Signatur: BStU, MfS, HA VIII, Nr. 9026, Bl. 7-9
Am 23. April 1976 fand die feierliche Eröffnung des Palasts der Republik in Ost-Berlin statt. Nachdem die Stasi bereits die Bauarbeiten intensiv überwacht hatte, setzte sie ihre "politisch-operative" Arbeit auch nach der Fertigstellung des Prestigeprojekts fort. Ein Auszug aus dem Aufklärungsmaterial des MfS zum Palast der Republik gibt Einblicke in die Arbeitsweise des Geheimdienstes.
Mit der Errichtung des Palasts der Republik startete die SED-Führung 1973 ein Großprojekt in der historischen Mitte Berlins. Unter der Leitung Heinz Graffunders, eines der prominentesten Architektinnen und Architekten der DDR, entstand ein Vorzeigebau, der Politik und Vergnügungskultur an einem Ort vereinte: Während in einem Teil des Gebäudes das Parlament der DDR, die Volkskammer, untergebracht war, befanden sich in einem anderen Teil Restaurants, Bars, Cafés, eine Diskothek, ein Theater und eine Bowlingbahn. Damit stand der Palast der Republik in der Tradition der sozialdemokratischen "Volkshäuser". Gleichzeitig flossen Elemente der stalinistisch geprägten "Kulturpaläste" sowie der neuartigen "Kultur- und Kongresszentren" mit ein. Der Palast der Republik galt als architektonischer Ausdruck der Moderne und besaß enormen repräsentativen Charakter. Nach weniger als drei Jahren Bauzeit war er am ehemaligen Standort des 1950 gesprengten Stadtschlosses fertiggestellt.
Nach seiner Eröffnung am 23. April 1976 überwachte die Stasi den Palast der Republik aufgrund seiner besonderen Bedeutung intensiv. Im Archiv des BStU sind zahlreiche Dokumente überliefert, die einen Einblick in die "politisch-operative Arbeit" des MfS in Bezug auf den Prestigebau ermöglichen.
Das hier gezeigte Dokument der Hauptabteilung VIII (Beobachtung, Ermittlung) macht deutlich, mit welcher Genauigkeit die Staatssicherheit ihre Observierungen rund um den Palast der Republik plante. Bei dem Auszug handelt es sich nicht um eine konkrete operative Beobachtung, sondern um einen Aufklärungsbericht für die Einsatzvorbereitung. Das Dokument führt zunächst die Standorte auf, an denen sich die "Beobachter" des MfS positionieren sollten. Anschließend folgt eine detaillierte Anweisung, welche Schritte zur Observierung eines "Beobachtungsobjekts" durch die einzelnen Stasi-Posten zu erfolgen hatten. Im Dokument taucht wiederholt der Begriff "Metall" auf. Dabei handelte es sich um den Decknamen für die mobilen Beobachtungsposten, die das MfS für seine Observierungen einsetzte.
Postierungsmöglichkeiten und Aufnahmemöglichkeiten des Beobachtungsobjektes durch die Beobachtungskräfte
Metall 1; Standort Parkplatz P. d. R. unmittelbar Haupteingang
Metall 2; Standort Parkplatz P. d. R. versetzt nach hinten, Standort zwischen Marx-Engels Brücke und Schleusenbrücke
Metall 3; Standort im Hof des Marstall oder bei Notwendigkeit (es gibt nicht die Möglichkeit einen AP im Marstall zu schaffen) direkt davor, auf den dort befindlichen Parkflächen
Metall 4; Standort zwischen Museum für dt. Geschichte und dem Spreeufer
die Besatzung dieser Metall hält sich aus Gründen der Konspiration im AP (Museum für Deutsche Geschichte) auf
Hauptabteilung VIII (Beobachtung, Ermittlung)
1950 wurde die selbstständige Abteilung VIII gebildet. Aufgabe der 1958 in Hauptabteilung VIII umbenannten Diensteinheit war es, im Auftrag anderer MfS-Abteilungen operative Beobachtungen und Ermittlungen durchzuführen.
Ihre Standardmethoden waren Mitschnitte von Telefongesprächen, heimliche Fotoaufnahmen, Videoüberwachung, verdeckte Wohnungsdurchsuchungen sowie gewaltsames Eindringen in fremde Objekte aller Art in Ost und West. Neben Beobachtungen, Ermittlungen, Durchsuchungen und Festnahmen in der DDR gehörten auch "aktive operative Maßnahmen in und nach dem Operationsgebiet" zu den Aufgaben der Hauptabteilung VIII. Hauptamtliche MfS-Mitarbeiter und IM reisten unter falschem Namen über getarnte Grenzschleusen ins westliche Operationsgebiet, wo sie Nachforschungen anstellten und Personen und Gebäude überwachten. Auch Anschläge und Entführungen gehörten zum operativen Geschäft dieser MfS-Abteilung.
Ende 1988 arbeiteten in der Hauptabteilung VIII 1.509 und in den Abteilungen VIII der Bezirksverwaltungen 2.960 hauptamtliche MfS-Mitarbeiter. Neben diesen 4.469 hauptamtlichen unterstanden der Hauptabteilung VIII 1.198 IM (darunter 124 West-IM). Hinzu kamen etwa 3.500 IM in den Abteilungen VIII der Bezirksverwaltungen.
In den 50er Jahren wirkte die Hauptabteilung VIII an zahlreichen Unrechtshandlungen des SED-Regimes mit. So entführte sie u. a. in den Westen geflohene MfS Mitarbeiter, die später als Verräter hingerichtet wurden (Entführung). Seit dem Mauerbau konzentrierte sich die Hauptabteilung VIII überwiegend auf Überwachungsmaßnahmen in der DDR. Nach dem Grundlagenvertrag und dem Transitabkommen versuchte sie, Republikfluchten und unerlaubte Kontakte zwischen DDR-Bürgern und Westdeutschen zu verhindern.
Zur Überwachung des innerdeutschen Reiseverkehrs errichtete die Hauptabteilung VIII an Grenzübergängen Beobachtungsstützpunkte. Im Zuge des POZW mit den DDR-Grenztruppen, der DDR-Zollverwaltung und den Bereichen Passkontrolle und Fahndung der HA VI des MfS sollten "Reisespione" und "operativ interessante Personen" (westdeutsche Politiker, ausländische Unternehmer und Geschäftsleute, Korrespondenten, Journalisten und Westverwandte von verdächtigen DDR-Bürgern) beobachtet werden. Mit großem Aufwand beobachtete die Hauptabteilung VIII Patrouillen der Westalliierten. Sie sammelte Belege für "subversive Handlungen und Aktivitäten", erfasste StVO-Verstöße und Sperrgebietsverletzungen.
Seit Juni 1989 war die Hauptabteilung VIII für die Überwachung von NVA-Angehörigen außerhalb des Dienstes zuständig. Bei der Spuren- und Beweissicherung konzentrierte sie sich auf "schwerwiegende Vorkommnisse" innerhalb der NVA und Grenztruppen: Spionage, Fahnenflucht, Westkontakte und Fluchtversuche. Ihre letzten Einsätze hatten die MfS-Offiziere der Hauptabteilung VIII im Herbst 1989, die zugleich deren personelle und logistische Kapazitäten überstiegen: Immer öfter mussten Angehörige der Hauptabteilung VIII zu außerplanmäßigen Großeinsätzen ausrücken, um an verdächtigen Gottesdiensten teilzunehmen und Demonstrationen zu beobachten oder vorbeugend einzudämmen.
Operative Beobachtung
Die Beobachtung zählte zu den konspirativen Ermittlungsmethoden, die in der Regel von operativen Diensteinheiten in Auftrag gegeben und von hauptamtlichen Mitarbeitern der Linie VIII (Hauptabteilung VIII) durchgeführt wurden. Dabei wurden sog. Zielpersonen (Beobachtungsobjekte genannt) über einen festgelegten Zeitraum beobachtet, um Hinweise über Aufenthaltsorte, Verbindungen, Arbeitsstellen, Lebensgewohnheiten und ggf. strafbare Handlungen herauszufinden. Informationen aus Beobachtungen flossen in Operative Personenkontrollen, Operative Vorgänge oder Sicherheitsüberprüfungen ein. Im westlichen Ausland wurden Beobachtungen meist von IM unter falscher Identität ausgeführt.
Konspiration war das Grundprinzip der nachrichtendienstlichen und geheimpolizeilichen Arbeit des MfS, das den Einsatz von inoffiziellen Kräften und anderen verdeckten Mitteln und Methoden sowie die weitgehende Geheimhaltung der eigenen Tätigkeit auch gegenüber anderen DDR-Organen und dem SED-Parteiapparat beinhaltet. Eine besondere Rolle spielt die Konspiration bei den Verhaltensregeln für IM, GMS, HIM, OibE und Führungsoffiziere, welche über die inoffiziellen Beziehungen zum MfS zu schweigen bzw. inoffizielle Handlungen für das MfS geheimzuhalten, zu tarnen oder zu verschleiern hatten.
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Signatur: BStU, MfS, HA VIII, Nr. 9026, Bl. 7-9
Am 23. April 1976 fand die feierliche Eröffnung des Palasts der Republik in Ost-Berlin statt. Nachdem die Stasi bereits die Bauarbeiten intensiv überwacht hatte, setzte sie ihre "politisch-operative" Arbeit auch nach der Fertigstellung des Prestigeprojekts fort. Ein Auszug aus dem Aufklärungsmaterial des MfS zum Palast der Republik gibt Einblicke in die Arbeitsweise des Geheimdienstes.
Mit der Errichtung des Palasts der Republik startete die SED-Führung 1973 ein Großprojekt in der historischen Mitte Berlins. Unter der Leitung Heinz Graffunders, eines der prominentesten Architektinnen und Architekten der DDR, entstand ein Vorzeigebau, der Politik und Vergnügungskultur an einem Ort vereinte: Während in einem Teil des Gebäudes das Parlament der DDR, die Volkskammer, untergebracht war, befanden sich in einem anderen Teil Restaurants, Bars, Cafés, eine Diskothek, ein Theater und eine Bowlingbahn. Damit stand der Palast der Republik in der Tradition der sozialdemokratischen "Volkshäuser". Gleichzeitig flossen Elemente der stalinistisch geprägten "Kulturpaläste" sowie der neuartigen "Kultur- und Kongresszentren" mit ein. Der Palast der Republik galt als architektonischer Ausdruck der Moderne und besaß enormen repräsentativen Charakter. Nach weniger als drei Jahren Bauzeit war er am ehemaligen Standort des 1950 gesprengten Stadtschlosses fertiggestellt.
Nach seiner Eröffnung am 23. April 1976 überwachte die Stasi den Palast der Republik aufgrund seiner besonderen Bedeutung intensiv. Im Archiv des BStU sind zahlreiche Dokumente überliefert, die einen Einblick in die "politisch-operative Arbeit" des MfS in Bezug auf den Prestigebau ermöglichen.
Das hier gezeigte Dokument der Hauptabteilung VIII (Beobachtung, Ermittlung) macht deutlich, mit welcher Genauigkeit die Staatssicherheit ihre Observierungen rund um den Palast der Republik plante. Bei dem Auszug handelt es sich nicht um eine konkrete operative Beobachtung, sondern um einen Aufklärungsbericht für die Einsatzvorbereitung. Das Dokument führt zunächst die Standorte auf, an denen sich die "Beobachter" des MfS positionieren sollten. Anschließend folgt eine detaillierte Anweisung, welche Schritte zur Observierung eines "Beobachtungsobjekts" durch die einzelnen Stasi-Posten zu erfolgen hatten. Im Dokument taucht wiederholt der Begriff "Metall" auf. Dabei handelte es sich um den Decknamen für die mobilen Beobachtungsposten, die das MfS für seine Observierungen einsetzte.
Aufgrund der zu erwartenden operativ bedeutsamen Handlungen des Beobachtungsobjektes im Palast der Republik, wird das Beobachtungsobjekt ständig begleitet.
Die Fußbeobachter die das Beobachtungsobjekt begleiten geben die entsprechende Information an die sich in den KFZ befindlichen Beobachter über Verlassen des Objektes. So ist gesichert das das Beobachtungsobjekt bei Verlassen des Palast der Republik wie folgt übergeben werden kann.
1. - das Objekt verläßt zu Fuß den Haupteingang des P. d. R.
Übernahme des B - Objektes durch die Beobachter der Metall 1 und dann nach Feststellung der Bewegungsrichtung Einbeziehung der Beobachter der beiden Metalls 2 und 3
2. - das Beobachtungsobjekt verläßt einen der beiden hinteren Eingänge bzw. Ausgänge des P. d. R.
die Übernahme realisieren die Fußbeobachter der Metalls 1 und 3
die Nachführung bzw. Vorpostierung der B - Kräfte in den zurückbleibenden Metalls übernimmt eine Birke
3. - für das Objekt bieten sich 2 Möglichkeiten den Handlungsraum zu verlassen, (mit Pkw)
über die Straße Unter den Linden in Richtung Alexanderplatz sowie
über die Werder Str. in Richtung Friedrichstraße
Hauptabteilung VIII (Beobachtung, Ermittlung)
1950 wurde die selbstständige Abteilung VIII gebildet. Aufgabe der 1958 in Hauptabteilung VIII umbenannten Diensteinheit war es, im Auftrag anderer MfS-Abteilungen operative Beobachtungen und Ermittlungen durchzuführen.
Ihre Standardmethoden waren Mitschnitte von Telefongesprächen, heimliche Fotoaufnahmen, Videoüberwachung, verdeckte Wohnungsdurchsuchungen sowie gewaltsames Eindringen in fremde Objekte aller Art in Ost und West. Neben Beobachtungen, Ermittlungen, Durchsuchungen und Festnahmen in der DDR gehörten auch "aktive operative Maßnahmen in und nach dem Operationsgebiet" zu den Aufgaben der Hauptabteilung VIII. Hauptamtliche MfS-Mitarbeiter und IM reisten unter falschem Namen über getarnte Grenzschleusen ins westliche Operationsgebiet, wo sie Nachforschungen anstellten und Personen und Gebäude überwachten. Auch Anschläge und Entführungen gehörten zum operativen Geschäft dieser MfS-Abteilung.
Ende 1988 arbeiteten in der Hauptabteilung VIII 1.509 und in den Abteilungen VIII der Bezirksverwaltungen 2.960 hauptamtliche MfS-Mitarbeiter. Neben diesen 4.469 hauptamtlichen unterstanden der Hauptabteilung VIII 1.198 IM (darunter 124 West-IM). Hinzu kamen etwa 3.500 IM in den Abteilungen VIII der Bezirksverwaltungen.
In den 50er Jahren wirkte die Hauptabteilung VIII an zahlreichen Unrechtshandlungen des SED-Regimes mit. So entführte sie u. a. in den Westen geflohene MfS Mitarbeiter, die später als Verräter hingerichtet wurden (Entführung). Seit dem Mauerbau konzentrierte sich die Hauptabteilung VIII überwiegend auf Überwachungsmaßnahmen in der DDR. Nach dem Grundlagenvertrag und dem Transitabkommen versuchte sie, Republikfluchten und unerlaubte Kontakte zwischen DDR-Bürgern und Westdeutschen zu verhindern.
Zur Überwachung des innerdeutschen Reiseverkehrs errichtete die Hauptabteilung VIII an Grenzübergängen Beobachtungsstützpunkte. Im Zuge des POZW mit den DDR-Grenztruppen, der DDR-Zollverwaltung und den Bereichen Passkontrolle und Fahndung der HA VI des MfS sollten "Reisespione" und "operativ interessante Personen" (westdeutsche Politiker, ausländische Unternehmer und Geschäftsleute, Korrespondenten, Journalisten und Westverwandte von verdächtigen DDR-Bürgern) beobachtet werden. Mit großem Aufwand beobachtete die Hauptabteilung VIII Patrouillen der Westalliierten. Sie sammelte Belege für "subversive Handlungen und Aktivitäten", erfasste StVO-Verstöße und Sperrgebietsverletzungen.
Seit Juni 1989 war die Hauptabteilung VIII für die Überwachung von NVA-Angehörigen außerhalb des Dienstes zuständig. Bei der Spuren- und Beweissicherung konzentrierte sie sich auf "schwerwiegende Vorkommnisse" innerhalb der NVA und Grenztruppen: Spionage, Fahnenflucht, Westkontakte und Fluchtversuche. Ihre letzten Einsätze hatten die MfS-Offiziere der Hauptabteilung VIII im Herbst 1989, die zugleich deren personelle und logistische Kapazitäten überstiegen: Immer öfter mussten Angehörige der Hauptabteilung VIII zu außerplanmäßigen Großeinsätzen ausrücken, um an verdächtigen Gottesdiensten teilzunehmen und Demonstrationen zu beobachten oder vorbeugend einzudämmen.
Operative Beobachtung
Die Beobachtung zählte zu den konspirativen Ermittlungsmethoden, die in der Regel von operativen Diensteinheiten in Auftrag gegeben und von hauptamtlichen Mitarbeitern der Linie VIII (Hauptabteilung VIII) durchgeführt wurden. Dabei wurden sog. Zielpersonen (Beobachtungsobjekte genannt) über einen festgelegten Zeitraum beobachtet, um Hinweise über Aufenthaltsorte, Verbindungen, Arbeitsstellen, Lebensgewohnheiten und ggf. strafbare Handlungen herauszufinden. Informationen aus Beobachtungen flossen in Operative Personenkontrollen, Operative Vorgänge oder Sicherheitsüberprüfungen ein. Im westlichen Ausland wurden Beobachtungen meist von IM unter falscher Identität ausgeführt.
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Fotodokumentation des Bereichs um den Palast der Republik Dokument, 5 Seiten
Menschenmenge in Berlin anlässlich eines Konzerts von Udo Lindenberg 1 Fotografie
Karte des Marx-Engels-Platzes mit dem Palast der Republik Dokument, 1 Seite
Stasi-Mitarbeiter vor der Hauptschaltanlage und Observationsmonitoren im Palast der Republik 1 Fotografie