Signatur: BStU, MfS, AIM, Nr. 15172/83, Bd. 3, Bl. 278
Im so genannten "Deutschen Herbst" 1977 versuchte die Terror-Gruppe RAF, ihre gefangene Führungsriege freizupressen. Dazu entführte sie unter anderem den Arbeitgeberpräsidenten Hanns Martin Schleyer. Die Stasi beobachtete die Lage genau, und ließ sich von ihren Inoffiziellen Mitarbeitern im Westen über die Stimmung in der Bevölkerung berichten.
Im so genannten "Deutschen Herbst" 1977 versuchte die Terror-Gruppe RAF, ihre gefangene Führungsriege freizupressen. Dazu entführte sie unter anderem den Arbeitgeberpräsidenten Hanns Martin Schleyer. Die Stasi beobachtete die Lage genau, und ließ sich von ihren Inoffiziellen Mitarbeitern im Westen über die Stimmung in der Bevölkerung berichten. Der vorliegende Bericht stammt von IM "Hermann", der für das MfS seit 1970 Informationen aus dem Raum Stuttgart sammelte. Bei dem Dokument handelt es sich um die Abschrift einer Tonbandaufnahme. "Hermann" hatte seinem Führungsoffizier vermutlich mündlich berichtet.
Baden-Württemberg gehörte zum "operativ" zu bearbeitenden Gebiet der Bezirksverwaltung Dresden. Das MfS interessierte sich hier für die Landesregierung und ihre Ministerien, die Geheimdienste, die Bundeswehr, aber auch für Wirtschaftsunternehmen. "Hermann" war damit einer von mehreren westdeutschen IM, die dem MfS zulieferten.
Bezirksverwaltung Dresden
Abteilung II/1/3
Dresden, den 15.10.1977
Abschrift vom Tonband
Stimmungsbericht!
Als die Entführung Schleyer bekannt wurde, war in der Bevölkerung überall großes Mitgefühl. Zum jetzigen Zeitpunkt kann man sagen, daß dieses schon wieder abgeklungen ist, da man von Seiten der Regierung erstens Presseverbot gegeben hat und zweitens nach Meinung der Bevölkerung solche Akte zu lasch behandelt würden. Die Bevölkerung ist verunsichert, sie fordert den Durchgriff einer starken Hand, indem man mal so einen Entführer oder Terrorist an die Wand stellt. Es soll ein abschreckendes Beispiel geschaffen werden. Darüberhinaus sind die jetzigen Sicherheitsmaßnahmen dermaßen verstärkt worden, die wohl von der Bevölkerung z.Zt. eingesehen werden, andererseits jedoch den Staatshaushalt belasten und zu Lasten der Steuerzahler gehen.
Es ist sogar führenden Persönlichkeiten und Politikern selbst zuwider. So konnte ich selbst feststellen, auf unser Zentralverbandstagung, daß der Abgeordnete Dollinger von der CDU mit zwei Mann Begleitschutz anreiste, offen zum Ausdruck brachte, daß es ihm auch lästig sei, dauernd von Schatten umgeben zu sein. Oberbürgermeister Rommel von Stuttgart hat einen ständigen Begleitschutz, Ministerpräsident Filbinger verfügt über 3 Mann und so setzt sich das weiter fort. Hinsichtlich der Si verungsmaßnahmen ist eine spürbare Verstärkung eingetreten. Bei uns in Stuttgart werden ständig das Amtsgericht, Landgericht patroulliert mit 2 Posten des Grenzschutzes, es werden sogar Rechtdanwaltsbüros bewacht, welche die Pflichtverteidiger der Baader-Meinhof Gruppe sind. Ich konnte mich selbst davon überzeugen, daß in Stuttgart-Vaihingen, wo wir ein Haus verwalten, und in der Nähe der Generalbundesanwalt Rebmann wohnt, essen Haus mit 2 Panzerwagen und entsprech. Grenzpolizeiaufgebot bewacht wird.
Ebenso sind die Flugplätze mit Grenzschutz verstärkt worden, es wird eine scharfe Paß - u. Leibesvisitation vorgenommen. Die Überzahl der Bevölkerung ist der Meinung, daß Schleyer geopfert werden sollte, denn die 11 Terroristen herauszulassen, wäre totaler Wahnsinn. Damit wäre der Anarchie Tür und Tor geöffnet.
Berlin, den 14.10.1977
gez. Hermann
Eine selbständige Abteilung ist eine Organisationsstruktur in der MfS-Zentrale, die durch den Minister oder einen seiner Stellvertreter direkt angeleitet und durch militärische Einzelleiter geführt wurde. Die weiter untergliederten Abteilungen prägten Linien aus (z. B. Abt. XIV; Linienprinzip) oder blieben auf die Zentrale beschränkt (z. B. Abt. X). Die eng umrissenen Zuständigkeiten mit operativer Verantwortung und Federführung orientierten sich an geheimdienstlichen Praktiken (Telefonüberwachung) oder Arbeitsfeldern (Bewaffnung, chemischer Dienst).
Im Zusammenhang mit der Verwaltungsreform der DDR vom Sommer 1952 wurden die fünf Länderverwaltungen für Staatssicherheit (LVfS) in 14 Bezirksverwaltungen umgebildet. Daneben bestanden die Verwaltung für Staatssicherheit Groß-Berlin und die Objektverwaltung "W" (Wismut) mit den Befugnissen einer BV. Letztere wurde 1982 als zusätzlicher Stellvertreterbereich "W" in die Struktur der BV Karl-Marx-Stadt eingegliedert.
Der Apparat der Zentrale des MfS Berlin und der der BV waren analog strukturiert und nach dem Linienprinzip organisiert. So waren die Hauptabteilung II in der Zentrale bzw. die Abteilungen II der BV für die Schwerpunkte der Spionageabwehr zuständig usw. Auf der Linie der Hauptverwaltung A waren die Abteilung XV der BV aktiv. Einige Zuständigkeiten behielt sich die Zentrale vor: so die Militärabwehr (Hauptabteilung I) und die internationalen Verbindungen (Abteilung X) oder die Arbeit des Büros für Besuchs- und Reiseangelegenheiten in Westberlin (Abteilung XVII). Für einige Aufgabenstellungen wurde die Bildung bezirklicher Struktureinheiten für unnötig erachtet. So gab es in den 60er und 70er Jahren für die Abteilung XXI und das Büro der Leitung II Referenten für Koordinierung (RfK) bzw. Offiziere BdL II. Für spezifische Aufgaben gab es territorial bedingte Diensteinheiten bei einigen BV, z. B. in Leipzig ein selbständiges Referat (sR) Messe, in Rostock die Abt. Hafen.
An der Spitze der BV standen der Leiter (Chef) und zwei Stellv. Operativ. Der Stellv. für Aufklärung fungierte zugleich als Leiter der Abt. XV. Die Schaffung des Stellvertreterbereichs Operative Technik im MfS Berlin im Jahre 1986 führte in den BV zur Bildung von Stellv. für Operative Technik/Sicherstellung.
Hauptamtliche Mitarbeiter des MfS, die IM und OibE führten, in MfS-Dokumenten auch als vorgangsführende Mitarbeiter oder IM-führende Mitarbeiter (umgangssprachlich Führungsoffiziere) bezeichnet, von denen es im MfS zuletzt etwa 12.000 bis 13.000 gab. Sie waren für eine Region oder Institution, für bestimmte Personenkreise oder spezifische Sachfragen zuständig und hatten die Sicherheitslage in ihrem Verantwortungsbereich zu beurteilen.
Es wurde von ihnen erwartet, dass sie insbesondere durch Rekrutierung und Einsatz von IM die "staatliche Sicherheit und die gesellschaftliche Entwicklung" vorbeugend sicherten. Verdächtige Personen waren in OV oder OPK zu "bearbeiten", Personengruppen mit besonderen Befugnissen mit Sicherheitsüberprüfungen unter Kontrolle zu halten. Bei der Erfüllung ihrer Aufgaben sollten sie das politisch-operative Zusammenwirken mit anderen staatlichen und gesellschaftlichen Institutionen nutzen.
Beschluss zur Ablage des IM-Vorganges "Hermann" Dokument, 1 Seite
Motive des westdeutschen IM "Hermann" für die Zusammenarbeit mit der Stasi Dokument, 1 Seite
Vorschlag zur "Werbung" des westdeutschen IM "Hermann" Dokument, 1 Seite
Bereitschaftserklärung des westdeutschen IM "Hermann" Dokument, 1 Seite