Signatur: BArch, MfS, BV Berlin, KD Mitte, Nr. 9259, Bl. 33-37
Volkspolizei und Staatssicherheit verstärkten Ende des Jahres 1987 ihre Maßnahmen zur Bekämpfung von Neonazis. Die Volkspolizei Berlin-Mitte wertete Befragungen von jugendlichen Skinheads aus und berichtete über die verschiedenen Ausprägungen der lokalen Skinhead-Szene.
Am Abend des 17. Oktobers 1987 überfielen rechtsextreme Skinheads ein Punkkonzert in der Ost-Berliner Zionskirche. Neben der Punkband "Die Firma" spielte auf dem Konzert auch "Element of Crime" aus West-Berlin. Als die Konzertbesucherinnen und -besucher die vollbesetzte Kirche verließen, schlugen etwa 30 angetrunkene Neonazis aus Ost- und West-Berlin auf sie ein. Dabei brüllten sie faschistische Parolen wie "Juden raus", "Kommunistenschweine" und "Sieg Heil!". Anwesende Volkspolizisten registrierten das Geschehen, hielten sich aber im Hintergrund und griffen erst ein, nachdem ein Notruf eingegangen war.
Bei den anschließenden Ermittlungen arbeiteten Staatssicherheit und Volkspolizei eng zusammen. Der Überfall auf die Zionskirche zeigte, dass es trotz der geleugneten Existenz von Rechtsextremismus in der DDR eine gewaltbereite Neonazi-Szene gab. Da westliche Medien bereits einen Tag später über den Vorfall berichteten, konnten auch die DDR-Medien dieses Ereignis nicht mehr stillschweigend übergehen. Für die Gerichtsverfahren stimmte sich die Staatssicherheit eng mit der Justiz der DDR ab. Im ersten Prozess erhielten die vier Hauptangeklagten zunächst unerwartet niedrige Strafen zwischen einem und zwei Jahren Haft. Nachdem es Proteste gegen die Urteile gegeben hatte, forderte die Generalstaatsanwaltschaft in Abstimmung mit dem Obersten Gericht der DDR in den Berufungsverhandlungen ein höheres Strafmaß. Die Neonazis aus Ost-Berlin erhielten schließlich Haftstrafen bis zu vier Jahren.
In Zusammenarbeit mit der Stasi verfasste die Volkspolizei-Inspektion Berlin-Mitte im Dezember 1987 den vorliegenden Bericht über Skinheads. Neben der Auflistung äußerer Erkennungsmerkmale führt sie hier auch die Entstehung der "Nazipunks" als eine neuere Ausprägung der Punkszene auf. Weiterhin unterteilt sie die heterogene Skinheadszene in "Modeskins" ("Mitläufer und Sympathisanten"), "Redskins" ("mit zum Teil anarchistischen Vorstellungen") und den rechtsextremen "Faschoskins". In letzter Zeit würde sich unter den Skinheads die Tendenz abzeichnen, ihre Zugehörigkeit zur Szene zu verbergen und "normale" Kleidung zu tragen. Die Volkspolizei verzeichnet in diesem Bericht zwölf eingeleitete Ermittlungsverfahren gegen Skinheads, unter anderem wegen Belästigungen und Singen faschistischer Lieder.
- "Meine Bekannten sind, ganz normale Leute, die kleiden sich auch so wie ich."
2. Redskins
- "Die DDR finde ich an sich gut. Ich möchte auch hier leben. Nicht gut finde ich, daß die SED alles bestimmt."
- "Ich identifiziere mich mit der Mode und der Musik der Skins."
3. Faschoskins
- "Ich habe Interesse, in einer neofaschistischen Partei bzw. Organisation (wie NPD in der BRD) mitzuwirken."
- "Ich kann mein Gedankengut in der DDR nicht vertreten."
- "Ich bin für ein starkes Deutschland, in den Grenzen von 1937."
- "Ich bin der Meinung, daß es mit den Ausländern in Deutschland nicht überhand nehmen soll."
- "Den Namen meiner Bekannten nenne ich nicht. Ich will sie nicht reinreißen."
4. Fußballskins
- "Wir treffen uns nur bei den Spielen."
- "Namen der anderen kenne ich nicht. Ich kenne die Leute nur vom Sehen."
- "Meist interessiert und das Spiel selbst nicht. Wir wollen sehen, was die anderen machen und anschließend wollen wir zusammen trinken."
Bei den vom 27.11. bis 22.12.1987 zugeführten und befragten 38 Personen handelt es sich in der Regel um Personen der Altersgruppe 17 bis 22 Jahre. Sie haben alle eine abgeschlossene Schulausbildung und befinden sich zum größten Teil in der Lehre.
Es ist zu verzeichnen, daß 10 der bisher zugeführten und befragten Personen wegen Rowdytums bzw. öffentlicher Herabwürdigung vorbestraft sind.
Von den 38 zugeführten und befragten Personen sind 11 in Berlin-Mitte wohnhaft. Weitere Schwerpunkte bilden die Stadtbezirke Lichtenberg, Prenzlauer Berg und Friedrichshain.
Bei den bisher durchgeführten Befragungen wurde bekannt, daß eine neue Tendenz zu verzeichnen ist. Die bisher als Anhänger der Skinheadbewegung bekannten Personen versuchen durch normale Bekleidung und normales Aussehen ihre Anonymität zu wahren.
Straftaten gegen die staatliche Ordnung
Straftaten gegen die staatliche Ordnung waren Straftatbestände des 8. Kapitels des StGB/1968. Insbesondere der 2. Abschnitt ("Straftaten gegen die staatliche und öffentliche Ordnung") enthält politische Strafnormen, die für die strafrechtliche Untersuchungstätigkeit der Staatssicherheit (Untersuchungsorgan) von großer Bedeutung waren.
Das gilt vor allem für § 213 ("Ungesetzlicher Grenzübertritt"), der in der Honecker-Ära Grundlage von rund der Hälfte aller MfS-Ermittlungsverfahren war. Auch § 214 ("Beeinträchtigung staatlicher und gesellschaftlicher Tätigkeit") spielte, vor allem im Zusammenhang mit der Bekämpfung von Ausreiseantragstellern, in den 80er Jahren eine immer wichtigere Rolle.
Ähnliches gilt für § 219 ("Ungesetzliche Verbindungsaufnahme") und § 220 ("Öffentliche Herabwürdigung der staatlichen Ordnung"), die die ähnlichen, aber schwerer wiegenden Strafnormen aus dem 2. Kapitel des StGB/1968 § 100 ("Staatsfeindliche Verbindungen", ab 1979 "Landesverräterische Agententätigkeit") und § 106 ("Staatsfeindliche Hetze") weitgehend verdrängten (Staatsverbrechen).
Strafprozessrechtlich zulässige Möglichkeit der offiziellen Kontaktaufnahme mit Verdächtigen, Zeugen und anderen Personen noch vor Einleitung eines Ermittlungsverfahrens (strafprozessuales Prüfungsstadium). Verdächtige konnten gemäß § 95 StPO/1968 zur Befragung zugeführt werden (Zuführung). Vom MfS wurde die B. gelegentlich als demonstrative Maßnahme zur Einschüchterung Oppositioneller genutzt, gegen die aus politischen Gründen kein Ermittlungsverfahren eingeleitet werden sollte.
Erstes Stadium des Strafverfahrens, steht formal unter Leitung des Staatsanwaltes (§ 87 StPO/1968). Die eigentlichen Ermittlungen werden von den staatlichen Untersuchungsorganen (Polizei, MfS, Zoll) durchgeführt (§ 88 StPO/1968) und vom Staatsanwalt beaufsichtigt (§ 89 StPO/1968).
Tatsächlich waren für die Ermittlungen des MfS lediglich die zuvor vom MfS ausgewählten Staatsanwälte der Abteilungen IA zuständig, die gemäß MfS-internen Regelungen keine Einsicht in Unterlagen oder Ermittlungen, die nicht der StPO entsprachen, bekommen durften. Faktisch gab es daher eine doppelte Aktenführung in der zuständigen Linie IX: den internen Untersuchungsvorgang und die für Staatsanwaltschaft und Gericht bestimmte Gerichtsakte und somit keine wirksame staatsanwaltschaftliche Aufsicht über die MfS-Ermittlungen. Einleitung wie auch Einstellung des Ermittlungsverfahrens konnten selbständig von den Untersuchungsorganen verfügt werden (§§ 98, 141 StPO/1968).
Mit dem Ermittlungsverfahren verbunden waren Eingriffe in die persönliche Freiheit Beschuldigter durch die Untersuchungsorgane wie die Beschuldigten- und Zeugenvernehmung, die Durchsuchung, die Beschlagnahme, die Festnahme oder die Untersuchungshaft. In der Tätigkeit des MfS stellte das Ermittlungsverfahren einen besonders wirksamen Teil des repressiven Vorgehens gegen politische Gegner dar.
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Signatur: BArch, MfS, BV Berlin, KD Mitte, Nr. 9259, Bl. 33-37
Volkspolizei und Staatssicherheit verstärkten Ende des Jahres 1987 ihre Maßnahmen zur Bekämpfung von Neonazis. Die Volkspolizei Berlin-Mitte wertete Befragungen von jugendlichen Skinheads aus und berichtete über die verschiedenen Ausprägungen der lokalen Skinhead-Szene.
Am Abend des 17. Oktobers 1987 überfielen rechtsextreme Skinheads ein Punkkonzert in der Ost-Berliner Zionskirche. Neben der Punkband "Die Firma" spielte auf dem Konzert auch "Element of Crime" aus West-Berlin. Als die Konzertbesucherinnen und -besucher die vollbesetzte Kirche verließen, schlugen etwa 30 angetrunkene Neonazis aus Ost- und West-Berlin auf sie ein. Dabei brüllten sie faschistische Parolen wie "Juden raus", "Kommunistenschweine" und "Sieg Heil!". Anwesende Volkspolizisten registrierten das Geschehen, hielten sich aber im Hintergrund und griffen erst ein, nachdem ein Notruf eingegangen war.
Bei den anschließenden Ermittlungen arbeiteten Staatssicherheit und Volkspolizei eng zusammen. Der Überfall auf die Zionskirche zeigte, dass es trotz der geleugneten Existenz von Rechtsextremismus in der DDR eine gewaltbereite Neonazi-Szene gab. Da westliche Medien bereits einen Tag später über den Vorfall berichteten, konnten auch die DDR-Medien dieses Ereignis nicht mehr stillschweigend übergehen. Für die Gerichtsverfahren stimmte sich die Staatssicherheit eng mit der Justiz der DDR ab. Im ersten Prozess erhielten die vier Hauptangeklagten zunächst unerwartet niedrige Strafen zwischen einem und zwei Jahren Haft. Nachdem es Proteste gegen die Urteile gegeben hatte, forderte die Generalstaatsanwaltschaft in Abstimmung mit dem Obersten Gericht der DDR in den Berufungsverhandlungen ein höheres Strafmaß. Die Neonazis aus Ost-Berlin erhielten schließlich Haftstrafen bis zu vier Jahren.
In Zusammenarbeit mit der Stasi verfasste die Volkspolizei-Inspektion Berlin-Mitte im Dezember 1987 den vorliegenden Bericht über Skinheads. Neben der Auflistung äußerer Erkennungsmerkmale führt sie hier auch die Entstehung der "Nazipunks" als eine neuere Ausprägung der Punkszene auf. Weiterhin unterteilt sie die heterogene Skinheadszene in "Modeskins" ("Mitläufer und Sympathisanten"), "Redskins" ("mit zum Teil anarchistischen Vorstellungen") und den rechtsextremen "Faschoskins". In letzter Zeit würde sich unter den Skinheads die Tendenz abzeichnen, ihre Zugehörigkeit zur Szene zu verbergen und "normale" Kleidung zu tragen. Die Volkspolizei verzeichnet in diesem Bericht zwölf eingeleitete Ermittlungsverfahren gegen Skinheads, unter anderem wegen Belästigungen und Singen faschistischer Lieder.
Diese Personen geben in den Befragungen auch an, daß sie in keiner Weise mehr Angehörige der Skinheads sind. In ihrem Freizeitbereich sind sie jedoch weiterhin mit dem gleichen Personenkreis zusammen.
Vom Elternhaus her sind von den 38 zugeführten und befragten Personen 32 Kinder von Arbeitern bzw. Angestellten. Die Befragten gaben an, daß ihre Eltern zwar mit dem Aussehen nicht einverstanden sind, daß sie es aber in der Zwischenzeit aufgegeben haben, noch was zu sagen.
In den einzelnen Betrieben wird dagegen nur darauf geachtet, ob der Betreffende pünktlich erscheint und ob er seine Arbeit zur Zufriedenheit erledigt.
Die meisten Zuführungen erfolgten vom Alexanderplatz und aus dem Bereich der Leipziger Straße. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt können keine bevorzugten Trefforte objektiviert werden.
Die Aufklärung hat ergeben, daß der Jugendclub "Kino International" sowie die Mocca-Milch-Eisbar bevorzugte Trefforte waren. Die HOG "Schnelle Quelle" hat sich als Treffort nicht bestätigt. Mit der Kreisdienststelle Mitte abgestimmte Aufklärungsergebnisse erbrachten, daß im Stadtbezirk Mitte zur Zeit 21 Personen namentlich bekannt sind. Mit diesen Personen wurden und werden noch Vorbeugegespräche geführt. Die Betriebe und Einrichtungen werden über das Ergebnis informiert.
Im Berichtszeitraum wurden folgende Maßnahmen realisiert:
- 32 Personen wurden zugeführt, befragt und belehrt sowie fotografiert,
- 6 Personen wurden vorgeladen und es wurden mit ihnen Vorbeugegespräche durchgeführt,
- es wurde eine Gruppierungsakte zu Stark, Wernicke und Schwarz eröffnet,
- bisher wurden gegen Skinhead 12 Ermittlungsverfahren mit Haft eingeleitet:
1. Verfahren gegen 4 Skinhead, die im Jugendclub "International" Gäste belästigten, beleidigten und faschistische Äußerungen tätigten
2. Verfahren gegen 4 Skinhead, die im Jugendclub "Sophienstraße" faschistische Lieder sangen und andere Jugendliche bedrohten
3. Verfahren gegen 4 Skinhead, die in der HOG "Prag" das Deutschlandlied sangen und auf- dem U-Bahnhof Spittelmarkt faschistische Lieder sangen und Fahrgäste belästigten.
Der 5. Mittäter ist Angehöriger der NVA und wird durch den Militärstaatsanwalt Strausberg abgearbeitet.
Aufklärung hatte innerhalb des MfS unterschiedliche Bedeutungen: Sie wird zur Bezeichnung des Tätigkeitsbereiches der Auslandsspionage verwendet, die überwiegend von der HV A getragen wurde, die teilweise auch kurz als Aufklärung bezeichnet wird. Darüber hinaus findet der Begriff Verwendung bei der Bezeichnung von Sachverhaltsermittlungen (Aufklärung eines Sachverhalts) und von Überprüfungen der Eignung von IM-Kandidaten (Aufklärung des Kandidaten).
Strafprozessrechtlich zulässige Möglichkeit der offiziellen Kontaktaufnahme mit Verdächtigen, Zeugen und anderen Personen noch vor Einleitung eines Ermittlungsverfahrens (strafprozessuales Prüfungsstadium). Verdächtige konnten gemäß § 95 StPO/1968 zur Befragung zugeführt werden (Zuführung). Vom MfS wurde die B. gelegentlich als demonstrative Maßnahme zur Einschüchterung Oppositioneller genutzt, gegen die aus politischen Gründen kein Ermittlungsverfahren eingeleitet werden sollte.
Quelle war eine zentrale IM-Kategorie der Hauptverwaltung A. Als Quelle wurden im sogenannten Operationsgebiet tätige inoffizielle Mitarbeiter bezeichnet, die in der Lage waren, an geheime Informationen über Aktivitäten und Absichten sowie Ressourcen und interne Lagebedingungen gegnerischer Einrichtungen zu gelangen.
Es wurden zwei Typen von Quellen unterschieden:
Zuletzt besaß die HV A (einschließlich der ihr nachgeordneten Abteilungen XV der BV) in der Bundesrepublik und Westberlin 133 A-Quellen und 449 O-Quellen.
Erstes Stadium des Strafverfahrens, steht formal unter Leitung des Staatsanwaltes (§ 87 StPO/1968). Die eigentlichen Ermittlungen werden von den staatlichen Untersuchungsorganen (Polizei, MfS, Zoll) durchgeführt (§ 88 StPO/1968) und vom Staatsanwalt beaufsichtigt (§ 89 StPO/1968).
Tatsächlich waren für die Ermittlungen des MfS lediglich die zuvor vom MfS ausgewählten Staatsanwälte der Abteilungen IA zuständig, die gemäß MfS-internen Regelungen keine Einsicht in Unterlagen oder Ermittlungen, die nicht der StPO entsprachen, bekommen durften. Faktisch gab es daher eine doppelte Aktenführung in der zuständigen Linie IX: den internen Untersuchungsvorgang und die für Staatsanwaltschaft und Gericht bestimmte Gerichtsakte und somit keine wirksame staatsanwaltschaftliche Aufsicht über die MfS-Ermittlungen. Einleitung wie auch Einstellung des Ermittlungsverfahrens konnten selbständig von den Untersuchungsorganen verfügt werden (§§ 98, 141 StPO/1968).
Mit dem Ermittlungsverfahren verbunden waren Eingriffe in die persönliche Freiheit Beschuldigter durch die Untersuchungsorgane wie die Beschuldigten- und Zeugenvernehmung, die Durchsuchung, die Beschlagnahme, die Festnahme oder die Untersuchungshaft. In der Tätigkeit des MfS stellte das Ermittlungsverfahren einen besonders wirksamen Teil des repressiven Vorgehens gegen politische Gegner dar.
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Signatur: BArch, MfS, BV Berlin, KD Mitte, Nr. 9259, Bl. 33-37
Volkspolizei und Staatssicherheit verstärkten Ende des Jahres 1987 ihre Maßnahmen zur Bekämpfung von Neonazis. Die Volkspolizei Berlin-Mitte wertete Befragungen von jugendlichen Skinheads aus und berichtete über die verschiedenen Ausprägungen der lokalen Skinhead-Szene.
Am Abend des 17. Oktobers 1987 überfielen rechtsextreme Skinheads ein Punkkonzert in der Ost-Berliner Zionskirche. Neben der Punkband "Die Firma" spielte auf dem Konzert auch "Element of Crime" aus West-Berlin. Als die Konzertbesucherinnen und -besucher die vollbesetzte Kirche verließen, schlugen etwa 30 angetrunkene Neonazis aus Ost- und West-Berlin auf sie ein. Dabei brüllten sie faschistische Parolen wie "Juden raus", "Kommunistenschweine" und "Sieg Heil!". Anwesende Volkspolizisten registrierten das Geschehen, hielten sich aber im Hintergrund und griffen erst ein, nachdem ein Notruf eingegangen war.
Bei den anschließenden Ermittlungen arbeiteten Staatssicherheit und Volkspolizei eng zusammen. Der Überfall auf die Zionskirche zeigte, dass es trotz der geleugneten Existenz von Rechtsextremismus in der DDR eine gewaltbereite Neonazi-Szene gab. Da westliche Medien bereits einen Tag später über den Vorfall berichteten, konnten auch die DDR-Medien dieses Ereignis nicht mehr stillschweigend übergehen. Für die Gerichtsverfahren stimmte sich die Staatssicherheit eng mit der Justiz der DDR ab. Im ersten Prozess erhielten die vier Hauptangeklagten zunächst unerwartet niedrige Strafen zwischen einem und zwei Jahren Haft. Nachdem es Proteste gegen die Urteile gegeben hatte, forderte die Generalstaatsanwaltschaft in Abstimmung mit dem Obersten Gericht der DDR in den Berufungsverhandlungen ein höheres Strafmaß. Die Neonazis aus Ost-Berlin erhielten schließlich Haftstrafen bis zu vier Jahren.
In Zusammenarbeit mit der Stasi verfasste die Volkspolizei-Inspektion Berlin-Mitte im Dezember 1987 den vorliegenden Bericht über Skinheads. Neben der Auflistung äußerer Erkennungsmerkmale führt sie hier auch die Entstehung der "Nazipunks" als eine neuere Ausprägung der Punkszene auf. Weiterhin unterteilt sie die heterogene Skinheadszene in "Modeskins" ("Mitläufer und Sympathisanten"), "Redskins" ("mit zum Teil anarchistischen Vorstellungen") und den rechtsextremen "Faschoskins". In letzter Zeit würde sich unter den Skinheads die Tendenz abzeichnen, ihre Zugehörigkeit zur Szene zu verbergen und "normale" Kleidung zu tragen. Die Volkspolizei verzeichnet in diesem Bericht zwölf eingeleitete Ermittlungsverfahren gegen Skinheads, unter anderem wegen Belästigungen und Singen faschistischer Lieder.
Die Aufklärung, Vorbeugung und Zurückdrängung der Skinhead im Stadtbezirk wird gemeinsam mit der KD-MfS konsequent fortgesetzt.
Aufklärung hatte innerhalb des MfS unterschiedliche Bedeutungen: Sie wird zur Bezeichnung des Tätigkeitsbereiches der Auslandsspionage verwendet, die überwiegend von der HV A getragen wurde, die teilweise auch kurz als Aufklärung bezeichnet wird. Darüber hinaus findet der Begriff Verwendung bei der Bezeichnung von Sachverhaltsermittlungen (Aufklärung eines Sachverhalts) und von Überprüfungen der Eignung von IM-Kandidaten (Aufklärung des Kandidaten).
Strafprozessrechtlich zulässige Möglichkeit der offiziellen Kontaktaufnahme mit Verdächtigen, Zeugen und anderen Personen noch vor Einleitung eines Ermittlungsverfahrens (strafprozessuales Prüfungsstadium). Verdächtige konnten gemäß § 95 StPO/1968 zur Befragung zugeführt werden (Zuführung). Vom MfS wurde die B. gelegentlich als demonstrative Maßnahme zur Einschüchterung Oppositioneller genutzt, gegen die aus politischen Gründen kein Ermittlungsverfahren eingeleitet werden sollte.
Erstes Stadium des Strafverfahrens, steht formal unter Leitung des Staatsanwaltes (§ 87 StPO/1968). Die eigentlichen Ermittlungen werden von den staatlichen Untersuchungsorganen (Polizei, MfS, Zoll) durchgeführt (§ 88 StPO/1968) und vom Staatsanwalt beaufsichtigt (§ 89 StPO/1968).
Tatsächlich waren für die Ermittlungen des MfS lediglich die zuvor vom MfS ausgewählten Staatsanwälte der Abteilungen IA zuständig, die gemäß MfS-internen Regelungen keine Einsicht in Unterlagen oder Ermittlungen, die nicht der StPO entsprachen, bekommen durften. Faktisch gab es daher eine doppelte Aktenführung in der zuständigen Linie IX: den internen Untersuchungsvorgang und die für Staatsanwaltschaft und Gericht bestimmte Gerichtsakte und somit keine wirksame staatsanwaltschaftliche Aufsicht über die MfS-Ermittlungen. Einleitung wie auch Einstellung des Ermittlungsverfahrens konnten selbständig von den Untersuchungsorganen verfügt werden (§§ 98, 141 StPO/1968).
Mit dem Ermittlungsverfahren verbunden waren Eingriffe in die persönliche Freiheit Beschuldigter durch die Untersuchungsorgane wie die Beschuldigten- und Zeugenvernehmung, die Durchsuchung, die Beschlagnahme, die Festnahme oder die Untersuchungshaft. In der Tätigkeit des MfS stellte das Ermittlungsverfahren einen besonders wirksamen Teil des repressiven Vorgehens gegen politische Gegner dar.
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Bericht zu einem "Vorbeugungsgespräch" mit einem jugendlichen Skinhead Dokument, 3 Seiten
Informationsbedarf zur Einschätzung über die in der DDR existierenden Skinheads Dokument, 4 Seiten
Information über den Fund von Handzetteln der "Anti-Nazi-Liga" Dokument, 4 Seiten
Information der BV Berlin zum Neonazi-Überfall auf ein Punkkonzert in der Zionskirche Dokument, 5 Seiten