Signatur: BStU, MfS, AS, Nr. 109/65, Bl. 226-231
Sofortprogramm zur Bekämpfung der Republikflucht: Vor allem die Abwerbung ostdeutscher Bürger durch "feindliche Agentenzentralen" sollte die Stasi verhindern.
Viele Menschen sahen in den 50er Jahren auf Grund der politischen Entwicklungen in der DDR keine Perspektive. Allein 1953 flohen nach Erkenntnissen der Stasi über 270.000 Bürger in den Westen. Als Schild und Schwert der Partei kam dem MfS eine Schlüsselrolle bei der Bekämpfung der Republikflucht zu. Als 1955 die Flüchtlingszahlen wieder anstiegen, wurde die Geheimpolizei verstärkt in die Pflicht genommen. Im Mai 1956 legte das MfS ein Sofortprogramm zur Bekämpfung der Republikflucht vor.
Ein Aufgabenschwerpunkt war die Westarbeit – sorgten doch aus Sicht der SED vor allem "westliche Agentenzentralen" für die Abwanderung der Menschen aus der DDR. Weitere Aufgaben des MfS waren: Analysen und Informationen über die Ursachen der Fluchtbewegung zu erstellen, die operative Arbeit in westdeutschen und Westberliner Flüchtlingslagern sowie die Überwachung zurückgekehrter Flüchtlinge. Dazu war eine enge Zusammenarbeit verschiedener Abteilungen notwendig. Die vorliegende Dienstanweisung fasst die Aufgaben und Verantwortlichkeiten zusammen.
2. Personen, die durch Verherrlichung des Westens oder durch sonstige Beeinflussung Anlaß zu Republikfluchten geben, sind operativ au bearbeiten, wobei nach Lage des Falles offiziellen Stellen (Parteileitung, FDJ-Leitung, Kaderleiter) Hinweise zu agitatorischen oder kaderpolitischen Maßnahmen gegeben werden können, hierbei sind die Möglichkeiten der erzieherischen und aufklärenden Einwirkung auf schwankende und unzufriedene Werktätige sorgfältig zu beachten.
3. Zur Bekämpfung der "Anschreibemethode" hat die Abteilung M alle Abwerbebriefe, Werbeprospekte, Stellenangebote und Briefe, die auf geplante oder vollzogene Republik- fluchten hindeuten, anzuhalten und den zuständigen operativen Abteilungen schnellstens zuzuleiten.
Das M-Material ist ferner zur Analyse der Ursachen und Feindmethoden zahlenmässig zu erfassen und auszuwerten. Erkannte Abwerbezentralen sind zu registrieren.
4. Mit Personen, die beabsichtigen die DDR illegal zu verlassen sind Aussprachen - möglichst durch offizielle Stellen - zu führen; um sie von ihrem Vorhaben abzubringen
5. Personen, die ihren Entschluß, nach Westdeutschland zu gehen nicht aufgeben, sind in geeigneten Fällen anzuwerben mit dem Ziel, daß sie in den westdeutschen Flüchtlingslagern darüber berichten und somit Mißtrauen gegen die Republikflüchtigen schaffen.
6. Hinweise (z.B. von Abt. M oder von GI und GM) über Mißstände und Fehler in Betrieben, Verwaltungen und Schulen, die Ursachen für die Republikflucht sein können, sind den zuständigen offiziellen Stellen unter Einhaltung der Konspiration zu geben, damit von diesen die Beseitigung der Mängel eingeleitet werden kann.
Abteilung M (Postkontrolle)
Die 1951/52 entstandene Abt. M im MfS Berlin und in den BV führte die bis 1952 von den Abt. VIa betriebene Postkontrolle fort. Die Abt. M gliederte sich anfangs in die Leitung und die Referate I (Information/Stimmungsberichte), II (Haupttelegrafenamt) und III (Kontrollpunkt 1). In den BV hießen die Außenstellen AFAS (Aussortierungsstellen für antidemokratische Schriften bzw. Auftragsfahndung bei abgehenden Sendungen). Die Postkontrolle war bis 1989 als Abt. 12 bzw. Abt. XII in die Struktur der Deutschen Post eingebaut. Die auf der Grundlage der Postauswertung erstellten Stimmungsberichte sollten das MfS in die Lage versetzen, jederzeit ein Bild über die Stimmung der Bevölkerung der verschiedenen sozialen Schichten zu erhalten. Mitte der 50er Jahre wurde begonnen, die Möglichkeiten der Abt. M bei Personenüberprüfungen systematisch zu nutzen.
Im Zusammenhang mit der internationalen Anerkennung der DDR richtete die Abt. M 1973 die "Kurierstelle für Botschaftspost" (KfB) ein. In den 70er Jahren kam es zur verstärkten Entwicklung sowie zum Einsatz von Brieföffnungsautomaten, Briefschließmaschinen und der Röntgentechnik. Um die zwischen der Bundespost und der Deutschen Post der DDR vereinbarte verkürzte Bearbeitungszeit im Postverkehr zu gewährleisten, wurde 1984 die Abt. PZF als neue Abt. M 4 in die Linie M übernommen und dadurch Doppelarbeit abgebaut. Von 1979 bis 1983 war der Mitarbeiterbestand um 41,5 Prozent gestiegen.
Nach dem Tode des bis zu diesem Zeitpunkt zuständigen Stellv. des Ministers Beater übernahm Mielke die HA II und die dieser zugeordnete Abt. M des MfS Berlin in seinen Verantwortungsbereich. Im Oktober 1989 gehörten der Linie M 2192 Offiziere an (MfS Berlin 516, BV 1676). Da das Postgeheimnis in den Verfassungen der DDR seit 1949 nominell verbrieft war, räumte der letzte Leiter der Abt. M, Generalmajor Rudi Strobel, im November 1989 ein, dass für die Tätigkeit der Linie M eine eindeutige gesetzliche Regelung fehle.
Straftaten gegen die staatliche Ordnung
Straftaten gegen die staatliche Ordnung waren Straftatbestände des 8. Kapitels des StGB/1968. Insbesondere der 2. Abschnitt ("Straftaten gegen die staatliche und öffentliche Ordnung") enthält politische Strafnormen, die für die strafrechtliche Untersuchungstätigkeit der Staatssicherheit (Untersuchungsorgan) von großer Bedeutung waren.
Das gilt vor allem für § 213 ("Ungesetzlicher Grenzübertritt"), der in der Honecker-Ära Grundlage von rund der Hälfte aller MfS-Ermittlungsverfahren war. Auch § 214 ("Beeinträchtigung staatlicher und gesellschaftlicher Tätigkeit") spielte, vor allem im Zusammenhang mit der Bekämpfung von Ausreiseantragstellern, in den 80er Jahren eine immer wichtigere Rolle.
Ähnliches gilt für § 219 ("Ungesetzliche Verbindungsaufnahme") und § 220 ("Öffentliche Herabwürdigung der staatlichen Ordnung"), die die ähnlichen, aber schwerer wiegenden Strafnormen aus dem 2. Kapitel des StGB/1968 § 100 ("Staatsfeindliche Verbindungen", ab 1979 "Landesverräterische Agententätigkeit") und § 106 ("Staatsfeindliche Hetze") weitgehend verdrängten (Staatsverbrechen).
Die Allgemeine Sachablage (AS) ist Bestand 2 der Abteilung XII. Der Bestand enthält v. a. sachbezogene Unterlagen. Größte Registraturbildner waren die HA I, die HA IX und das BdL. Des Weiteren liegen hier auch Vorgangshefte und Objektvorgänge sowie Akten der MfS-Vorgänger. Inhalte sind u. a. Ermittlungen zu Havarien und Unfällen, Untersuchungen von Widerstand und Flucht, Berichterstattung an die SED, Eingabenbearbeitung, Kontakte mit Ostblock-Diensten und Sicherung von Großveranstaltungen. Der Bestand ist zugänglich über ein BStU-Findbuch und die F 16. Der Umfang beträgt 490 lfm.
Von 1950 bis 1968 geltende Bezeichnung für die gewöhnlichen inoffiziellen Mitarbeiter, in den ersten Jahren auch nur Informatoren genannt. 1968 wurden die GI überwiegend zu IMS. GI dienten vor allem der allgemeinen Informationsbeschaffung. Sie wurden dabei auch zunehmend zur Sicherung von Institutionen, zur Feststellung der Bevölkerungsstimmung, zur Überprüfung verdächtiger Personen, zur Verhinderung von Republikfluchten oder auch bei Ermittlungen und Fahndungen eingesetzt.
Von 1950 bis 1968 geltende Bezeichnung für inoffizielle Mitarbeiter mit tatsächlichem oder potenziellem Zugang zu Personen oder Organisationen, die vom MfS als feindlich eingestuft wurden. Vor allem in den 50er Jahren kamen GM häufig auch im Westen zum Einsatz. Sie sollten "wertvolle Angaben" über Spionage und "illegale, antidemokratische" Aktivitäten beschaffen, gegen "feindliche Zentralen" und "Untergrundgruppen" wirken, bei der direkten "Bearbeitung" von verdächtigen Personen eingesetzt werden, "Feinde" beobachten, ferner Beweise für "Feindtätigkeit" gewinnen und zur "Zersetzung", "Zerschlagung von feindlichen Gruppierungen" beitragen. 1968 wurde diese Kategorie in IMV und IMF gesplittet.
Konspiration war das Grundprinzip der nachrichtendienstlichen und geheimpolizeilichen Arbeit des MfS, das den Einsatz von inoffiziellen Kräften und anderen verdeckten Mitteln und Methoden sowie die weitgehende Geheimhaltung der eigenen Tätigkeit auch gegenüber anderen DDR-Organen und dem SED-Parteiapparat beinhaltet. Eine besondere Rolle spielt die Konspiration bei den Verhaltensregeln für IM, GMS, HIM, OibE und Führungsoffiziere, welche über die inoffiziellen Beziehungen zum MfS zu schweigen bzw. inoffizielle Handlungen für das MfS geheimzuhalten, zu tarnen oder zu verschleiern hatten.
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Signatur: BStU, MfS, AS, Nr. 109/65, Bl. 226-231
Sofortprogramm zur Bekämpfung der Republikflucht: Vor allem die Abwerbung ostdeutscher Bürger durch "feindliche Agentenzentralen" sollte die Stasi verhindern.
Viele Menschen sahen in den 50er Jahren auf Grund der politischen Entwicklungen in der DDR keine Perspektive. Allein 1953 flohen nach Erkenntnissen der Stasi über 270.000 Bürger in den Westen. Als Schild und Schwert der Partei kam dem MfS eine Schlüsselrolle bei der Bekämpfung der Republikflucht zu. Als 1955 die Flüchtlingszahlen wieder anstiegen, wurde die Geheimpolizei verstärkt in die Pflicht genommen. Im Mai 1956 legte das MfS ein Sofortprogramm zur Bekämpfung der Republikflucht vor.
Ein Aufgabenschwerpunkt war die Westarbeit – sorgten doch aus Sicht der SED vor allem "westliche Agentenzentralen" für die Abwanderung der Menschen aus der DDR. Weitere Aufgaben des MfS waren: Analysen und Informationen über die Ursachen der Fluchtbewegung zu erstellen, die operative Arbeit in westdeutschen und Westberliner Flüchtlingslagern sowie die Überwachung zurückgekehrter Flüchtlinge. Dazu war eine enge Zusammenarbeit verschiedener Abteilungen notwendig. Die vorliegende Dienstanweisung fasst die Aufgaben und Verantwortlichkeiten zusammen.
7. Tagungen und Kongresse in Westberlin und Westdeutschland sind durch qualifizierte GI und GM zu beschicken, um festzustellen, welche Organe sich mit dem planmäßigen Abzug von Wissenschaftlern, Angehörigen der Intelligenz und anderen Fachkräften aus der DDR befassen.
Diese Tagungen sind von den GI und GM zum Eindringen in Abwerbezentralen auszunutzen, um die Absichten des Gegners rechtzeitig zu erkennen.
8. Die feindlichen Geheimdienste und Agentenzentralen, die sich mit Abwerbungen befassen, sind operativ zu bearbeiten. Dazu sind durch GM, GI, Rückkehrer und sonstige Quellen Materialien zu beschaffen, die ein Eindringen in die Feindagenturen ermöglichen und Aufschluß über Feindpläne geben.
Ebenso sind Materialien zu sammeln, die den Mißbrauch der Flüchtlinge zu Agentendiensten beweisen.
9. Gegen Angestellte vorgenannter Dienststellen ist kompromittierendes Material zu schaffen, um es zu veröffentlichen oder operativ zur Anwerbung derselben zu verwenden.
10. Die Flüchtlingslager in Westdeutschland und Westberlin - sind operativ zu bearbeiten mit dem Ziel, die Lagerleitungen zu zersetzen und unter den Insassen größere Gruppen für die Rückkehr in die DDR zu gewinnen.
Geeignetes kompromittierendes Material über die Zustände und Personen in den Lagern und anderes Propagandamaterial kann konspirativ eingeschleust werden.
Bei der Rückkehr größerer Gruppen von Republikflüchtigen muß deren ordnungsgemäße Unterbringung sowie ihr Arbeitseinsatz gewährleistet sein.
Straftaten gegen die staatliche Ordnung
Straftaten gegen die staatliche Ordnung waren Straftatbestände des 8. Kapitels des StGB/1968. Insbesondere der 2. Abschnitt ("Straftaten gegen die staatliche und öffentliche Ordnung") enthält politische Strafnormen, die für die strafrechtliche Untersuchungstätigkeit der Staatssicherheit (Untersuchungsorgan) von großer Bedeutung waren.
Das gilt vor allem für § 213 ("Ungesetzlicher Grenzübertritt"), der in der Honecker-Ära Grundlage von rund der Hälfte aller MfS-Ermittlungsverfahren war. Auch § 214 ("Beeinträchtigung staatlicher und gesellschaftlicher Tätigkeit") spielte, vor allem im Zusammenhang mit der Bekämpfung von Ausreiseantragstellern, in den 80er Jahren eine immer wichtigere Rolle.
Ähnliches gilt für § 219 ("Ungesetzliche Verbindungsaufnahme") und § 220 ("Öffentliche Herabwürdigung der staatlichen Ordnung"), die die ähnlichen, aber schwerer wiegenden Strafnormen aus dem 2. Kapitel des StGB/1968 § 100 ("Staatsfeindliche Verbindungen", ab 1979 "Landesverräterische Agententätigkeit") und § 106 ("Staatsfeindliche Hetze") weitgehend verdrängten (Staatsverbrechen).
Die Allgemeine Sachablage (AS) ist Bestand 2 der Abteilung XII. Der Bestand enthält v. a. sachbezogene Unterlagen. Größte Registraturbildner waren die HA I, die HA IX und das BdL. Des Weiteren liegen hier auch Vorgangshefte und Objektvorgänge sowie Akten der MfS-Vorgänger. Inhalte sind u. a. Ermittlungen zu Havarien und Unfällen, Untersuchungen von Widerstand und Flucht, Berichterstattung an die SED, Eingabenbearbeitung, Kontakte mit Ostblock-Diensten und Sicherung von Großveranstaltungen. Der Bestand ist zugänglich über ein BStU-Findbuch und die F 16. Der Umfang beträgt 490 lfm.
Anwerbung war in den Jahren 1950 bis 1968 die Bezeichnung des MfS für die Werbung von IM für die konspirative Arbeit. Im Vorfeld der Anwerbung war die Person sorgfältig, aber konspirativ zu überprüfen. In der Regel hatte der Angeworbene die Bereitschaft zur Kooperation schriftlich zu erklären und sich dabei einen Decknamen auszuwählen. Über die Anwerbung selbst war vom Führungsoffizier ein detaillierter Bericht zu fertigen.
Von 1950 bis 1968 geltende Bezeichnung für die gewöhnlichen inoffiziellen Mitarbeiter, in den ersten Jahren auch nur Informatoren genannt. 1968 wurden die GI überwiegend zu IMS. GI dienten vor allem der allgemeinen Informationsbeschaffung. Sie wurden dabei auch zunehmend zur Sicherung von Institutionen, zur Feststellung der Bevölkerungsstimmung, zur Überprüfung verdächtiger Personen, zur Verhinderung von Republikfluchten oder auch bei Ermittlungen und Fahndungen eingesetzt.
Von 1950 bis 1968 geltende Bezeichnung für inoffizielle Mitarbeiter mit tatsächlichem oder potenziellem Zugang zu Personen oder Organisationen, die vom MfS als feindlich eingestuft wurden. Vor allem in den 50er Jahren kamen GM häufig auch im Westen zum Einsatz. Sie sollten "wertvolle Angaben" über Spionage und "illegale, antidemokratische" Aktivitäten beschaffen, gegen "feindliche Zentralen" und "Untergrundgruppen" wirken, bei der direkten "Bearbeitung" von verdächtigen Personen eingesetzt werden, "Feinde" beobachten, ferner Beweise für "Feindtätigkeit" gewinnen und zur "Zersetzung", "Zerschlagung von feindlichen Gruppierungen" beitragen. 1968 wurde diese Kategorie in IMV und IMF gesplittet.
Konspiration war das Grundprinzip der nachrichtendienstlichen und geheimpolizeilichen Arbeit des MfS, das den Einsatz von inoffiziellen Kräften und anderen verdeckten Mitteln und Methoden sowie die weitgehende Geheimhaltung der eigenen Tätigkeit auch gegenüber anderen DDR-Organen und dem SED-Parteiapparat beinhaltet. Eine besondere Rolle spielt die Konspiration bei den Verhaltensregeln für IM, GMS, HIM, OibE und Führungsoffiziere, welche über die inoffiziellen Beziehungen zum MfS zu schweigen bzw. inoffizielle Handlungen für das MfS geheimzuhalten, zu tarnen oder zu verschleiern hatten.
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Signatur: BStU, MfS, AS, Nr. 109/65, Bl. 226-231
Sofortprogramm zur Bekämpfung der Republikflucht: Vor allem die Abwerbung ostdeutscher Bürger durch "feindliche Agentenzentralen" sollte die Stasi verhindern.
Viele Menschen sahen in den 50er Jahren auf Grund der politischen Entwicklungen in der DDR keine Perspektive. Allein 1953 flohen nach Erkenntnissen der Stasi über 270.000 Bürger in den Westen. Als Schild und Schwert der Partei kam dem MfS eine Schlüsselrolle bei der Bekämpfung der Republikflucht zu. Als 1955 die Flüchtlingszahlen wieder anstiegen, wurde die Geheimpolizei verstärkt in die Pflicht genommen. Im Mai 1956 legte das MfS ein Sofortprogramm zur Bekämpfung der Republikflucht vor.
Ein Aufgabenschwerpunkt war die Westarbeit – sorgten doch aus Sicht der SED vor allem "westliche Agentenzentralen" für die Abwanderung der Menschen aus der DDR. Weitere Aufgaben des MfS waren: Analysen und Informationen über die Ursachen der Fluchtbewegung zu erstellen, die operative Arbeit in westdeutschen und Westberliner Flüchtlingslagern sowie die Überwachung zurückgekehrter Flüchtlinge. Dazu war eine enge Zusammenarbeit verschiedener Abteilungen notwendig. Die vorliegende Dienstanweisung fasst die Aufgaben und Verantwortlichkeiten zusammen.
11. Die Rückkehrerlager in der DDR sind verstärkt zu bearbeiten, um Material über Abwerbungen durch feindliche Geheimdienste, Agentenzentralen, Konzerne und andere Dienststellen zu bekommen. Besonders sind dabei die Feindmethoden zu studieren. Es sind Adressen von Feindzentralen, Personenbeschreibungen von Agenten und kompromittierendes Material zu beschaffen.
Interessant sind alle Materialien, die eine operative oder agitatorische Auswertung zulassen.
12. In den Rückkehrerlagern sind in Verbindung mit staatlichen und interessierten wirtschaftlichen Institutionen Rückkehrer zu veranlassen, freiwillig an Republikflüchtige in westberliner oder westdeutschen lagern und an westdeutsche Bürger zu schreiben, um sie zur Übersiedlung zu bewegen.
In Zusammenarbeit mit gesellschaftlichen Organisation (Parteileitungen, nationale Front u.a.) soll geeignetes Propagandamaterial, z.B. Erklärungen unserer Regierung über straffreie Rückkehr, an Republikflüchtige geschickt werden.
13. Rückkehrer und Asylsuchende sind aufzufordern, freiwillig Erklärungen über Verhältnisse in Westdeutschland, über Ausnutzung der Flüchtlinge zu Spionagezwecken und besondere Vorkommnisse in den Lagern, die sich zur Veröffentlichung eignen, abzugeben. Solche Erklärungen sind mit dem Einverständnis des Rückkehrers der Presse oder gesellschaftlichen Organisationen zur Veröffentlichung zu übergeben.
Die agitatorische Auswertung kann auch direkt mit gesellschaftlichen Organisationen vereinbart und später an der Arbeitsstelle des Rückkehrers wiederholt werden.
Straftaten gegen die staatliche Ordnung
Straftaten gegen die staatliche Ordnung waren Straftatbestände des 8. Kapitels des StGB/1968. Insbesondere der 2. Abschnitt ("Straftaten gegen die staatliche und öffentliche Ordnung") enthält politische Strafnormen, die für die strafrechtliche Untersuchungstätigkeit der Staatssicherheit (Untersuchungsorgan) von großer Bedeutung waren.
Das gilt vor allem für § 213 ("Ungesetzlicher Grenzübertritt"), der in der Honecker-Ära Grundlage von rund der Hälfte aller MfS-Ermittlungsverfahren war. Auch § 214 ("Beeinträchtigung staatlicher und gesellschaftlicher Tätigkeit") spielte, vor allem im Zusammenhang mit der Bekämpfung von Ausreiseantragstellern, in den 80er Jahren eine immer wichtigere Rolle.
Ähnliches gilt für § 219 ("Ungesetzliche Verbindungsaufnahme") und § 220 ("Öffentliche Herabwürdigung der staatlichen Ordnung"), die die ähnlichen, aber schwerer wiegenden Strafnormen aus dem 2. Kapitel des StGB/1968 § 100 ("Staatsfeindliche Verbindungen", ab 1979 "Landesverräterische Agententätigkeit") und § 106 ("Staatsfeindliche Hetze") weitgehend verdrängten (Staatsverbrechen).
Die Allgemeine Sachablage (AS) ist Bestand 2 der Abteilung XII. Der Bestand enthält v. a. sachbezogene Unterlagen. Größte Registraturbildner waren die HA I, die HA IX und das BdL. Des Weiteren liegen hier auch Vorgangshefte und Objektvorgänge sowie Akten der MfS-Vorgänger. Inhalte sind u. a. Ermittlungen zu Havarien und Unfällen, Untersuchungen von Widerstand und Flucht, Berichterstattung an die SED, Eingabenbearbeitung, Kontakte mit Ostblock-Diensten und Sicherung von Großveranstaltungen. Der Bestand ist zugänglich über ein BStU-Findbuch und die F 16. Der Umfang beträgt 490 lfm.
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Maßnahmenvorschläge zur Bekämpfung der Republikflucht von 1961 Dokument, 9 Seiten
Vorschlag zur Organisation der Verhinderung von Fluchten über die Grenze Dokument, 7 Seiten
Anweisung für die Bekämpfung der Republikflucht Dokument, 4 Seiten
Bericht über Republikfluchten im November 1956 Dokument, 14 Seiten