurden von herbeigeeilten Soldaten der Grenztruppen und Angehörigen der PKE festgenommen.
Den spektakulären Fluchtversuch beschreibt das vorliegende Dokument minutiös. Verfasst hat es die zur Hauptabteilung VI der Staatssicherheit zählende zuständige Passkontrolleinheit. Der Fall wurde auch deswegen genau dokumentiert, weil er im Westen für Schlagzeilen gesorgt hatte. Schaulustige, die von Westberlin aus den Betrieb der Grenzübergangsstelle hatten beobachten wollen, waren Zeuge der dramatischen Ereignisse geworden.
Im Hinterland der Grenzübergangsstelle, bis unmittelbar vor dem Postenbereich Vorkontrolle, hielten sich zum Zeitpunkt des Vorkommnisses 13 wartende Personen auf. Der Aufenthalt von Personen ist hier statthaft und entspricht den üblichen Gegebenheiten, da der Grenzübergangsstelle Chausseestraße kein Grenzgebiet vorgelagert ist.
Die Täter hielten sich bei den wartenden Personen 2 m vor dem Sicherungsbereich Hinterland auf und beobachteten den grenzüberschreitenden Verkehr. Als der verkehrsregulierende Schlagbaum verkehrsbedingt geöffnet wurde, drangen beide Personen unter Ausnutzung der Fahrzeugbewegung im Laufschritt in die Grenzübergangsstelle ein. Der dort eingesetzte Mitarbeiter befand sich zu diesem Zeitpunkt zur Durchführung erforderlicher Abfertigungshandlungen neben einem PKW, den die Täter als Deckung für ihr Eindringen nutzten. Er konnte deshalb das Eindringen in die Grenzübergangsstelle nicht verhindern.
Von seinem Standort bis zum Alarmauslöseknopf am Postenhaus benötigte der Mitarbeiter ca. 7 Sekunden. In diesem Zeitraum hatten die Täter bereits die Zollkontrollinie erreicht und die geschlossene 80 cm hohe Passagensperre übersprungen.
Die 2 eingesetzten Mitarbeiter des Grenzzollamtes befanden sich nicht im Außenbereich des Kontrollterritoriums, sondern waren mit der Klärung eines Sachverhaltes bzw. der Realisierung des Mindestumtausches in Kontrollräumen beschäftigt. Dadurch war es den Tätern möglich, auf der Kfz-Spur zwischen den PKW laufend ungehindert weiter vorzudringen. Im beschleunigten Tempo durchrannten sie das 80 m lange Kontrollterritorium zwischen der Zollkontrollinie und dem Sicherungsbereich Vorfeld, wobei sie ein 1,30 m hohes Zaunfeld, welches den Fußgängerbereich von der Kfz-Spur trennt, übersprangen.
Hauptabteilung VI (Passkontrolle, Tourismus, Interhotel)
Die Hauptabteilung VI befasste sich mit dem grenzüberschreitenden Reiseverkehr. Sie wurde 1970 durch Fusion der Arbeitsgruppen "Passkontrolle und Fahndung" und "Sicherung des Reiseverkehrs" sowie der Zoll-Abwehr (Überwachung der Zoll-Mitarbeiter) gebildet. Die Hauptabteilung VI hatte an den Grenzübergängen der DDR die Reisenden zu kontrollieren und abzufertigen. Deshalb waren die DDR-Passkontrolleure hauptamtliche Mitarbeiter der Hauptabteilung VI. Zur Tarnung trugen sie Uniformen der Grenztruppen. Zunächst war 1950 die Grenzpolizei mit der Grenzabfertigung beauftragt worden.
Bei der Hauptabteilung VI wurden die Daten der Einreisenden einer ersten Analyse unterzogen, um politisch-operativ interessante Personen herauszufiltern. Die Grenzkontrolle umfasste für die Hauptabteilung VI auch die Überwachung der westlichen Grenzkontrollstellen, in Westberlin auch die der Flughäfen Tegel und Tempelhof sowie der Polizei und des Grenzzolldienstes. Zum Verantwortungsbereich der Hauptabteilung VI gehörte die lückenlose Überwachung der Transitstrecken von und nach Westberlin. Bei ihr liefen Avisierungen für bevorzugte Grenzabfertigungen zusammen.
1970 übernahm sie von der Hauptabteilung XX/5 die Aufgabe, Fluchtversuche zu unterbinden und Fluchthelfer im Westen zu verfolgen, was 1975/76 zu Teilen an die Zentrale Koordinierungsgruppe überging (Republikflucht). Die Hauptabteilung VI überwachte touristische Einrichtungen in der DDR, darunter die Reisebüros und die Interhotels. Ebenso kontrollierte sie DDR-Bürger bei ihren Reisen ins sozialistische Ausland, um Kontakte zu westlichen Staatsbürgern und Fluchtversuche ggf. zu unterbinden.
Die Operativgruppen des MfS in der ČSSR, Ungarn und Bulgarien waren ihr von 1970 bis 1989 unterstellt. 1989 gab sie deren Leitung an die Hauptabteilung II (HA II) ab. Im Verantwortungsbereich der Hauptabteilung VI wurden 1979–1981 drei Mordanschläge auf den Fluchthelfer Wolfgang Welsch durchgeführt, die dieser nur knapp überlebte.
Charakteristisch für die Hauptabteilung VI war die enge Kooperation mit vielen MfS-Diensteinheiten und anderen Institutionen wie Grenztruppen und Zoll, da im Bereich der Hauptabteilung VI eine Vielzahl von relevanten Erstinformationen und Daten zusammenkam. 1985 führte die Hauptabteilung VI 1.064 IM, darunter 67 West-IM, von denen 62 in Westberlin lebten.
An den Grenzübergangsstellen (Güst) der DDR führten Passkontrolleinheiten (PKE) der Staatssicherheit die Identitätskontrollen und Fahndungsmaßnahmen durch und überwachten auf diese Weise den gesamten grenzüberschreitenden Verkehr. Im Zuge der Kontrollen realisierten sie auch operative Maßnahmen im Auftrag anderer Diensteinheiten des MfS. Die in den Uniformen der Grenztruppen auftretenden Angehörigen der PKE gehörten zur Linie VI des MfS (Passkontrolle, Tourismus, Interhotel).
Die Passkontrolle war seit 1962 in der Kompetenz des MfS, als das Aufgabengebiet vom Amt für Zoll und Kontrolle des Warenverkehrs auf die damals neu gegründete Arbeitsgruppe Passkontrolle und Fahndung überging. Hintergrund war u. a. die sich nach dem Mauerbau entwickelnde Fluchthilfe.
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Signatur: BStU, MfS, HA VI, Nr. 1308, Bl. 5-10
Am 8. April 1989 versuchten zwei DDR-Bürger, durch einen beherzten Sprint durch die Grenzübergangsstelle Chausseestraße in Berlin in den Westen zu fliehen. Erst der Warnschuss eines MfS-Angehörigen konnte die beiden stoppen.
Am 8. April 1989 wagten zwei DDR-Bürger in Ost-Berlin einen riskanten Fluchtversuch. Kurz vor halb zehn Uhr Morgens mischten sich die beiden Männer unter die Wartenden an der Grenzübergangsstelle Chausseestraße. Als der Schlagbaum auf Ostberliner Seite hochging, um ein Fahrzeug hindurchzulassen, sprinteten sie los. So schnell sie konnten rannten sie zwischen den wartenden Fahrzeugen hindurch und übersprangen zwei Barrieren. Auf den letzten Metern stellte sich ihnen ein Angehöriger der Passkontrolleinheit (PKE) in den Weg. Er gab einen Warnschuss ab, die Flüchtenden blieben sofort stehen und wurden von herbeigeeilten Soldaten der Grenztruppen und Angehörigen der PKE festgenommen.
Den spektakulären Fluchtversuch beschreibt das vorliegende Dokument minutiös. Verfasst hat es die zur Hauptabteilung VI der Staatssicherheit zählende zuständige Passkontrolleinheit. Der Fall wurde auch deswegen genau dokumentiert, weil er im Westen für Schlagzeilen gesorgt hatte. Schaulustige, die von Westberlin aus den Betrieb der Grenzübergangsstelle hatten beobachten wollen, waren Zeuge der dramatischen Ereignisse geworden.
Der in der Paßkontrollinie tätige Mitarbeiter befand sich zum Zeitpunkt der Alarmauslösung im Bereich der Fußgängerabfertigung, welche durch einen Zaun von der Kfz-Spur getrennt ist. Er nahm die sofortige Verfolgung der Täter auf, konnte diese jedoch nicht mehr erreichen.
Der im Sicherungsbereich Vorfeld eingesetzte Mitarbeiter der Paßkontrolleinheit beobachtete zur Zeit der Alarmauslösung das Vorfeld der Grenzübergangsstelle, da sich auf dem dort befindlichen Podest, 8 m vom Postenhaus der PKE entfernt, 3 männliche und 1 weibliche Person aufhielten, die mit einem Fernglas die Grenzübergangsstelle intensiv beobachteten und Fotoaufnahmen fertigten.
Unmittelbar nach der Alarmauslösung orientierte sich der Mitarbeiter in Richtung Kontrollterritorium und Flanken der Grenzübergangstelle, um den Grund des Güst-Alarms festzustellen und entsprechend den Varianten zu handeln. Er sah 2 männliche Personen im Laufschritt in seinen Sicherungsbereich eindringen. Daraufhin verließ er unverzüglich sein Postenhaus und begab sich weisungsgerecht unmittelbar an den Zaun zwischen Fußgängerführung und Kfz-Spur im Bereich der Ein- und Ausfahrt nach Westberlin.
Die Täter hatten sich zu diesem Zeitpunkt getrennt und liefen auf verschiedenen Wegen in Richtung Ein- und Ausfahrt der Grenzübergangsstelle.
Auf Grund der Situation, insbesondere des getrennten Handelns der Täter, wurde dem Mitarbeiter bewußt, daß der Grenzdurchbruch durch ihn allein mit körperlichem Einsatz nicht mehr zu verhindern war. Er ging deshalb mit der Pistole im Anschlag in Stellung.
Hauptabteilung VI (Passkontrolle, Tourismus, Interhotel)
Die Hauptabteilung VI befasste sich mit dem grenzüberschreitenden Reiseverkehr. Sie wurde 1970 durch Fusion der Arbeitsgruppen "Passkontrolle und Fahndung" und "Sicherung des Reiseverkehrs" sowie der Zoll-Abwehr (Überwachung der Zoll-Mitarbeiter) gebildet. Die Hauptabteilung VI hatte an den Grenzübergängen der DDR die Reisenden zu kontrollieren und abzufertigen. Deshalb waren die DDR-Passkontrolleure hauptamtliche Mitarbeiter der Hauptabteilung VI. Zur Tarnung trugen sie Uniformen der Grenztruppen. Zunächst war 1950 die Grenzpolizei mit der Grenzabfertigung beauftragt worden.
Bei der Hauptabteilung VI wurden die Daten der Einreisenden einer ersten Analyse unterzogen, um politisch-operativ interessante Personen herauszufiltern. Die Grenzkontrolle umfasste für die Hauptabteilung VI auch die Überwachung der westlichen Grenzkontrollstellen, in Westberlin auch die der Flughäfen Tegel und Tempelhof sowie der Polizei und des Grenzzolldienstes. Zum Verantwortungsbereich der Hauptabteilung VI gehörte die lückenlose Überwachung der Transitstrecken von und nach Westberlin. Bei ihr liefen Avisierungen für bevorzugte Grenzabfertigungen zusammen.
1970 übernahm sie von der Hauptabteilung XX/5 die Aufgabe, Fluchtversuche zu unterbinden und Fluchthelfer im Westen zu verfolgen, was 1975/76 zu Teilen an die Zentrale Koordinierungsgruppe überging (Republikflucht). Die Hauptabteilung VI überwachte touristische Einrichtungen in der DDR, darunter die Reisebüros und die Interhotels. Ebenso kontrollierte sie DDR-Bürger bei ihren Reisen ins sozialistische Ausland, um Kontakte zu westlichen Staatsbürgern und Fluchtversuche ggf. zu unterbinden.
Die Operativgruppen des MfS in der ČSSR, Ungarn und Bulgarien waren ihr von 1970 bis 1989 unterstellt. 1989 gab sie deren Leitung an die Hauptabteilung II (HA II) ab. Im Verantwortungsbereich der Hauptabteilung VI wurden 1979–1981 drei Mordanschläge auf den Fluchthelfer Wolfgang Welsch durchgeführt, die dieser nur knapp überlebte.
Charakteristisch für die Hauptabteilung VI war die enge Kooperation mit vielen MfS-Diensteinheiten und anderen Institutionen wie Grenztruppen und Zoll, da im Bereich der Hauptabteilung VI eine Vielzahl von relevanten Erstinformationen und Daten zusammenkam. 1985 führte die Hauptabteilung VI 1.064 IM, darunter 67 West-IM, von denen 62 in Westberlin lebten.
An den Grenzübergangsstellen (Güst) der DDR führten Passkontrolleinheiten (PKE) der Staatssicherheit die Identitätskontrollen und Fahndungsmaßnahmen durch und überwachten auf diese Weise den gesamten grenzüberschreitenden Verkehr. Im Zuge der Kontrollen realisierten sie auch operative Maßnahmen im Auftrag anderer Diensteinheiten des MfS. Die in den Uniformen der Grenztruppen auftretenden Angehörigen der PKE gehörten zur Linie VI des MfS (Passkontrolle, Tourismus, Interhotel).
Die Passkontrolle war seit 1962 in der Kompetenz des MfS, als das Aufgabengebiet vom Amt für Zoll und Kontrolle des Warenverkehrs auf die damals neu gegründete Arbeitsgruppe Passkontrolle und Fahndung überging. Hintergrund war u. a. die sich nach dem Mauerbau entwickelnde Fluchthilfe.
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Fotodokumentation eines Fluchtversuchs auf der Grenzübergangsstelle Chausseestraße Dokument, 4 Seiten
Lageplan der Grenzübergangsstelle Chausseestraße mit Skizze des Verlaufs eines Fluchtversuches Dokument, 1 Seite
Weisung zur Sicherheit und Ordnung auf der Grenzübergangsstelle Heinrich-Heine-Straße Dokument, 26 Seiten
Befehl an die Grenztruppen über das Aussetzen des Schusswaffengebrauchs Dokument, 1 Seite