Signatur: BStU, MfS, ZAIG, Nr. 5023, Bl. 3-17
Der Name des DDR-Spions Günter Guillaume steht wie kein anderer exemplarisch für die Westspionage des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS). Er stieg zu einem persönlichen Referenten des damaligen Bundeskanzlers Willy Brandt auf und hatte Zugang zu streng geheimen Unterlagen. Guillaumes Enttarnung und Festnahme am 24. April 1974 löste in der BRD eine der größten innenpolitischen Krisen der Nachkriegszeit aus und veranlasste Willy Brandts, als Bundeskanzler zurückzutreten. Die Stasi analysierte, welchen Anteil die Enttarnung des Kanzleramtsspions an Brandts Rücktritt hatte.
1956 wurde Günter Guillaume gemeinsam mit seiner Frau Christel in die Bundesrepublik geschickt, um die Parteiarbeit der SPD auszuspionieren. Die Staatssicherheit bezeichnete solche Inoffiziellen Mitarbeiter (IM) als Übersiedlungs-IM (ÜIM), und alle Westspione wurden als "Kundschafter für den Frieden" propagandistisch verklärt.
Vorausgegangen war eine sorgfältige Schulung durch die Hauptverwaltung A (HV A), die Auslandsspionageabteilung der DDR-Staatssicherheit. Zehn Jahre lang war Guillaume dann als SPD-Parteifunktionär in Hessen tätig und stieg innerhalb der Sozialdemokratischen Partei immer weiter auf. Dass er es 1970 bis ins Kanzleramt schaffte und 1972 sogar persönlicher Referent von Bundeskanzler Willy Brandt wurde, hatte Mitte der 50er Jahre wohl niemand erwartet.
Anfang der 70er Jahre gehörte Guillaume zum engsten Mitarbeiterkreis des Kanzlers und bekam Einblick in unterschiedliche, zum Teil streng geheime Regierungsvorgänge. Im Jahre 1973 verdichteten sich dann die teilweise schon früher wahrgenommen Verdachtsmomente gegen Guillaume, und die bundesdeutschen Sicherheitsdienste wurden aktiv. Doch erst im April 1974 wurde der DDR-Spion verhaftet. Der Fall löste eine politische Krise in der Bundesrepublik aus, die Willy Brandt zum Anlass nahm, von seinem Amt zurückzutreten. Guillaume und seine Frau wurden 1975 zu 13 bzw. acht Jahren Freiheitsstrafe verurteilt.
Die Festnahme von Günter und Christel Guillaume wurde in der DDR offiziell als große Leistung zweier überzeugter Kommunisten gefeiert, die für die Sache des Sozialismus lange Phasen ihres Lebens opferten. Den auf die Guillaume-Affäre folgende Rücktritt des Bundeskanzlers Willy Brandt hingegen dokumentierte die Stasi verhalten und ohne ein eigenes Schuldeingeständnis. Sie analysierte, wie hoch der Anteil der Entdeckung des Kanzleramtsspions am Rücktritt Brandts war und kam zu dem durchaus zutreffenden Schluss: "Der Fall Guillaume war nur der äußere Anlaß zum Rücktritt Brandts von seiner Funktion als Bundeskanzler." Gleichwohl hatte die Stasi den Anlass für Brandts Sturz geliefert, nachdem sie ihm zwei Jahr zuvor sein Amt noch gerettet hatte: 1972 hatte die Stasi zwei Bundestagsabgeordnete bestochen, mit deren Stimmen Willy Brandt ein Misstrauensvotum der CDU/CSU überstand.
Monate, zur Energiekrise, zu den Streiksituationen usw. vor allem Äußerungen der Fachminister. Auch die Diskussion um solche Fragen wie die Geschwindigkeitsbegrenzung und den § 218 überließ er weitgehend dem Selbstlauf und griff nicht ein. Dadurch, daß er die Richtlinienkompetenz im Kabinett praktisch nicht ausübte, kam es zu einer zunehmenden Differenzierung der Meinungen. Trotzdem wurde ihm autoritäres Verhalten vorgeworfen, da er verschiedentlich, vor allem im Parteivorstand, die Entscheidung über bestimmte Fragen mit der Vertrauensfrage für ihn verband. Diese Einschätzung ist sicherlich falsch, da es ihm selbst unter diesem Druck nicht immer gelang, seine Auffassung durchzusetzen und da es sich letztlich um eine Art Notbremse handelte. Ihm ist vielmehr mangelndes Durchsetzungsvermögen zu bescheinigen.
Wehner äußerte, daß Brandt nur ein Kanzler für gute Tage sei; wenn es jedoch kritisch werde, werde man ihn in Norwegen wiederfinden. Er ist zweifellos persönlich erheblich verletzlicher als das im allgemeinen bei einem Staatsmann aus imperialistischen Ländern üblich ist. Daraus ergibt sich, daß er gegen Illoyalitäten außerordentlich empfindlich ist. Deshalb hat ihn auch die Kampagne, die nicht nur von der Springer-Presse, sondern auch von der Regierung nahestehenden Zeitungen gegen ihn entfacht wurde, schwer getroffen. Für das Zurückgehen des Masseneinflusses derSPD mißt er sich einen Teil der Schuld zu. Der konservative Publizist Kremp hat sicher in bestimmtem Maße recht, wenn er feststellte, daß Brandt Furcht davor habe, als der Kanzler in die Geschichte einzugehen, unter dessen Händen die SPD allmählich zerbröckelte. Hinzu kommt zweifellos die Furcht davor, daß im Zusammenhang mit der Festnahme Guillaumes Informationen über sein Privatleben, insbesondere über sein ausschweifendes Sexualleben in der Öffentlichkeit bekannt werden. All das hat ihn dazu bewogen, die Gelegenheit der Festnahme Guillaumes zu ergreifen, um sich einen ehrenvollen Abgang zu verschaffen.
4. Zu einigen Schlußfolgerungen aus der Situation
a) Der Fall Guillaume war nur der äußere Anlaß zum Rücktritt Brandts von seiner Funktion als Bundeskanzler. Angesichts der inneren Situation der BRD, des Differenzierungsprozesses in der Koalition und in der SPD sowie der persönlichen Eigenschaften Brandts
Aufklärung hatte innerhalb des MfS unterschiedliche Bedeutungen: Sie wird zur Bezeichnung des Tätigkeitsbereiches der Auslandsspionage verwendet, die überwiegend von der HV A getragen wurde, die teilweise auch kurz als Aufklärung bezeichnet wird. Darüber hinaus findet der Begriff Verwendung bei der Bezeichnung von Sachverhaltsermittlungen (Aufklärung eines Sachverhalts) und von Überprüfungen der Eignung von IM-Kandidaten (Aufklärung des Kandidaten).
Hauptverwaltung (HV) war eine Organisationseinheit in der MfS-Zentrale, die bereits ausdifferenzierte Aufgabenkomplexe in einer hierarchisch gegliederten Einheit zusammenfasst. Überwiegend durch Stellvertreter des Ministers direkt geleitet. Über das Gründungsjahrzehnt des MfS hinweg hatte nur die HV A als echte HV Bestand. Daneben war Hauptverwaltung eine Bezeichnung für Diensteinheiten im MfS ohne strukturell berechtigenden Hintergrund.
Die Hauptverwaltung A (HV A) war die Spionageabteilung des MfS, deren Bezeichnung sich an die der Spionageabteilung des KGB, 1. Verwaltung, anlehnt. Der Ordnungsbuchstabe A wurde in der Bundesrepublik oftmals, aber unzutreffenderweise mit "Aufklärung" aufgelöst. Die HV A wurde 1951 als Institut für Wirtschaftswissenschaftliche Forschung (IWF) gebildet und ging im September 1953 als HA XV in das Staatssekretariat für Staatssicherheit ein. Sie wurde im MfS von 1956 bis zur Auflösung im Juni 1990 als HV A bezeichnet.
Der Schwerpunkt nachrichtendienstlicher Tätigkeit der HV A lag in der Bundesrepublik Deutschland und Westberlin, wo sie mit Objektquellen, d. h. den IM in den nachrichtendienstlichen Zielobjekten, aktiv war.
Die HV A gliederte sich 1956 in 15, 1989 in 20 Abteilungen.
Für die operative Arbeit gegen das Bundeskanzleramt und wichtige Bundesministerien war die Abteilung I, für die gegen die bundesdeutschen Parteien die Abteilung II und für die Arbeit außerhalb Deutschlands die Abteilung III zuständig. Für die Infiltration der USA war die Abteilung XI, für die NATO und die Europäischen Gemeinschaften die Abteilung XII verantwortlich. Mit der Militärspionage war die Abteilung IV befasst, mit der Unterwanderung gegnerischer Nachrichtendienste die Abteilung IX.
Innerhalb der Hauptverwaltung war vornehmlich der Sektor Wissenschaft und Technik (SWT) mit Wissenschafts- und Technikspionage befasst, der zu diesem Zweck die Abteilung XIII bis XV sowie die Arbeitsgruppen 1, 3 und 5 unterhielt sowie eine eigene Auswertungsabteilung, die Abteilung V bzw. ab 1959 Abteilung VII.
Leiter der HV A waren 1951/52 Anton Ackermann, kurzzeitig Richard Stahlmann, 1952-1986 Markus Wolf, dann Werner Großmann und 1989/90 Bernd Fischer. Von anfangs zwölf Mitarbeitern wuchs der Apparat bis 1955 auf 430, bis 1961 auf 524 Mitarbeiter und erreichte bis 1972 einen Umfang von 1.066 hauptamtlichen Mitarbeitern. Bis 1989 wuchs die HV A auf 3.299 hauptamtliche Mitarbeiter, hinzu kamen 701 OibE (1985: 1.006) sowie 778 HIM. OibE und HIM arbeiteten verdeckt in der DDR und im Operationsgebiet. Insgesamt verfügte die HV A also zuletzt über 4.778 Mitarbeiter.
Die Anzahl der von der HV A geführten IM umfasste im Jahre 1989 rund 13.400 in der DDR und weitere 1.550 in der Bundesrepublik. Über 40 Jahre hinweg werden nach Hochrechnungen insgesamt rund 6.000 Bundesbürger und Westberliner IM der HV A gewesen sein.
Inoffizielle Mitarbeiter (IM) waren das wichtigste Instrument des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS), um primär Informationen über Bürger, die Gesellschaft, ihre Institutionen und Organisationen der DDR oder im Ausland zu gewinnen. Unter Umständen hatten IM auf Personen oder Ereignisse in der DDR steuernden Einfluss zu nehmen.
In der DDR-Gesellschaft hießen sie "Spitzel", "Denunzianten" oder "Kundschafter". Mit der deutschen Einheit hat sich die Bezeichnung Inoffizieller Mitarbeiter des MfS für die heimlichen Zuträger etabliert. Sie lieferten u. a. Informationen über Stimmungen und Meinungen in der Bevölkerung.
Die SED-Führung wollte stets über die konkrete Situation und Lage in der DDR unterrichtet sein. Die IM hatten den Auftrag, "staatsgefährdende" Bestrebungen zu ermitteln, was beim MfS "politisch ideologische Diversion" bzw. "politische Untergrundtätigkeit" hieß. Der Bogen hierfür war weit gespannt und reichte von einer privaten Meinungsäußerung bis hin zu politischen Aktivitäten. Überdies sollten sie, wenn auch selten, direkt auf gesellschaftliche Entwicklungen oder einzelne Personen einwirken.
Die IM waren das wichtigste Repressionsinstrument in der DDR. IM wurden auf bestimmte Schwerpunkte angesetzt, von denen tatsächliche oder vermeintliche Gefahren ausgehen konnten. Diese Objekte und Territorien, Bereiche oder Personen waren so zahlreich, dass die geheimpolizeiliche Durchdringung tendenziell den Charakter einer flächendeckenden Überwachung annahm.
Die Anzahl der vom MfS geführten inoffiziellen Mitarbeiter umfasste im Jahre 1989 ungefähr 189.000 IM, darunter 173.000 IM der Abwehrdiensteinheiten, ferner 13.400 IM in der DDR und 1.550 IM in der Bundesrepublik, die von der Hauptverwaltung A geführt wurden, sowie diverse andere wie Zelleninformatoren usw. Auf 89 DDR-Bürger kam somit ein IM. In der Zeit von 1950 bis 1989 gab es insgesamt ca. 620.000 IM.
Die Entwicklung des IM-Netzes ist nicht allein von einem kontinuierlichen Anstieg geprägt, sondern verweist auf besondere Wachstumsphasen in Zeiten innergesellschaftlicher Krisen wie dem 17. Juni 1953 oder am Vorabend des Mauerbaus. Im Zuge der deutsch-deutschen Entspannungspolitik wurde das IM-Netz ebenfalls erweitert. So umfasste es Mitte der 70er Jahre – hochgerechnet – über 200.000 IM. Angesichts wachsender oppositioneller Bewegungen hatte es in den 80er Jahren gleichfalls ein hohes Niveau.
Die flächendeckende Überwachung der Gesellschaft fiel regional recht unterschiedlich aus. Im Land Brandenburg, das die Bezirke Cottbus, Frankfurt (Oder) und Potsdam vereint, war sie stärker als in Thüringen. Die höchste IM-Dichte wies der ehemalige Bezirk Cottbus auf.
Das MfS operierte formal nach territorialen Gesichtspunkten und Sicherungsbereichen, setzte jedoch operative Schwerpunkte in der geheimpolizeilichen Arbeit. Bezogen auf das Gesamtministerium lagen diese – sowohl auf Kreis-, als auch auf Bezirks- und Hauptabteilungsebene – bei der Volkswirtschaft, der Spionageabwehr und auf der "politischen Untergrundtätigkeit", der "Bearbeitung " von oppositionellen Milieus und den Kirchen.
Die Motive zur Kooperation mit dem MfS waren überwiegend ideeller, seltener materieller Natur, noch seltener war Erpressung der Grund. Die Kooperation währte durchschnittlich sechs bis zehn Jahre oder länger. Augenfällig ist, dass darunter nicht wenige soziale Aufsteiger waren. Der Anteil von weiblichen IM lag in der DDR bei 17 Prozent, in der Bundesrepublik bei 28 Prozent. Über die Hälfte der IM war Mitglied der SED. Von den 2,3 Mio. Mitgliedern der Partei ausgehend, waren 4 bis 5 Prozent zuletzt inoffiziell aktiv, d. h. jedes zwanzigste SED-Mitglied.
Das MfS differenzierte IM nach Kategorien: Gesellschaftliche Mitarbeiter für Sicherheit, IM zur Sicherung und Durchdringung des Verantwortungsbereichs, IM im besonderen Einsatz, Führungs-IM und IM zur Sicherung der Konspiration und des Verbindungswesens. Die wichtigste Kategorie waren IM mit "Feindverbindungen" bzw. solche, die Personen zu "bearbeiten" hatten, die "im Verdacht der Feindtätigkeit" standen. Im Laufe der 80er Jahre nahm der Anteil von IM in der Kategorie IMB bis Dezember 1988 auf rund 3.900 zu.
Der Anteil von Bundesbürgern oder Ausländern unter den IM des MfS betrug nicht einmal 2 Prozent. 1989 waren mindestens 3.000 Bundesbürger inoffiziell im Dienste des MfS, zusätzlich mehrere Hundert Ausländer. In der Zeit von 1949 bis 1989 waren insgesamt mindestens 12.000 Bundesbürger und Westberliner IM.
Die operativen Ziele des MfS waren über die gesamte Bundesrepublik Deutschland verteilt. Darüber hinaus gab es Schwerpunkte in Europa, im Nahen Osten und Asien, nachgeordnet auch in Afrika und Lateinamerika. Nachrichtendienstliche Schwerpunkte waren vor allem die Wissenschafts- und Technikspionage, erst danach die politische und mit etwas Abstand die Militärspionage. Die Bundesrepublik Deutschland wurde folglich vor allem als Ressource zur Systemstabilisierung genutzt.
Die politische Spionage diente vornehmlich dazu, die politische Gefährdungslage des herrschenden Systems in der DDR bestimmen zu können. Dieses Profil deutet an, dass die Spionage der Bewahrung des Status quo dienen sollte. Von einer Unterwanderung der Bundesrepublik war die Geheimpolizei zahlenmäßig weit entfernt. Vielmehr waren ihre inoffiziellen Mitarbeiter damit beschäftigt, das DDR-System zu stabilisieren.
Von 1980 bis 1989 geltende IM-Kategorie, als IMB definiert – nicht zu verwechseln mit der Vorgangsart IMB der Hauptverwaltung A. Mit der Einführung des IMB wurden die IM-Kategorien IMV und IMF zu einer zusammengefasst. Die IMB galten als hochkarätige IM, die direkten Kontakt mit Personen hatten, die vom MfS als "feindlich" eingestuft wurden und deren Vertrauen besaßen, etwa Zuträger mit kirchlichen Funktionen oder aus Oppositionsgruppen. Außerdem wurden IMB zur Bekämpfung als "feindlich" angesehener Organisationen und Individuen im sog. Operationsgebiet eingesetzt. Zuletzt gab es rund 3.900 IMB.
Die ZAIG war das "Funktionalorgan" des Ministers für Staatssicherheit, die Schaltstelle im MfS, in der nahezu alle komplexen Stabsfunktionen konzentriert waren: die zentrale Auswertung und Information, einschließlich der Berichterstattung an die politische Führung, die Optimierung der entsprechenden Verfahren und Strukturen im Gesamtapparat des MfS, die zentralen Kontrollen und Untersuchungen und die Analyse der operativen Effektivität des MfS, die zentrale Planung und die Erarbeitung dienstlicher Bestimmungen, zudem die übergeordneten Funktionen im Bereich EDV sowie die Gewährleistung des internationalen Datenaustauschsystems der kommunistischen Staatssicherheitsdienste (SOUD). Nach der Eingliederung der Abteilung Agitation 1985 waren auch die Öffentlichkeitsarbeit und die Traditionspflege des MfS in der ZAIG als "Bereich 6" funktional verankert. Die ZAIG war im direkten Anleitungsbereich des Ministers angesiedelt; ihr waren zuletzt die formal selbständigen Abt. XII, XIII (Rechenzentrum) und die Rechtsstelle fachlich unterstellt.
Die ZAIG geht auf die nach dem Juniaufstand 1953 gegründete und von Heinz Tilch geleitete Informationsgruppe (IG) der Staatssicherheitszentrale zurück, die erstmals eine regelmäßige Lage- und Stimmungsberichterstattung für die Partei- und Staatsführung hervorbrachte. Diese entwickelte sich 1955/56 zur Abteilung Information mit drei Fachreferaten, wurde aber 1957 als Resultat des Konfliktes zwischen Ulbricht und Wollweber wieder stark reduziert. 1957 erhielt die Abteilung mit Irmler einen neuen Leiter, der jedoch bereits 1959 vom ehemaligen stellv. Leiter der HV A Korb abgelöst und zum Stellvertreter zurückgestuft wurde. Gleichzeitig wurde die Diensteinheit in Zentrale Informationsgruppe (ZIG) umbenannt; von da an lief auch die bisher eigenständige Berichterstattung der HV A über sie. 1960 wurde die Berichterstattung an die politische Führung durch einen Ministerbefehl präzise geregelt, und die ZIG erhielt mit der Neueinrichtung von Informationsgruppen in den BV und operativen HA einen soliden Unterbau.
1965 wurde die ZIG in ZAIG umbenannt und ein einheitliches Auswertungs- und Informationssystem eingeführt, das die Recherche und Selektion von Daten sowie die Organisierung von Informationsflüssen gewährleistete. In den operativen HA und BV erhielt die ZAIG mit den AIG entsprechende "Filialen". Im gleichen Jahr ging Korb in den Ruhestand, Irmler wurde wieder Leiter der Diensteinheit.
1968 wurde auch das Kontrollwesen der Staatssicherheit in die ZAIG eingegliedert, das im Dezember 1953 mit der Kontrollinspektion seinen ersten organisatorischen Rahmen erhalten hatte und 1957 mit der Umbenennung in AG Anleitung und Kontrolle erheblich qualifiziert worden war.
1969 erhielt die ZAIG auch die Verantwortung für den Einsatz der EDV. Das im Aufbau begriffene Rechenzentrum (Abt. XIII) wurde ihr unterstellt. In der ersten Hälfte der 70er Jahre bildeten sich vier Arbeitsbereiche der ZAIG heraus. Bereich 1: konkrete Auswertungs- und Informationstätigkeit und Berichterstattung an die politische Führung; Bereich 2: Kontrollwesen, die Erarbeitung von dienstlichen Bestimmungen sowie Prognose- und Planungsaufgaben; Bereich 3: Fragen der EDV; Bereich 4: Pflege und Weiterentwicklung der "manuellen" Bestandteile des Auswertungs- und Informationssystems. 1979 erhielt dieser Bereich auch die Verantwortung für das SOUD ("ZAIG/5").
Übersiedlungs-IM (ÜIM) wurden nach einer gründlichen Auswahl und Ausbildung unter einer operativen Legende aus der DDR in das Operationsgebiet übergesiedelt. Zu den Übersiedlungskandidaten zählten Residenten, deren Gehilfen und Funker, seit den 60er Jahren auch Werber, außerdem in den 50er Jahren auch "Einschleusungskandidaten" und Geheime Mitarbeiter im besonderen Auftrag. ÜIM durften nicht älter als 35 Jahre sein. Sie mussten politisch zuverlässig, ihre operativen Fähigkeiten erprobt sein. Außerdem sollten sie über entsprechende psychische Voraussetzungen sowie über gute Sprachkenntnisse und Einfühlungsvermögen verfügen.
Signatur: BStU, MfS, ZAIG, Nr. 5023, Bl. 3-17
Der Name des DDR-Spions Günter Guillaume steht wie kein anderer exemplarisch für die Westspionage des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS). Er stieg zu einem persönlichen Referenten des damaligen Bundeskanzlers Willy Brandt auf und hatte Zugang zu streng geheimen Unterlagen. Guillaumes Enttarnung und Festnahme am 24. April 1974 löste in der BRD eine der größten innenpolitischen Krisen der Nachkriegszeit aus und veranlasste Willy Brandts, als Bundeskanzler zurückzutreten. Die Stasi analysierte, welchen Anteil die Enttarnung des Kanzleramtsspions an Brandts Rücktritt hatte.
1956 wurde Günter Guillaume gemeinsam mit seiner Frau Christel in die Bundesrepublik geschickt, um die Parteiarbeit der SPD auszuspionieren. Die Staatssicherheit bezeichnete solche Inoffiziellen Mitarbeiter (IM) als Übersiedlungs-IM (ÜIM), und alle Westspione wurden als "Kundschafter für den Frieden" propagandistisch verklärt.
Vorausgegangen war eine sorgfältige Schulung durch die Hauptverwaltung A (HV A), die Auslandsspionageabteilung der DDR-Staatssicherheit. Zehn Jahre lang war Guillaume dann als SPD-Parteifunktionär in Hessen tätig und stieg innerhalb der Sozialdemokratischen Partei immer weiter auf. Dass er es 1970 bis ins Kanzleramt schaffte und 1972 sogar persönlicher Referent von Bundeskanzler Willy Brandt wurde, hatte Mitte der 50er Jahre wohl niemand erwartet.
Anfang der 70er Jahre gehörte Guillaume zum engsten Mitarbeiterkreis des Kanzlers und bekam Einblick in unterschiedliche, zum Teil streng geheime Regierungsvorgänge. Im Jahre 1973 verdichteten sich dann die teilweise schon früher wahrgenommen Verdachtsmomente gegen Guillaume, und die bundesdeutschen Sicherheitsdienste wurden aktiv. Doch erst im April 1974 wurde der DDR-Spion verhaftet. Der Fall löste eine politische Krise in der Bundesrepublik aus, die Willy Brandt zum Anlass nahm, von seinem Amt zurückzutreten. Guillaume und seine Frau wurden 1975 zu 13 bzw. acht Jahren Freiheitsstrafe verurteilt.
Die Festnahme von Günter und Christel Guillaume wurde in der DDR offiziell als große Leistung zweier überzeugter Kommunisten gefeiert, die für die Sache des Sozialismus lange Phasen ihres Lebens opferten. Den auf die Guillaume-Affäre folgende Rücktritt des Bundeskanzlers Willy Brandt hingegen dokumentierte die Stasi verhalten und ohne ein eigenes Schuldeingeständnis. Sie analysierte, wie hoch der Anteil der Entdeckung des Kanzleramtsspions am Rücktritt Brandts war und kam zu dem durchaus zutreffenden Schluss: "Der Fall Guillaume war nur der äußere Anlaß zum Rücktritt Brandts von seiner Funktion als Bundeskanzler." Gleichwohl hatte die Stasi den Anlass für Brandts Sturz geliefert, nachdem sie ihm zwei Jahr zuvor sein Amt noch gerettet hatte: 1972 hatte die Stasi zwei Bundestagsabgeordnete bestochen, mit deren Stimmen Willy Brandt ein Misstrauensvotum der CDU/CSU überstand.
ist anzunehmen, daß ein Rücktritt Brandts über kurz oder lang möglich war.
b) Der Rücktritt Brandts wird keine wesentlichen Veränderungen der politischen Grundlinie mit sich bringen. Insgesamt wird er die Regierung der BRD etwas nach rechts rücken, aber durch die Übernahme der Kanzlerschaft durch Schmidt mit Genscher als Hauptpartner werden sich die Probleme der BRD und das innenpolitische Kräfteverhältnis nicht ändern. Es kann damit gerechnet werden, daß die Politik insgesamt pragmatischer sein wird und Illusionen stärker in den Hintergrund treten.
c) Schmidt ist ein größeres Durchsetzungsvermögen zuzutrauen. Er hat stärkere Verbindung zu den Monopolen und ist offensichtlich bereit, deren Interessen stärker zu berücksichtigen. Auffällig ist, daß die großen Monopolverbände bereits vor der offiziellen Amtsübernahme die Bereitschaft zur Zusammenarbeit mit Schmidt erklärten, wenn er sich vorwiegend auf Stabilität und Bekämpfung der Inflation konzentriert. Es ist möglich, daß Schmidt dazu bereit ist, selbst mit bestimmten Konsequenzen für die Vollbeschäftigung. Eine weitere Verschärfung der sozialen Widersprüche in der BRD ist nicht ausgeschlossen, wenn sich Schmidt auch stärker um die Partnerschaft mit den Gewerkschaften bemühen wird. Insgesamt ist ihm eine erheblich energischere Handhabung der Regierungsgewalt zuzutrauen.
d) Die Beziehungen zu den sozialistischen Ländern werden sich auch unter einer Kanzlerschaft Schmidt nicht wesentlich ändern, werden aber entsprechend der Gesamtlinie nüchterner und pragmatischer gestaltet werden. Es ist stark damit zu rechnen, daß der Einfluß, den Bahr auf die Ostpolitik ausübte, weitgehend liquidiert wird. Die Politik der BRD gegenüber der DDR und den anderen sozialistischen Ländern wird von den staatlichen Interessen bestimmt werden.
e) Auch die Außenpolitik gegenüber den westlichen Ländern wird sich nicht grundsätzlich ändern. Möglicherweise werden die Beziehungen zu den USA stärker betont, ohne daß das wesentliche Auswirkungen auf die Beziehungen innerhalb der EWG habe wird. Auch hier sind die Probleme die gleichen geblieben, so daß eine grundsätzliche Änderung der Westpolitik außerhalb des Bereichs des Möglichen steht.
Aufklärung hatte innerhalb des MfS unterschiedliche Bedeutungen: Sie wird zur Bezeichnung des Tätigkeitsbereiches der Auslandsspionage verwendet, die überwiegend von der HV A getragen wurde, die teilweise auch kurz als Aufklärung bezeichnet wird. Darüber hinaus findet der Begriff Verwendung bei der Bezeichnung von Sachverhaltsermittlungen (Aufklärung eines Sachverhalts) und von Überprüfungen der Eignung von IM-Kandidaten (Aufklärung des Kandidaten).
Hauptverwaltung (HV) war eine Organisationseinheit in der MfS-Zentrale, die bereits ausdifferenzierte Aufgabenkomplexe in einer hierarchisch gegliederten Einheit zusammenfasst. Überwiegend durch Stellvertreter des Ministers direkt geleitet. Über das Gründungsjahrzehnt des MfS hinweg hatte nur die HV A als echte HV Bestand. Daneben war Hauptverwaltung eine Bezeichnung für Diensteinheiten im MfS ohne strukturell berechtigenden Hintergrund.
Die Hauptverwaltung A (HV A) war die Spionageabteilung des MfS, deren Bezeichnung sich an die der Spionageabteilung des KGB, 1. Verwaltung, anlehnt. Der Ordnungsbuchstabe A wurde in der Bundesrepublik oftmals, aber unzutreffenderweise mit "Aufklärung" aufgelöst. Die HV A wurde 1951 als Institut für Wirtschaftswissenschaftliche Forschung (IWF) gebildet und ging im September 1953 als HA XV in das Staatssekretariat für Staatssicherheit ein. Sie wurde im MfS von 1956 bis zur Auflösung im Juni 1990 als HV A bezeichnet.
Der Schwerpunkt nachrichtendienstlicher Tätigkeit der HV A lag in der Bundesrepublik Deutschland und Westberlin, wo sie mit Objektquellen, d. h. den IM in den nachrichtendienstlichen Zielobjekten, aktiv war.
Die HV A gliederte sich 1956 in 15, 1989 in 20 Abteilungen.
Für die operative Arbeit gegen das Bundeskanzleramt und wichtige Bundesministerien war die Abteilung I, für die gegen die bundesdeutschen Parteien die Abteilung II und für die Arbeit außerhalb Deutschlands die Abteilung III zuständig. Für die Infiltration der USA war die Abteilung XI, für die NATO und die Europäischen Gemeinschaften die Abteilung XII verantwortlich. Mit der Militärspionage war die Abteilung IV befasst, mit der Unterwanderung gegnerischer Nachrichtendienste die Abteilung IX.
Innerhalb der Hauptverwaltung war vornehmlich der Sektor Wissenschaft und Technik (SWT) mit Wissenschafts- und Technikspionage befasst, der zu diesem Zweck die Abteilung XIII bis XV sowie die Arbeitsgruppen 1, 3 und 5 unterhielt sowie eine eigene Auswertungsabteilung, die Abteilung V bzw. ab 1959 Abteilung VII.
Leiter der HV A waren 1951/52 Anton Ackermann, kurzzeitig Richard Stahlmann, 1952-1986 Markus Wolf, dann Werner Großmann und 1989/90 Bernd Fischer. Von anfangs zwölf Mitarbeitern wuchs der Apparat bis 1955 auf 430, bis 1961 auf 524 Mitarbeiter und erreichte bis 1972 einen Umfang von 1.066 hauptamtlichen Mitarbeitern. Bis 1989 wuchs die HV A auf 3.299 hauptamtliche Mitarbeiter, hinzu kamen 701 OibE (1985: 1.006) sowie 778 HIM. OibE und HIM arbeiteten verdeckt in der DDR und im Operationsgebiet. Insgesamt verfügte die HV A also zuletzt über 4.778 Mitarbeiter.
Die Anzahl der von der HV A geführten IM umfasste im Jahre 1989 rund 13.400 in der DDR und weitere 1.550 in der Bundesrepublik. Über 40 Jahre hinweg werden nach Hochrechnungen insgesamt rund 6.000 Bundesbürger und Westberliner IM der HV A gewesen sein.
Inoffizielle Mitarbeiter (IM) waren das wichtigste Instrument des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS), um primär Informationen über Bürger, die Gesellschaft, ihre Institutionen und Organisationen der DDR oder im Ausland zu gewinnen. Unter Umständen hatten IM auf Personen oder Ereignisse in der DDR steuernden Einfluss zu nehmen.
In der DDR-Gesellschaft hießen sie "Spitzel", "Denunzianten" oder "Kundschafter". Mit der deutschen Einheit hat sich die Bezeichnung Inoffizieller Mitarbeiter des MfS für die heimlichen Zuträger etabliert. Sie lieferten u. a. Informationen über Stimmungen und Meinungen in der Bevölkerung.
Die SED-Führung wollte stets über die konkrete Situation und Lage in der DDR unterrichtet sein. Die IM hatten den Auftrag, "staatsgefährdende" Bestrebungen zu ermitteln, was beim MfS "politisch ideologische Diversion" bzw. "politische Untergrundtätigkeit" hieß. Der Bogen hierfür war weit gespannt und reichte von einer privaten Meinungsäußerung bis hin zu politischen Aktivitäten. Überdies sollten sie, wenn auch selten, direkt auf gesellschaftliche Entwicklungen oder einzelne Personen einwirken.
Die IM waren das wichtigste Repressionsinstrument in der DDR. IM wurden auf bestimmte Schwerpunkte angesetzt, von denen tatsächliche oder vermeintliche Gefahren ausgehen konnten. Diese Objekte und Territorien, Bereiche oder Personen waren so zahlreich, dass die geheimpolizeiliche Durchdringung tendenziell den Charakter einer flächendeckenden Überwachung annahm.
Die Anzahl der vom MfS geführten inoffiziellen Mitarbeiter umfasste im Jahre 1989 ungefähr 189.000 IM, darunter 173.000 IM der Abwehrdiensteinheiten, ferner 13.400 IM in der DDR und 1.550 IM in der Bundesrepublik, die von der Hauptverwaltung A geführt wurden, sowie diverse andere wie Zelleninformatoren usw. Auf 89 DDR-Bürger kam somit ein IM. In der Zeit von 1950 bis 1989 gab es insgesamt ca. 620.000 IM.
Die Entwicklung des IM-Netzes ist nicht allein von einem kontinuierlichen Anstieg geprägt, sondern verweist auf besondere Wachstumsphasen in Zeiten innergesellschaftlicher Krisen wie dem 17. Juni 1953 oder am Vorabend des Mauerbaus. Im Zuge der deutsch-deutschen Entspannungspolitik wurde das IM-Netz ebenfalls erweitert. So umfasste es Mitte der 70er Jahre – hochgerechnet – über 200.000 IM. Angesichts wachsender oppositioneller Bewegungen hatte es in den 80er Jahren gleichfalls ein hohes Niveau.
Die flächendeckende Überwachung der Gesellschaft fiel regional recht unterschiedlich aus. Im Land Brandenburg, das die Bezirke Cottbus, Frankfurt (Oder) und Potsdam vereint, war sie stärker als in Thüringen. Die höchste IM-Dichte wies der ehemalige Bezirk Cottbus auf.
Das MfS operierte formal nach territorialen Gesichtspunkten und Sicherungsbereichen, setzte jedoch operative Schwerpunkte in der geheimpolizeilichen Arbeit. Bezogen auf das Gesamtministerium lagen diese – sowohl auf Kreis-, als auch auf Bezirks- und Hauptabteilungsebene – bei der Volkswirtschaft, der Spionageabwehr und auf der "politischen Untergrundtätigkeit", der "Bearbeitung " von oppositionellen Milieus und den Kirchen.
Die Motive zur Kooperation mit dem MfS waren überwiegend ideeller, seltener materieller Natur, noch seltener war Erpressung der Grund. Die Kooperation währte durchschnittlich sechs bis zehn Jahre oder länger. Augenfällig ist, dass darunter nicht wenige soziale Aufsteiger waren. Der Anteil von weiblichen IM lag in der DDR bei 17 Prozent, in der Bundesrepublik bei 28 Prozent. Über die Hälfte der IM war Mitglied der SED. Von den 2,3 Mio. Mitgliedern der Partei ausgehend, waren 4 bis 5 Prozent zuletzt inoffiziell aktiv, d. h. jedes zwanzigste SED-Mitglied.
Das MfS differenzierte IM nach Kategorien: Gesellschaftliche Mitarbeiter für Sicherheit, IM zur Sicherung und Durchdringung des Verantwortungsbereichs, IM im besonderen Einsatz, Führungs-IM und IM zur Sicherung der Konspiration und des Verbindungswesens. Die wichtigste Kategorie waren IM mit "Feindverbindungen" bzw. solche, die Personen zu "bearbeiten" hatten, die "im Verdacht der Feindtätigkeit" standen. Im Laufe der 80er Jahre nahm der Anteil von IM in der Kategorie IMB bis Dezember 1988 auf rund 3.900 zu.
Der Anteil von Bundesbürgern oder Ausländern unter den IM des MfS betrug nicht einmal 2 Prozent. 1989 waren mindestens 3.000 Bundesbürger inoffiziell im Dienste des MfS, zusätzlich mehrere Hundert Ausländer. In der Zeit von 1949 bis 1989 waren insgesamt mindestens 12.000 Bundesbürger und Westberliner IM.
Die operativen Ziele des MfS waren über die gesamte Bundesrepublik Deutschland verteilt. Darüber hinaus gab es Schwerpunkte in Europa, im Nahen Osten und Asien, nachgeordnet auch in Afrika und Lateinamerika. Nachrichtendienstliche Schwerpunkte waren vor allem die Wissenschafts- und Technikspionage, erst danach die politische und mit etwas Abstand die Militärspionage. Die Bundesrepublik Deutschland wurde folglich vor allem als Ressource zur Systemstabilisierung genutzt.
Die politische Spionage diente vornehmlich dazu, die politische Gefährdungslage des herrschenden Systems in der DDR bestimmen zu können. Dieses Profil deutet an, dass die Spionage der Bewahrung des Status quo dienen sollte. Von einer Unterwanderung der Bundesrepublik war die Geheimpolizei zahlenmäßig weit entfernt. Vielmehr waren ihre inoffiziellen Mitarbeiter damit beschäftigt, das DDR-System zu stabilisieren.
Von 1980 bis 1989 geltende IM-Kategorie, als IMB definiert – nicht zu verwechseln mit der Vorgangsart IMB der Hauptverwaltung A. Mit der Einführung des IMB wurden die IM-Kategorien IMV und IMF zu einer zusammengefasst. Die IMB galten als hochkarätige IM, die direkten Kontakt mit Personen hatten, die vom MfS als "feindlich" eingestuft wurden und deren Vertrauen besaßen, etwa Zuträger mit kirchlichen Funktionen oder aus Oppositionsgruppen. Außerdem wurden IMB zur Bekämpfung als "feindlich" angesehener Organisationen und Individuen im sog. Operationsgebiet eingesetzt. Zuletzt gab es rund 3.900 IMB.
Die ZAIG war das "Funktionalorgan" des Ministers für Staatssicherheit, die Schaltstelle im MfS, in der nahezu alle komplexen Stabsfunktionen konzentriert waren: die zentrale Auswertung und Information, einschließlich der Berichterstattung an die politische Führung, die Optimierung der entsprechenden Verfahren und Strukturen im Gesamtapparat des MfS, die zentralen Kontrollen und Untersuchungen und die Analyse der operativen Effektivität des MfS, die zentrale Planung und die Erarbeitung dienstlicher Bestimmungen, zudem die übergeordneten Funktionen im Bereich EDV sowie die Gewährleistung des internationalen Datenaustauschsystems der kommunistischen Staatssicherheitsdienste (SOUD). Nach der Eingliederung der Abteilung Agitation 1985 waren auch die Öffentlichkeitsarbeit und die Traditionspflege des MfS in der ZAIG als "Bereich 6" funktional verankert. Die ZAIG war im direkten Anleitungsbereich des Ministers angesiedelt; ihr waren zuletzt die formal selbständigen Abt. XII, XIII (Rechenzentrum) und die Rechtsstelle fachlich unterstellt.
Die ZAIG geht auf die nach dem Juniaufstand 1953 gegründete und von Heinz Tilch geleitete Informationsgruppe (IG) der Staatssicherheitszentrale zurück, die erstmals eine regelmäßige Lage- und Stimmungsberichterstattung für die Partei- und Staatsführung hervorbrachte. Diese entwickelte sich 1955/56 zur Abteilung Information mit drei Fachreferaten, wurde aber 1957 als Resultat des Konfliktes zwischen Ulbricht und Wollweber wieder stark reduziert. 1957 erhielt die Abteilung mit Irmler einen neuen Leiter, der jedoch bereits 1959 vom ehemaligen stellv. Leiter der HV A Korb abgelöst und zum Stellvertreter zurückgestuft wurde. Gleichzeitig wurde die Diensteinheit in Zentrale Informationsgruppe (ZIG) umbenannt; von da an lief auch die bisher eigenständige Berichterstattung der HV A über sie. 1960 wurde die Berichterstattung an die politische Führung durch einen Ministerbefehl präzise geregelt, und die ZIG erhielt mit der Neueinrichtung von Informationsgruppen in den BV und operativen HA einen soliden Unterbau.
1965 wurde die ZIG in ZAIG umbenannt und ein einheitliches Auswertungs- und Informationssystem eingeführt, das die Recherche und Selektion von Daten sowie die Organisierung von Informationsflüssen gewährleistete. In den operativen HA und BV erhielt die ZAIG mit den AIG entsprechende "Filialen". Im gleichen Jahr ging Korb in den Ruhestand, Irmler wurde wieder Leiter der Diensteinheit.
1968 wurde auch das Kontrollwesen der Staatssicherheit in die ZAIG eingegliedert, das im Dezember 1953 mit der Kontrollinspektion seinen ersten organisatorischen Rahmen erhalten hatte und 1957 mit der Umbenennung in AG Anleitung und Kontrolle erheblich qualifiziert worden war.
1969 erhielt die ZAIG auch die Verantwortung für den Einsatz der EDV. Das im Aufbau begriffene Rechenzentrum (Abt. XIII) wurde ihr unterstellt. In der ersten Hälfte der 70er Jahre bildeten sich vier Arbeitsbereiche der ZAIG heraus. Bereich 1: konkrete Auswertungs- und Informationstätigkeit und Berichterstattung an die politische Führung; Bereich 2: Kontrollwesen, die Erarbeitung von dienstlichen Bestimmungen sowie Prognose- und Planungsaufgaben; Bereich 3: Fragen der EDV; Bereich 4: Pflege und Weiterentwicklung der "manuellen" Bestandteile des Auswertungs- und Informationssystems. 1979 erhielt dieser Bereich auch die Verantwortung für das SOUD ("ZAIG/5").
Übersiedlungs-IM (ÜIM) wurden nach einer gründlichen Auswahl und Ausbildung unter einer operativen Legende aus der DDR in das Operationsgebiet übergesiedelt. Zu den Übersiedlungskandidaten zählten Residenten, deren Gehilfen und Funker, seit den 60er Jahren auch Werber, außerdem in den 50er Jahren auch "Einschleusungskandidaten" und Geheime Mitarbeiter im besonderen Auftrag. ÜIM durften nicht älter als 35 Jahre sein. Sie mussten politisch zuverlässig, ihre operativen Fähigkeiten erprobt sein. Außerdem sollten sie über entsprechende psychische Voraussetzungen sowie über gute Sprachkenntnisse und Einfühlungsvermögen verfügen.
Signatur: BStU, MfS, ZAIG, Nr. 5023, Bl. 3-17
Der Name des DDR-Spions Günter Guillaume steht wie kein anderer exemplarisch für die Westspionage des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS). Er stieg zu einem persönlichen Referenten des damaligen Bundeskanzlers Willy Brandt auf und hatte Zugang zu streng geheimen Unterlagen. Guillaumes Enttarnung und Festnahme am 24. April 1974 löste in der BRD eine der größten innenpolitischen Krisen der Nachkriegszeit aus und veranlasste Willy Brandts, als Bundeskanzler zurückzutreten. Die Stasi analysierte, welchen Anteil die Enttarnung des Kanzleramtsspions an Brandts Rücktritt hatte.
1956 wurde Günter Guillaume gemeinsam mit seiner Frau Christel in die Bundesrepublik geschickt, um die Parteiarbeit der SPD auszuspionieren. Die Staatssicherheit bezeichnete solche Inoffiziellen Mitarbeiter (IM) als Übersiedlungs-IM (ÜIM), und alle Westspione wurden als "Kundschafter für den Frieden" propagandistisch verklärt.
Vorausgegangen war eine sorgfältige Schulung durch die Hauptverwaltung A (HV A), die Auslandsspionageabteilung der DDR-Staatssicherheit. Zehn Jahre lang war Guillaume dann als SPD-Parteifunktionär in Hessen tätig und stieg innerhalb der Sozialdemokratischen Partei immer weiter auf. Dass er es 1970 bis ins Kanzleramt schaffte und 1972 sogar persönlicher Referent von Bundeskanzler Willy Brandt wurde, hatte Mitte der 50er Jahre wohl niemand erwartet.
Anfang der 70er Jahre gehörte Guillaume zum engsten Mitarbeiterkreis des Kanzlers und bekam Einblick in unterschiedliche, zum Teil streng geheime Regierungsvorgänge. Im Jahre 1973 verdichteten sich dann die teilweise schon früher wahrgenommen Verdachtsmomente gegen Guillaume, und die bundesdeutschen Sicherheitsdienste wurden aktiv. Doch erst im April 1974 wurde der DDR-Spion verhaftet. Der Fall löste eine politische Krise in der Bundesrepublik aus, die Willy Brandt zum Anlass nahm, von seinem Amt zurückzutreten. Guillaume und seine Frau wurden 1975 zu 13 bzw. acht Jahren Freiheitsstrafe verurteilt.
Die Festnahme von Günter und Christel Guillaume wurde in der DDR offiziell als große Leistung zweier überzeugter Kommunisten gefeiert, die für die Sache des Sozialismus lange Phasen ihres Lebens opferten. Den auf die Guillaume-Affäre folgende Rücktritt des Bundeskanzlers Willy Brandt hingegen dokumentierte die Stasi verhalten und ohne ein eigenes Schuldeingeständnis. Sie analysierte, wie hoch der Anteil der Entdeckung des Kanzleramtsspions am Rücktritt Brandts war und kam zu dem durchaus zutreffenden Schluss: "Der Fall Guillaume war nur der äußere Anlaß zum Rücktritt Brandts von seiner Funktion als Bundeskanzler." Gleichwohl hatte die Stasi den Anlass für Brandts Sturz geliefert, nachdem sie ihm zwei Jahr zuvor sein Amt noch gerettet hatte: 1972 hatte die Stasi zwei Bundestagsabgeordnete bestochen, mit deren Stimmen Willy Brandt ein Misstrauensvotum der CDU/CSU überstand.
f) Unklar bleibt noch, inwieweit sich Schmidt innerhalb der Partei durchsetzen kann. Brandt ist nach wie vor Parteivorsitzender; es ist jedoch nicht abzusehen, ob und wie lange er das bleiben wird. Es besteht ein Spannungsverhältnis zwischen Wehner und Schmidt. Das kann daher rühren, daß Schmidt seit längerem auf den Posten des Vorsitzenden der SPD-Bundestagsfraktion reflektierte, den Wehner inne hat.
Schmidt hatte die Absicht, diesen Posten als Sprungbrett in das Amt des Bundeskanzlers zu nutzen. Nachdem ihm nunmehr der direkte Weg möglich geworden ist, fällt eine der Ursachen für dieses Spannungsverhältnis weg. Trotzdem wird das Verhältnis zwischen Wehner und Schmidt eine große Bedeutung für das Funktionieren der Zusammenarbeit zwischen Partei und Regierung haben. Die Linkskräfte, vor allem die Jungsozialisten, haben sich zunächst nach außen mit Schmidt solidarisiert. Es bleibt abzuwarten, inwieweit es Schmidt gelingt, diese Solidarisierung aufrechtzuerhalten.
Aufklärung hatte innerhalb des MfS unterschiedliche Bedeutungen: Sie wird zur Bezeichnung des Tätigkeitsbereiches der Auslandsspionage verwendet, die überwiegend von der HV A getragen wurde, die teilweise auch kurz als Aufklärung bezeichnet wird. Darüber hinaus findet der Begriff Verwendung bei der Bezeichnung von Sachverhaltsermittlungen (Aufklärung eines Sachverhalts) und von Überprüfungen der Eignung von IM-Kandidaten (Aufklärung des Kandidaten).
Hauptverwaltung (HV) war eine Organisationseinheit in der MfS-Zentrale, die bereits ausdifferenzierte Aufgabenkomplexe in einer hierarchisch gegliederten Einheit zusammenfasst. Überwiegend durch Stellvertreter des Ministers direkt geleitet. Über das Gründungsjahrzehnt des MfS hinweg hatte nur die HV A als echte HV Bestand. Daneben war Hauptverwaltung eine Bezeichnung für Diensteinheiten im MfS ohne strukturell berechtigenden Hintergrund.
Die Hauptverwaltung A (HV A) war die Spionageabteilung des MfS, deren Bezeichnung sich an die der Spionageabteilung des KGB, 1. Verwaltung, anlehnt. Der Ordnungsbuchstabe A wurde in der Bundesrepublik oftmals, aber unzutreffenderweise mit "Aufklärung" aufgelöst. Die HV A wurde 1951 als Institut für Wirtschaftswissenschaftliche Forschung (IWF) gebildet und ging im September 1953 als HA XV in das Staatssekretariat für Staatssicherheit ein. Sie wurde im MfS von 1956 bis zur Auflösung im Juni 1990 als HV A bezeichnet.
Der Schwerpunkt nachrichtendienstlicher Tätigkeit der HV A lag in der Bundesrepublik Deutschland und Westberlin, wo sie mit Objektquellen, d. h. den IM in den nachrichtendienstlichen Zielobjekten, aktiv war.
Die HV A gliederte sich 1956 in 15, 1989 in 20 Abteilungen.
Für die operative Arbeit gegen das Bundeskanzleramt und wichtige Bundesministerien war die Abteilung I, für die gegen die bundesdeutschen Parteien die Abteilung II und für die Arbeit außerhalb Deutschlands die Abteilung III zuständig. Für die Infiltration der USA war die Abteilung XI, für die NATO und die Europäischen Gemeinschaften die Abteilung XII verantwortlich. Mit der Militärspionage war die Abteilung IV befasst, mit der Unterwanderung gegnerischer Nachrichtendienste die Abteilung IX.
Innerhalb der Hauptverwaltung war vornehmlich der Sektor Wissenschaft und Technik (SWT) mit Wissenschafts- und Technikspionage befasst, der zu diesem Zweck die Abteilung XIII bis XV sowie die Arbeitsgruppen 1, 3 und 5 unterhielt sowie eine eigene Auswertungsabteilung, die Abteilung V bzw. ab 1959 Abteilung VII.
Leiter der HV A waren 1951/52 Anton Ackermann, kurzzeitig Richard Stahlmann, 1952-1986 Markus Wolf, dann Werner Großmann und 1989/90 Bernd Fischer. Von anfangs zwölf Mitarbeitern wuchs der Apparat bis 1955 auf 430, bis 1961 auf 524 Mitarbeiter und erreichte bis 1972 einen Umfang von 1.066 hauptamtlichen Mitarbeitern. Bis 1989 wuchs die HV A auf 3.299 hauptamtliche Mitarbeiter, hinzu kamen 701 OibE (1985: 1.006) sowie 778 HIM. OibE und HIM arbeiteten verdeckt in der DDR und im Operationsgebiet. Insgesamt verfügte die HV A also zuletzt über 4.778 Mitarbeiter.
Die Anzahl der von der HV A geführten IM umfasste im Jahre 1989 rund 13.400 in der DDR und weitere 1.550 in der Bundesrepublik. Über 40 Jahre hinweg werden nach Hochrechnungen insgesamt rund 6.000 Bundesbürger und Westberliner IM der HV A gewesen sein.
Inoffizielle Mitarbeiter (IM) waren das wichtigste Instrument des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS), um primär Informationen über Bürger, die Gesellschaft, ihre Institutionen und Organisationen der DDR oder im Ausland zu gewinnen. Unter Umständen hatten IM auf Personen oder Ereignisse in der DDR steuernden Einfluss zu nehmen.
In der DDR-Gesellschaft hießen sie "Spitzel", "Denunzianten" oder "Kundschafter". Mit der deutschen Einheit hat sich die Bezeichnung Inoffizieller Mitarbeiter des MfS für die heimlichen Zuträger etabliert. Sie lieferten u. a. Informationen über Stimmungen und Meinungen in der Bevölkerung.
Die SED-Führung wollte stets über die konkrete Situation und Lage in der DDR unterrichtet sein. Die IM hatten den Auftrag, "staatsgefährdende" Bestrebungen zu ermitteln, was beim MfS "politisch ideologische Diversion" bzw. "politische Untergrundtätigkeit" hieß. Der Bogen hierfür war weit gespannt und reichte von einer privaten Meinungsäußerung bis hin zu politischen Aktivitäten. Überdies sollten sie, wenn auch selten, direkt auf gesellschaftliche Entwicklungen oder einzelne Personen einwirken.
Die IM waren das wichtigste Repressionsinstrument in der DDR. IM wurden auf bestimmte Schwerpunkte angesetzt, von denen tatsächliche oder vermeintliche Gefahren ausgehen konnten. Diese Objekte und Territorien, Bereiche oder Personen waren so zahlreich, dass die geheimpolizeiliche Durchdringung tendenziell den Charakter einer flächendeckenden Überwachung annahm.
Die Anzahl der vom MfS geführten inoffiziellen Mitarbeiter umfasste im Jahre 1989 ungefähr 189.000 IM, darunter 173.000 IM der Abwehrdiensteinheiten, ferner 13.400 IM in der DDR und 1.550 IM in der Bundesrepublik, die von der Hauptverwaltung A geführt wurden, sowie diverse andere wie Zelleninformatoren usw. Auf 89 DDR-Bürger kam somit ein IM. In der Zeit von 1950 bis 1989 gab es insgesamt ca. 620.000 IM.
Die Entwicklung des IM-Netzes ist nicht allein von einem kontinuierlichen Anstieg geprägt, sondern verweist auf besondere Wachstumsphasen in Zeiten innergesellschaftlicher Krisen wie dem 17. Juni 1953 oder am Vorabend des Mauerbaus. Im Zuge der deutsch-deutschen Entspannungspolitik wurde das IM-Netz ebenfalls erweitert. So umfasste es Mitte der 70er Jahre – hochgerechnet – über 200.000 IM. Angesichts wachsender oppositioneller Bewegungen hatte es in den 80er Jahren gleichfalls ein hohes Niveau.
Die flächendeckende Überwachung der Gesellschaft fiel regional recht unterschiedlich aus. Im Land Brandenburg, das die Bezirke Cottbus, Frankfurt (Oder) und Potsdam vereint, war sie stärker als in Thüringen. Die höchste IM-Dichte wies der ehemalige Bezirk Cottbus auf.
Das MfS operierte formal nach territorialen Gesichtspunkten und Sicherungsbereichen, setzte jedoch operative Schwerpunkte in der geheimpolizeilichen Arbeit. Bezogen auf das Gesamtministerium lagen diese – sowohl auf Kreis-, als auch auf Bezirks- und Hauptabteilungsebene – bei der Volkswirtschaft, der Spionageabwehr und auf der "politischen Untergrundtätigkeit", der "Bearbeitung " von oppositionellen Milieus und den Kirchen.
Die Motive zur Kooperation mit dem MfS waren überwiegend ideeller, seltener materieller Natur, noch seltener war Erpressung der Grund. Die Kooperation währte durchschnittlich sechs bis zehn Jahre oder länger. Augenfällig ist, dass darunter nicht wenige soziale Aufsteiger waren. Der Anteil von weiblichen IM lag in der DDR bei 17 Prozent, in der Bundesrepublik bei 28 Prozent. Über die Hälfte der IM war Mitglied der SED. Von den 2,3 Mio. Mitgliedern der Partei ausgehend, waren 4 bis 5 Prozent zuletzt inoffiziell aktiv, d. h. jedes zwanzigste SED-Mitglied.
Das MfS differenzierte IM nach Kategorien: Gesellschaftliche Mitarbeiter für Sicherheit, IM zur Sicherung und Durchdringung des Verantwortungsbereichs, IM im besonderen Einsatz, Führungs-IM und IM zur Sicherung der Konspiration und des Verbindungswesens. Die wichtigste Kategorie waren IM mit "Feindverbindungen" bzw. solche, die Personen zu "bearbeiten" hatten, die "im Verdacht der Feindtätigkeit" standen. Im Laufe der 80er Jahre nahm der Anteil von IM in der Kategorie IMB bis Dezember 1988 auf rund 3.900 zu.
Der Anteil von Bundesbürgern oder Ausländern unter den IM des MfS betrug nicht einmal 2 Prozent. 1989 waren mindestens 3.000 Bundesbürger inoffiziell im Dienste des MfS, zusätzlich mehrere Hundert Ausländer. In der Zeit von 1949 bis 1989 waren insgesamt mindestens 12.000 Bundesbürger und Westberliner IM.
Die operativen Ziele des MfS waren über die gesamte Bundesrepublik Deutschland verteilt. Darüber hinaus gab es Schwerpunkte in Europa, im Nahen Osten und Asien, nachgeordnet auch in Afrika und Lateinamerika. Nachrichtendienstliche Schwerpunkte waren vor allem die Wissenschafts- und Technikspionage, erst danach die politische und mit etwas Abstand die Militärspionage. Die Bundesrepublik Deutschland wurde folglich vor allem als Ressource zur Systemstabilisierung genutzt.
Die politische Spionage diente vornehmlich dazu, die politische Gefährdungslage des herrschenden Systems in der DDR bestimmen zu können. Dieses Profil deutet an, dass die Spionage der Bewahrung des Status quo dienen sollte. Von einer Unterwanderung der Bundesrepublik war die Geheimpolizei zahlenmäßig weit entfernt. Vielmehr waren ihre inoffiziellen Mitarbeiter damit beschäftigt, das DDR-System zu stabilisieren.
Von 1980 bis 1989 geltende IM-Kategorie, als IMB definiert – nicht zu verwechseln mit der Vorgangsart IMB der Hauptverwaltung A. Mit der Einführung des IMB wurden die IM-Kategorien IMV und IMF zu einer zusammengefasst. Die IMB galten als hochkarätige IM, die direkten Kontakt mit Personen hatten, die vom MfS als "feindlich" eingestuft wurden und deren Vertrauen besaßen, etwa Zuträger mit kirchlichen Funktionen oder aus Oppositionsgruppen. Außerdem wurden IMB zur Bekämpfung als "feindlich" angesehener Organisationen und Individuen im sog. Operationsgebiet eingesetzt. Zuletzt gab es rund 3.900 IMB.
Die ZAIG war das "Funktionalorgan" des Ministers für Staatssicherheit, die Schaltstelle im MfS, in der nahezu alle komplexen Stabsfunktionen konzentriert waren: die zentrale Auswertung und Information, einschließlich der Berichterstattung an die politische Führung, die Optimierung der entsprechenden Verfahren und Strukturen im Gesamtapparat des MfS, die zentralen Kontrollen und Untersuchungen und die Analyse der operativen Effektivität des MfS, die zentrale Planung und die Erarbeitung dienstlicher Bestimmungen, zudem die übergeordneten Funktionen im Bereich EDV sowie die Gewährleistung des internationalen Datenaustauschsystems der kommunistischen Staatssicherheitsdienste (SOUD). Nach der Eingliederung der Abteilung Agitation 1985 waren auch die Öffentlichkeitsarbeit und die Traditionspflege des MfS in der ZAIG als "Bereich 6" funktional verankert. Die ZAIG war im direkten Anleitungsbereich des Ministers angesiedelt; ihr waren zuletzt die formal selbständigen Abt. XII, XIII (Rechenzentrum) und die Rechtsstelle fachlich unterstellt.
Die ZAIG geht auf die nach dem Juniaufstand 1953 gegründete und von Heinz Tilch geleitete Informationsgruppe (IG) der Staatssicherheitszentrale zurück, die erstmals eine regelmäßige Lage- und Stimmungsberichterstattung für die Partei- und Staatsführung hervorbrachte. Diese entwickelte sich 1955/56 zur Abteilung Information mit drei Fachreferaten, wurde aber 1957 als Resultat des Konfliktes zwischen Ulbricht und Wollweber wieder stark reduziert. 1957 erhielt die Abteilung mit Irmler einen neuen Leiter, der jedoch bereits 1959 vom ehemaligen stellv. Leiter der HV A Korb abgelöst und zum Stellvertreter zurückgestuft wurde. Gleichzeitig wurde die Diensteinheit in Zentrale Informationsgruppe (ZIG) umbenannt; von da an lief auch die bisher eigenständige Berichterstattung der HV A über sie. 1960 wurde die Berichterstattung an die politische Führung durch einen Ministerbefehl präzise geregelt, und die ZIG erhielt mit der Neueinrichtung von Informationsgruppen in den BV und operativen HA einen soliden Unterbau.
1965 wurde die ZIG in ZAIG umbenannt und ein einheitliches Auswertungs- und Informationssystem eingeführt, das die Recherche und Selektion von Daten sowie die Organisierung von Informationsflüssen gewährleistete. In den operativen HA und BV erhielt die ZAIG mit den AIG entsprechende "Filialen". Im gleichen Jahr ging Korb in den Ruhestand, Irmler wurde wieder Leiter der Diensteinheit.
1968 wurde auch das Kontrollwesen der Staatssicherheit in die ZAIG eingegliedert, das im Dezember 1953 mit der Kontrollinspektion seinen ersten organisatorischen Rahmen erhalten hatte und 1957 mit der Umbenennung in AG Anleitung und Kontrolle erheblich qualifiziert worden war.
1969 erhielt die ZAIG auch die Verantwortung für den Einsatz der EDV. Das im Aufbau begriffene Rechenzentrum (Abt. XIII) wurde ihr unterstellt. In der ersten Hälfte der 70er Jahre bildeten sich vier Arbeitsbereiche der ZAIG heraus. Bereich 1: konkrete Auswertungs- und Informationstätigkeit und Berichterstattung an die politische Führung; Bereich 2: Kontrollwesen, die Erarbeitung von dienstlichen Bestimmungen sowie Prognose- und Planungsaufgaben; Bereich 3: Fragen der EDV; Bereich 4: Pflege und Weiterentwicklung der "manuellen" Bestandteile des Auswertungs- und Informationssystems. 1979 erhielt dieser Bereich auch die Verantwortung für das SOUD ("ZAIG/5").
Übersiedlungs-IM (ÜIM) wurden nach einer gründlichen Auswahl und Ausbildung unter einer operativen Legende aus der DDR in das Operationsgebiet übergesiedelt. Zu den Übersiedlungskandidaten zählten Residenten, deren Gehilfen und Funker, seit den 60er Jahren auch Werber, außerdem in den 50er Jahren auch "Einschleusungskandidaten" und Geheime Mitarbeiter im besonderen Auftrag. ÜIM durften nicht älter als 35 Jahre sein. Sie mussten politisch zuverlässig, ihre operativen Fähigkeiten erprobt sein. Außerdem sollten sie über entsprechende psychische Voraussetzungen sowie über gute Sprachkenntnisse und Einfühlungsvermögen verfügen.
Stimmungsbericht zur Reaktion der Bevölkerung auf den Rücktritt Willy Brandts Dokument, 11 Seiten
Günter Guillaume über seine Tätigkeit als "Kundschafter" in der Bundesrepublik (Teil 1) Audio, 1 Stunde, 1 Minuten, 39 Sekunden
Stimmen von SPD-Bundestagsabgeordneten zur geplanten Reise Kennedys nach West-Berlin Dokument, 5 Seiten
Gedächtnisprotokoll über eine "persönliche Unterredung mit Staatssekretär Bahr" Dokument, 24 Seiten