Signatur: BStU, MfS, SdM, Nr. 581, Bl. 165-166
Der sowjetische Generalsekretär Michail Gorbatschow stellte im Januar 1987 auf dem Plenum des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei der Sowjetunion fest: "Wir brauchen die Demokratie wie die Luft zum Atmen." Damit bestärkte er die mit seinem Amtsantritt eingeleitete Reformpolitik um "Glasnost" und "Perestroika". Die SED-Führung befürchtete ein Übergreifen der Reformideen Gorbatschows auf die DDR-Bevölkerung und weitete die Zensur der Äußerungen von KPdSU-Genossen aus.
Der Reformpolitik Michail Gorbatschows trat das SED-Regime mit zunehmender Ablehnung entgegen. Der Parteitag der Sowjetkommunisten Anfang des Jahres 1986, auf dem Gorbatschow den neuen strategischen Kurs von "Glasnost" und "Perestroika" herausstellte, führte erstmals zu erheblichen Unstimmigkeiten zwischen der SED-Führung und den sowjetischen Reformern. Während SED-Generalsekretär Honecker ein tiefes Misstrauen gegen den im Westen gefeierten "Erneuerer" des Sozialismus hegte, war Gorbatschow über die Zurückhaltung in Ost-Berlin und die Unfähigkeit, sich dem historischen Wandel zu stellen, verärgert.
Auf der Plenartagung des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei der Sowjetunion (ZK der KPdSU) vom 27./28. Januar 1987 übte Generalsekretär Gorbatschow in seiner Rede "Über die Umgestaltung und die Kaderpolitik der Partei" scharfe Kritik an seinen Vorgängern und der politischen und ökonomischen Stagnation der 70er und der beginnenden 80er Jahre. Die Reformen wurden auf das politische System ausgeweitet und die politische Entmündigung der Gesellschaft durch den Einparteienstaat damit in Frage gestellt (Gorbatschow: "Wir brauchen die Demokratie wie die Luft zum Atmen."). Das Parteiorgan "Neues Deutschland" (ND) druckte die Rede – wie viele kritische Aussagen Gorbatschows – nicht im vollen Wortlaut, sondern in einer verharmlosenden Zusammenfassung.
In Ost-Berlin sah man sich auf dem richtigen Weg und war der Meinung, dass die Sowjetunion mit ihrem Reformkurs lediglich das nachhole, was die DDR seit den 70er Jahren praktiziere. Auf klare Ablehnung stieß die umfassende Selbstkritik des sowjetischen Regimes und der KPdSU. Die SED-Führung sah keinen Anlass zur Selbstkritik.
Für den Partei- und Sicherheitsapparat wurde es nun immer wichtiger, die Stimmung in der Bevölkerung auszuloten. Er befürchtete eine Weiterverbreitung der Reformideen Gorbatschows. SED-Generalsekretär Erich Honecker reagierte auf das Plenum, indem er in seiner Rede vor den Ersten SED-Kreissekretären am 6. Februar 1987 die Ausführungen Gorbatschows überhaupt nicht erwähnte. Stattdessen mahnte er: "Die Kommunisten sind verpflichtet, Angriffen auf die Politik der Partei, auf den sozialistischen Staat der Arbeiter und Bauern entschieden entgegenzutreten […]."
Ähnlich wie Honecker in seiner Rede am 6. Februar 1987 argumentierte SED-Politbüromitglied und Chefideologe Kurt Hager in einem mit Honecker abgestimmten Interview mit der Hamburger Wochenzeitschrift "Stern" am 9. April 1987. Es erschien unter dem Titel "Jedes Land wählt seine Lösung" und wurde am 10. April im ND nachgedruckt. Darin machte er die Haltung der SED unmissverständlich klar. Die DDR sei nicht verpflichtet, alles, was in der Sowjetunion geschieht, zu kopieren, und er stellte die rhetorische Frage: "Würden Sie, nebenbei gesagt, wenn ihr Nachbar seine Wohnung neu tapeziert, sich verpflichtet fühlen, Ihre Wohnung ebenfalls neu zu tapezieren?"
Bereits am folgenden Tag wies Gorbatschow diesen Affront anlässlich einer Rede in Prag zurück. Daraufhin wurde die Zensur auf Verlautbarungen der KPdSU-Führung ausgeweitet. Im Oktober 1987 erhielt Stasi-Chef Erich Mielke folgenden Beschluss des SED-Politbüros: "Reden von Genossen der KPdSU werden in Zukunft auszugsweise oder zusammengefasst veröffentlicht".
Vertrauliche Verschlußsache
ZK02-Politbüro — Beschlüsse —
10./630 42/87 vom 20.10.1987
Gen. Mielke
2 Blatt
Zu Fragen der marxistisch-leninistischen Theorie und Praxis
Beschluß siehe Anlage!
Der Beschlußauszug ist nach Erledigung an das Büro des Politbüros zurückzugeben! [Unterschrift]
[Dokumentenvorlage: Ag 220 - Bestell-Nr. 04/037 a]
Regime, auch Regimeverhältnisse, bezeichnet die Gesamtheit der Verhältnisse und Lebensbedingungen eines Landes oder geographischen Raumes (z. B. politische Entwicklungen, administrative Strukturen, kulturelle Besonderheiten, behördliche Sicherheitsvorkehrungen), deren Kenntnis für ein effektives und unauffälliges nachrichtendienstliches Handeln notwendig war. Mit diesen Kenntnissen sollten vor allem das IM-Netz im Westen und der grenzüberschreitende Agentenreiseverkehr geschützt werden.
So sollten IM im Westeinsatz wissen, wie die bundesdeutsche Spionageabwehr arbeitete, wie streng Meldeformalitäten in Hotels gehandhabt wurden, wie man sich als durchschnittlicher Bundesbürger verhielt usw. Die Abteilung VI der HV A hatte die Aufgabe, systematisch Informationen über das Regime im Operationsgebiet zu sammeln und in der SIRA-Teildatenbank 13 nachzuweisen.
1971 hervorgegangen aus dem Büro der Leitung. Seine Aufgaben waren
Signatur: BStU, MfS, SdM, Nr. 581, Bl. 165-166
Der sowjetische Generalsekretär Michail Gorbatschow stellte im Januar 1987 auf dem Plenum des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei der Sowjetunion fest: "Wir brauchen die Demokratie wie die Luft zum Atmen." Damit bestärkte er die mit seinem Amtsantritt eingeleitete Reformpolitik um "Glasnost" und "Perestroika". Die SED-Führung befürchtete ein Übergreifen der Reformideen Gorbatschows auf die DDR-Bevölkerung und weitete die Zensur der Äußerungen von KPdSU-Genossen aus.
Der Reformpolitik Michail Gorbatschows trat das SED-Regime mit zunehmender Ablehnung entgegen. Der Parteitag der Sowjetkommunisten Anfang des Jahres 1986, auf dem Gorbatschow den neuen strategischen Kurs von "Glasnost" und "Perestroika" herausstellte, führte erstmals zu erheblichen Unstimmigkeiten zwischen der SED-Führung und den sowjetischen Reformern. Während SED-Generalsekretär Honecker ein tiefes Misstrauen gegen den im Westen gefeierten "Erneuerer" des Sozialismus hegte, war Gorbatschow über die Zurückhaltung in Ost-Berlin und die Unfähigkeit, sich dem historischen Wandel zu stellen, verärgert.
Auf der Plenartagung des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei der Sowjetunion (ZK der KPdSU) vom 27./28. Januar 1987 übte Generalsekretär Gorbatschow in seiner Rede "Über die Umgestaltung und die Kaderpolitik der Partei" scharfe Kritik an seinen Vorgängern und der politischen und ökonomischen Stagnation der 70er und der beginnenden 80er Jahre. Die Reformen wurden auf das politische System ausgeweitet und die politische Entmündigung der Gesellschaft durch den Einparteienstaat damit in Frage gestellt (Gorbatschow: "Wir brauchen die Demokratie wie die Luft zum Atmen."). Das Parteiorgan "Neues Deutschland" (ND) druckte die Rede – wie viele kritische Aussagen Gorbatschows – nicht im vollen Wortlaut, sondern in einer verharmlosenden Zusammenfassung.
In Ost-Berlin sah man sich auf dem richtigen Weg und war der Meinung, dass die Sowjetunion mit ihrem Reformkurs lediglich das nachhole, was die DDR seit den 70er Jahren praktiziere. Auf klare Ablehnung stieß die umfassende Selbstkritik des sowjetischen Regimes und der KPdSU. Die SED-Führung sah keinen Anlass zur Selbstkritik.
Für den Partei- und Sicherheitsapparat wurde es nun immer wichtiger, die Stimmung in der Bevölkerung auszuloten. Er befürchtete eine Weiterverbreitung der Reformideen Gorbatschows. SED-Generalsekretär Erich Honecker reagierte auf das Plenum, indem er in seiner Rede vor den Ersten SED-Kreissekretären am 6. Februar 1987 die Ausführungen Gorbatschows überhaupt nicht erwähnte. Stattdessen mahnte er: "Die Kommunisten sind verpflichtet, Angriffen auf die Politik der Partei, auf den sozialistischen Staat der Arbeiter und Bauern entschieden entgegenzutreten […]."
Ähnlich wie Honecker in seiner Rede am 6. Februar 1987 argumentierte SED-Politbüromitglied und Chefideologe Kurt Hager in einem mit Honecker abgestimmten Interview mit der Hamburger Wochenzeitschrift "Stern" am 9. April 1987. Es erschien unter dem Titel "Jedes Land wählt seine Lösung" und wurde am 10. April im ND nachgedruckt. Darin machte er die Haltung der SED unmissverständlich klar. Die DDR sei nicht verpflichtet, alles, was in der Sowjetunion geschieht, zu kopieren, und er stellte die rhetorische Frage: "Würden Sie, nebenbei gesagt, wenn ihr Nachbar seine Wohnung neu tapeziert, sich verpflichtet fühlen, Ihre Wohnung ebenfalls neu zu tapezieren?"
Bereits am folgenden Tag wies Gorbatschow diesen Affront anlässlich einer Rede in Prag zurück. Daraufhin wurde die Zensur auf Verlautbarungen der KPdSU-Führung ausgeweitet. Im Oktober 1987 erhielt Stasi-Chef Erich Mielke folgenden Beschluss des SED-Politbüros: "Reden von Genossen der KPdSU werden in Zukunft auszugsweise oder zusammengefasst veröffentlicht".
Zum Beschluß: 630/87
Zu Fragen der marxistisch-leninistischen Theorie und Praxis
1. Die Information des Genossen E. Honecker wird zur Kenntnis genommen.
Die aufgeworfenen Fragen sind in Verbindung mit der Vorbereitung der 5. Tagung des ZK ausgehend von den Beschlüssen des XI. Parteitages weiter zu diskutieren.
2. Über die künftige Behandlung der Geschichte der KPdSU an den Schulen und Hochschulen der DDR sind Vorschläge zu unterbreiten.
3. Reden von Genossen der KPdSU werden in Zukunft auszugsweise oder zusammengefaßt veröffentlicht. Zu wichtigen theoretischen Fragen, einschließlich des gemeinsamen Dokumentes von SED und SPD "Der Streit der Ideologien und die gemeinsame Sicherheit', sind verstärkt Artikel und Stellungnahmen zu publizieren.
4. Der sowjetische Film "Die Reue" ist von marxistisch-leninistischen Positionen aus einer kritischen Wertung zu unterziehen.
Regime, auch Regimeverhältnisse, bezeichnet die Gesamtheit der Verhältnisse und Lebensbedingungen eines Landes oder geographischen Raumes (z. B. politische Entwicklungen, administrative Strukturen, kulturelle Besonderheiten, behördliche Sicherheitsvorkehrungen), deren Kenntnis für ein effektives und unauffälliges nachrichtendienstliches Handeln notwendig war. Mit diesen Kenntnissen sollten vor allem das IM-Netz im Westen und der grenzüberschreitende Agentenreiseverkehr geschützt werden.
So sollten IM im Westeinsatz wissen, wie die bundesdeutsche Spionageabwehr arbeitete, wie streng Meldeformalitäten in Hotels gehandhabt wurden, wie man sich als durchschnittlicher Bundesbürger verhielt usw. Die Abteilung VI der HV A hatte die Aufgabe, systematisch Informationen über das Regime im Operationsgebiet zu sammeln und in der SIRA-Teildatenbank 13 nachzuweisen.
1971 hervorgegangen aus dem Büro der Leitung. Seine Aufgaben waren
Reaktionen der DDR-Bevölkerung auf das Plenum des ZK der KPdSU Dokument, 11 Seiten
Reaktionen der DDR-Bevölkerung auf Honeckers Rede am 6. Februar 1987 Dokument, 7 Seiten
Reaktion der DDR-Bevölkerung auf Honeckers Referat auf der Beratung des ZK-Sekretariats mit den Ersten Sekretären der Kreisleitungen der SED Dokument, 12 Seiten
Reaktionen von Ost-Berlinerinnen und –Berlinern auf die Gorbatschow-Rede Dokument, 6 Seiten