Signatur: BStU, MfS, BV Karl-Marx-Stadt, Ka, Nr. 1
Unter dem Eindruck von Besetzungen von Stasi-Dienststellen fand am 4. Dezember 1989 eine Dienstkonferenz im Bezirksamt für Nationale Sicherheit Karl-Marx-Stadt statt.
Im November 1989 war es zu einschneidenden Veränderungen in der DDR gekommen: die Grenzöffnung, das Ende der Unterdrückung von Demonstrationen und Protestversammlungen, eine gesellschaftliche Debatte über die Krise und der Wechsel zu einer Koalitionsregierung, auf die der SED-Apparat nur noch begrenzten Einfluss hatte.
Auch die Stasi hatte einen entscheidenden Wandel durchgemacht: Aus dem Minsiterium für Staatssicherheit (MfS) war das Amt für Nationale Sicherheit (AfNS) geworden, dessen neuer Leiter Wolfgang Schwanitz war. Für diesen war absehbar, dass er um einen gewissen Personalabbau nicht herum kommen würde. Außerdem musste die künftige Funktion seines Amtes in dem sich wandelnden Staatswesen neu bestimmt werden.
Währenddessen kamen die Demonstrationen der Friedlichen Revolution, vor allem in den kleineren Städten, den Kreisdienststellen bzw. nach der Umbenennung den Kreisämtern immer näher. Es war nicht mehr auszuschließen, dass diese gestürmt würden. Seit Ende Oktober wurden daher schon Teile der Aktenbestände, gesichert, ausgelagert und vernichtet.
Unter den einfachen Stasi-Mitarbeitern, vor allem unter denjenigen, die in kleineren Orten in unmittelbarem Kontakt mit der Bevölkerung standen, verschlechterte sich die Stimmung zusehends. Sie vermissten den Rückhalt bei Partei- und Staatsfunktionären.
Am 4. Dezember 1989 gingen Bürgerrechtlerinnen und Bürgerrechtler dazu über, in Stasi-Dienststellen auf Kreis- und Bezirksebene einzudringen. Der Anfang wurde am Morgen in Erfurt gemacht, wo Aktivistinnen der Frauenbewegung die Initiative ergriffen hatten.
Unter dem Eindruck dieser Ereignisse fand am gleichen Tag eine Dienstkonferenz im Bezirksamt Karl-Marx-Stadt statt, die auf dem vorliegenden Audio überliefert ist. Vorrangige Themen waren die Auflösung der MfS-Bezirksverwaltung und bevorstehende Entlassungen.
[Gehlert:]
...und folge ooch [auch] dem- - der Meinung hier meiner Kampfgefährten.
Ihr kriegt das schriftlich.
[unverständliches Raunen unter den Anwesenden]
Das muss man gewissermaßen in einer Nacht- und Nebelaktion 'ufschreiben [aufschreiben], damit die Genossen an die Front kommen und draußen ihre Dienststellen sichern.
[männliche Stimme 2:]
Die Waffen - ooch. Die Waffen vor allen Dingen.
[Gehlert:]
Bitte?
[männliche Stimme 2:]
Die Waffen vor all'n Dingen sichern, weil äußerst prekär [vermutlich: zur Lage].
[Gehlert:]
Na ja, gut.
[Peter:]
Darf ich noch mal da kurz was sagen, Chef?
[Gehlert:]
Bitte.
[Bombik:]
Also [räuspert], darf ich ans Mikrophon mit meiner Stimme. [lachen/hüsteln im Hintergrund]
Genossen, diese notwendige Reorganisier- - [vermutlich: Reorganisierung]
[Tonbandaussetzer]
...des Amtes und alles war hier dazu gearbeitet wurde war richtig und notwendig und das mussten wa [wir] in Angriff nehmen, ich sag bis gestern.
Mit den Enthüllungen und weitere werdende Folgen nimmt der Hass auf die Mitarbeiter dieses Ministeriums dermaßen zu, dass es unverantwortlich ist, jetzt Mitarbeiter zu entlassen. Es is' meines Erachtens unverantwortlich jetz' die Waffen aus der Hand zu geben!
Wir könn'n doch nich' zusehen, dass man uns identifiziert mit den Verbrechern da oben. Man identifiziert uns, jeder Mitarbeiter wird schutzlos gelassen!
Wir müssen - ich sag das - als Leiter den Standpunkt haben, wir gehen nicht eher auseinander bis die gesellschaftlichen Bedingungen da sind, bis man behaupt- - überhaupt bereit ist, Mitarbeiter in diese Gesellschaft zu integrieren!
Im Moment schicken wir sie in den Tod - ich sag das mal so - und wir geben uns kampflos an die Wand! Das kann doch nich' wahr sein.
[Gehlert:]
Peter [unverständlich].
[Beifall klopfen auf den Tisch]
[Bombik :]
So sind die Bedingungen! Erfurt hat man gestürmt!
[Beifall klopfen auf den Tisch]
[Gehlert:]
Schht! Peter, sei- - sei mal lieb.
Ich habe im Prinzip überhaupt keine andere Meinung.
Aber das Schlimmste, was uns passier'n kann, ist, dass wir in Panik verfallen. Wir müssen versuchen - bitte schön, ich bin ja auch gerne bereit jede Meinung, jeden Vorschlag entgegenzunehmen - aber wir müssen versuchen mit den oppositionellen Kräften einen Konsens zu finden, um eben nicht die Waffen aus der Hand zu geben, sondern ihnen zu sagen: "Also nehm'n S'e bitte zur Kenntnis, dass wir noch Waffen besitzen."
Aber ich muss euch ehrlich- - is' was?
[männliche Stimme 3:]
Ja, dass [unverständlich]. Ich kann das nich'. Das is' das, was der Genosse Bombik jetz' gesagt hat, kommt jetzt mit Fernschreiben des Genossen Schwanitz, äußerst ernste Situation.
Darf ich's vorlesen?- -
[Gehlert:]
[unverständlich]- -
[männliche Stimme 3:]
Darf ich's vorlesen?
"Alle Leiter der Kreis- und Bezirksämter für Nationale Sicherheit.
Am heutigen Tag drang eine große Menschenmenge gewaltsam in das Bezirksamt Erfurt ein.
Weitere Objekte sind bedroht. Die Situation ist noch nicht bereinigt.
Aus diesem Anlass wird angewiesen:
Sofort alle Möglichkeiten zusätzlichen Maßnahmen einzuleiten, um die Objektsicherung zu verstärken und kurzfristig zusätzliche Sperrmaßnahmen durchzusetzen.
Der Zutritt unberechtigter Personen ist unbedingt zu verhindern.
Es sind alle zur Verfügung stehenden Mittel, Löscheinrichtungen und übergebene spezielle Mittel, außer gezielte Schusswaffenanwendung zum Einsatz zu bringen.
Alle verfügbaren Kräfte sind auf die Situation einzustellen und entsprechend zu orientieren.
Um die vorgenannte Aufgabe voll durchzusetzen, mit der Volkspolizei sind weitere Abstimmungen zum Einsatz zusätzlicher Kräfte herbeizuführen.
Leiter Schwanitz"
[Papier wird gefaltet und entfaltet]
Ein weiteres "Luft"-Fernschreiben des Genossen Schwanitz:
"Angesichts der Gefahr von Gewalttätigkeiten und ihrer Eskalation und aus tiefer Sorge um unser Land haben mich Vertreter von Bürgerrechtsbewegungen unter Leitung von Herrn Rechtsanwalt Schnur gebeten, beiliegenden Aufruf über die Nachrichtenverbindungen des Amtes- -"
[Bombik:]
Ja, das ha'm wa [haben wir] gestern schon gewollt! Mein Gott, verdammich!!
[männliche Stimme 3:]
"...an die Medien des Bezirkes zu geben.
Ich bitte umgehend, entsprechend dieser Anliegen zu verfahren.
Hinsichtlich der genannten Telefonnummern der PdVP Berlin bitte ich, eine mit der BDVP abgestimmte Nummer der BDVP einzusetzen.
Bei der Veröffentlichung sollte auf mein Gespräch mit Herrn Schnur und andern Vertretern von Bürgerrechtsbewegungen hingewiesen werden, welches ich fortsetze.
Ferner bitte ich Sie- - bitte ich S- - zu veröffentlichen, dass ich befohlen habe, sofort die Vernichtung und den Transport von Unterlagen des Amtes einzustellen.
Es sollte nach- - noch einmal betont werden, dass das Amt im Interesse der Sicherheit der Bürger dieses Landes arbeitet.
In den Bezirken sollten ähnliche Gespräche im Interesse einer Sicherheitspartnerschaft stattfinden.
Leiter des Amtes, Schwanitz."
[unverständliches Zwischenmurmeln]
Und dann kommt dieser - dieser Aufruf:
"Die Vertreter der neuen gesellschaftlichen Gruppen und Parteien wenden sich an alle Bürgerinnen und Bürger der DDR."
[Bombik:]
Ach wo denn!!
[männliche Stimme 3:]
"Wir haben erfahren, dass angesichts der Staatskrise wichtige Finanzwerte und Sachwerte ins Ausland verbracht werden, wesentliche Akten und Daten vernichtet werden, verantwortliche Personen sich ins Ausland abzusetzen versuchen.
Diese Absatzbewegung und Verschleierungsversuche müssen verhindert werden.
Bürgerinnen und Bürger, ihr wisst in welchen Betrieben, Banken und Insti'tionen [Institutionen] die Möglichkeit zu solchen Praktiken gegeben sind.
Wir wenden uns insbesondere an die Mitarbeiter der zum Bereich Kommerzielle Koordinierung gehörenden Betriebe. Ruft Belegschaftsversammlungen zusammen, die Kontrollgruppen für die Verhinderung solcher Machenschaften einsetzen! Informiert die Deutsche Volkspolizei und die Öffentlichkeit, verständigt euch mit anderen Betrieben und mit Bürgerbewegungen eures Vertrau- - Vertrauens. Schließt, wo notwendig, gemeinsame Kontrollmaßnahmen und sorgt für deren Öffentlichkeit!
Wir haben eine unabhängige Untersuchungskommission gebildet, die mit der Regierung Modrow zusammenarbeitet und dringend alle Informationen braucht.
Wir haben die Regierung Modrows aufgefordert eine Bürgerkontroll- - Kontrolle [Bürgerkontrolle] im Wirtschafts- und Staatsapparat zu unterstützen.
Nach wie vor gilt: keine Gewalt.
Nutzt für Berlin das Informationstelefon Nummer soundso, Adresse Sophienstraße 19 und wendet euch direkt an das Präsidium der Deutschen Volkspolizei Berlin.
Initiativgruppe der Theater- und Kulturschaffenden, SPD, Neues Forum, Demokratischer Aufbruch, Demokratie Jetzt, Initiativgruppe Wissenschaft, Akademie der Wissenschaften und Initiative Frieden und Menschenrechte."
Ende dieses Aufrufes.
[Gehlert:]
Äh - das schicken wir euch noch. Wenn ihr 'naus [hinaus] kommt, habt'ers [habt ihr es] draußen.
Ihr könnt mir jetzt das übel nehmen oder nicht.
Seit mindestens sechs Wochen - und ihr habt das alles von uns gekriegt - fordern wir einen solchen Aufruf. Uns wäre [betont: viel] erspart geblieben, wenn man das von vornherein gemacht hätte.
Ich will mich damit um Gottes Willen nicht rechtfertigen, aber ich fühle mich einfach - oder nicht ich, falsch, wir, die wir hier vorne sitzen, einschließlich der Leitung der Parteiorganisation - in unserer Auffassung, die wir in den vergangenen Wochen vertreten haben, bestätigt. Und ich habe heute von früh [pocht wiederholt im Takt auf die Tischplatte] um 10:00 [Uhr] bis um 13:00 Uhr versucht, jemand' von der Leitung dieses Amtes zu kriegen. Und habe dann dieses euch verlesene Fernschreiben losgeschickt mit "Sofort auf den Tisch" und habe angerufen, ob die Beratung machen oder nich'. Jetz' gehste 'nein [gehst du hinein] und legst das Ding hin!
[männliche Stimme 4:]
Chef ich schlage vor, dass die Leiter der Kreisdienststelle in Anbetracht der Lage - äh - zu ihrer Dienststelle zurückfahren und- -
[Gehlert:]
Ja. Ich bin- -
[männliche Stimme 4:]
...und ooch die andern Genossen in ihre Objekte gehen, um den Schutz unsrer Objekte umgehend zu organisieren.
[Gehlert:]
Komm, komm, hast du noch was Grundsätzliches?
[männliche Stimme 5:]
[Unverständlich] Ich hab' noch 'ne Frage, Genosse General!
[Gehlert:]
Bitte?!
[männliche Stimme 5:]
Ich hab eine [unverständlich] Frage: es sind sofort jetz' die Maßnahmen, die von oben her gestellt werden, die [unverständliche Abschnitt], denn das is' nu' alles nicht mehr verwenden. Erst mal. Weil es nich' eindeutig [unverständlich]
[unverständliches Zwischenkommentar]
[Gehlert:]
Na gut, also passt mal uff [auf]. Ich's wiederhole und dann geh'n wa auseinander und gehen an die Front.
[räuspert] Der Genosse Kratzer wird - äh - das [betont: Möglichste], was möglich ist, veranlassen. Äh - und es ist in der Tat so, dass der Böttcher [Böttger], der Chef dieses Neuen Forums, der ja auch alle anderen, SDP und Pipapo, um sich vereinigt hat, [betont: sich bereit erklärt hat], um 16:30 Uhr mit zwei Stellvertretern des Leiters des Bezirksamtes in Sachen Sicherheitspartnerschaft zu verhandeln.
Und nu' muss ich nich' wieder sagen, wer nur mit dem Stabe in Annaberg redet oder mit dem, wie heeßt'er [heißt der]? [vermutlich: Auer]?
[Auer:]
Gilbert.
[Gehlert:]
Hä?
[Auer:]
Gilbert.
[Gehlert:]
Wie?
[Auer:]
Gilbert! Gil- -
[Gehlert:]
Gilbert. Hier hab ich den, den, den Genossen Hattann, beauftra't [beauftragt], der Genosse Költz hat Erfolge und ooch Niederlagen auch hinnehm'n müssen, der Genosse Schliwa hat Erfolg erzielt, also seid vernünftig. Und die entscheidende Frage ist, dass wir verhandeln müssen, dass wir reden müssen mit den Leuten, nich' wahr und - äh, äh, äh - sicher is' die Lage in Erfurt - nachdem man gestern früh um 06:00 [Uhr] den Ersten Sekre- - ehemaligen Ersten Sekretär und Kandidaten des Politbüros mit Handschellen aus seiner Wohnung abgeführt hat durch die Polizei - ein klein wenig anders als im Bezirk Karl-Marx-Stadt. [betont: Ohne,] und das sage ich euch, der Aufruf zum Generalstreik kam [pocht wiederholt im Takt auf die Tischplatte] vom Neuen Forum in Karl-Marx-Stadt!
Damit möchte ich [betont: in keinster Weise] die Lage in unserm Bezirk unterschätzen. Und handelt so [schlägt auf die Tischplatte] - von wem ist das? Vom Claudius? Clau- - mh - gut; als hinge von euch und eurem Tun das Schicksal ab der deutschen Dinge, beziehungsweise der Dinge der DDR. Und diskutiert jetz' nich' darüber, dass der'n Hirsch geschossen hat und der hat sich 'ne Datsche gekooft [gekauft] und der hat sich seine Wohnung einrichten lassen und der hat dieses und der hat das gemacht. Haltet die Truppe zusammen, da folge ich dem Genossen Bombik.
Und man muss auch dem Genossen Bombik sozusagen hohen Respekt zollen, dass er [betont: nicht] zurückgetreten ist, obwohl man ihn [betont: nicht] als Delegierten zum Parteitag gewählt hat. Das muss man ooch ma' anerkennen und muss [betont: dieses] Beispiel nehmen und sagen: [schlägt auf die Tischplatte]
Wir. Halten. Zusammen.
Egal erst mal, ob wir Flaschen abfüllen, als Kraftfahrer arbeiten, in die Justiz gehen, zum Zoll, zur Polizei oder wir gehen, weil wa das Alter erreicht haben, in Rente. Entscheidend ist, [schlägt auf die Tischplatte] nich' wahr, dass keiner [schlägt auf die Tischplatte] sein Parteibuch auf den Tisch legt, trotz alledem! Entscheidend is', dass die Kollektive jetz' zusammensteh'n, ooch wenn sie nur Zeitungen lesen und noch 'n Block und 'n Bleistift in der Hand ha'm. Dort wo es möglich ist, muss man noch Treffs machen, unter Wahrung der Konspiration, [pocht wiederholt im Takt auf die Tischplatte] aber wir müssen zusammenstehen, es geht um unsere Partei, es geht um unser Land, es geht um den Sozialismus, es geht um die Erhaltung des Friedens und so möchte ich euch nach Hause schicken mit Kampfesgrüßen [Stimme beginnt zu brechen] an alle Genossen.
Glück auf.
[13:54- 14:48 Tonband unterbrochen]
[männliche Stimme 6:]
Also, entweder sie ha'm sich selber 'ne Arbeit gesucht oder wir müssen sie unterstützen.
149 Mitarbeiter erfüllen die Bedingungen der Altersrente beziehungsweise Grundsatzentscheidung.
19 Mitarbeiter' ist eine mögliche Invalidisierung vorhanden.
Alle die also - wie war's, über 58 sind, ja? Die geh'n in Rente.
Und es ist heute früh - ich hörte, dass ich den Leiter der Hauptabteilung Kader und Schulung beim Wort nehmen kann, von mir ein solcher Vorschlag gemacht word'n und er hat diesem Vorschlag zugestimmt. Also die zwölf Genossen von Plauen, die bereit sind zum Zoll zu gehen und nu' muss der Leiter der Dienststelle natürlich - äh - auch dabei bestimmte Überlegungen anstellen, ich sag's mal so: können wir auf den im Moment unbedingt verzichten? Oder sollte man, das muss aber der Leiter der Dienststelle entscheiden, mit ihm nich' in der Richtung reden und sagen: "Pass ma' uff, du wirst im Moment noch gebraucht." Einfach von der Überlegungen her. Kein Staat der Welt kann ohne ein Organ der Abwehr beziehungsweise der Aufklärung arbeiten. Und es wäre ooch verfrüht jetzt davon auszugehen, dass man also, wenn man von der Aufklarung [Aufklärung] spricht, Genossen aus der Aufklärung zum Zoll schickt und dafür Genossen, die eigentlich zum Zoll wollen und sich für die Aufklärung besser eignen würden, zur Aufklärung schickt. Das ist der nächste Schritt.
Der erste Schritt muss jetz' sein, die Überlegungen, die bisher angestellt wurden [räuspert] zu nutzen und mit den Kollektiven zu reden und der Kaderabteilung mitzuteilen, also die Genossen [pocht wiederholt im Takt auf die Tischplatte] Schulze, Meier, Müller, Lehmann haben bekundet: Zoll. Der Genosse sowieso - und nun - äh - geht mir's ooch [geht es mir auch] um das Territorium, deswegen haben wir das erst einmal territorial auch aufgeschlüsselt, damit wir also nich' unbedingt, nich' wahr, die Leute durch den ganzen Bezirk - äh - schicken und es is' meines Erachtens - äh - auch für die Aufrechterhaltung der staatlichen Sicherheit wesentlich, wenn wir in [betont: diese] Organe Tschekisten schicken und es is' so mit dem Genossen [vermutlich: Müller], Genosse Seifert - äh - ja, beraten und beschlossen.
Also bleiben wir beim Beispiel Plauen.
[pocht wiederholt im Takt auf die Tischplatte] Zwölf Genossen wollen zum Zoll. Bitteschön, die sollen sich morgen beim Amtsleiter oder wie der sich nennt - äh, äh, äh - melden und ich bezeichne das mal so, sie werden kommandiert und die f- - die mit dem danach folgenden Ausscheiden notwendigen Formalitäten werden [schlägt auf die Tischplatte] nachvollzogen. Also dies zum Beispiel trifft für den Zoll zu.
Noch ein Wort zu den Grenzübergangsstellen.
Ich bitte die Genossen PKE-Leiter - vor allen Dingen die, die neuen, neu eröffneten PKEs leiten - auf die Genossen insofern Einfluss zu nehmen und einzuwirken, dass sie [mehrfaches Klicken eines Feuerzeugs beim Anzünden einer Zigarette] ...bis zur endgültigen Entscheidung, ich muss es mal so sagen, ausharren.
Weil [Pause] man sich zentral noch nich' darüber im Klaren ist: übernimmt die Passkontrolle in Zukunft die Staatssicherheit weiter, übernimmt s'e die Grenztruppen oder übernimm' s'e der Zoll oder weiß der Deifel [Teufel], vielleicht ooch die Zivilverteidigung. Und das ergibt natürlich dann für den Fall, dass die Grenzübergangsstellen bei der Staatssicherheit bleiben, äh - die Notwendigkeit, äh - Genossen - ich sag's mal so - zu finden die sowohl bereit als auch in der Lage sind, [pocht wiederholt im Takt auf die Tischplatte] diesen Dienst an der Grenze zu übernehm'n. Und wir werden auch nicht umhin komm'n, aber das sind alles nur Vorstellung'n.
Ich weiß damit - äh, äh - kann ich euch im Prinzip ooch nich' besonders viel helfen oder nutzen. Selbst wenn die Grenztruppe diese Aufgabe übernehmen muss, hat sie keine Kräfte. Also wird man zwischen dem Ministerium für Nationale Verteidigung und dem Ministerium für Staatssicherheit Vereinbarungen treffen müssen, wie, wer vom MfS zu den Grenztruppen, sprich Passkontrolle, überführt würde. Gleichermaßen steht die Frage dann, wenn Zoll diese Aufgabe zu übernehmen hat. Und deswegen noch mal mein Appell: diese von Genossen Riedel und mir hier vorges- - vorgestellten Vorstellungen bilden gewissermaßen einen Vorgriff gegenüber der Zentrale. Und sind Vorstellungen und wir brauchen von euch dazu möglichst eine konkrete Antwort.
Und ansonsten, wie gesagt, äh - soweit ich informiert bin ist heute Ministerratssitzung und am 1. Dezember is' Volkskammer. Und nun appelliere ich nochmal' an jeden Kommunisten und Tschekisten und bitte diesen Appell auch nochmal' an alle Genossinninnen [Genossinnen] und Genossen zu übermitteln.
Ich kann euch im Moment leider konkreteres nicht mit auf den Weg geben.
Wir haben außerdem Vorstellungen, an denen im Moment auch konkret gearbeitet wird und die wir euch [hustet] möglicherweise auch schriftlich mitteilen, dass wir eine PGH Kraftfahrzeuginstandsetzung bilden. Das heeßt [heißt] wir sind also im Besitz einer modernen Kraftfahrzeugwerkstatt. Stimmt das, Genosse Koch?
[Koch:]
Korrekt.
[männliche Stimme 6:]
Gut. Also bitte ich-ich-ich- - ich sage das jetzt etwas scherzhaft, der Genosse Koch ist, wenn ich richtig informiert bin Diplomökonom, stimmt's?
[Koch:]
Ingenieurökonom.
[männliche Stimme 6:]
...oder Ingenieurökonom, Scheiße.
[vereinzeltes Hintergrundlachen]
Und von der Ökonomie hast du nicht viel Ahnung und von der Ingenieuerei auch nicht, aber du bist's nu eenma' [nun einmal].
So und dann wird der Genosse Koch - ich will das mal so einfach und simpel, nich', dass du denkst, ich will dich 'nausschmeißen [hinausschmeißen]! Aber Genosse Koch, Vorsitzender dieser PGH. So und dann wirst du noch mehr Geld verdienen, als du jetz' verdienst. [lacht]
So, dass muss man aber mit den Kumpel bereden, wenn wir gewissermaßen, sozusagen, ein Statut uns beschafft ha'm [haben] von der Handwerkskammer und die rechtlichen - äh - und genossenschaftlichen Bedingungen für ein solches Unternehmen exakt [betont: kennen] und wenn dann also es einen operativen Mitarbeiter gibt, der Kfz-Handwerker war, na Bitteschön, dann kann er auch in [betont: diese] PGH eintreten.
Wir verfügen über Elektriker, über Maler, über Maurer, also wir könn'n einen Instandhaltungsbetrieb installieren in Gestalt einer PGH. So dass also nich' unbedingt alles wegläuft, sondern wir auch in dieser Hinsicht versuchen wollen den Genossen zu helfen, bis hin, ooch wenn es dann soweit ist, nich' wahr, dass wir natürlich so und soviel Objekte aufgeben müssen, auch hier in- - und besonders in dieser Stadt und - äh, äh - Erhebungen gegenwärtig angestellt werden, wo denn nun die Bezirksverwaltung in Zukunft ihren Sitz haben wird. Wird s'e hier sitzen oder wird s'e uff der [unverständlich] sitzen hier, wo Wacheinheit sich befindet oder uff de' Jagdschänkenstraße. Und dann werden wir vielleicht hier dieses Unternehmen dem "Neuen Forum" zur Verfügung stellen.
[Raunen bei den Anwesenden]
Also so ist im Moment die Situation. Ich darf noch einmal konstatieren: äh - wir können uns zwar dafür im Moment nich' viel kaufen, aber es ehrt uns und ooch unsere- - und vor allem unsere Parteiorganisation, dass die Bezirksverwaltung Karl-Marx-Stadt, die gegenwärtig [betont: stabilste] in der DDR ist.
Und so würde ich euch bitten und ich habe scherzhaft gesagt der Kapitän geht [betont: zuletzt] von Bord und ich versprech' euch ooch, nich' wahr, dass ich also [Pause] dieser - äh - Losung so lange treu bleibe, bis nun die Dinge so geregelt sind, wie sie geregelt werden müssen.
[Applaus]
Noch eine andere Bemerkung.
Zu Recht, zu Recht gibt es eine Reihe von Fernschreiben. Mir liegt vor ein- - ein Beschluss der Grundorganisation der Abteilung XVIII, die ihre Berichtswahlversammlung durchgeführt hat. Ein Schreiben von Aue, mit der Forderung "Schwanitz muss weg".
Bitte, auch auf diesem Gebiet - äh - bin ich für demokratische Erneuerung, indem also ich das Fernschreiben von Aue an den Ministerrat und so weiter, Genossen Generalleutnant Schwanitz über den Leiter der Bezirksverw- - des Bezirksamtes Genossen Generalleutnant gebe.
Ich möchte eure Meinung wissen. Ich halte eine solche Machart im Moment für unklug gewusst. Wenn Schwanitz weggeht - mh - dann kommt Mittig und wenn Mittig weggeht, dann kommt vielleicht- -
[Tonband Seite A endet, Schnitt]
Operative Mitarbeiter
Operative Mitarbeiter des MfS waren Hauptamtliche Mitarbeiter, die IM und OibE führten, in MfS-Dokumenten auch als vorgangsführende Mitarbeiter oder IM-führende Mitarbeiter (umgangssprachlich Führungsoffiziere) bezeichnet, von denen es im MfS zuletzt etwa 12.000 bis 13.000 gab. Sie waren für eine Region oder Institution, für bestimmte Personenkreise oder spezifische Sachfragen zuständig und hatten die Sicherheitslage in ihrem Verantwortungsbereich zu beurteilen.
Es wurde von ihnen erwartet, dass sie insbesondere durch Rekrutierung und Einsatz von IM die "staatliche Sicherheit und die gesellschaftliche Entwicklung" vorbeugend sicherten. Verdächtige Personen waren in Operativen Vorgängen oder Operativen Personenkontrollen zu "bearbeiten", Personengruppen mit besonderen Befugnissen mit Sicherheitsüberprüfungen unter Kontrolle zu halten. Bei der Erfüllung ihrer Aufgaben sollten sie das politisch-operative Zusammenwirken mit anderen staatlichen und gesellschaftlichen Institutionen nutzen.
Die Umwandlung des MfS in ein AfNS erfolgte im Zusammenhang mit der Neubildung der Regierung durch Ministerpräsident Hans Modrow am 17./18.11.1989. Zum Leiter des Amtes wurde Schwanitz gewählt. War Mielke als Minister für Staatssicherheit noch dem Vorsitzenden des Nationalen Verteidigungsrates der DDR und faktisch dem SED-Generalsekretär unterstellt gewesen, so ordnete man Schwanitz dem Vorsitzenden des Ministerrates unter. In der Regierungserklärung wurde dem neuen Amt vorgegeben, dass »neues Denken in Fragen der öffentlichen Ordnung und Sicherheit« auch von diesem Bereich erwartet werde und dass der Apparat zu verkleinern sei. Näheres hätte in einem Gesetz geregelt werden müssen, das geplant wurde, aber nie verabschiedet worden ist. Noch am Tag seiner Wahl informierte der neue Amtschef die Mitarbeiter der Staatssicherheit, dass der »Prozess der revolutionären Erneuerung« vorbehaltlos zu unterstützen sei. Kommissionen zur Neustrukturierung wurden eingerichtet und die Diensteinheiten aufgefordert, eigene Vorschläge einzubringen. Dies waren Versuche einer technokratischen Reform, die von der alten Generalsriege angeleitet wurden. Angekündigt wurde, das Personal abzubauen – zuerst ging es um 10 %, zwei Wochen später war die Vorgabe bereits eine Reduktion um 50 %. Das alte Feindbild sollte nicht mehr gelten: »Andersdenkende« seien jetzt zu tolerieren, nur »Verfassungsfeinde« zu bekämpfen. Unklar blieb, wer Letzteren in einer Zeit zuzurechnen war, in der die Verfassung selbst zur Disposition stand. Zugleich wurde die Aktenvernichtung in diesen Wochen fortgesetzt, viele inoffizielle Mitarbeiter »abgeschaltet«. Die Mitarbeiter waren zunehmend verunsichert und demotiviert. Anfang Dezember beschleunigte sich der revolutionäre Umbruch: Am 1.12.1989 wurde die führende Rolle der SED aus der Verfassung gestrichen, am 3. trat das ZK der SED zurück, am 4. und 5.12. besetzten aufgebrachte Bürger KD und Bezirksämter des AfNS. Die Stasi-Mitarbeiter leisteten keinen gewaltsamen Widerstand. Am 5.12. trat das Kollegium des AfNS zurück. In den folgenden Tagen wurden die Leiter der meisten Hauptabteilungen und der Bezirksämter abgesetzt. Am 7.12.1989 forderte der Zentrale Runde Tisch die Auflösung des AfNS – auch mit den Stimmen der SED-Sprecher. Am 14.12. wurde durch den Ministerrat beschlossen, das AfNS aufzulösen und durch einen sehr viel kleineren Verfassungsschutz (ca. 10 000 Mitarbeiter) und einen mit ca. 4000 Mitarbeitern gegenüber der HV A fast unveränderten Nachrichtendienst zu ersetzen. In diese Dienste sollten keine ehemaligen Führungskader der Staatssicherheit übernommen werden. Parallel dazu bestand aber das »AfNS in Auflösung« fort, dessen Leiter den alten Apparat abwickeln sollten. Das war eine Ambivalenz, die das allgemeine Misstrauen weiter verstärkte und die Forderung nach vollständiger Auflösung der Geheimpolizei wieder lauter werden ließ.
Bekämpfung von Widerstand und Opposition umschreibt, was zwischen 1950 und 1989 als eine Kernaufgabe des MfS galt. Gegen den Willen eines Großteils der ostdeutschen Bevölkerung wurde eine Diktatur etabliert, die nicht durch Wahlen legitimiert war: Dies war einer der Gründe für die Bildung des MfS am 8.2.1950.
Um ihren gesellschaftlichen Alleinvertretungs- und Herrschaftsanspruch zu sichern, schuf sich die SED als Repressions- und polizeistaatliche Unterdrückungsinstanz das MfS - das konsequenterweise so auch offiziell von ihr als "Schild und Schwert der Partei" bezeichnet wurde. Bereits in der "Richtlinie über die Erfassung von Personen, die eine feindliche Tätigkeit durchführen und von den Organen des MfS der DDR festgestellt wurden" vom 20.9.1950 wurde dementsprechend festgelegt, dass "alle Personen" zu registrieren seien, deren Verhalten geeignet war, die "Grundlagen" der DDR in Frage zu stellen.
Ferner wurde bestimmt, dass "über Personen, die eine feindliche Tätigkeit ausüben, [...] Vorgänge" anzulegen sind und über "die erfassten Personen [...] eine zentrale Kartei" einzurichten ist. Das offensive Vorgehen gegen Regimegegner erfuhr eine Ergänzung in den gleichzeitig getroffenen Festlegungen zur Übergabe der als "feindlich" klassifizierten Personen an die Staatsanwaltschaften.
Das MfS wurde somit bei der Bekämpfung von Widerstand und Opposition zur Ermittlungsinstanz; die nachfolgenden Urteile gegen Oppositionelle und Regimekritiker ergingen in enger Kooperation mit den vom MfS zumeist vorab instruierten Gerichten und zum Schein vermeintlicher Rechtsstaatlichkeit unter Hinzuziehung von mit dem MfS häufig zusammenarbeitenden Rechtsanwälten.
Inhalte, Auftreten und Erscheinungsbild von politisch abweichendem Verhalten, Widerstand und Opposition wandelten sich im Laufe der DDR-Geschichte. Zugleich änderten sich auch die Strategien und Methoden des MfS in Abhängigkeit vom konkreten Erscheinungsbild von Protest und Widerstand, aber auch analog zum Ausbauniveau des Apparates und seines Zuträger- und Informantennetzes sowie zur jeweils getroffenen Lageeinschätzung und unter Berücksichtigung der politischen Rahmenbedingungen.
Zu allen Zeiten gab es in beinahe allen Bevölkerungsgruppen und in allen Regionen Aufbegehren, Opposition und Widerstand. In den ersten Jahren nach Gründung der DDR gingen die SED und das MfS mit drakonischen Abschreckungsstrafen (u. a. Todesurteilen) gegen politische Gegner vor. Gefällt wurden die Urteile nicht selten in penibel vorbereiteten Strafprozessen mit präparierten Belastungszeugen und unter Verwendung erzwungener Geständnisse.
In mehreren Orten der DDR wurden z. B. Oberschüler (Werdau, Leipzig, Werder, Eisenfeld, Fürstenberg/Oder, Güstrow), die anknüpfend an das Vorbild der Gruppe "Weiße Rose" in der NS-Diktatur Widerstand geleistet hatte, zum Tode oder zu langjährigen Zuchthausstrafen verurteilt, weil sie Informationen gesammelt und Flugblätter verteilt hatten. Manch einer von ihnen überlebte die Haftbedingungen nicht oder nur mit dauerhaften gesundheitlichen Schäden.
Im Laufe der 50er Jahre ging das MfS schrittweise zum verdeckten Terror über. Nach wie vor ergingen langjährige Zuchthausstrafen; politische Opponenten, die von Westberlin aus die Verhältnisse in der DDR kritisierten, wurden - wie Karl Wilhelm Fricke 1955 - in geheimen Operationen entführt, nach Ostberlin verschleppt, in MfS-Haft festgehalten und vor DDR-Gerichte gestellt (Entführung).
Das Bestreben der SED, sich in der westlichen Öffentlichkeit aufgrund dieser ungelösten Fälle und angesichts eklatanter Menschenrechtsverletzungen nicht fortlaufender Kritik ausgesetzt zu sehen, führte, begünstigt durch die Absicht, der maroden Finanz- und Wirtschaftslage mit westlicher Unterstützung beizukommen, schrittweise zu einem Wandel. Im Ergebnis kam es auch zu einer Modifikation der MfS-Strategien im Vorgehen gegenüber Widerstand und Opposition.
Neben die im Vergleich zu den 50er Jahren zwar niedrigeren, für die Betroffenen aber nach wie vor empfindlich hohen Haftstrafen traten als beabsichtigt "lautloses" Vorgehen die Strategien der Kriminalisierung und Zersetzung. In einem "Entwurf der Sektion politisch-operative Spezialdisziplin" des MfS, der auf 1978 zu datieren ist, wird hierzu ausgeführt: "Um der Behauptung des Gegners die Spitze zu nehmen, dass wir ideologische Meinungsverschiedenheiten oder Andersdenkende mit Mitteln des sogenannten politischen Strafrechts bekämpfen, sind dazu noch wirksamer Maßnahmen zur Kriminalisierung dieser Handlungen sowie nicht strafrechtliche Mittel anzuwenden."
In der Richtlinie 1/76 "zur Entwicklung und Bearbeitung Operativer Vorgänge" vom Januar 1976 wurden unter Punkt 2.6 "die Anwendung von Maßnahmen der Zersetzung" geregelt und unter Punkt 2.6.2 die "Formen, Mittel und Methoden der Zersetzung" erörtert. Jene reichten u. a. von der "systematischen Diskreditierung des öffentlichen Rufes" auch mittels "unwahrer […] Angaben" und der "Verbreitung von Gerüchten" über das "Erzeugen von Misstrauen", dem "Vorladen von Personen zu staatlichen Dienststellen" bis zur "Verwendung anonymer oder pseudonymer Briefe, […] Telefonanrufe".
Mit der "Ordnungswidrigkeitenverordnung" (OWVO) von 1984 ging man zudem verstärkt dazu über, politisch unliebsame Personen, sofern sie sich an Protesten beteiligten, mit Ordnungsstrafen zu überziehen und sie somit materiell unter Druck zu setzen. All diese Maßnahmen sollten nach außen hin den Eindruck erwecken, dass das MfS weniger rigoros als in früheren Jahren gegen Regimegegner vorging.
Nach der Freilassung von Oppositionellen, die kurz zuvor während der Durchsuchung der Umweltbibliothek 1987 und nach den Protesten am Rande der Liebknecht-Luxemburg-Demonstration 1988 in Berlin inhaftiert worden waren, äußerten selbst SED-Mitglieder Zweifel, ob das MfS noch in der Lage sei, offensiv und effektiv gegen politische Opponenten vorzugehen.
Hochgerüstet und allemal zum Einschreiten bereit, trat das MfS jedoch noch bis in den Herbst 1989 gegenüber weniger prominenten Menschen in Aktion, die Widerstand leisteten, inhaftierte diese und ließ gegen sie hohe Haftstrafen verhängen. Bis zum Ende der DDR schritt das MfS bei sog. Demonstrativhandlungen ein und ging gegen - wie es hieß - ungesetzliche Gruppenbildungen vor.
Im Zusammenhang mit der Verwaltungsreform der DDR vom Sommer 1952 wurden die fünf Länderverwaltungen für Staatssicherheit (LVfS) in 14 Bezirksverwaltungen umgebildet. Daneben bestanden die Verwaltung für Staatssicherheit Groß-Berlin und die Objektverwaltung "W" (Wismut) mit den Befugnissen einer BV. Letztere wurde 1982 als zusätzlicher Stellvertreterbereich "W" in die Struktur der BV Karl-Marx-Stadt eingegliedert.
Der Apparat der Zentrale des MfS Berlin und der der BV waren analog strukturiert und nach dem Linienprinzip organisiert. So waren die Hauptabteilung II in der Zentrale bzw. die Abteilungen II der BV für die Schwerpunkte der Spionageabwehr zuständig usw. Auf der Linie der Hauptverwaltung A waren die Abteilung XV der BV aktiv. Einige Zuständigkeiten behielt sich die Zentrale vor: so die Militärabwehr (Hauptabteilung I) und die internationalen Verbindungen (Abteilung X) oder die Arbeit des Büros für Besuchs- und Reiseangelegenheiten in Westberlin (Abteilung XVII). Für einige Aufgabenstellungen wurde die Bildung bezirklicher Struktureinheiten für unnötig erachtet. So gab es in den 60er und 70er Jahren für die Abteilung XXI und das Büro der Leitung II Referenten für Koordinierung (RfK) bzw. Offiziere BdL II. Für spezifische Aufgaben gab es territorial bedingte Diensteinheiten bei einigen BV, z. B. in Leipzig ein selbständiges Referat (sR) Messe, in Rostock die Abt. Hafen.
An der Spitze der BV standen der Leiter (Chef) und zwei Stellv. Operativ. Der Stellv. für Aufklärung fungierte zugleich als Leiter der Abt. XV. Die Schaffung des Stellvertreterbereichs Operative Technik im MfS Berlin im Jahre 1986 führte in den BV zur Bildung von Stellv. für Operative Technik/Sicherstellung.
1953 entstanden durch Umbenennung der Hauptabteilung / Abteilung Personal; zuletzt unterteilt in die Bereiche Kader, Schulung und Disziplinar. Aufgaben: Auswahl, Einstellung, Schulung und Betreuung der MfS-Mitarbeiter, inkl. Versetzungen und Entlassungen von Angehörigen aus dem Dienst des MfS sowie Disziplinararbeit und Gewährleistung der inneren Sicherheit im MfS.
Die Kreisdienststellen waren neben den Objektdienststellen die territorial zuständigen Diensteinheiten. Sie waren entsprechend den regionalen Gegebenheiten unterschiedlich strukturiert und personell ausgestattet. Einige verfügten über ein Referat zur komplexen Spionageabwehr oder zur Sicherung der Volkswirtschaft und andere nur über spezialisierte Mitarbeiter in diesen Bereichen. Ihre Aufgaben waren die Kontrolle der Wirtschaft, des Verkehrswesens, des Staatsapparates, des Gesundheitswesens, der kulturellen Einrichtungen, der Volksbildung, ggf. von Einrichtungen des Hoch- und Fachschulwesens, wissenschaftlich-technischer Einrichtungen sowie die Überwachung besonders interessierender Personenkreise.
Die Kreisdienststellen waren maßgeblich an den Genehmigungsverfahren für dienstliche bzw. private Auslandsreisen beteiligt, führten Sicherheitsüberprüfungen durch und erstellten Stimmungs- und Lageberichte. Zur Realisierung der Aufgaben bedurfte es einer engen Zusammenarbeit mit den Partnern des POZW, insbesondere mit der Volkspolizei, den Räten und anderen Einrichtungen der Kreise. Die Kreisdienststellen unterhielten ständige Verbindungen zu den SED Kreisleitungen. Zwei Drittel der hauptamtlichen Mitarbeiter der Kreisdienststellen waren operativ tätig. Die Kreisdienststellen führten 50 Prozent der IM und bearbeiteten etwa 60 Prozent der OV zu einzelnen Personen oder Gruppen.
Die Kreisdienststellen gliederten sich in 2 bis 16 Fachreferate sowie das Referat Auswertung und Information (ZAIG) und die Wache/Militärische Sicherungsgruppe. In jeder Kreisdienststelle gab es einen Offizier, der teilweise oder ganz (IM-führender Mitarbeiter/XV) für die Belange der HV A vor Ort zuständig war.
An den Grenzübergangsstellen (Güst) der DDR führten Passkontrolleinheiten (PKE) der Staatssicherheit die Identitätskontrollen und Fahndungsmaßnahmen durch und überwachten auf diese Weise den gesamten grenzüberschreitenden Verkehr. Im Zuge der Kontrollen realisierten sie auch operative Maßnahmen im Auftrag anderer Diensteinheiten des MfS. Die in den Uniformen der Grenztruppen auftretenden Angehörigen der PKE gehörten zur Linie VI des MfS (Passkontrolle, Tourismus, Interhotel).
Die Passkontrolle war seit 1962 in der Kompetenz des MfS, als das Aufgabengebiet vom Amt für Zoll und Kontrolle des Warenverkehrs auf die damals neu gegründete Arbeitsgruppe Passkontrolle und Fahndung überging. Hintergrund war u. a. die sich nach dem Mauerbau entwickelnde Fluchthilfe.
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