Signatur: BStU, MfS, BV Dresden, Abt. XX, Nr. 9200, Bl. 36
Deutsch-deutsche Fussballspiele stellten das Ministerium vor besondere Herausforderungen. Beim Rückspiel des Europapokal-Halbfinals 1989 zwischen Dresden und Stuttgart standen die Gästemannschaft, die Gästefans und die westlichen Journalisten besonders im Fokus.
Fußballduelle zwischen Mannschaften aus der DDR und der BRD stellten die Staatssicherheit vor besondere Herausforderungen. Um die öffentliche Ordnung und Sicherheit zu gewährleisten, organisierte die Stasi bei Heimspielen umfangreiche Sicherungs-, Kontroll-, und Überwachungsmaßnahmen. Vor allem "Störversuche" und mögliche "provokatorische Handlungen" von DDR-Bürgern sollten verhindert werden. Bei Spielen im Westen beschäftigte sich die Stasi vor allem mit der Auswahl der "richtigen" Fans, die mitfahren durften.
Wie die Stasi dabei vorging, zeigt das UEFA-Cup-Halbfinale zwischen Dynamo Dresden und dem VfB Stuttgart im Jahr 1989. Beim Rückspiel am 19. April in Dresden sah die Stasi ihre Aufgabe vor allem darin, die Ordnung und Sicherheit während des Spieles zu gewährleisten und Protestaktionen zu verhindern. Darüber hinaus standen auch die eingereisten Stuttgarter Fans und die Mannschaft des VfB Stuttgart unter besonderer Beobachtung.
Vier Tage vor dem Spiel fasste die Abteilung XX der BV Dresden in einem Bericht den Stand der Vorbereitungen zusammen. Dabei verwies sie auch auf mögliche neofaschistische Fans unter den VfB-Anhängern.
Dresden, 15. 4. 1989
3/schl-pr
[Unterschrift nicht lesbar]
Information über den Stand der Vorbereitung auf das Europacuphalbfinalspiel SG Dynamo Dresden- VfB Stuttgart am 19. 4. 1989
Bis zum 14. 4. 1989, 12.00 Uhr kann folgender Stand zur Vorbereitung genannt werden:
Von seiten der SG Dynamo wurden für Gäste aus der BRD
1200 Stehplätze
Block J
121 Sitzplätze
Aufgang 1
22 Sitzplätze
Terrasse (links)
bereitgestellt.
Die Unterbringung der Gastmannschaft (27 Personen offizielle Delegation) erfolgt im IH "Bellevue",
Mit der Anreise ist am 18. 4. 89 gegen 16.00 Uhr zu rechnen.
Gleichzeitig reisen mit KOM 38 Vorstandsmitglieder des VfB Stuttgart im IH "Bellevue" an.
Neben dem Unterkunftsobjekt IH "Bellevue" sind die IH "Lilienstein" und "Motel" gebunden worden.
Nach der technischen Besprechung am 18. 4. 89, 17.00 Uhr, im IH "Bellevue" wird das weitere Aufenthaltsprogramm der Delegation, außer Training (18. 4. 89, 20.00 Uhr), festgelegt.
Das Schiedsrichterkollektiv und der UEFA-Beobachter werden im IH "Newa" untergebracht.
Bisher haben 72 Journalisten/Fotoreporter aus der BRD/WB ihre Teilnahme angemeldet. Namen und Redaktionen dieser wurden der Abteilung II übermittelt.
In der Sicherheitsberatung am 14. 4. 89 wurde festgelegt, aufgrund der geplanten Vorsperren den Sonderparkplatz Hauptallee zu sperren und dafür ein Äquivalent (Presseveröffentlichung) anzubieten. Gleichzeitig wurde die SG Dynamo durch die BDVP beauftragt, kurzfristig zu klären, ein Pressezentrum zur Akkreditierung der Journalisten außerhalb der SG Dynamo zu schaffen. Dadurch würde die Sicherheit geschaffen, daß nur der Journalist die Vorsperren passieren kann, der akkreditiert wurde.
Weiterhin wurde durch die BVfS darauf verwiesen, die Kontrolle der Gäste unter dem Gesichtspunkt der möglichen Anreise von Fans mit neofaschistischer Ideologie und sich daraus ableitenden Gefahrenpunkten durchzuführen.
Eine selbständige Abteilung ist eine Organisationsstruktur in der MfS-Zentrale, die durch den Minister oder einen seiner Stellvertreter direkt angeleitet und durch militärische Einzelleiter geführt wurde. Die weiter untergliederten Abteilungen prägten Linien aus (z. B. Abt. XIV; Linienprinzip) oder blieben auf die Zentrale beschränkt (z. B. Abt. X). Die eng umrissenen Zuständigkeiten mit operativer Verantwortung und Federführung orientierten sich an geheimdienstlichen Praktiken (Telefonüberwachung) oder Arbeitsfeldern (Bewaffnung, chemischer Dienst).
Für operative Beobachtungen speziell geschulte Mitarbeiter, die vorwiegend von der Hauptabteilung VIII und den Abteilungen VIII der BV eingesetzt wurden. Manchmal handelte es sich dabei um sog. Unbekannte Mitarbeiter oder Beobachter-IM (IME). Die Beobachter waren im verdeckten Fotografieren, in Kartenkunde, Personenidentifizierung sowie für Verfolgungsfahrten geschult. Sie wurden trainiert, sich zu Fuß, im Pkw und in öffentlichen Verkehrsmitteln unauffällig zu bewegen und den richtigen Abstand zum Objekt zu halten. Teilweise kamen auch Gruppen von Beobachter mit verteilten Rollen zum Einsatz. Bei offiziellen oder privaten Besuchen westlicher Politiker fungierten oft begleitende Personenschützer oder Volkspolizisten als Beobachter.
Im Zusammenhang mit der Verwaltungsreform der DDR vom Sommer 1952 wurden die fünf Länderverwaltungen für Staatssicherheit (LVfS) in 14 Bezirksverwaltungen umgebildet. Daneben bestanden die Verwaltung für Staatssicherheit Groß-Berlin und die Objektverwaltung "W" (Wismut) mit den Befugnissen einer BV. Letztere wurde 1982 als zusätzlicher Stellvertreterbereich "W" in die Struktur der BV Karl-Marx-Stadt eingegliedert.
Der Apparat der Zentrale des MfS Berlin und der der BV waren analog strukturiert und nach dem Linienprinzip organisiert. So waren die Hauptabteilung II in der Zentrale bzw. die Abteilungen II der BV für die Schwerpunkte der Spionageabwehr zuständig usw. Auf der Linie der Hauptverwaltung A waren die Abteilung XV der BV aktiv. Einige Zuständigkeiten behielt sich die Zentrale vor: so die Militärabwehr (Hauptabteilung I) und die internationalen Verbindungen (Abteilung X) oder die Arbeit des Büros für Besuchs- und Reiseangelegenheiten in Westberlin (Abteilung XVII). Für einige Aufgabenstellungen wurde die Bildung bezirklicher Struktureinheiten für unnötig erachtet. So gab es in den 60er und 70er Jahren für die Abteilung XXI und das Büro der Leitung II Referenten für Koordinierung (RfK) bzw. Offiziere BdL II. Für spezifische Aufgaben gab es territorial bedingte Diensteinheiten bei einigen BV, z. B. in Leipzig ein selbständiges Referat (sR) Messe, in Rostock die Abt. Hafen.
An der Spitze der BV standen der Leiter (Chef) und zwei Stellv. Operativ. Der Stellv. für Aufklärung fungierte zugleich als Leiter der Abt. XV. Die Schaffung des Stellvertreterbereichs Operative Technik im MfS Berlin im Jahre 1986 führte in den BV zur Bildung von Stellv. für Operative Technik/Sicherstellung.
Information über anreisende Touristen zum Europacup-Halbfinale in Dresden am 19. April 1989 Dokument, 1 Seite
Information über das Europapokal-Halbfinale zwischen Dynamo Dresden und dem VfB Stuttgart in Dresden Dokument, 3 Seiten
Bericht zum Aufenthalt des VfB Stuttgart in Dresden Dokument, 1 Seite
Kräfteeinsatz zum Europapokal-Rückspiel Dresden gegen Stuttgart am 19. April 1989 Dokument, 1 Seite