Signatur: BStU, MfS, HA XX/4, Nr. 1182, Bl. 1-5
Seit 1962 gab es in der DDR die allgemeine Wehrpflicht, zwei Jahre später auch einen Ersatzdienst - die Bausoldaten. Dass diese Möglichkeit nicht zu viele junge Männer wahrnahmen, dafür sorgte auch die Stasi.
1962 führte die DDR die allgemeine Wehrpflicht ein. Über 15.000 junge Männer verweigerten den 18-monatigen Dienst an der Waffe aus Gewissensgründen. Insbesondere die evangelische Kirche setzte sich für die Verweigerer ein und forderte die Einführung eines Ersatzdienstes. Mit Erfolg: 1964 trat die Bausoldatenverordnung in Kraft. Es entstand etwas völlig Neues: ein Soldat ohne Waffe und ohne Eid – ein Bausoldat. Die DDR war der einzige Staat im Warschauer Pakt, in dem es einen Wehrersatzdienst gab.
Die Bausoldaten blieben jedoch vollständig in die militärische Struktur der Nationalen Volksarmee (NVA) eingebunden. Sie mussten Uniform tragen, auf deren Schulterstücken Spaten abgebildet waren. Damit sollten sie stigmatisiert werden. Anstelle des Fahneneides mussten die Bausoldaten ein Gelöbnis sprechen. Einen zivilen Wehrersatzdienst gab es bis zum Ende der DDR nicht. Dass es möglich war, den Wehrdienst zu verweigern, sprach sich zunächst nur langsam herum. Selbst innerhalb der Kirche machten nur wenige engagierte Pfarrer diese Option unter den jungen Christen publik. Viele junge Männer wurden gegen ihr Gewissen und ihren Glauben zum Dienst an der Waffe gezwungen. Der vorliegende Maßnahmeplan der Stasi zeigt, wie Inoffizielle Mitarbeiter in kirchlichen Schlüsselpositionen für diese "Disziplinierung" sorgten.
Org 102
Org 212/I
V/9
14. Januar 1980
über die Erarbeitung einer sogenannten Arbeitshilfe zur seelsorgerischen Beratung von Wehrpflichtigen durch des Evangelische Jungmännerwerk in der DDR
Durch die Kommission Kirchliche Jugendarbeit beim Bund der Evangelischen Kirchen in der DDR wurde im Oktober 1978 der Beschluß gefaßt, daß die „Handreichung zur Seelsorge an Wehrpflichtigen“ aus dem Jahre 1965 von dem Evangelischen Jungmännerwerk in der DDR aus heutiger Sicht auf ihre Gültigkeit Oberarbeitet wird.
Bei der Handreichung von 1965 handelt es sich um eine vom ehemaligen Bischof [geschwärzt] (Magdeburg) erarbeitete Schrift zur Anleitung der Arbeit mit wehrpflichtigen religiös gebundenen Jugendlichen.
Bereits mit dieser Schrift wurden Jugendliche gegen die aktive Wehrbereitschaft beeinflußt und die Friedenspolitik der DDR in Frage gestellt.
Es soll bei der Neufassung der Handreichung insbesondere auch auf Probleme der Seelsorge an Jugendlich-n unter 13 Jahren» in Anbetracht der Einführung des Unterrichtsfaches sozialistische Wehrerziehung an den POS* eingegangen werden.
Durch den Leiter des Evangelischen Jungmännerwerkes in der DDR [geschwärzt] (Berlin) wurde aus den Mitgliedern der Arbeitsgruppe Friedensdienst des Evangelischen Jungmännerwerkes sowie Propst [geschwärzt] (Erfurt) und dem Referenten für Friedensfragen beim Bund der Evangelischen Kirchen in der DDR [geschwärzt] (Berlin) hierzu eine Arbeitsgruppe gebildet, die eine sogenannte Arbeitshilfe zur seelsorgerischen Beratung von Wehrpflichtigen 1979 erarbeitete.
Diese Arbeitshilfe wendet sich u.a. gegen die vormilitärische Ausbildung in der DDR. So zum Beispiel in der Feststellung:
"…, daß infolge der Situation eines weltweiten Wettrüstens in vielen Gesellschaften eine Militarisierung Immer weiterer Bereiche des öffentlichen Lebens stattgefunden hat und noch im Anwachsen begriffen ist.
In diesem Zusammenhang ist auch die schulische und außerschulische Einbeziehung von Kindern und Jugendlichen in wehrpolitisches und militärisches Denken zu sehen.
In der Einführung des Wehrunterrichtes für die Schüler der 9. und 10. Klassen der Allgemeinbildenden Polytechnischen Oberschulen in der DDR hat diese Entwicklung ihren besonders sichtbaren Ausdruck gefunden." (Seite 3)
Organisationsstruktur in der MfS-Zentrale, die durch den Minister oder dessen Stellvertreter direkt angeleitet und durch militärische Einzelleiter geführt wurde. Die weiter untergliederten AG prägten Linien aus (z. B. Zentrale Arbeitsgruppe Geheimnisschutz – ZAGG) oder blieben auf die Zentrale beschränkt (z. B. AG XVII). Die monothematischen Zuständigkeiten konnten operative Verantwortung und Federführung einschließen. AG wird auch als Bezeichnung einer nichtstrukturellen Organisationsform oder unselbständigen Untergliederungsebene im MfS verwendet.
Die Kirchen gerieten nicht selten unter Verdacht, gegen die politischen Verhältnisse in der DDR zu opponieren. Das lag an ihrer weitgehenden Eigenständigkeit, an der christlichen Botschaft, die von den kommunistischen Ideologen als konkurrierendes Sinn- und Erklärungsangebot abgelehnt wurde, sowie an ihrem Beharren auf Mitsprache und Gestaltungsanspruch in gesellschaftlichen Fragen. Im Auftrag der SED wurde daher das MfS tätig, um die von den Kirchen ausgehenden vermeintlichen und tatsächlichen Gefahren für das politisch-ideologische System der DDR abzuwehren.
Die SED-Kirchenpolitik war in den vier Jahrzehnten der DDR Wandlungen unterworfen. In den 50er Jahren führte die SED mehrfach einen offenen Kirchenkampf. Dieser richtete sich u. a. gegen die kirchliche Jugend- und Studentenarbeit, v. a. bei der Einführung der Jugendweihe, sowie gegen karitative Einrichtungen wie die Bahnhofsmissionen. Mehrere Religionsgemeinschaften wurden verboten und deren Anhänger verfolgt.
Die SED war zudem bestrebt, die Verlesung von solchen Hirtenbriefen und Kanzelabkündigungen zu unterbinden, in denen sozialethische, gesellschaftskritische oder politische Fragen aufgegriffen wurden. Von der Polizei und dem MfS wurden kirchliche Einrichtungen durchsucht und Literatur beschlagnahmt. Neben kirchlichen Mitarbeitern wurden unter Mitwirkung des MfS auch Pfarrer – zwischen 1950 und 1960 mindestens 140 – inhaftiert.
Ab den 60er Jahren beschränkte sich die SED zunehmend darauf, durch eine rigorose Auslegung der Veranstaltungsordnung unerwünschte kirchliche Aktivitäten zu behindern. Das offizielle Eindringen in kirchliche Räume wie im November 1987, als es nachts in der Zionsgemeinde in Ostberlin zu Durchsuchungen und Festnahmen kam, war in den 70er und 80er Jahren eher untypisch, weil dies die Staat-Kirche-Beziehungen erheblich belastete. Vor allem seit 1978 bemühte sich die SED, ein Stillhalteabkommen zwischen Kirchenleitungen und Staat zu respektieren.
Das MfS versuchte aber stets, indirekt Einfluss auf kirchliche Entscheidungen zu nehmen. Dies und die verdeckte Informationsbeschaffung zählten zu den Hauptbetätigungsfeldern des MfS im Rahmen der von der SED konzipierten Kirchenpolitik. Die Informationsbeschaffung erfolgte mittels Observation, IM-Einsatz und auf dem Weg der sog. Gesprächsabschöpfung. Dabei gelang es in Einzelfällen auch, Christen in kirchlichen Leitungspositionen als IM zu gewinnen.
So arbeitete der thüringische Kirchenjurist und Oberkirchenrat Gerhard Lotz seit 1955 mit dem MfS als IM "Karl" zusammen. Durch die Positionierung eines Offiziers im besonderen Einsatz im Konsistorium in Magdeburg, Detlev Hammer, der ab 1974 juristischer, dann Oberkonsistorialrat war, vermochte es das MfS, einen hauptamtlichen Mitarbeiter innerhalb der Leitungsstruktur der provinzsächsischen Kirche zu platzieren. Außerdem hatte das MfS gegenüber den Kirchen dann tätig zu werden, wenn Verdachtsmomente dafür vorlagen, dass die Kirchen über den ihnen von der SED zugewiesenen religiös-kultischen Bereich hinaus tätig wurden.
Dementsprechend observierte das MfS Kirchengemeinden und Pfarrer, die – wie es beim MfS hieß – im Rahmen der "Partnerschaftsarbeit" Besuchskontakt zu Kirchengemeinden in der Bundesrepublik unterhielten. Das MfS legte hierzu OV an und ermittelte gegen die Organisatoren der Zusammenkünfte.
Als Ziele der MfS-Aufklärung galten ebenso kirchliche Synoden und Basistreffen, auf denen grundsätzlich die potenzielle Gefahr bestand, dass Kritik an den Verhältnissen in der DDR geübt werden würde. In das Blickfeld des MfS rückten die evangelischen Kirchen insbesondere ab Mitte der 70er Jahre: Zunächst rief die auch unter nichtkirchlichen Jugendlichen an Attraktivität gewinnende kirchliche Jugendarbeit, dann die Friedens-, Umwelt- und Menschenrechtsarbeit unter dem Dach der Kirche den Argwohn des MfS hervor.
Insgesamt war das MfS nur eine von mehreren Institutionen des SED-Staates, die im Rahmen der SED-Kirchenpolitik tätig wurden. Im Zusammenspiel mit ihnen versuchte das MfS, die Kirchen zu kontrollieren und zu disziplinieren.
In Auswertung der kirchenpolitischen Kampagnen der 50er Jahre und bestärkt durch konzeptionelle Arbeiten, drängte die SED-Führung ab Anfang der 80er Jahre zunehmend auf ein koordiniertes Vorgehen. Die vom MdI und den Abteilungen für Inneres erstellten Rapportmeldungen, Berichte und Personeneinschätzungen zu Gottesdiensten und kirchlichen Mitarbeitern wurden vereinbarungsgemäß dem MfS zur Verfügung gestellt und bildeten häufig den Grundstock jener Berichte und Personencharakteristiken, die sich in den Beständen des MfS wiederfinden.
Bereits vor Gründung des MfS hatte bei der Deutschen Verwaltung des Innern in der Abteilung K 5 das Referat C 3 existiert. Als Aufgabenbeschreibung wurde die "Aufklärung und Bekämpfung der kirchlichen Feindtätigkeit" genannt. Ab 1950 bestand im MfS zunächst die Abteilung V, die sich ab 1953 Hauptabteilung V nannte und 1964 im Zuge einer Umstrukturierung zur Hauptabteilung XX wurde.
Innerhalb dieser Organisationsstruktur zeichnete die Abt. 4 für die "Bearbeitung" der Kirchen verantwortlich. 1988 gliedert sich diese in sechs Fachreferate, wobei je eins für die evangelischen Kirchen, die katholische Kirche sowie die Religionsgemeinschaften und Sekten zuständig war. Ein Referat widmete sich Operativen Vorgängen. Als Schwerpunkt der Arbeit wurde die "Bekämpfung der politischen Untergrundtätigkeit" benannt. Zwei weitere Referate nahmen koordinierende Funktionen wahr.
Neben der Hauptabteilung XX/4 stützte sich das MfS bei der Bekämpfung und Infiltration der Kirchen auf die Zuarbeit verschiedener Hauptabteilungen und Abteilungen - so u. a. auf die Dienste der HV A bei der "Aufklärung" von westlichen Partnergemeinden und Pfarrern, die die kirchliche Friedensarbeit in den ostdeutschen Gemeinden unterstützten. Im Fall der Inhaftierung kirchlicher Mitarbeiter übernahm die Hauptabteilung IX als Untersuchungsorgan den Vorgang.
Hinzu kamen andere institutionalisierte Formen der "Bearbeitung". Als politisch-ideologische fungierte ab 1958 das Referat Familienforschung, das Verwicklungen missliebiger Kirchenvertreter in das NS-Regime aufdecken oder konstruieren sollte, um die so Diffamierten unter Druck setzen zu können. Angesiedelt war es beim Deutschen Zentralarchiv in Potsdam. Es verwaltete verschiedene aus NS-Beständen stammende Unterlagen und wertete sie aus. Dabei handelte es sich um eine verdeckt arbeitende Einrichtung des MfS.
Um den steigenden Informationsbedarf – unter Berücksichtigung der Spezifik kirchlicher und religiöser Angelegenheiten – zu decken und um Sonderaufträge u. a. auch im Ausland ausführen zu können, etablierte das MfS 1960 die sog. Auswertungsgruppe, die dem Referat V zugeordnet wurde. In einem konspirativen Objekt in Berlin-Pankow ("Institut Wandlitz") arbeiteten hauptamtliche IM und mehrere OibE zusammen.
Seine "Absicherung" fand das Vorgehen des MfS gegenüber den Kirchen durch ein umfangreiches Netz von OibE und IM, die das MfS im Staatssekretariat für Kirchenfragen und in den Kirchenabteilungen der DDR-Bezirke unterhielt. 1989 gab es im Staatssekretariat drei OibE; zudem berichtete der persönliche Referent und Büroleiter der Staatssekretäre Hans Seigewasser und Klaus Gysi, Horst Dohle, ab 1975 als IM "Horst" dem MfS. Insgesamt aber gelang es dem MfS nicht, die Kirchen umfassend zu unterwandern.
Organisationsstruktur in der MfS-Zentrale, die durch den Minister oder einen seiner Stellvertreter direkt angeleitet wurde. Die zuletzt 13 Hauptabteilungen wurden durch Einzelleiter geführt. Die weiter untergliederten und nach dem Linienprinzip tätigen HA waren für komplexe, abgegrenzte Bereiche operativ zuständig und federführend verantwortlich. Der Zuschnitt der Zuständigkeitsbereiche war an Ressorts oder geheimdienstlichen Praktiken (z. B. Verkehrswesen, Beobachtung, Funkspionage) orientiert.
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Signatur: BStU, MfS, HA XX/4, Nr. 1182, Bl. 1-5
Seit 1962 gab es in der DDR die allgemeine Wehrpflicht, zwei Jahre später auch einen Ersatzdienst - die Bausoldaten. Dass diese Möglichkeit nicht zu viele junge Männer wahrnahmen, dafür sorgte auch die Stasi.
1962 führte die DDR die allgemeine Wehrpflicht ein. Über 15.000 junge Männer verweigerten den 18-monatigen Dienst an der Waffe aus Gewissensgründen. Insbesondere die evangelische Kirche setzte sich für die Verweigerer ein und forderte die Einführung eines Ersatzdienstes. Mit Erfolg: 1964 trat die Bausoldatenverordnung in Kraft. Es entstand etwas völlig Neues: ein Soldat ohne Waffe und ohne Eid – ein Bausoldat. Die DDR war der einzige Staat im Warschauer Pakt, in dem es einen Wehrersatzdienst gab.
Die Bausoldaten blieben jedoch vollständig in die militärische Struktur der Nationalen Volksarmee (NVA) eingebunden. Sie mussten Uniform tragen, auf deren Schulterstücken Spaten abgebildet waren. Damit sollten sie stigmatisiert werden. Anstelle des Fahneneides mussten die Bausoldaten ein Gelöbnis sprechen. Einen zivilen Wehrersatzdienst gab es bis zum Ende der DDR nicht. Dass es möglich war, den Wehrdienst zu verweigern, sprach sich zunächst nur langsam herum. Selbst innerhalb der Kirche machten nur wenige engagierte Pfarrer diese Option unter den jungen Christen publik. Viele junge Männer wurden gegen ihr Gewissen und ihren Glauben zum Dienst an der Waffe gezwungen. Der vorliegende Maßnahmeplan der Stasi zeigt, wie Inoffizielle Mitarbeiter in kirchlichen Schlüsselpositionen für diese "Disziplinierung" sorgten.
In einem speziellen Abschnitt (Saite 11-14) zur allgemeinen und schulischen Wehrerziehung wurden zu den bereits in der Handreichung von 1965 angeführten Feststellungen (als Fragen bezeichnet) Ergänzungen im Blick auf die schulische Wehrerziehung vorgenommen.
So wurden wiederholt die provokatorischen Ausführungen von 1965 aufgenommen und als heute noch gültig erklärt.
Zum Beispiel:
"Die Erziehung der Angehörigen jeder abschreckungsfähigen Armee zur Bereitschaft des letzten Einsatzes - also auch des Lebenseinsatzes für das Letzte« also höchste Gut (in der DDR z.B. Schutz des sozialistischen Vaterlandes/Errungenschaften). Eine auf diese Weise um der Kampfkraft willen ideologische Armee fällt in den Anachronismus einer voratomaren Weltlage zurück, wobei das gesellschaftliche Bewußtsein in gefährlicher Weise hinter der Realität der Weltlage zurückbleibt.“
"Jede abschreckungsfähige Armee kann die Bereitschaft zum bedingungslosen Waffeneinsatz (Vernichtung des Gegners) bei bei den eigenen Angehörigen nur erzeugen, wenn sie den Gegner als gefährlichen Verbrecher beschreibt. Diese Erziehung zu einen Freund-Feind-Denken iss Schwarz-Weiß-Klischee verhindert jedoch die Ausbildung menschlicher Fähigkeiten bei der Suche nach Konfliktlösungen und die Kompromißfähigkelt. Sie ist darum geeignet, junge Menschen von einem eigenen, engagierten Friedenshandeln abzuhalten.“
“Jede abschreckungsfähige, ideologisierte Armee bildet im Interesse der Kampfkraft eine Propagandasprache aus, welche die Vorbereitung auf den Krieg - der in Wahrheit Massenvernichtung bedeutet - den Angehörigen verdeckt und so ihr Gewissen gar nicht erst wach werden läßt. In dieser Sprache wird der militärischen Ausbildung immer ein sportlicher Reiz angedichtet und der technische Ehrgeiz junger Menschen angesprochen. Die HR 65 stellt fest, daß diese Sprachregelungen alle in der DDR veröffentlichten Publikationen durchziehen.“
In Anbetracht der Einführung des Wehrunterrichtes wird dazu in der "Arbeitshilfe 1979" ergänzt:
"… Verharmlosung des Krieges ist mit einer Gewähnung der jungen Generation an dessen Gefahr verbunden und wird mitunter durch die Romantisierung kriegerischer Kampfhandlungen ergänzt.“
“Durch die Herstellung, den Verkauf und die Verbreitung von Kriegsspielzeug wird Kindern und Jugendlichen die Auffassung nahe gebracht, daß der Krieg und die militärische Auseinandersetzung etwas Normales … seien."
Organisationsstruktur in der MfS-Zentrale, die durch den Minister oder einen seiner Stellvertreter direkt angeleitet wurde. Die zuletzt 13 Hauptabteilungen wurden durch Einzelleiter geführt. Die weiter untergliederten und nach dem Linienprinzip tätigen HA waren für komplexe, abgegrenzte Bereiche operativ zuständig und federführend verantwortlich. Der Zuschnitt der Zuständigkeitsbereiche war an Ressorts oder geheimdienstlichen Praktiken (z. B. Verkehrswesen, Beobachtung, Funkspionage) orientiert.
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Signatur: BStU, MfS, HA XX/4, Nr. 1182, Bl. 1-5
Seit 1962 gab es in der DDR die allgemeine Wehrpflicht, zwei Jahre später auch einen Ersatzdienst - die Bausoldaten. Dass diese Möglichkeit nicht zu viele junge Männer wahrnahmen, dafür sorgte auch die Stasi.
1962 führte die DDR die allgemeine Wehrpflicht ein. Über 15.000 junge Männer verweigerten den 18-monatigen Dienst an der Waffe aus Gewissensgründen. Insbesondere die evangelische Kirche setzte sich für die Verweigerer ein und forderte die Einführung eines Ersatzdienstes. Mit Erfolg: 1964 trat die Bausoldatenverordnung in Kraft. Es entstand etwas völlig Neues: ein Soldat ohne Waffe und ohne Eid – ein Bausoldat. Die DDR war der einzige Staat im Warschauer Pakt, in dem es einen Wehrersatzdienst gab.
Die Bausoldaten blieben jedoch vollständig in die militärische Struktur der Nationalen Volksarmee (NVA) eingebunden. Sie mussten Uniform tragen, auf deren Schulterstücken Spaten abgebildet waren. Damit sollten sie stigmatisiert werden. Anstelle des Fahneneides mussten die Bausoldaten ein Gelöbnis sprechen. Einen zivilen Wehrersatzdienst gab es bis zum Ende der DDR nicht. Dass es möglich war, den Wehrdienst zu verweigern, sprach sich zunächst nur langsam herum. Selbst innerhalb der Kirche machten nur wenige engagierte Pfarrer diese Option unter den jungen Christen publik. Viele junge Männer wurden gegen ihr Gewissen und ihren Glauben zum Dienst an der Waffe gezwungen. Der vorliegende Maßnahmeplan der Stasi zeigt, wie Inoffizielle Mitarbeiter in kirchlichen Schlüsselpositionen für diese "Disziplinierung" sorgten.
"In der Erziehung von Kindern und ¿Jugendlichen zu künftiger Wehrbereitschaft wird durch Begeisterungsfähigkeit für Technik und Abenteuer voll genutzt.“
In bezug auf die schulische Wehrerziehung wird die Frage aufgeworfen, weichen Sinn sie haben soll. Jugendliche seien noch nicht in der Lage, Entscheidungen zur Anwendung von Waffengewalt zu treffen.
Größeren Raum wird in der vorliegenden “Arbeitshilfe“ dem Dienet in der NVA als Bausoldat bzw. den Wehrdienstverweigerern gewidmet.
In dem Abschnitt "Aufgaben der Kirche" (Seite 17) heißt es dazu, daß folgende Bemühungen gegenwärtig den Vorrang haben:
(zum Beispiel)
"die Aufgabe, alles Soldatische zu ’entzaubern‘ und der Faszination durch die Militärtechnik entgegenzuarbeiten."
"die Aufgabe, der Überbewertung solcher Begriffe wie ‚Vaterland', ’Errungenschaften‘, 'Traditionen‘ entgegenzuwirken."
Zur persönlichen Entscheidung des Christen zur Wehrbereitschaft heißt es:
"Neben den bewußt verantworteten Dienst mit der Waffe mit dem Ziel, einen Krieg zu verhindern, gibt es andere Entscheidungen:
Verweigerung jeglichen Waffendienstes durch Wehrpflichtige;
Verweigerung vormilitärischer Ausbildung durch Schüler und Lehrlinge, bzw. durch deren Eltern;
Verweigerung des Wehrunterrichtes durch Jugendliche und deren Eltern.
Die Kirchen und ihre Glieder müssen wissen, daß solche, in persönlicher Verantwortung getroffene Entscheidungen Friedenszeugnisse der Gesamtkirche sein wollen." (Seite 18)
In der Seelsorge an Wehrpflichtigen soll diesen eine Reihe von Fragen gestellt worden, ob ihre persönliche Entscheidung zur Fahrbereitschaft bewußt ist und nicht im Widerspruch zu einem christlichen Friedenszeugnis steht.
Die dazu in der "Arbeitshilfe" angeführten Fragen laufen darauf hinaus, religiös gebundene Jugendliche politisch negativ zur Wehrbereitschaft zu beeinflussen bzw. zu verunsichern.
Im Dezember 1979 befaßte sich die Kommission kirchliche Jugendarbeit beim Bund der Evangelischen Kirchen in der DDR mit dieser sogenannten Arbeitshilfe. Dabei wurde festgestellt, daß diese noch nicht den Vorstellungen der Kommission entspricht und nochmals überarbeitet werden soll.
Die Kirchen gerieten nicht selten unter Verdacht, gegen die politischen Verhältnisse in der DDR zu opponieren. Das lag an ihrer weitgehenden Eigenständigkeit, an der christlichen Botschaft, die von den kommunistischen Ideologen als konkurrierendes Sinn- und Erklärungsangebot abgelehnt wurde, sowie an ihrem Beharren auf Mitsprache und Gestaltungsanspruch in gesellschaftlichen Fragen. Im Auftrag der SED wurde daher das MfS tätig, um die von den Kirchen ausgehenden vermeintlichen und tatsächlichen Gefahren für das politisch-ideologische System der DDR abzuwehren.
Die SED-Kirchenpolitik war in den vier Jahrzehnten der DDR Wandlungen unterworfen. In den 50er Jahren führte die SED mehrfach einen offenen Kirchenkampf. Dieser richtete sich u. a. gegen die kirchliche Jugend- und Studentenarbeit, v. a. bei der Einführung der Jugendweihe, sowie gegen karitative Einrichtungen wie die Bahnhofsmissionen. Mehrere Religionsgemeinschaften wurden verboten und deren Anhänger verfolgt.
Die SED war zudem bestrebt, die Verlesung von solchen Hirtenbriefen und Kanzelabkündigungen zu unterbinden, in denen sozialethische, gesellschaftskritische oder politische Fragen aufgegriffen wurden. Von der Polizei und dem MfS wurden kirchliche Einrichtungen durchsucht und Literatur beschlagnahmt. Neben kirchlichen Mitarbeitern wurden unter Mitwirkung des MfS auch Pfarrer – zwischen 1950 und 1960 mindestens 140 – inhaftiert.
Ab den 60er Jahren beschränkte sich die SED zunehmend darauf, durch eine rigorose Auslegung der Veranstaltungsordnung unerwünschte kirchliche Aktivitäten zu behindern. Das offizielle Eindringen in kirchliche Räume wie im November 1987, als es nachts in der Zionsgemeinde in Ostberlin zu Durchsuchungen und Festnahmen kam, war in den 70er und 80er Jahren eher untypisch, weil dies die Staat-Kirche-Beziehungen erheblich belastete. Vor allem seit 1978 bemühte sich die SED, ein Stillhalteabkommen zwischen Kirchenleitungen und Staat zu respektieren.
Das MfS versuchte aber stets, indirekt Einfluss auf kirchliche Entscheidungen zu nehmen. Dies und die verdeckte Informationsbeschaffung zählten zu den Hauptbetätigungsfeldern des MfS im Rahmen der von der SED konzipierten Kirchenpolitik. Die Informationsbeschaffung erfolgte mittels Observation, IM-Einsatz und auf dem Weg der sog. Gesprächsabschöpfung. Dabei gelang es in Einzelfällen auch, Christen in kirchlichen Leitungspositionen als IM zu gewinnen.
So arbeitete der thüringische Kirchenjurist und Oberkirchenrat Gerhard Lotz seit 1955 mit dem MfS als IM "Karl" zusammen. Durch die Positionierung eines Offiziers im besonderen Einsatz im Konsistorium in Magdeburg, Detlev Hammer, der ab 1974 juristischer, dann Oberkonsistorialrat war, vermochte es das MfS, einen hauptamtlichen Mitarbeiter innerhalb der Leitungsstruktur der provinzsächsischen Kirche zu platzieren. Außerdem hatte das MfS gegenüber den Kirchen dann tätig zu werden, wenn Verdachtsmomente dafür vorlagen, dass die Kirchen über den ihnen von der SED zugewiesenen religiös-kultischen Bereich hinaus tätig wurden.
Dementsprechend observierte das MfS Kirchengemeinden und Pfarrer, die – wie es beim MfS hieß – im Rahmen der "Partnerschaftsarbeit" Besuchskontakt zu Kirchengemeinden in der Bundesrepublik unterhielten. Das MfS legte hierzu OV an und ermittelte gegen die Organisatoren der Zusammenkünfte.
Als Ziele der MfS-Aufklärung galten ebenso kirchliche Synoden und Basistreffen, auf denen grundsätzlich die potenzielle Gefahr bestand, dass Kritik an den Verhältnissen in der DDR geübt werden würde. In das Blickfeld des MfS rückten die evangelischen Kirchen insbesondere ab Mitte der 70er Jahre: Zunächst rief die auch unter nichtkirchlichen Jugendlichen an Attraktivität gewinnende kirchliche Jugendarbeit, dann die Friedens-, Umwelt- und Menschenrechtsarbeit unter dem Dach der Kirche den Argwohn des MfS hervor.
Insgesamt war das MfS nur eine von mehreren Institutionen des SED-Staates, die im Rahmen der SED-Kirchenpolitik tätig wurden. Im Zusammenspiel mit ihnen versuchte das MfS, die Kirchen zu kontrollieren und zu disziplinieren.
In Auswertung der kirchenpolitischen Kampagnen der 50er Jahre und bestärkt durch konzeptionelle Arbeiten, drängte die SED-Führung ab Anfang der 80er Jahre zunehmend auf ein koordiniertes Vorgehen. Die vom MdI und den Abteilungen für Inneres erstellten Rapportmeldungen, Berichte und Personeneinschätzungen zu Gottesdiensten und kirchlichen Mitarbeitern wurden vereinbarungsgemäß dem MfS zur Verfügung gestellt und bildeten häufig den Grundstock jener Berichte und Personencharakteristiken, die sich in den Beständen des MfS wiederfinden.
Bereits vor Gründung des MfS hatte bei der Deutschen Verwaltung des Innern in der Abteilung K 5 das Referat C 3 existiert. Als Aufgabenbeschreibung wurde die "Aufklärung und Bekämpfung der kirchlichen Feindtätigkeit" genannt. Ab 1950 bestand im MfS zunächst die Abteilung V, die sich ab 1953 Hauptabteilung V nannte und 1964 im Zuge einer Umstrukturierung zur Hauptabteilung XX wurde.
Innerhalb dieser Organisationsstruktur zeichnete die Abt. 4 für die "Bearbeitung" der Kirchen verantwortlich. 1988 gliedert sich diese in sechs Fachreferate, wobei je eins für die evangelischen Kirchen, die katholische Kirche sowie die Religionsgemeinschaften und Sekten zuständig war. Ein Referat widmete sich Operativen Vorgängen. Als Schwerpunkt der Arbeit wurde die "Bekämpfung der politischen Untergrundtätigkeit" benannt. Zwei weitere Referate nahmen koordinierende Funktionen wahr.
Neben der Hauptabteilung XX/4 stützte sich das MfS bei der Bekämpfung und Infiltration der Kirchen auf die Zuarbeit verschiedener Hauptabteilungen und Abteilungen - so u. a. auf die Dienste der HV A bei der "Aufklärung" von westlichen Partnergemeinden und Pfarrern, die die kirchliche Friedensarbeit in den ostdeutschen Gemeinden unterstützten. Im Fall der Inhaftierung kirchlicher Mitarbeiter übernahm die Hauptabteilung IX als Untersuchungsorgan den Vorgang.
Hinzu kamen andere institutionalisierte Formen der "Bearbeitung". Als politisch-ideologische fungierte ab 1958 das Referat Familienforschung, das Verwicklungen missliebiger Kirchenvertreter in das NS-Regime aufdecken oder konstruieren sollte, um die so Diffamierten unter Druck setzen zu können. Angesiedelt war es beim Deutschen Zentralarchiv in Potsdam. Es verwaltete verschiedene aus NS-Beständen stammende Unterlagen und wertete sie aus. Dabei handelte es sich um eine verdeckt arbeitende Einrichtung des MfS.
Um den steigenden Informationsbedarf – unter Berücksichtigung der Spezifik kirchlicher und religiöser Angelegenheiten – zu decken und um Sonderaufträge u. a. auch im Ausland ausführen zu können, etablierte das MfS 1960 die sog. Auswertungsgruppe, die dem Referat V zugeordnet wurde. In einem konspirativen Objekt in Berlin-Pankow ("Institut Wandlitz") arbeiteten hauptamtliche IM und mehrere OibE zusammen.
Seine "Absicherung" fand das Vorgehen des MfS gegenüber den Kirchen durch ein umfangreiches Netz von OibE und IM, die das MfS im Staatssekretariat für Kirchenfragen und in den Kirchenabteilungen der DDR-Bezirke unterhielt. 1989 gab es im Staatssekretariat drei OibE; zudem berichtete der persönliche Referent und Büroleiter der Staatssekretäre Hans Seigewasser und Klaus Gysi, Horst Dohle, ab 1975 als IM "Horst" dem MfS. Insgesamt aber gelang es dem MfS nicht, die Kirchen umfassend zu unterwandern.
Organisationsstruktur in der MfS-Zentrale, die durch den Minister oder einen seiner Stellvertreter direkt angeleitet wurde. Die zuletzt 13 Hauptabteilungen wurden durch Einzelleiter geführt. Die weiter untergliederten und nach dem Linienprinzip tätigen HA waren für komplexe, abgegrenzte Bereiche operativ zuständig und federführend verantwortlich. Der Zuschnitt der Zuständigkeitsbereiche war an Ressorts oder geheimdienstlichen Praktiken (z. B. Verkehrswesen, Beobachtung, Funkspionage) orientiert.
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Audiomitschnitt Radio Glasnost 25. April 1988 Audio, 42 Minuten, 4 Sekunden
Information über die Durchführung eines Friedensforums in der Kreuzkirche Dresden Dokument, 20 Seiten
Informationen zu den durchgeführten Maßnahmen Aktion "David" Dokument, 19 Seiten
Information über den Verlauf des Kirchentages in Wittenberg 1983 Dokument, 7 Seiten