Signatur: BStU, MfS, ZKG, Nr. 3791, Bl. 149-150
1985 bat ein in die BRD ausgereister ehemaliger DDR-Bürger um Wiederaufnahme in die DDR. In einem Brief an die Ständige Vertretung der DDR erläuterte er seine Motive.
1985 riefen SED und Stasi eine Kampagne mit ehemaligen DDR-Bürgern ins Leben, die von der Bundesrepublik in die DDR zurückkehren wollten. So druckte die Partei-Zeitung "Neues Deutschland" unter der Überschrift "Über 20.000 Ehemalige wollen zurück" Aussagen ehemaliger DDR-Bürger: Angesichts von Arbeitslosigkeit und "sozialer Kälte" im Westen würden sie lieber wieder in die DDR zurückkehren. Hatte Ost-Berlin in den 50er Jahren mit ähnlichen Kampagnen noch offensiv für die Zu- und Rückwanderung geworben, sollten nun vor allem Ausreisewillige frühzeitig umgestimmt werden. Zu diesem Zweck wurden in dem Artikel die Zahlen der Rückkehrwilligen weit übertrieben und ihre Lebenswege und Motive teilweise konstruiert. Die Kampagne war eine Reaktion auf den sprunghaft wachsenden Strom von Ausreisewilligen: 1984 hatte die SED in Zusammenhang mit dem Milliardenkredit aus der Bundesrepublik etwa 30.000 Menschen ausreisen lassen.
Bei ihrer Wiederaufnahme überprüfte die Stasi die politische Zuverlässigkeit der West-Ost-Migranten vor wie auch nach der Ankunft, entschied über die Aufnahme und bereitete die Rückkehrer auf öffentliche Auftritte und Interviews vor. Auch ein 1984 in die BRD übergesiedelter ehemaliger DDR-Bürger war unter diesen Rückkehrern.
In diesem Brief vom Juli 1985 wandte sich der Mann - etwa zwei Monate nach seiner Haftentlassung und Übersiedlung- an die Ständige Vertretung der DDR in Bonn, weil er doch wieder im anderen deutschen Staat leben wollte. Als Gründe gab er die Trennung von seiner Familie und seiner langjährigen Freundin an, die er heiraten wollt.. In demütigen Worten bezeichnete er seine Ausreise als Fehler und betonte, nie als "Feind der DDR" aufgetreten zu sein. In späteren Briefen und Gesprächen führte er außerdem seine Arbeitslosigkeit in der Bundesrepublik als Motiv an.
Vermutlich argumentierte der Rückkehrwillige - wie andere Rückkehrer - in seinem Brief so, dass dieser den Erwartungen der DDR-Behörden entsprach. Die wahren Ursachen für einen Rückkehrwunsch konnten vielfältig sein: Meist waren wohl private Motive ausschlaggebend, aber vielen Übersiedlern fiel auch die Orientierung in der westlichen Gesellschaft schwer oder die berufliche Perspektivlosigkeit machte ihnen zu schaffen. In einigen Fällen leitete die Stasi "Rückgewinnungsmaßnahmen" ein - dann sollten Verwandte, Freunde und Kollegen den ehemaligen DDR-Bürger zu einer Rückkehr bewegen.
Hinzu kam eine Einreisesperre, die den Kontakt zu Freunden und Verwandten unterband. Die Perspektive, nach der Ausreise die Verbindung zum alten Leben vollständig abbrechen zu müssen, sollte DDR-Bürger von einer Ausreise abschrecken sowie möglicher Spionage entgegenstehen. Möglicherweise spielte dies auch im Fall des Naturwissenschaftlers eine Rolle, da dieser seine Eltern, Kindern und Freundin ebenfalls nicht besuchen durfte.
Obwohl der Brief des Rückkehrwilligen an die Ständige Vertretung der DDR gerichtet war, wurde der Brief an die Stasi weitergeleitet. Die Zentrale Koordinierungsgruppe (ZKG), die Flucht und Übersiedlung bekämpfen sollte, registrierte alle Rückkehrwünsche und hatte meist das letzte Wort im Aufnahmeverfahren.
[geschwärzt]
[geschwärzt]
[geschwärzt]
[geschwärzt], 24.7.85
[handschriftlich: 30.07.85]
An die
Ständige Vertretung der Deutschen Demokratischen Republik in der BRD
53 Bonn-2, Bad Godesberg
Godesberger Allee 18
z.H. des Leiters
[Stempel: Eingegangen 29. Juli 1985 Erledigt: unleserliches Kürzel 05562]
Betr. Bitte um Rückkehr in die DDR
Hiermit bitte ich Sie um die Einleitung eines Verfahrens, welches mir die Rückkehr in die DDR ermöglicht. Ich bin am 15.5.85 aus der Haft in der DDR und am gleichen Tag in die BRD entlassen worden. Schon heute bereue ich es sehr, meine gesicherte Existenz in der DDR (ich bin [geschwärzt] Jahre, [geschwärzt]), habe als Gruppenleiter im Komb. VEB [geschwärzt] gearbeitet bis zu meiner Inhaftierung im Zusammenhang mit meinen Ausreiseanträgen 1984, Verstößen gegen die §§ 214 und 219) leichtsinnig aufs Spiel gesetzt zu haben. Insbesondere fällt mir die Trennung von meinen Angehörigen (Eltern, Kinder, Bruder) und meiner langjährigen Freundin Frau [geschwärzt] in [geschwärzt] [geschwärzt], [geschwärzt] schwer, mit der ich seit über 5 Jahren zusammen bin. Erst hier in der Fremde habe ich erkannt, was mir diese menschlichen Kontakte und die Heimat bedeuten. Ich fühle mich in meiner jetzigen Situation zutiefst unwohl und habe nur den Wunsch, in die Heimat zurückkehren zu dürfen. Mit meiner Freundin, Frau [geschwärzt], stehe ich im ständigen brieflichen und telefonischen Kontakt, und wir haben uns vorgenommen, unser zukünftiges Leben gemeinsam aufzubauen und zu heiraten. Auf meinen Wunsch hin hat sich Frau [geschwärzt] mit der Abt. Inneres in [geschwärzt] in Verbindung gesetzt und diesen unseren Wunsch dort vorgetragen, mit der eindeutigen Entscheidung, daß für unsere Zukunft nur ein Leben in der DDR in Frage kommt.
Von dort kam der Hinweis, daß ich mich mit Ihnen in Verbindung setzen soll und mein Anliegen vortragen soll.
Straftaten gegen die staatliche Ordnung
Straftaten gegen die staatliche Ordnung waren Straftatbestände des 8. Kapitels des StGB/1968. Insbesondere der 2. Abschnitt ("Straftaten gegen die staatliche und öffentliche Ordnung") enthält politische Strafnormen, die für die strafrechtliche Untersuchungstätigkeit der Staatssicherheit (Untersuchungsorgan) von großer Bedeutung waren.
Das gilt vor allem für § 213 ("Ungesetzlicher Grenzübertritt"), der in der Honecker-Ära Grundlage von rund der Hälfte aller MfS-Ermittlungsverfahren war. Auch § 214 ("Beeinträchtigung staatlicher und gesellschaftlicher Tätigkeit") spielte, vor allem im Zusammenhang mit der Bekämpfung von Ausreiseantragstellern, in den 80er Jahren eine immer wichtigere Rolle.
Ähnliches gilt für § 219 ("Ungesetzliche Verbindungsaufnahme") und § 220 ("Öffentliche Herabwürdigung der staatlichen Ordnung"), die die ähnlichen, aber schwerer wiegenden Strafnormen aus dem 2. Kapitel des StGB/1968 § 100 ("Staatsfeindliche Verbindungen", ab 1979 "Landesverräterische Agententätigkeit") und § 106 ("Staatsfeindliche Hetze") weitgehend verdrängten (Staatsverbrechen).
Rückgewinnung beschreibt einen Komplex von gezielten Maßnahmen des MfS, die dazu dienten, Personen von ihrer systemkritischen Haltung abzubringen. Die Betreffenden sollten von ausgewählten Personen aufgesucht werden und – wie man meinte – den auf sie wirkenden "feindlich-negativen" Einflüssen entzogen werden. Auch Gratifikationen konnten Teil der Rückgewinnung sein. Die Rückgewinnung wurde auch im Rahmen der Zersetzung von DDR-kritisch eingestellten Freundeskreisen oder Gruppen eingesetzt.
Das MfS hat als ein Instrument der DDR, insbesondere der SED-Führung, die politischen Interessen des Staates inoffiziell in der Bundesrepublik Deutschland unterstützt. Die Westarbeit des MfS bestand aus Spionageaktivitäten, also der nachrichtendienstlichen Beschaffung von Informationen, Patenten, Verfahren und Mustern durch das MfS.
Die Bezeichnungen Westarbeit und Spionage meinen in diesem Kontext das, was beim MfS mit "operative Arbeit im und nach dem Operationsgebiet" bezeichnet wird. Im engeren Sinne also die Arbeit mit Inoffiziellen Mitarbeitern im "Operationsgebiet", bei dem es sich überwiegend um die Bundesrepublik Deutschland und Westberlin handelte, aber auch die in der NATO und der Europäischen Gemeinschaft verbundenen Staaten einschloss.
Im weiteren Sinne fallen darunter auch die Funkaufklärung und der Einsatz von Offizieren im besonderen Einsatz in Botschaften, Konsulaten usw. Erfolgte diese operative Arbeit bis Anfang der 70er Jahre wesentlich "illegal", ergaben sich mit der zunehmenden Anerkennung der DDR auch verstärkt "legale" Zugänge über die Einrichtung von Botschaften, von denen aus das MfS mit "legal abgedeckten Residenturen" arbeiten konnte.
Für die Beschaffung von wissenschaftlich-technischen, politischen und militärischen Informationen war vor allem die Hauptverwaltung A zuständig, aber nahezu gleichrangig zahlreiche Abwehrdiensteinheiten des MfS. Die Hauptabteilung I, in der DDR für die Absicherung des Militärkomplexes verantwortlich, erkundete auch die Bundeswehr, den Bundesgrenzschutz, den Zollgrenzdienst, die Bayerische Grenzpolizei und diverse Einrichtungen der NATO.
Die Hauptabteilung II, mit der "offensiven Abwehr" ausländischer Nachrichtendienste in der DDR befasst, arbeitete zeitweise auch gegen den Bundesnachrichtendienst, das Bundesamt und die Landesämter für Verfassungsschutz sowie den Militärischen Abschirmdienst. Die Hauptabteilung VI überwachte neben dem Ein-, Ausreise- und Transitverkehr in der DDR auch den über innerdeutsche Grenzen hinaus von und nach Westberlin.
Die Hauptabteilung VII unterhielt im "Operationsgebiet" ebenfalls ein Netz, das im klassischen Sinne kriminelle Aktivitäten wie Schmuggel aufzuklären hatte. Die Hauptabteilung VIII war für Ermittlungen und Beobachtungen zuständig. Zugleich war sie Servicediensteinheit für alle Diensteinheiten des MfS, indem sie den Informationsbedarf über Bundesbürger bediente.
Neben der Sicherungsarbeit in den Bereichen Staatsapparat, Blockparteien und "politischer Untergrundtätigkeit" war die Hauptabteilung XX im "Operationsgebiet" für alle Einrichtungen zuständig, die sich mit der DDR befassten. Im Visier der Hauptabteilung XXII standen links- und rechtsextremistische, überwiegend terroristische Gruppen.
Schließlich wäre auf Hauptabteilungsebene noch die Zentrale Kontrollgruppe anzuführen, die sich mit besonders DDR-kritischen Gruppen befasste, wie z. B. der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte oder den Fluchthilfeorganisationen. Mit der Westarbeit waren nicht allein die zentralen Abwehrdiensteinheiten befasst, sondern ihre Linien (Linienprinzip) erstreckten sich meist auch auf Bezirks- und im Einzelfall auf Kreisverwaltungsebene des MfS.
In den Kontext der Westarbeit sind auch die etwa 400 Entführungen von Bürgern aus der Bundesrepublik Deutschland und Westberlin zu zählen sowie vereinzelte Versuche und Erwägungen, Bürger zu töten, wobei bislang ein Mord nicht nachgewiesen ist. Das MfS selbst verstand unter der "Arbeit im und nach dem Operationsgebiet" die "Gesamtheit der politisch-operativen Kräfte des MfS im Operationsgebiet und die Nutzung solcher Personen aus dem Operationsgebiet, die zur Erfüllung operativer Aufgaben geeignet sind".
Die HV A und ihre Abteilungen XV in den Bezirksverwaltungen arbeiteten nach Schwerpunkten im "Operationsgebiet", ihre innere Struktur drückte die entsprechende Interessenlage aus.
Demnach konzentrierte sich die Abt. I auf Politik und strategische Absichten der Bundesregierung, die Abt. II auf die Parteien, Gewerkschaften, Landsmannschaften im "Operationsgebiet", die Abt. III steuerte die operative Arbeit der "legal abgedeckten Residenturen" in DDR-Botschaften, Konsulaten und Handelseinrichtungen, und die Abt. IV beschäftigte sich mit den militärischen Zentren" in der Bundesrepublik Deutschland, wozu das Bundesministerium der Verteidigung, Wehrbezirkskommandos der Bundeswehr und diverse US-amerikanische Einrichtungen gehörten. Die Abt. IX befasste sich mit westlichen Nachrichtendiensten, die Abt. XI mit den USA und die Abt. XII mit der NATO.
Die Abteilungen XIII bis XV gehörten zum Sektor Wissenschaft und Technik, der systematisch Patente, Verfahren und Muster für die DDR- und osteuropäische Forschung und Wirtschaft beschaffte. Schwerpunkte waren die Fachgebiete Energie, Biologie, Chemie, Elektronik, Elektrotechnik und Maschinenbau sowie das Bemühen, die Embargopolitik zu unterlaufen. Für offizielle, mithin dienstliche Kontakte zwischen beispielsweise DDR- und bundesdeutschen Wissenschaftlern oder Politikern war eigens die Abt. XVI der HV A zuständig, die auf diesem Weg an relevante Informationen gelangen sollte.
Während all diese Abteilungen der HV A überwiegend informationsbeschaffend tätig waren, verfügte sie mit der Abt. X eigens über eine Struktureinheit, die systematisch aktive Maßnahmen in der Bundesrepublik zu entfalten suchte.
Die Zentrale Koordinierungsgruppe (ZKG) entstand 1975 durch Übernahme von Aufgaben verschiedener Diensteinheiten, insbesondere von HA VI und HA XX/5. Aufgaben: zentrale Koordinierung des Vorgehens des MfS im Zusammenhang mit Übersiedlungen in die Bundesrepublik Deutschland, nach Westberlin bzw. das nichtsozialistische Ausland, einschließlich der Versuche des Zurückdrängens von Ausreiseanträgen bzw. zur Verhinderung des Verlassens der DDR und zur Bekämpfung des sog. staatsfeindlichen Menschenhandels bis hin zur Mitwirkung an den Entscheidungen in Ausreisefällen.
Signatur: BStU, MfS, ZKG, Nr. 3791, Bl. 149-150
1985 bat ein in die BRD ausgereister ehemaliger DDR-Bürger um Wiederaufnahme in die DDR. In einem Brief an die Ständige Vertretung der DDR erläuterte er seine Motive.
1985 riefen SED und Stasi eine Kampagne mit ehemaligen DDR-Bürgern ins Leben, die von der Bundesrepublik in die DDR zurückkehren wollten. So druckte die Partei-Zeitung "Neues Deutschland" unter der Überschrift "Über 20.000 Ehemalige wollen zurück" Aussagen ehemaliger DDR-Bürger: Angesichts von Arbeitslosigkeit und "sozialer Kälte" im Westen würden sie lieber wieder in die DDR zurückkehren. Hatte Ost-Berlin in den 50er Jahren mit ähnlichen Kampagnen noch offensiv für die Zu- und Rückwanderung geworben, sollten nun vor allem Ausreisewillige frühzeitig umgestimmt werden. Zu diesem Zweck wurden in dem Artikel die Zahlen der Rückkehrwilligen weit übertrieben und ihre Lebenswege und Motive teilweise konstruiert. Die Kampagne war eine Reaktion auf den sprunghaft wachsenden Strom von Ausreisewilligen: 1984 hatte die SED in Zusammenhang mit dem Milliardenkredit aus der Bundesrepublik etwa 30.000 Menschen ausreisen lassen.
Bei ihrer Wiederaufnahme überprüfte die Stasi die politische Zuverlässigkeit der West-Ost-Migranten vor wie auch nach der Ankunft, entschied über die Aufnahme und bereitete die Rückkehrer auf öffentliche Auftritte und Interviews vor. Auch ein 1984 in die BRD übergesiedelter ehemaliger DDR-Bürger war unter diesen Rückkehrern.
In diesem Brief vom Juli 1985 wandte sich der Mann - etwa zwei Monate nach seiner Haftentlassung und Übersiedlung- an die Ständige Vertretung der DDR in Bonn, weil er doch wieder im anderen deutschen Staat leben wollte. Als Gründe gab er die Trennung von seiner Familie und seiner langjährigen Freundin an, die er heiraten wollt.. In demütigen Worten bezeichnete er seine Ausreise als Fehler und betonte, nie als "Feind der DDR" aufgetreten zu sein. In späteren Briefen und Gesprächen führte er außerdem seine Arbeitslosigkeit in der Bundesrepublik als Motiv an.
Vermutlich argumentierte der Rückkehrwillige - wie andere Rückkehrer - in seinem Brief so, dass dieser den Erwartungen der DDR-Behörden entsprach. Die wahren Ursachen für einen Rückkehrwunsch konnten vielfältig sein: Meist waren wohl private Motive ausschlaggebend, aber vielen Übersiedlern fiel auch die Orientierung in der westlichen Gesellschaft schwer oder die berufliche Perspektivlosigkeit machte ihnen zu schaffen. In einigen Fällen leitete die Stasi "Rückgewinnungsmaßnahmen" ein - dann sollten Verwandte, Freunde und Kollegen den ehemaligen DDR-Bürger zu einer Rückkehr bewegen.
Hinzu kam eine Einreisesperre, die den Kontakt zu Freunden und Verwandten unterband. Die Perspektive, nach der Ausreise die Verbindung zum alten Leben vollständig abbrechen zu müssen, sollte DDR-Bürger von einer Ausreise abschrecken sowie möglicher Spionage entgegenstehen. Möglicherweise spielte dies auch im Fall des Naturwissenschaftlers eine Rolle, da dieser seine Eltern, Kindern und Freundin ebenfalls nicht besuchen durfte.
Obwohl der Brief des Rückkehrwilligen an die Ständige Vertretung der DDR gerichtet war, wurde der Brief an die Stasi weitergeleitet. Die Zentrale Koordinierungsgruppe (ZKG), die Flucht und Übersiedlung bekämpfen sollte, registrierte alle Rückkehrwünsche und hatte meist das letzte Wort im Aufnahmeverfahren.
Ich möchte betonen, daß ich während meiner gesamten Existenz in der DDR nie als Feind der DDR oder ihrer gesellschaftlichen Ordnung aufgetreten bin, ich habe mich auch nie als ein solcher gefühlt oder verstanden. Auch seit meinem Aufenthalt in der BRD hat sich daran nichts geändert. Wie ich eingangs bereits erwähnte, bereue ich es sehr, wegen einiger oberflächlichen Vorstellungen von Reisefreiheit etc. mein gesichertes Leben in der DDR leichtsinnig geopfert zu haben.
Ich wäre Ihnen deshalb sehr verbunden, wenn Sie mir einen Weg aufzeigen könnten, der mir eine Rückkehr in die DDR und die Eheschließung mit meiner Freundin Frau [geschwärzt] möglichst bald ermöglicht. Selbstverständlich bin ich auch bereit, wenn Sie dies für angebracht halten, nochmals persönlich bei Ihnen vorzusprechen und Ihnen weitere Erklärungen zu geben.
In dem ich Sie nochmals herzlich um Unterstützung bitte. verbleibe ich.
Hochachtungsvoll
[geschwärzt]
Straftaten gegen die staatliche Ordnung
Straftaten gegen die staatliche Ordnung waren Straftatbestände des 8. Kapitels des StGB/1968. Insbesondere der 2. Abschnitt ("Straftaten gegen die staatliche und öffentliche Ordnung") enthält politische Strafnormen, die für die strafrechtliche Untersuchungstätigkeit der Staatssicherheit (Untersuchungsorgan) von großer Bedeutung waren.
Das gilt vor allem für § 213 ("Ungesetzlicher Grenzübertritt"), der in der Honecker-Ära Grundlage von rund der Hälfte aller MfS-Ermittlungsverfahren war. Auch § 214 ("Beeinträchtigung staatlicher und gesellschaftlicher Tätigkeit") spielte, vor allem im Zusammenhang mit der Bekämpfung von Ausreiseantragstellern, in den 80er Jahren eine immer wichtigere Rolle.
Ähnliches gilt für § 219 ("Ungesetzliche Verbindungsaufnahme") und § 220 ("Öffentliche Herabwürdigung der staatlichen Ordnung"), die die ähnlichen, aber schwerer wiegenden Strafnormen aus dem 2. Kapitel des StGB/1968 § 100 ("Staatsfeindliche Verbindungen", ab 1979 "Landesverräterische Agententätigkeit") und § 106 ("Staatsfeindliche Hetze") weitgehend verdrängten (Staatsverbrechen).
Rückgewinnung beschreibt einen Komplex von gezielten Maßnahmen des MfS, die dazu dienten, Personen von ihrer systemkritischen Haltung abzubringen. Die Betreffenden sollten von ausgewählten Personen aufgesucht werden und – wie man meinte – den auf sie wirkenden "feindlich-negativen" Einflüssen entzogen werden. Auch Gratifikationen konnten Teil der Rückgewinnung sein. Die Rückgewinnung wurde auch im Rahmen der Zersetzung von DDR-kritisch eingestellten Freundeskreisen oder Gruppen eingesetzt.
Das MfS hat als ein Instrument der DDR, insbesondere der SED-Führung, die politischen Interessen des Staates inoffiziell in der Bundesrepublik Deutschland unterstützt. Die Westarbeit des MfS bestand aus Spionageaktivitäten, also der nachrichtendienstlichen Beschaffung von Informationen, Patenten, Verfahren und Mustern durch das MfS.
Die Bezeichnungen Westarbeit und Spionage meinen in diesem Kontext das, was beim MfS mit "operative Arbeit im und nach dem Operationsgebiet" bezeichnet wird. Im engeren Sinne also die Arbeit mit Inoffiziellen Mitarbeitern im "Operationsgebiet", bei dem es sich überwiegend um die Bundesrepublik Deutschland und Westberlin handelte, aber auch die in der NATO und der Europäischen Gemeinschaft verbundenen Staaten einschloss.
Im weiteren Sinne fallen darunter auch die Funkaufklärung und der Einsatz von Offizieren im besonderen Einsatz in Botschaften, Konsulaten usw. Erfolgte diese operative Arbeit bis Anfang der 70er Jahre wesentlich "illegal", ergaben sich mit der zunehmenden Anerkennung der DDR auch verstärkt "legale" Zugänge über die Einrichtung von Botschaften, von denen aus das MfS mit "legal abgedeckten Residenturen" arbeiten konnte.
Für die Beschaffung von wissenschaftlich-technischen, politischen und militärischen Informationen war vor allem die Hauptverwaltung A zuständig, aber nahezu gleichrangig zahlreiche Abwehrdiensteinheiten des MfS. Die Hauptabteilung I, in der DDR für die Absicherung des Militärkomplexes verantwortlich, erkundete auch die Bundeswehr, den Bundesgrenzschutz, den Zollgrenzdienst, die Bayerische Grenzpolizei und diverse Einrichtungen der NATO.
Die Hauptabteilung II, mit der "offensiven Abwehr" ausländischer Nachrichtendienste in der DDR befasst, arbeitete zeitweise auch gegen den Bundesnachrichtendienst, das Bundesamt und die Landesämter für Verfassungsschutz sowie den Militärischen Abschirmdienst. Die Hauptabteilung VI überwachte neben dem Ein-, Ausreise- und Transitverkehr in der DDR auch den über innerdeutsche Grenzen hinaus von und nach Westberlin.
Die Hauptabteilung VII unterhielt im "Operationsgebiet" ebenfalls ein Netz, das im klassischen Sinne kriminelle Aktivitäten wie Schmuggel aufzuklären hatte. Die Hauptabteilung VIII war für Ermittlungen und Beobachtungen zuständig. Zugleich war sie Servicediensteinheit für alle Diensteinheiten des MfS, indem sie den Informationsbedarf über Bundesbürger bediente.
Neben der Sicherungsarbeit in den Bereichen Staatsapparat, Blockparteien und "politischer Untergrundtätigkeit" war die Hauptabteilung XX im "Operationsgebiet" für alle Einrichtungen zuständig, die sich mit der DDR befassten. Im Visier der Hauptabteilung XXII standen links- und rechtsextremistische, überwiegend terroristische Gruppen.
Schließlich wäre auf Hauptabteilungsebene noch die Zentrale Kontrollgruppe anzuführen, die sich mit besonders DDR-kritischen Gruppen befasste, wie z. B. der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte oder den Fluchthilfeorganisationen. Mit der Westarbeit waren nicht allein die zentralen Abwehrdiensteinheiten befasst, sondern ihre Linien (Linienprinzip) erstreckten sich meist auch auf Bezirks- und im Einzelfall auf Kreisverwaltungsebene des MfS.
In den Kontext der Westarbeit sind auch die etwa 400 Entführungen von Bürgern aus der Bundesrepublik Deutschland und Westberlin zu zählen sowie vereinzelte Versuche und Erwägungen, Bürger zu töten, wobei bislang ein Mord nicht nachgewiesen ist. Das MfS selbst verstand unter der "Arbeit im und nach dem Operationsgebiet" die "Gesamtheit der politisch-operativen Kräfte des MfS im Operationsgebiet und die Nutzung solcher Personen aus dem Operationsgebiet, die zur Erfüllung operativer Aufgaben geeignet sind".
Die HV A und ihre Abteilungen XV in den Bezirksverwaltungen arbeiteten nach Schwerpunkten im "Operationsgebiet", ihre innere Struktur drückte die entsprechende Interessenlage aus.
Demnach konzentrierte sich die Abt. I auf Politik und strategische Absichten der Bundesregierung, die Abt. II auf die Parteien, Gewerkschaften, Landsmannschaften im "Operationsgebiet", die Abt. III steuerte die operative Arbeit der "legal abgedeckten Residenturen" in DDR-Botschaften, Konsulaten und Handelseinrichtungen, und die Abt. IV beschäftigte sich mit den militärischen Zentren" in der Bundesrepublik Deutschland, wozu das Bundesministerium der Verteidigung, Wehrbezirkskommandos der Bundeswehr und diverse US-amerikanische Einrichtungen gehörten. Die Abt. IX befasste sich mit westlichen Nachrichtendiensten, die Abt. XI mit den USA und die Abt. XII mit der NATO.
Die Abteilungen XIII bis XV gehörten zum Sektor Wissenschaft und Technik, der systematisch Patente, Verfahren und Muster für die DDR- und osteuropäische Forschung und Wirtschaft beschaffte. Schwerpunkte waren die Fachgebiete Energie, Biologie, Chemie, Elektronik, Elektrotechnik und Maschinenbau sowie das Bemühen, die Embargopolitik zu unterlaufen. Für offizielle, mithin dienstliche Kontakte zwischen beispielsweise DDR- und bundesdeutschen Wissenschaftlern oder Politikern war eigens die Abt. XVI der HV A zuständig, die auf diesem Weg an relevante Informationen gelangen sollte.
Während all diese Abteilungen der HV A überwiegend informationsbeschaffend tätig waren, verfügte sie mit der Abt. X eigens über eine Struktureinheit, die systematisch aktive Maßnahmen in der Bundesrepublik zu entfalten suchte.
Die Zentrale Koordinierungsgruppe (ZKG) entstand 1975 durch Übernahme von Aufgaben verschiedener Diensteinheiten, insbesondere von HA VI und HA XX/5. Aufgaben: zentrale Koordinierung des Vorgehens des MfS im Zusammenhang mit Übersiedlungen in die Bundesrepublik Deutschland, nach Westberlin bzw. das nichtsozialistische Ausland, einschließlich der Versuche des Zurückdrängens von Ausreiseanträgen bzw. zur Verhinderung des Verlassens der DDR und zur Bekämpfung des sog. staatsfeindlichen Menschenhandels bis hin zur Mitwirkung an den Entscheidungen in Ausreisefällen.
Aufhebung der Einreisesperre gegen einen ehemaligen DDR-Bürger Dokument, 1 Seite
Vorschlag zur "Wiederaufnahme in die DDR im begründeten Einzelfall" Dokument, 5 Seiten
Abschlussbericht der HA VII/3 über den Aufenthalt im Zentralen Aufnahmeheim Röntgental Dokument, 6 Seiten
Abschlußbericht zur Operativen Personenkontrolle "Abflug II" Dokument, 4 Seiten