Signatur: BArch, MfS, BV Suhl, KD Bad Salzungen, Nr. 17, Bl. 116-117
Mit der Aktion "Ungeziefer" vertrieb die Volkspolizei tausende Menschen aus dem Sperrgebiet an der Grenze zur Bundesrepublik. Durch diese Zwangsumsiedlungen sollten "politisch unzuverlässige" Personen aus dem Grenzgebiet entfernt werden. Die Einschätzung hierzu nahmen Volkspolizei und Stasi unter anderem anhand von NS-Vergangenheit, Vorstrafen und Spitzelberichten vor.
Schon kurz nach ihrer Gründung musste die DDR eine zunehmende Abwanderung ihrer Bürgerinnen und Bürger in die Bundesrepublik verzeichnen. Die Zwangsenteignung vieler Bauern, der im Vergleich zum Westen bereits geringere Lebensstandard, Ablehnung des politischen Systems und andere Faktoren bewegten immer mehr Menschen dazu, das Land zu verlassen.
Die SED-Führung reagierte darauf mit einer Verschärfung des Grenzregimes. Auf Geheiß der Sowjetunion erließ die Regierung am 26. Mai 1952 eine "Verordnung über Maßnahmen an der Demarkationslinie zwischen der Deutschen Demokratischen Republik und den westlichen Besatzungszonen Deutschlands". Der Minister für Staatssicherheit, Wilhelm Zaisser, legte die genaue Ausgestaltung nur einen Tag später in einer Polizeiverordnung fest.
Diese sah einen besonders geschützten Bereich von fünf Kilometern Breite vor der Grenze vor. Noch strengere Regeln galten für den Schutzstreifen von 500 Metern vor der Grenze. Ein zehn Meter breiter Kontrollstreifen unmittelbar an der Grenze war für normale Bürgerinnen und Bürger vollständig gesperrt.
Begleitet wurden diese Maßnahmen von Zwangsumsiedlungen aus dem Grenzgebiet. Unter dem Decknamen "Aktion 'Ungeziefer'" bereitete das MfS die Umsiedlung von "politisch unzuverlässigen" Personen vor. Die Deutsche Volkspolizei (DVP) vertrieb zwischen Mai und Juni 1952 tausende Personen aus dem Grenzgebiet und wies ihnen eine neue Bleibe im Landesinneren zu.
Zur weiteren Sicherung des Grenzgebietes wies das Ministerium des Innern die Volkspolizei an, alle in der Sperrzone lebenden Bürgerinnen und Bürger in ihrer Grundhaltung zur DDR zu überprüfen. Volkspolizei und Stasi arbeiteten eng zusammen und erstellten Listen von "politisch unzuverlässigen" Personen, die umgesiedelt werden sollten. Der in Grenznähe unerwünschte Personenkreis war dabei sehr breit definiert. Laut dem vorliegenden Dokument der Sonderkommission unter VP-Oberrat Rothe zählten dazu u. a. ehemalige "Angehörige der SS", "reaktionäre Großbauern", "alle Ausländer" und "Leute mit Westverbindungen".
21.05.1952
Betr.: Sonderkommission.
Mit den Vertretern der Kommission der Grenzbereitschaft die Sonderkommission gebildet. Vorsitzender VP.-Oberrat Rothe, M.f.St., KPKK SED-Kreisleitung Gen. Berkes, VPKA VP.-Rat Rutz, VP.-Grenzbereitschaft Dermbach VP.-Kommissar Husmann.
1.) 5 km Grenze wie folgt festgelegt- westlich Kaltensundheim - Mittelsdorf - Diedorf - Zella - Gerstengrund - Bremen - westlich Mieswarz - östlich Dermbach - Völkershausen - Dorndorf - westlich Frauensee.
2.) In die 5 km Grenze fallen die festgelegten Orte vom VPKA.
22.05.1952
1. Besprechung der Kommission:
I. Aufgaben
1.) Bis 23.05.1952 werden die Listen aufgestellt von jeden Mitglied der Kommission in seiner Sektion nach vorhandenen Unterlagen.
2.) Die Listen werden nach folgenden Gesichtspunkten aufgestellt:
a) Personalliste:
Name, Vorname, Geburtstag-Ort, Wohnadresse, beschäftigt als was, wo, Anzahl der Familienangehörigen, politische Zugehörigkeit vor 1933, nach 1933, nach 1945 und heute, Wehrmachtszugehörigkeit, letzter Dienstgrad, Gefangenschaft, wo ,wie lange, welche Belastung, aus welcher Zeit und von wem das Material.
b) Die Begründung erfolgt mit laufender Nummer auf Grund des vorhandenen Material.
Die Listen werden örtsmäßig und alphabetisch aufgestellt.
3.) Freitag, den 23.05.1952 - 20:00 Uhr - zweite Sitzung, Aufstellung und Bestätigung der Gesamtliste.
4.) Was wird ausgesiedelt:
Alle antidemokratischen Elemente, Angehörige der SS, aktive Nazi, Offiziere, reaktionäre Umsiedler, reaktionäre Großbauern, alle Vorbestraften, alle deklasierten Elemente, alle belasteten Elemente, alle Ausländer, Staatenlose, aus der Westzone zugezogene, Leute mit Westverbindungen, alle 201, Grenzgänger und Schieber usw. (zurück bleiben nur fortschrittlich demokratische Kräfte).
5.) Die Mitarbeiter und Schreibkräfte, die zu dieser Arbeit herangezogen werden, dürfen nicht konkret wissen, um was es geht, sie sind vorher zu überprüfen.
b.w.!
Signatur: BArch, MfS, BV Suhl, KD Bad Salzungen, Nr. 17, Bl. 116-117
Mit der Aktion "Ungeziefer" vertrieb die Volkspolizei tausende Menschen aus dem Sperrgebiet an der Grenze zur Bundesrepublik. Durch diese Zwangsumsiedlungen sollten "politisch unzuverlässige" Personen aus dem Grenzgebiet entfernt werden. Die Einschätzung hierzu nahmen Volkspolizei und Stasi unter anderem anhand von NS-Vergangenheit, Vorstrafen und Spitzelberichten vor.
Schon kurz nach ihrer Gründung musste die DDR eine zunehmende Abwanderung ihrer Bürgerinnen und Bürger in die Bundesrepublik verzeichnen. Die Zwangsenteignung vieler Bauern, der im Vergleich zum Westen bereits geringere Lebensstandard, Ablehnung des politischen Systems und andere Faktoren bewegten immer mehr Menschen dazu, das Land zu verlassen.
Die SED-Führung reagierte darauf mit einer Verschärfung des Grenzregimes. Auf Geheiß der Sowjetunion erließ die Regierung am 26. Mai 1952 eine "Verordnung über Maßnahmen an der Demarkationslinie zwischen der Deutschen Demokratischen Republik und den westlichen Besatzungszonen Deutschlands". Der Minister für Staatssicherheit, Wilhelm Zaisser, legte die genaue Ausgestaltung nur einen Tag später in einer Polizeiverordnung fest.
Diese sah einen besonders geschützten Bereich von fünf Kilometern Breite vor der Grenze vor. Noch strengere Regeln galten für den Schutzstreifen von 500 Metern vor der Grenze. Ein zehn Meter breiter Kontrollstreifen unmittelbar an der Grenze war für normale Bürgerinnen und Bürger vollständig gesperrt.
Begleitet wurden diese Maßnahmen von Zwangsumsiedlungen aus dem Grenzgebiet. Unter dem Decknamen "Aktion 'Ungeziefer'" bereitete das MfS die Umsiedlung von "politisch unzuverlässigen" Personen vor. Die Deutsche Volkspolizei (DVP) vertrieb zwischen Mai und Juni 1952 tausende Personen aus dem Grenzgebiet und wies ihnen eine neue Bleibe im Landesinneren zu.
Zur weiteren Sicherung des Grenzgebietes wies das Ministerium des Innern die Volkspolizei an, alle in der Sperrzone lebenden Bürgerinnen und Bürger in ihrer Grundhaltung zur DDR zu überprüfen. Volkspolizei und Stasi arbeiteten eng zusammen und erstellten Listen von "politisch unzuverlässigen" Personen, die umgesiedelt werden sollten. Der in Grenznähe unerwünschte Personenkreis war dabei sehr breit definiert. Laut dem vorliegenden Dokument der Sonderkommission unter VP-Oberrat Rothe zählten dazu u. a. ehemalige "Angehörige der SS", "reaktionäre Großbauern", "alle Ausländer" und "Leute mit Westverbindungen".
6.) Die einzelnen Personen, welche ausgesiedelt werden, werden festgelegt nach den Richtungen:
a) Ministerium für Staatssicherheit alle politischen Fälle mit Belastung.
b) VPKA alle kriminelle Fälle und oblikatorischen.
c) VP.-Grenzbereitschaft alle angefallenen belasteten Grenzgänger.
d) Partei alle aus Parteiunterlagen belasteten Personen.
[Unterschrift]
(Rothe)
VP.-Oberrat
Leiter der Kreisverwaltung
Bericht der Kreisverwaltung Bad Salzungen zur Durchführung der Aktion "Ungeziefer" Dokument, 4 Seiten
Bericht über den Verlauf der Aktion "Ungeziefer" in Thüringen Dokument, 5 Seiten
Dienstanweisung Nr. 2/52 der Volkspolizei zu Passierscheinen für die Sperrzone Dokument, 3 Seiten
Dokumentation zur Aktion "Festigung" Dokument, 60 Seiten