Signatur: BStU, MfS, ANS, AIM, Nr. 15827/89, Bl. 25-28
Im Jahr 1983 handelten der Chef der Abteilung Kommerzielle Koordinierung (KoKo), Alexander Schalck-Golodkowski, und der bayerische Ministerpräsident, Franz Josef Strauß, einen Milliardenkredit aus, der die DDR vor dem Staatsbankrott bewahrte. Ein Bericht von IM "Halka" verdeutlicht die wirtschaftliche Misere der DDR zum Zeitpunkt der Kreditverhandlungen.
Anfang der 80er Jahre herrschte weltweit eine wirtschaftliche Krisenstimmung. Brisant war die Situation in den Ostblockstaaten. Die Versorgungslage der Bevölkerung war kritisch, die hohen Schulden im Ausland trieben die sozialistischen Staaten zunehmend in den Ruin. Polen erklärte sich bereits 1981 für bankrott, die DDR stand unmittelbar davor. Allein zur Finanzierung ihrer Verbindlichkeiten im Ausland benötigte sie dringend weitere Devisen und neue Kredite, die ihr aber westliche Banken inzwischen verwehrten.
Umso überraschter war die Öffentlichkeit auf beiden Seiten der Mauer, als am 1. Juli 1983 ein westdeutsches Bankenkonsortium unter der Führung der Bayerischen Landesbank der DDR einen Milliardenkredit gewährte. Eingefädelt und vorbereitet hatten ihn der bayerische Ministerpräsident, Franz Josef Strauß, und der Chef der Abteilung KoKo im Ministerium für Außenhandel der DDR, Alexander Schalck-Golodkowski.
Welche spezifische Rolle die Stasi dabei spielte – auch in möglicher Konkurrenz zum DDR-Außenhandel oder aufgrund KoKo-interner Schwierigkeiten – bleibt bis heute ungeklärt. Zum tatsächlichen Verlauf der Gespräche geben die Stasi-Unterlagen wenig Hinweise, wohl aber zur wirtschaftlichen Misere der DDR zum Zeitpunkt der Kreditverhandlungen.
Die vorliegende Tonbandabschrift eines Treffberichts von Feodor Ziesche (IM "Halka"), Generaldirektor der Deutschen Handelsbank, vom 2. April 1982 dokumentiert eine Beratung mit Alexander Schalck-Golodkowski im Bereich KoKo. Ziesche betont hier, wie angespannt die wirtschaftliche Lage der DDR aufgrund ihrer Verschuldung zu diesem Zeitpunkt sei.
Da mit einer Rückzahlung der Kredite durch die Intrac nicht zu rechnen ist, wenn im Ausland Depositen der Deutschen Handelsbank nicht prolongiert werden, muß die Deutsche Handelsbank diese Depositen zurückzahlen. Um nicht i[durchgestrichen: n]liquid[durchgestrichen: it] zu werden, hat die Deutsche Handelsbank zusätzlich Depositen mobilisiert in Höhe von etwa 100 Mio VM, die gegenwärtig wiederum als kurzfristige Depositen im Ausland angelegt sind, um für den Notfall, d.h., den Fall, wo Intrac fällige Gelder nicht zurückzahlen kann, eingesetzt werden. Damit soll gesichert werden, daß die Deutsche Handelsbank,die über keinerlei Valutareserven verfügt, als schwächstes Glied in der Kette als erste i[durchgestrichen: n]liquid[durchgestrichen: it] würde.
Am Montag, d. 29.03.1982, erhielt ich von der Genn. König den Auftrag, die im Jahre 1982 fälligen Zahlungen für die Rückzahlung von Finanzkrediten, die Rückzahlung von warengebundenen Kredite, die im Jahre 1982 anfallenden Zinsen für Kredite sowie die Tilgungsfristen für aufgenommene Depositen und die für diese Depositen anfallenden Zinsen in einer Liste zusammenzustellen. Die Liste war unterzugliedern nach Banken im sozialistischen Wirtschaftsgebiet, sozialistische Banken im kapitalistischen Ausland, NSW-Banken, diese untergegliedert nach einzelnen Ländern. Für die beiden Kreditnehmer der Deutschen Handelsbank, die Deutsche Außenhandelsbank und die Außenhandelsbetriebe des Bereiches Kommerzielle Koordinierung war diese Liste zusätzlich aufzuschlüsseln. Nach dem gleichen Schema waren für die Monate April bis Dezember die einzelnen Kreditfälligkeiten und die Fälligkeiten der Depositen aufzuschlüsseln und listenmäßig zu erfassen.
Aus den Erfahrungen der letzten Monate ist meine persönliche große Sorge, die Liquidität der Republik und falls diese nicht zu halten ist, die weitere notwendige Abwicklung des Außenhandels und der Außenhandelsfinanzierungen der DDR. Ich bin zu der Auffassung gekommen, daß, wenn die wichtigsten Schuldner der DDR, die Deutsche Außenhandelsbank und die Intrac, ihren Verpflichtungen gegenüber dem Ausland nicht mehr nachkommen können, es zumindest der Deutschen Handelsbank möglich sein müßte, ihre Verpflichtungen zu erfüllen und dieses in einem entsprechenden Brief an alle Korrespondenzbanken kundzutun. Das würde bedeuten, daß die Deutsche Handelsbank für die Abwicklung wichtigster Außenhandelstransaktionen nach wie vor zur Verfügung steht. Sollte eine solche Möglichkeit nicht geschaffen werden, besteht die Gefahr, daß alle Institutionen der DDR, die Kredite aufgenommen haben, als In-Verzug-geraten behandelt und mit Arresten belegt werden, d.h. Beschlagnahme des gesamten Vermögens der DDR, um die Forderungen der Gläubiger zu befriedigen. Das würde sich sogar erstrecken auf Interflug, Seereederei, Deutrans u.ä. Einrichtungen, gemischte Betriebe, Unternehmen und in jedem Land befindliche Vermögenswerte. Der Export von Wirtschaftsgütern der DDR würde die sofortige Beschlagnahme auf den entsprechenden Guthabenkonten bei Banken nach sich ziehen.
Inoffizielle Mitarbeiter (IM) waren das wichtigste Instrument des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS), um primär Informationen über Bürger, die Gesellschaft, ihre Institutionen und Organisationen der DDR oder im Ausland zu gewinnen. Unter Umständen hatten IM auf Personen oder Ereignisse in der DDR steuernden Einfluss zu nehmen.
In der DDR-Gesellschaft hießen sie "Spitzel", "Denunzianten" oder "Kundschafter". Mit der deutschen Einheit hat sich die Bezeichnung Inoffizieller Mitarbeiter des MfS für die heimlichen Zuträger etabliert. Sie lieferten u. a. Informationen über Stimmungen und Meinungen in der Bevölkerung.
Die SED-Führung wollte stets über die konkrete Situation und Lage in der DDR unterrichtet sein. Die IM hatten den Auftrag, "staatsgefährdende" Bestrebungen zu ermitteln, was beim MfS "politisch ideologische Diversion" bzw. "politische Untergrundtätigkeit" hieß. Der Bogen hierfür war weit gespannt und reichte von einer privaten Meinungsäußerung bis hin zu politischen Aktivitäten. Überdies sollten sie, wenn auch selten, direkt auf gesellschaftliche Entwicklungen oder einzelne Personen einwirken.
Die IM waren das wichtigste Repressionsinstrument in der DDR. IM wurden auf bestimmte Schwerpunkte angesetzt, von denen tatsächliche oder vermeintliche Gefahren ausgehen konnten. Diese Objekte und Territorien, Bereiche oder Personen waren so zahlreich, dass die geheimpolizeiliche Durchdringung tendenziell den Charakter einer flächendeckenden Überwachung annahm.
Die Anzahl der vom MfS geführten inoffiziellen Mitarbeiter umfasste im Jahre 1989 ungefähr 189.000 IM, darunter 173.000 IM der Abwehrdiensteinheiten, ferner 13.400 IM in der DDR und 1.550 IM in der Bundesrepublik, die von der Hauptverwaltung A geführt wurden, sowie diverse andere wie Zelleninformatoren usw. Auf 89 DDR-Bürger kam somit ein IM. In der Zeit von 1950 bis 1989 gab es insgesamt ca. 620.000 IM.
Die Entwicklung des IM-Netzes ist nicht allein von einem kontinuierlichen Anstieg geprägt, sondern verweist auf besondere Wachstumsphasen in Zeiten innergesellschaftlicher Krisen wie dem 17. Juni 1953 oder am Vorabend des Mauerbaus. Im Zuge der deutsch-deutschen Entspannungspolitik wurde das IM-Netz ebenfalls erweitert. So umfasste es Mitte der 70er Jahre – hochgerechnet – über 200.000 IM. Angesichts wachsender oppositioneller Bewegungen hatte es in den 80er Jahren gleichfalls ein hohes Niveau.
Die flächendeckende Überwachung der Gesellschaft fiel regional recht unterschiedlich aus. Im Land Brandenburg, das die Bezirke Cottbus, Frankfurt (Oder) und Potsdam vereint, war sie stärker als in Thüringen. Die höchste IM-Dichte wies der ehemalige Bezirk Cottbus auf.
Das MfS operierte formal nach territorialen Gesichtspunkten und Sicherungsbereichen, setzte jedoch operative Schwerpunkte in der geheimpolizeilichen Arbeit. Bezogen auf das Gesamtministerium lagen diese – sowohl auf Kreis-, als auch auf Bezirks- und Hauptabteilungsebene – bei der Volkswirtschaft, der Spionageabwehr und auf der "politischen Untergrundtätigkeit", der "Bearbeitung " von oppositionellen Milieus und den Kirchen.
Die Motive zur Kooperation mit dem MfS waren überwiegend ideeller, seltener materieller Natur, noch seltener war Erpressung der Grund. Die Kooperation währte durchschnittlich sechs bis zehn Jahre oder länger. Augenfällig ist, dass darunter nicht wenige soziale Aufsteiger waren. Der Anteil von weiblichen IM lag in der DDR bei 17 Prozent, in der Bundesrepublik bei 28 Prozent. Über die Hälfte der IM war Mitglied der SED. Von den 2,3 Mio. Mitgliedern der Partei ausgehend, waren 4 bis 5 Prozent zuletzt inoffiziell aktiv, d. h. jedes zwanzigste SED-Mitglied.
Das MfS differenzierte IM nach Kategorien: Gesellschaftliche Mitarbeiter für Sicherheit, IM zur Sicherung und Durchdringung des Verantwortungsbereichs, IM im besonderen Einsatz, Führungs-IM und IM zur Sicherung der Konspiration und des Verbindungswesens. Die wichtigste Kategorie waren IM mit "Feindverbindungen" bzw. solche, die Personen zu "bearbeiten" hatten, die "im Verdacht der Feindtätigkeit" standen. Im Laufe der 80er Jahre nahm der Anteil von IM in der Kategorie IMB bis Dezember 1988 auf rund 3.900 zu.
Der Anteil von Bundesbürgern oder Ausländern unter den IM des MfS betrug nicht einmal 2 Prozent. 1989 waren mindestens 3.000 Bundesbürger inoffiziell im Dienste des MfS, zusätzlich mehrere Hundert Ausländer. In der Zeit von 1949 bis 1989 waren insgesamt mindestens 12.000 Bundesbürger und Westberliner IM.
Die operativen Ziele des MfS waren über die gesamte Bundesrepublik Deutschland verteilt. Darüber hinaus gab es Schwerpunkte in Europa, im Nahen Osten und Asien, nachgeordnet auch in Afrika und Lateinamerika. Nachrichtendienstliche Schwerpunkte waren vor allem die Wissenschafts- und Technikspionage, erst danach die politische und mit etwas Abstand die Militärspionage. Die Bundesrepublik Deutschland wurde folglich vor allem als Ressource zur Systemstabilisierung genutzt.
Die politische Spionage diente vornehmlich dazu, die politische Gefährdungslage des herrschenden Systems in der DDR bestimmen zu können. Dieses Profil deutet an, dass die Spionage der Bewahrung des Status quo dienen sollte. Von einer Unterwanderung der Bundesrepublik war die Geheimpolizei zahlenmäßig weit entfernt. Vielmehr waren ihre inoffiziellen Mitarbeiter damit beschäftigt, das DDR-System zu stabilisieren.
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Signatur: BStU, MfS, ANS, AIM, Nr. 15827/89, Bl. 25-28
Im Jahr 1983 handelten der Chef der Abteilung Kommerzielle Koordinierung (KoKo), Alexander Schalck-Golodkowski, und der bayerische Ministerpräsident, Franz Josef Strauß, einen Milliardenkredit aus, der die DDR vor dem Staatsbankrott bewahrte. Ein Bericht von IM "Halka" verdeutlicht die wirtschaftliche Misere der DDR zum Zeitpunkt der Kreditverhandlungen.
Anfang der 80er Jahre herrschte weltweit eine wirtschaftliche Krisenstimmung. Brisant war die Situation in den Ostblockstaaten. Die Versorgungslage der Bevölkerung war kritisch, die hohen Schulden im Ausland trieben die sozialistischen Staaten zunehmend in den Ruin. Polen erklärte sich bereits 1981 für bankrott, die DDR stand unmittelbar davor. Allein zur Finanzierung ihrer Verbindlichkeiten im Ausland benötigte sie dringend weitere Devisen und neue Kredite, die ihr aber westliche Banken inzwischen verwehrten.
Umso überraschter war die Öffentlichkeit auf beiden Seiten der Mauer, als am 1. Juli 1983 ein westdeutsches Bankenkonsortium unter der Führung der Bayerischen Landesbank der DDR einen Milliardenkredit gewährte. Eingefädelt und vorbereitet hatten ihn der bayerische Ministerpräsident, Franz Josef Strauß, und der Chef der Abteilung KoKo im Ministerium für Außenhandel der DDR, Alexander Schalck-Golodkowski.
Welche spezifische Rolle die Stasi dabei spielte – auch in möglicher Konkurrenz zum DDR-Außenhandel oder aufgrund KoKo-interner Schwierigkeiten – bleibt bis heute ungeklärt. Zum tatsächlichen Verlauf der Gespräche geben die Stasi-Unterlagen wenig Hinweise, wohl aber zur wirtschaftlichen Misere der DDR zum Zeitpunkt der Kreditverhandlungen.
Die vorliegende Tonbandabschrift eines Treffberichts von Feodor Ziesche (IM "Halka"), Generaldirektor der Deutschen Handelsbank, vom 2. April 1982 dokumentiert eine Beratung mit Alexander Schalck-Golodkowski im Bereich KoKo. Ziesche betont hier, wie angespannt die wirtschaftliche Lage der DDR aufgrund ihrer Verschuldung zu diesem Zeitpunkt sei.
Diese praktische Zuspitzung der Situation könnte eintreten, wenn ein Umschuldungsabkommen nicht zustande kommt, bzw. wenn der Konfrontationskurs der Reagen-Administration so weit getrieben wird, die ökonomische Erpressung bis zum äußersten zu treiben. Die Beibehaltung der Deutschen Handelsbank heißt Abwicklungsstation, würde ermöglichen, daß deren Konten im Ausland nicht beschlagnahmt würden. Zweifellos wäre eine Aufnahme von Depositen durch die Deutsche Handelsbank zeitweilig gestört bis zur Normalisierung der Verhältnisse durch die Deutsche Handelsbank wieder Vertrauen gefaßt wird und die Geschäfte über die Deutsche Handelsbank weiter abgewickelt werden können.
Ich habe der Genn. König diesen Vorschlag unterbreitet und sie hat mich gebeten, das aufzuschreiben. Als ich ihr jedoch die Liste zeigte, mit dem Verschuldungsgrad der Deutschen Handelsbank und den einzelnen Fälligkeiten, d.h. Zinszahlungen und Kapitalrückzahlungen etwa von 500 Mio VM, fällige Depositen in Höhe von 59 Mio VM, sagte mir die Genn. König, daß diese Mittel für eine Stabilisierung der Handelsbank nicht aufgetrieben werden können.
Inoffizielle Mitarbeiter (IM) waren das wichtigste Instrument des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS), um primär Informationen über Bürger, die Gesellschaft, ihre Institutionen und Organisationen der DDR oder im Ausland zu gewinnen. Unter Umständen hatten IM auf Personen oder Ereignisse in der DDR steuernden Einfluss zu nehmen.
In der DDR-Gesellschaft hießen sie "Spitzel", "Denunzianten" oder "Kundschafter". Mit der deutschen Einheit hat sich die Bezeichnung Inoffizieller Mitarbeiter des MfS für die heimlichen Zuträger etabliert. Sie lieferten u. a. Informationen über Stimmungen und Meinungen in der Bevölkerung.
Die SED-Führung wollte stets über die konkrete Situation und Lage in der DDR unterrichtet sein. Die IM hatten den Auftrag, "staatsgefährdende" Bestrebungen zu ermitteln, was beim MfS "politisch ideologische Diversion" bzw. "politische Untergrundtätigkeit" hieß. Der Bogen hierfür war weit gespannt und reichte von einer privaten Meinungsäußerung bis hin zu politischen Aktivitäten. Überdies sollten sie, wenn auch selten, direkt auf gesellschaftliche Entwicklungen oder einzelne Personen einwirken.
Die IM waren das wichtigste Repressionsinstrument in der DDR. IM wurden auf bestimmte Schwerpunkte angesetzt, von denen tatsächliche oder vermeintliche Gefahren ausgehen konnten. Diese Objekte und Territorien, Bereiche oder Personen waren so zahlreich, dass die geheimpolizeiliche Durchdringung tendenziell den Charakter einer flächendeckenden Überwachung annahm.
Die Anzahl der vom MfS geführten inoffiziellen Mitarbeiter umfasste im Jahre 1989 ungefähr 189.000 IM, darunter 173.000 IM der Abwehrdiensteinheiten, ferner 13.400 IM in der DDR und 1.550 IM in der Bundesrepublik, die von der Hauptverwaltung A geführt wurden, sowie diverse andere wie Zelleninformatoren usw. Auf 89 DDR-Bürger kam somit ein IM. In der Zeit von 1950 bis 1989 gab es insgesamt ca. 620.000 IM.
Die Entwicklung des IM-Netzes ist nicht allein von einem kontinuierlichen Anstieg geprägt, sondern verweist auf besondere Wachstumsphasen in Zeiten innergesellschaftlicher Krisen wie dem 17. Juni 1953 oder am Vorabend des Mauerbaus. Im Zuge der deutsch-deutschen Entspannungspolitik wurde das IM-Netz ebenfalls erweitert. So umfasste es Mitte der 70er Jahre – hochgerechnet – über 200.000 IM. Angesichts wachsender oppositioneller Bewegungen hatte es in den 80er Jahren gleichfalls ein hohes Niveau.
Die flächendeckende Überwachung der Gesellschaft fiel regional recht unterschiedlich aus. Im Land Brandenburg, das die Bezirke Cottbus, Frankfurt (Oder) und Potsdam vereint, war sie stärker als in Thüringen. Die höchste IM-Dichte wies der ehemalige Bezirk Cottbus auf.
Das MfS operierte formal nach territorialen Gesichtspunkten und Sicherungsbereichen, setzte jedoch operative Schwerpunkte in der geheimpolizeilichen Arbeit. Bezogen auf das Gesamtministerium lagen diese – sowohl auf Kreis-, als auch auf Bezirks- und Hauptabteilungsebene – bei der Volkswirtschaft, der Spionageabwehr und auf der "politischen Untergrundtätigkeit", der "Bearbeitung " von oppositionellen Milieus und den Kirchen.
Die Motive zur Kooperation mit dem MfS waren überwiegend ideeller, seltener materieller Natur, noch seltener war Erpressung der Grund. Die Kooperation währte durchschnittlich sechs bis zehn Jahre oder länger. Augenfällig ist, dass darunter nicht wenige soziale Aufsteiger waren. Der Anteil von weiblichen IM lag in der DDR bei 17 Prozent, in der Bundesrepublik bei 28 Prozent. Über die Hälfte der IM war Mitglied der SED. Von den 2,3 Mio. Mitgliedern der Partei ausgehend, waren 4 bis 5 Prozent zuletzt inoffiziell aktiv, d. h. jedes zwanzigste SED-Mitglied.
Das MfS differenzierte IM nach Kategorien: Gesellschaftliche Mitarbeiter für Sicherheit, IM zur Sicherung und Durchdringung des Verantwortungsbereichs, IM im besonderen Einsatz, Führungs-IM und IM zur Sicherung der Konspiration und des Verbindungswesens. Die wichtigste Kategorie waren IM mit "Feindverbindungen" bzw. solche, die Personen zu "bearbeiten" hatten, die "im Verdacht der Feindtätigkeit" standen. Im Laufe der 80er Jahre nahm der Anteil von IM in der Kategorie IMB bis Dezember 1988 auf rund 3.900 zu.
Der Anteil von Bundesbürgern oder Ausländern unter den IM des MfS betrug nicht einmal 2 Prozent. 1989 waren mindestens 3.000 Bundesbürger inoffiziell im Dienste des MfS, zusätzlich mehrere Hundert Ausländer. In der Zeit von 1949 bis 1989 waren insgesamt mindestens 12.000 Bundesbürger und Westberliner IM.
Die operativen Ziele des MfS waren über die gesamte Bundesrepublik Deutschland verteilt. Darüber hinaus gab es Schwerpunkte in Europa, im Nahen Osten und Asien, nachgeordnet auch in Afrika und Lateinamerika. Nachrichtendienstliche Schwerpunkte waren vor allem die Wissenschafts- und Technikspionage, erst danach die politische und mit etwas Abstand die Militärspionage. Die Bundesrepublik Deutschland wurde folglich vor allem als Ressource zur Systemstabilisierung genutzt.
Die politische Spionage diente vornehmlich dazu, die politische Gefährdungslage des herrschenden Systems in der DDR bestimmen zu können. Dieses Profil deutet an, dass die Spionage der Bewahrung des Status quo dienen sollte. Von einer Unterwanderung der Bundesrepublik war die Geheimpolizei zahlenmäßig weit entfernt. Vielmehr waren ihre inoffiziellen Mitarbeiter damit beschäftigt, das DDR-System zu stabilisieren.
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