Signatur: BStu, MfS, ZAIG, Nr. 1799, Bl. 1-11
Als Willy Brandt am 19. März 1970 Erfurt besuchte, befürchtete die Staatssicherheit Unruhen unter den Bürgern. Diese Besorgnis teilte das MfS in einem Bericht der Partei- und Staatsführung mit.
Als sich am 19. März 1970 Bundeskanzler Willy Brandt und DDR-Ministerratsvorsitzender Willi Stoph in Erfurt begrüßten, trafen sich erstmals die Regierungschefs der beiden deutschen Staaten. Die Stasi bereitete sich schon längere Zeit auf das Treffen vor, wie der Minister für Staatssicherheit Erich Mielke mit Befehl 12/70 angewiesen hatte. Der Codename lautete dabei "Konfrontation".
Das MfS befürchtete Unruhen unter den Bürgern, wenn deren hohen Erwartungen an das Treffen enttäuscht würden. Zwei Tage vor der Begegnung, am 17. März 1970, verfasste die "Zentrale Auswertungs- und Informationsgruppe" (ZAIG) des MfS einen Bericht an die engere Staats- und Parteiführung über Stimmungslage in der DDR. Mit Besorgnis war darin vermerkt, dass die "Orientierung nach westlichen Rundfunk- und Fernsehsendern" zunahm und "politisch-ideologische Unklarheiten einen verhältnismäßig großen Umfang" bestanden. Insbesondere beunruhigte das MfS, dass "Brandt […] sogenannte menschliche Erleichterungen und Fragen der Familienzusammenführung behandeln" könnte.
Als Willy Brandt in Erfurt ankam, hatten sich bereits hunderte von Menschen eingefunden. Absperrungen wurden durchbrochen und erste "Willy, Willy" Rufe waren zu hören. Auf dem Bahnhofsvorplatz und vor dem Hotel "Erfurter Hof" lief dann die Situation aus dem Ruder. MfS und Volkspolizei konnten nicht verhindern, dass neben den ausgesuchten und als "zuverlässig" eingestuften Personen, auch andere, "normale" DDR-Bürger auf den Platz vor dem "Erfurter Hof" gelangten.
der Hauptstadt der DDR gesprochen worden) orientiert hätten. Es wird geschlußfolgert, durch diese Festlegung sei die von der BRD geplante Provokation mit Westberlin gescheitert. Häufig wird betont, die Einigung auf Erfurt müsse als ein Kompromiß der Vernunft betrachtet werden, der besonders zu begrüßen sei, da ursprünglich viele Bürger angenommen hätten, die Vorgespräche würden sich in die Länge ziehen bzw. früher oder später wegen der verschiedenen Standpunkte abgebrochen werden.
In zunehmendem Maße und häufig zugleich mit zustimmenden und anerkennenden Äußerungen zu den Vorschlägen der DDR verbunden, werden jedoch in allen Kreisen der Bevölkerung starke Zweifel hinsichtlich der Ergebnisse des Treffens geäußert.
Unter Bezugnahme auf die bisherige Ablehnung aller konstruktiven DDR-Vorschläge durch die Bonner Regierung wird darauf verwiesen, daß es durch die Haltung Bonns bisher zu keinen echten politischen Fortschritten gekommen sei. Durch die unverändert gebliebenen Machtverhältnisse in Westdeutschland sei nicht mit einem positiven Ausgang des Treffens zu rechnen.
In einer Reihe von Diskussionen wird betont, das Zusammentreffen der Beauftragten beider Regierungen solle nicht zu hoch bewertet werden, da die Bonner Regierung nach wie vor nicht bereit sei, von der Politik der Alleinvertretungsanmaßung abzugehen. Unter Hinweis auf den Dialog SED/SPD und den damals vorgesehenen Redneraustausch wird geäußert, daß es sich auch diesmal um einen erfolglosen Versuch der DDR handeln könnte, die Beziehungen zwischen beiden deutschen Staaten zu normalisieren, zumal die ablehnende Haltung des Bonner Bundeskanzlers in Grundfragen bereits klar zu erkennen sei.
Häufig wird vor einer Überbewertung der von Bonn gezeigten Verhandlungsbereitschaft und vor illusionären Erwartungen hinsichtlich der Ergebnisse des Erfurter Treffens gewarnt und dabei herausgestellt, das Treffen sei auch ohne wesentliche Verhandlungsergebnisse von großer Bedeutung.
Die ZAIG war das "Funktionalorgan" des Ministers für Staatssicherheit, die Schaltstelle im MfS, in der nahezu alle komplexen Stabsfunktionen konzentriert waren: die zentrale Auswertung und Information, einschließlich der Berichterstattung an die politische Führung, die Optimierung der entsprechenden Verfahren und Strukturen im Gesamtapparat des MfS, die zentralen Kontrollen und Untersuchungen und die Analyse der operativen Effektivität des MfS, die zentrale Planung und die Erarbeitung dienstlicher Bestimmungen, zudem die übergeordneten Funktionen im Bereich EDV sowie die Gewährleistung des internationalen Datenaustauschsystems der kommunistischen Staatssicherheitsdienste (SOUD). Nach der Eingliederung der Abteilung Agitation 1985 waren auch die Öffentlichkeitsarbeit und die Traditionspflege des MfS in der ZAIG als "Bereich 6" funktional verankert. Die ZAIG war im direkten Anleitungsbereich des Ministers angesiedelt; ihr waren zuletzt die formal selbständigen Abt. XII, XIII (Rechenzentrum) und die Rechtsstelle fachlich unterstellt.
Die ZAIG geht auf die nach dem Juniaufstand 1953 gegründete und von Heinz Tilch geleitete Informationsgruppe (IG) der Staatssicherheitszentrale zurück, die erstmals eine regelmäßige Lage- und Stimmungsberichterstattung für die Partei- und Staatsführung hervorbrachte. Diese entwickelte sich 1955/56 zur Abteilung Information mit drei Fachreferaten, wurde aber 1957 als Resultat des Konfliktes zwischen Ulbricht und Wollweber wieder stark reduziert. 1957 erhielt die Abteilung mit Irmler einen neuen Leiter, der jedoch bereits 1959 vom ehemaligen stellv. Leiter der HV A Korb abgelöst und zum Stellvertreter zurückgestuft wurde. Gleichzeitig wurde die Diensteinheit in Zentrale Informationsgruppe (ZIG) umbenannt; von da an lief auch die bisher eigenständige Berichterstattung der HV A über sie. 1960 wurde die Berichterstattung an die politische Führung durch einen Ministerbefehl präzise geregelt, und die ZIG erhielt mit der Neueinrichtung von Informationsgruppen in den BV und operativen HA einen soliden Unterbau.
1965 wurde die ZIG in ZAIG umbenannt und ein einheitliches Auswertungs- und Informationssystem eingeführt, das die Recherche und Selektion von Daten sowie die Organisierung von Informationsflüssen gewährleistete. In den operativen HA und BV erhielt die ZAIG mit den AIG entsprechende "Filialen". Im gleichen Jahr ging Korb in den Ruhestand, Irmler wurde wieder Leiter der Diensteinheit.
1968 wurde auch das Kontrollwesen der Staatssicherheit in die ZAIG eingegliedert, das im Dezember 1953 mit der Kontrollinspektion seinen ersten organisatorischen Rahmen erhalten hatte und 1957 mit der Umbenennung in AG Anleitung und Kontrolle erheblich qualifiziert worden war.
1969 erhielt die ZAIG auch die Verantwortung für den Einsatz der EDV. Das im Aufbau begriffene Rechenzentrum (Abt. XIII) wurde ihr unterstellt. In der ersten Hälfte der 70er Jahre bildeten sich vier Arbeitsbereiche der ZAIG heraus. Bereich 1: konkrete Auswertungs- und Informationstätigkeit und Berichterstattung an die politische Führung; Bereich 2: Kontrollwesen, die Erarbeitung von dienstlichen Bestimmungen sowie Prognose- und Planungsaufgaben; Bereich 3: Fragen der EDV; Bereich 4: Pflege und Weiterentwicklung der "manuellen" Bestandteile des Auswertungs- und Informationssystems. 1979 erhielt dieser Bereich auch die Verantwortung für das SOUD ("ZAIG/5").
Signatur: BStu, MfS, ZAIG, Nr. 1799, Bl. 1-11
Als Willy Brandt am 19. März 1970 Erfurt besuchte, befürchtete die Staatssicherheit Unruhen unter den Bürgern. Diese Besorgnis teilte das MfS in einem Bericht der Partei- und Staatsführung mit.
Als sich am 19. März 1970 Bundeskanzler Willy Brandt und DDR-Ministerratsvorsitzender Willi Stoph in Erfurt begrüßten, trafen sich erstmals die Regierungschefs der beiden deutschen Staaten. Die Stasi bereitete sich schon längere Zeit auf das Treffen vor, wie der Minister für Staatssicherheit Erich Mielke mit Befehl 12/70 angewiesen hatte. Der Codename lautete dabei "Konfrontation".
Das MfS befürchtete Unruhen unter den Bürgern, wenn deren hohen Erwartungen an das Treffen enttäuscht würden. Zwei Tage vor der Begegnung, am 17. März 1970, verfasste die "Zentrale Auswertungs- und Informationsgruppe" (ZAIG) des MfS einen Bericht an die engere Staats- und Parteiführung über Stimmungslage in der DDR. Mit Besorgnis war darin vermerkt, dass die "Orientierung nach westlichen Rundfunk- und Fernsehsendern" zunahm und "politisch-ideologische Unklarheiten einen verhältnismäßig großen Umfang" bestanden. Insbesondere beunruhigte das MfS, dass "Brandt […] sogenannte menschliche Erleichterungen und Fragen der Familienzusammenführung behandeln" könnte.
Als Willy Brandt in Erfurt ankam, hatten sich bereits hunderte von Menschen eingefunden. Absperrungen wurden durchbrochen und erste "Willy, Willy" Rufe waren zu hören. Auf dem Bahnhofsvorplatz und vor dem Hotel "Erfurter Hof" lief dann die Situation aus dem Ruder. MfS und Volkspolizei konnten nicht verhindern, dass neben den ausgesuchten und als "zuverlässig" eingestuften Personen, auch andere, "normale" DDR-Bürger auf den Platz vor dem "Erfurter Hof" gelangten.
Übereinstimmend wird eingeschätzt, daß das Informationsbedürfnis aller Schichten der Bevölkerung der DDR zum bevorstehenden Treffen in Erfurt außerordentlich stark gewachsen ist.
Von bestimmten Teilen der Bevölkerung wird betont, diesem Informationsbedürfnis werde seitens der Kommunikationsmittel in der DDR nicht im vollen Umfange Rechnung getragen. (Offensichtlich geht es diesen Kreisen um Mitteilungen über Detailfragen des Protokolls.)
Gleichlaufend mit dieser Tendenz wird eine stärkere Zunahme der Orientierung nach westlichen Rundfunk- und Fernsehsendern festgestellt.
Politisch unklare und spekulative Meinungsäußerungen lassen häufig auch deutlich den Einfluß des Westrundfunks und -fernsehens erkennen. Zum Teil werden die gegnerischen "Argumente" direkt in den Gesprächen verwandt. Im Zusammenhang mit Einschätzungen über die möglichen Ergebnisse des Treffens wird dabei u. a. auf Äußerungen des westdeutschen Regierungssprechers Ahlers verwiesen, der davon ausgegangen sei, daß Fragen der völkerrechtlichen Anerkennung der DDR nicht Gegenstand der Gespräche sein würden. Demzufolge könne auch nicht mit positiven Verhandlungsergebnissen gerechnet werden.
In anderen Gesprächen werden Fakten genannt, die in der DDR-Presse nicht in dieser Ausführlichkeit ausgewertet wurden (Empfang Scheels in Moskau, Verhandlungen von Duckwitz in Warschau, Empfang des sowjetischen Außenministers in der westdeutschen Botschaft u. a.).
Der gezeigte "Verhandlungswille der BRD" wird mehrfach auf Prestigefragen vor der internationalen und nationalen Öffentlichkeit zurückgeführt. Betont wird, Bundeskanzler Brandt wolle durch seine Verhandlungsbereitschaft eine Stärkung der SPD/FDP-Regierung erreichen und sich einen Weg für kommende Wahlen in der BRD ebnen.
In der Reaktion der Bevölkerung der DDR nehmen jedoch auch politisch-ideologische Unklarheiten einen verhältnismäßig großen Umfang ein.
Die ZAIG war das "Funktionalorgan" des Ministers für Staatssicherheit, die Schaltstelle im MfS, in der nahezu alle komplexen Stabsfunktionen konzentriert waren: die zentrale Auswertung und Information, einschließlich der Berichterstattung an die politische Führung, die Optimierung der entsprechenden Verfahren und Strukturen im Gesamtapparat des MfS, die zentralen Kontrollen und Untersuchungen und die Analyse der operativen Effektivität des MfS, die zentrale Planung und die Erarbeitung dienstlicher Bestimmungen, zudem die übergeordneten Funktionen im Bereich EDV sowie die Gewährleistung des internationalen Datenaustauschsystems der kommunistischen Staatssicherheitsdienste (SOUD). Nach der Eingliederung der Abteilung Agitation 1985 waren auch die Öffentlichkeitsarbeit und die Traditionspflege des MfS in der ZAIG als "Bereich 6" funktional verankert. Die ZAIG war im direkten Anleitungsbereich des Ministers angesiedelt; ihr waren zuletzt die formal selbständigen Abt. XII, XIII (Rechenzentrum) und die Rechtsstelle fachlich unterstellt.
Die ZAIG geht auf die nach dem Juniaufstand 1953 gegründete und von Heinz Tilch geleitete Informationsgruppe (IG) der Staatssicherheitszentrale zurück, die erstmals eine regelmäßige Lage- und Stimmungsberichterstattung für die Partei- und Staatsführung hervorbrachte. Diese entwickelte sich 1955/56 zur Abteilung Information mit drei Fachreferaten, wurde aber 1957 als Resultat des Konfliktes zwischen Ulbricht und Wollweber wieder stark reduziert. 1957 erhielt die Abteilung mit Irmler einen neuen Leiter, der jedoch bereits 1959 vom ehemaligen stellv. Leiter der HV A Korb abgelöst und zum Stellvertreter zurückgestuft wurde. Gleichzeitig wurde die Diensteinheit in Zentrale Informationsgruppe (ZIG) umbenannt; von da an lief auch die bisher eigenständige Berichterstattung der HV A über sie. 1960 wurde die Berichterstattung an die politische Führung durch einen Ministerbefehl präzise geregelt, und die ZIG erhielt mit der Neueinrichtung von Informationsgruppen in den BV und operativen HA einen soliden Unterbau.
1965 wurde die ZIG in ZAIG umbenannt und ein einheitliches Auswertungs- und Informationssystem eingeführt, das die Recherche und Selektion von Daten sowie die Organisierung von Informationsflüssen gewährleistete. In den operativen HA und BV erhielt die ZAIG mit den AIG entsprechende "Filialen". Im gleichen Jahr ging Korb in den Ruhestand, Irmler wurde wieder Leiter der Diensteinheit.
1968 wurde auch das Kontrollwesen der Staatssicherheit in die ZAIG eingegliedert, das im Dezember 1953 mit der Kontrollinspektion seinen ersten organisatorischen Rahmen erhalten hatte und 1957 mit der Umbenennung in AG Anleitung und Kontrolle erheblich qualifiziert worden war.
1969 erhielt die ZAIG auch die Verantwortung für den Einsatz der EDV. Das im Aufbau begriffene Rechenzentrum (Abt. XIII) wurde ihr unterstellt. In der ersten Hälfte der 70er Jahre bildeten sich vier Arbeitsbereiche der ZAIG heraus. Bereich 1: konkrete Auswertungs- und Informationstätigkeit und Berichterstattung an die politische Führung; Bereich 2: Kontrollwesen, die Erarbeitung von dienstlichen Bestimmungen sowie Prognose- und Planungsaufgaben; Bereich 3: Fragen der EDV; Bereich 4: Pflege und Weiterentwicklung der "manuellen" Bestandteile des Auswertungs- und Informationssystems. 1979 erhielt dieser Bereich auch die Verantwortung für das SOUD ("ZAIG/5").
Signatur: BStu, MfS, ZAIG, Nr. 1799, Bl. 1-11
Als Willy Brandt am 19. März 1970 Erfurt besuchte, befürchtete die Staatssicherheit Unruhen unter den Bürgern. Diese Besorgnis teilte das MfS in einem Bericht der Partei- und Staatsführung mit.
Als sich am 19. März 1970 Bundeskanzler Willy Brandt und DDR-Ministerratsvorsitzender Willi Stoph in Erfurt begrüßten, trafen sich erstmals die Regierungschefs der beiden deutschen Staaten. Die Stasi bereitete sich schon längere Zeit auf das Treffen vor, wie der Minister für Staatssicherheit Erich Mielke mit Befehl 12/70 angewiesen hatte. Der Codename lautete dabei "Konfrontation".
Das MfS befürchtete Unruhen unter den Bürgern, wenn deren hohen Erwartungen an das Treffen enttäuscht würden. Zwei Tage vor der Begegnung, am 17. März 1970, verfasste die "Zentrale Auswertungs- und Informationsgruppe" (ZAIG) des MfS einen Bericht an die engere Staats- und Parteiführung über Stimmungslage in der DDR. Mit Besorgnis war darin vermerkt, dass die "Orientierung nach westlichen Rundfunk- und Fernsehsendern" zunahm und "politisch-ideologische Unklarheiten einen verhältnismäßig großen Umfang" bestanden. Insbesondere beunruhigte das MfS, dass "Brandt […] sogenannte menschliche Erleichterungen und Fragen der Familienzusammenführung behandeln" könnte.
Als Willy Brandt in Erfurt ankam, hatten sich bereits hunderte von Menschen eingefunden. Absperrungen wurden durchbrochen und erste "Willy, Willy" Rufe waren zu hören. Auf dem Bahnhofsvorplatz und vor dem Hotel "Erfurter Hof" lief dann die Situation aus dem Ruder. MfS und Volkspolizei konnten nicht verhindern, dass neben den ausgesuchten und als "zuverlässig" eingestuften Personen, auch andere, "normale" DDR-Bürger auf den Platz vor dem "Erfurter Hof" gelangten.
Sie resultieren vor allem aus einer falschen Beurteilung bzw. Nichterkennung der Aggressivität des westdeutschen Imperialismus sowie aus dem Nichtverständnis der gegenwärtigen politischen Lage und der Deutschlandpolitik der DDR. In den meisten Fällen werden sie durch das Abhören westlicher Sender offensichtlich noch vergrößert.
So wird Unverständnis über das Beharren der DDR-Regierung auf der Forderung nach völkerrechtlicher Anerkennung geäußert. Es wäre angeblich richtiger, zunächst von dieser Position zurückzuweichen, um die "Verhandlungsbereitschaft der BRD" nicht zu schmälern und in Zukunft auszuweiten.
Mit den Vorschlägen auf völkerrechtliche Anerkennung sei die SPD überfordert. Es wäre wichtiger, zunächst Einigung über untergeordnete Fragen, wie über "Erleichterungen in den menschlichen Beziehungen", über Erweiterung der kommerziellen Beziehungen u. a., zu erzielen. Der Abschluß eines Vertrages, wie ihn die DDR vorgeschlagen habe, müsse am Ende der Verhandlungen stehen und nicht zur "Vorbedingung" gemacht werden. Nur wenn beide Seiten von ihren Grundsätzen "Abstriche" vornehmen würden, könne es zu einer Einigung kommen.
Andere Bürger äußern die Ansicht, ein Austausch von Gewaltverzichtserklärungen zwischen der SU und der BRD wäre ausreichend und gelte dann auch gleichzeitig für die DDR. Gleichzeitig wird geäußert, es sei gleichgültig, ob es im Ergebnis der Vorschläge zu einer völkerrechtlichen Anerkennung der DDR komme oder nicht; hauptsächlich es werde verhandelt, denn so lange verhandelt würde, käme es zu keinem Krieg.
Außerdem werden Argumente angeführt, die DDR solle bei den Verhandlungen mehr Entgegenkommen und Kompromißbereitschaft zeigen. Der Bonner Bundeskanzler habe Bereitschaft zu Verhandlungen bekundet und die DDR müsse Brandts Stellung gegenüber der Opposition berücksichtigen.
Bekämpfung von Widerstand und Opposition umschreibt, was zwischen 1950 und 1989 als eine Kernaufgabe des MfS galt. Gegen den Willen eines Großteils der ostdeutschen Bevölkerung wurde eine Diktatur etabliert, die nicht durch Wahlen legitimiert war: Dies war einer der Gründe für die Bildung des MfS am 8.2.1950.
Um ihren gesellschaftlichen Alleinvertretungs- und Herrschaftsanspruch zu sichern, schuf sich die SED als Repressions- und polizeistaatliche Unterdrückungsinstanz das MfS - das konsequenterweise so auch offiziell von ihr als "Schild und Schwert der Partei" bezeichnet wurde. Bereits in der "Richtlinie über die Erfassung von Personen, die eine feindliche Tätigkeit durchführen und von den Organen des MfS der DDR festgestellt wurden" vom 20.9.1950 wurde dementsprechend festgelegt, dass "alle Personen" zu registrieren seien, deren Verhalten geeignet war, die "Grundlagen" der DDR in Frage zu stellen.
Ferner wurde bestimmt, dass "über Personen, die eine feindliche Tätigkeit ausüben, [...] Vorgänge" anzulegen sind und über "die erfassten Personen [...] eine zentrale Kartei" einzurichten ist. Das offensive Vorgehen gegen Regimegegner erfuhr eine Ergänzung in den gleichzeitig getroffenen Festlegungen zur Übergabe der als "feindlich" klassifizierten Personen an die Staatsanwaltschaften.
Das MfS wurde somit bei der Bekämpfung von Widerstand und Opposition zur Ermittlungsinstanz; die nachfolgenden Urteile gegen Oppositionelle und Regimekritiker ergingen in enger Kooperation mit den vom MfS zumeist vorab instruierten Gerichten und zum Schein vermeintlicher Rechtsstaatlichkeit unter Hinzuziehung von mit dem MfS häufig zusammenarbeitenden Rechtsanwälten.
Inhalte, Auftreten und Erscheinungsbild von politisch abweichendem Verhalten, Widerstand und Opposition wandelten sich im Laufe der DDR-Geschichte. Zugleich änderten sich auch die Strategien und Methoden des MfS in Abhängigkeit vom konkreten Erscheinungsbild von Protest und Widerstand, aber auch analog zum Ausbauniveau des Apparates und seines Zuträger- und Informantennetzes sowie zur jeweils getroffenen Lageeinschätzung und unter Berücksichtigung der politischen Rahmenbedingungen.
Zu allen Zeiten gab es in beinahe allen Bevölkerungsgruppen und in allen Regionen Aufbegehren, Opposition und Widerstand. In den ersten Jahren nach Gründung der DDR gingen die SED und das MfS mit drakonischen Abschreckungsstrafen (u. a. Todesurteilen) gegen politische Gegner vor. Gefällt wurden die Urteile nicht selten in penibel vorbereiteten Strafprozessen mit präparierten Belastungszeugen und unter Verwendung erzwungener Geständnisse.
In mehreren Orten der DDR wurden z. B. Oberschüler (Werdau, Leipzig, Werder, Eisenfeld, Fürstenberg/Oder, Güstrow), die anknüpfend an das Vorbild der Gruppe "Weiße Rose" in der NS-Diktatur Widerstand geleistet hatte, zum Tode oder zu langjährigen Zuchthausstrafen verurteilt, weil sie Informationen gesammelt und Flugblätter verteilt hatten. Manch einer von ihnen überlebte die Haftbedingungen nicht oder nur mit dauerhaften gesundheitlichen Schäden.
Im Laufe der 50er Jahre ging das MfS schrittweise zum verdeckten Terror über. Nach wie vor ergingen langjährige Zuchthausstrafen; politische Opponenten, die von Westberlin aus die Verhältnisse in der DDR kritisierten, wurden - wie Karl Wilhelm Fricke 1955 - in geheimen Operationen entführt, nach Ostberlin verschleppt, in MfS-Haft festgehalten und vor DDR-Gerichte gestellt (Entführung).
Das Bestreben der SED, sich in der westlichen Öffentlichkeit aufgrund dieser ungelösten Fälle und angesichts eklatanter Menschenrechtsverletzungen nicht fortlaufender Kritik ausgesetzt zu sehen, führte, begünstigt durch die Absicht, der maroden Finanz- und Wirtschaftslage mit westlicher Unterstützung beizukommen, schrittweise zu einem Wandel. Im Ergebnis kam es auch zu einer Modifikation der MfS-Strategien im Vorgehen gegenüber Widerstand und Opposition.
Neben die im Vergleich zu den 50er Jahren zwar niedrigeren, für die Betroffenen aber nach wie vor empfindlich hohen Haftstrafen traten als beabsichtigt "lautloses" Vorgehen die Strategien der Kriminalisierung und Zersetzung. In einem "Entwurf der Sektion politisch-operative Spezialdisziplin" des MfS, der auf 1978 zu datieren ist, wird hierzu ausgeführt: "Um der Behauptung des Gegners die Spitze zu nehmen, dass wir ideologische Meinungsverschiedenheiten oder Andersdenkende mit Mitteln des sogenannten politischen Strafrechts bekämpfen, sind dazu noch wirksamer Maßnahmen zur Kriminalisierung dieser Handlungen sowie nicht strafrechtliche Mittel anzuwenden."
In der Richtlinie 1/76 "zur Entwicklung und Bearbeitung Operativer Vorgänge" vom Januar 1976 wurden unter Punkt 2.6 "die Anwendung von Maßnahmen der Zersetzung" geregelt und unter Punkt 2.6.2 die "Formen, Mittel und Methoden der Zersetzung" erörtert. Jene reichten u. a. von der "systematischen Diskreditierung des öffentlichen Rufes" auch mittels "unwahrer […] Angaben" und der "Verbreitung von Gerüchten" über das "Erzeugen von Misstrauen", dem "Vorladen von Personen zu staatlichen Dienststellen" bis zur "Verwendung anonymer oder pseudonymer Briefe, […] Telefonanrufe".
Mit der "Ordnungswidrigkeitenverordnung" (OWVO) von 1984 ging man zudem verstärkt dazu über, politisch unliebsame Personen, sofern sie sich an Protesten beteiligten, mit Ordnungsstrafen zu überziehen und sie somit materiell unter Druck zu setzen. All diese Maßnahmen sollten nach außen hin den Eindruck erwecken, dass das MfS weniger rigoros als in früheren Jahren gegen Regimegegner vorging.
Nach der Freilassung von Oppositionellen, die kurz zuvor während der Durchsuchung der Umweltbibliothek 1987 und nach den Protesten am Rande der Liebknecht-Luxemburg-Demonstration 1988 in Berlin inhaftiert worden waren, äußerten selbst SED-Mitglieder Zweifel, ob das MfS noch in der Lage sei, offensiv und effektiv gegen politische Opponenten vorzugehen.
Hochgerüstet und allemal zum Einschreiten bereit, trat das MfS jedoch noch bis in den Herbst 1989 gegenüber weniger prominenten Menschen in Aktion, die Widerstand leisteten, inhaftierte diese und ließ gegen sie hohe Haftstrafen verhängen. Bis zum Ende der DDR schritt das MfS bei sog. Demonstrativhandlungen ein und ging gegen - wie es hieß - ungesetzliche Gruppenbildungen vor.
Die ZAIG war das "Funktionalorgan" des Ministers für Staatssicherheit, die Schaltstelle im MfS, in der nahezu alle komplexen Stabsfunktionen konzentriert waren: die zentrale Auswertung und Information, einschließlich der Berichterstattung an die politische Führung, die Optimierung der entsprechenden Verfahren und Strukturen im Gesamtapparat des MfS, die zentralen Kontrollen und Untersuchungen und die Analyse der operativen Effektivität des MfS, die zentrale Planung und die Erarbeitung dienstlicher Bestimmungen, zudem die übergeordneten Funktionen im Bereich EDV sowie die Gewährleistung des internationalen Datenaustauschsystems der kommunistischen Staatssicherheitsdienste (SOUD). Nach der Eingliederung der Abteilung Agitation 1985 waren auch die Öffentlichkeitsarbeit und die Traditionspflege des MfS in der ZAIG als "Bereich 6" funktional verankert. Die ZAIG war im direkten Anleitungsbereich des Ministers angesiedelt; ihr waren zuletzt die formal selbständigen Abt. XII, XIII (Rechenzentrum) und die Rechtsstelle fachlich unterstellt.
Die ZAIG geht auf die nach dem Juniaufstand 1953 gegründete und von Heinz Tilch geleitete Informationsgruppe (IG) der Staatssicherheitszentrale zurück, die erstmals eine regelmäßige Lage- und Stimmungsberichterstattung für die Partei- und Staatsführung hervorbrachte. Diese entwickelte sich 1955/56 zur Abteilung Information mit drei Fachreferaten, wurde aber 1957 als Resultat des Konfliktes zwischen Ulbricht und Wollweber wieder stark reduziert. 1957 erhielt die Abteilung mit Irmler einen neuen Leiter, der jedoch bereits 1959 vom ehemaligen stellv. Leiter der HV A Korb abgelöst und zum Stellvertreter zurückgestuft wurde. Gleichzeitig wurde die Diensteinheit in Zentrale Informationsgruppe (ZIG) umbenannt; von da an lief auch die bisher eigenständige Berichterstattung der HV A über sie. 1960 wurde die Berichterstattung an die politische Führung durch einen Ministerbefehl präzise geregelt, und die ZIG erhielt mit der Neueinrichtung von Informationsgruppen in den BV und operativen HA einen soliden Unterbau.
1965 wurde die ZIG in ZAIG umbenannt und ein einheitliches Auswertungs- und Informationssystem eingeführt, das die Recherche und Selektion von Daten sowie die Organisierung von Informationsflüssen gewährleistete. In den operativen HA und BV erhielt die ZAIG mit den AIG entsprechende "Filialen". Im gleichen Jahr ging Korb in den Ruhestand, Irmler wurde wieder Leiter der Diensteinheit.
1968 wurde auch das Kontrollwesen der Staatssicherheit in die ZAIG eingegliedert, das im Dezember 1953 mit der Kontrollinspektion seinen ersten organisatorischen Rahmen erhalten hatte und 1957 mit der Umbenennung in AG Anleitung und Kontrolle erheblich qualifiziert worden war.
1969 erhielt die ZAIG auch die Verantwortung für den Einsatz der EDV. Das im Aufbau begriffene Rechenzentrum (Abt. XIII) wurde ihr unterstellt. In der ersten Hälfte der 70er Jahre bildeten sich vier Arbeitsbereiche der ZAIG heraus. Bereich 1: konkrete Auswertungs- und Informationstätigkeit und Berichterstattung an die politische Führung; Bereich 2: Kontrollwesen, die Erarbeitung von dienstlichen Bestimmungen sowie Prognose- und Planungsaufgaben; Bereich 3: Fragen der EDV; Bereich 4: Pflege und Weiterentwicklung der "manuellen" Bestandteile des Auswertungs- und Informationssystems. 1979 erhielt dieser Bereich auch die Verantwortung für das SOUD ("ZAIG/5").
Abschlussbericht zur Aktion "Konfrontation" anlässlich des DDR-Besuchs von Willy Brandt Dokument, 39 Seiten
Bericht über die Maßnahmen zur Absicherung des Treffens zwischen Willi Stoph und Willy Brandt Dokument, 17 Seiten
Stimmungsbericht zur Reaktion der Bevölkerung auf den Rücktritt Willy Brandts Dokument, 11 Seiten
Information über den Besuch Kennedys in der Bundesrepublik und West-Berlin Dokument, 8 Seiten