Signatur: BStU, MfS, HA VI, Nr. 16175, Bl. 1-60
Um sechs Uhr morgens standen am 3. Oktober 1961 Sicherheitskräfte vor den Türen von vorher genau ausgewählten Personen im Grenzstreifen. Sie teilten den Betroffenen mit, dass sie sofort umziehen müssten. Innerhalb von 18 Stunden wurden 3.600 missliebige Personen zwangsumgesiedelt. In einer Dokumentation wird die Aktion "Festigung" genau analysiert.
Seit Gründung der DDR hatte es immer wieder politisch motivierte Zwangsumsiedlungen aus dem westlichen Grenzgebiet nach stalinistischem Vorbild gegeben. Eine der größten derartigen Operationen war die Aktion "Festigung". Sie war eingebunden in eine andere Maßnahme gegen die DDR-Bevölkerung: den Mauerbau am 13. August 1961.
Einige Wochen nach der Abriegelung der Grenzen, am 3. Oktober 1961, überraschte die Aktion ihre Opfer um sechs Uhr morgens. Über 3.600 Menschen wurden aus ihren Wohnungen in Grenznähe vertrieben und zwangsweise im Hinterland angesiedelt. Insgesamt war etwa ein Prozent der Grenzbevölkerung davon betroffen. Es handelte sich dabei um Personen, die vorher auf Listen erfasst worden waren und als politisch unzuverlässig galten. Die Aktion war generalstabsmäßig geplant und innerhalb von 18 Stunden komplett abgeschlossen.
Eine grundsätzliche Koordinierung der Aktion erfolgte über Erich Mielke, der sechs gemischte Arbeitsgruppen aus Offizieren des Ministeriums für Staatssicherheit, der Nationalen Volksarmee und dem Ministerium des Inneren leitete. Allerdings gab es ausdrücklich keine zentralen Anweisungen. Verantwortlich für die Planung und Durchführung der Aktion waren die sogenannten Bezirkseinsatzleitungen.
Noch Monate nach dem Ende der Aktion "Festigung" wurden im MfS detaillierte Auswertungen über deren Verlauf angefertigt. Die hier vorliegende wurde nach den Vorgaben des stellvertretenden Ministers für Staatssicherheit Bruno Beater angefertigt. Die umfangreiche Analyse des Ablaufs und der ständig wiederkehrende Verweis auf spätere, ähnliche Aktionen lassen vermuten, dass es sich um eine gigantische Übung unter realistischen Bedingungen handelte. Offensichtlich sollten im Ernst- und Verteidigungsfall ähnliche Umsiedlungen erfolgen und dafür die Erfahrungen der Aktion "Festigung" genutzt werden.
VI. Informations- und Meldewesen
Die Informationstätigkeit muß vor, während und nach Abschluß der Aktion einen breiten Raum einnehmen. Sie ist von großer Bedeutung für die Leitung der Aktion und hilft die Lage richtig einzuschätzen und sich bildende Schwerpunkte zu erkennen.
Deshalb gilt es gleichlaufend mit allen anderen Vorbereitungen das Informationsnetz so zu entwickeln, daß es den Anforderungen jederzeit gewachsen ist.
Bei der Aktion "Festigung" hat die Informationsbeschaffung durch das inoffizielle Netz wesentlich dazu beigetragen, ständig eine genaue Übersicht über die Lage zu verschaffen.
Jedoch war dieses nicht überall und im gleichen Umfang der Fall, da verschiedentlich Unzulänglichkeiten in Erscheinung traten.
Um dieses bei ähnlichen Aktionen auszuschalten, gilt es zu beachten:
Die Verbindungspläne zu allen IM müssen laufend überprüft und verbessert werden.
Es muß erreicht werden, daß wir uns jederzeit auf einen bestimmten Teil der IM stützen können und diese zu jederzeit erreichen und in die Arbeit einschalten können.
Es ist notwendig, ständig einen Überblick über das Informationsnetz zu haben, um bestehende Lücken schließen und schwache Stellen verstärken zu können. Hierzu ist besonders die allseitige Ausnutzung der IM durchzusetzen und aller Linienegoismus zu überwinden.
Organisationsstruktur in der MfS-Zentrale, die durch den Minister oder einen seiner Stellvertreter direkt angeleitet wurde. Die zuletzt 13 Hauptabteilungen wurden durch Einzelleiter geführt. Die weiter untergliederten und nach dem Linienprinzip tätigen HA waren für komplexe, abgegrenzte Bereiche operativ zuständig und federführend verantwortlich. Der Zuschnitt der Zuständigkeitsbereiche war an Ressorts oder geheimdienstlichen Praktiken (z. B. Verkehrswesen, Beobachtung, Funkspionage) orientiert.
Inoffizielle Mitarbeiter (IM) waren das wichtigste Instrument des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS), um primär Informationen über Bürger, die Gesellschaft, ihre Institutionen und Organisationen der DDR oder im Ausland zu gewinnen. Unter Umständen hatten IM auf Personen oder Ereignisse in der DDR steuernden Einfluss zu nehmen.
In der DDR-Gesellschaft hießen sie "Spitzel", "Denunzianten" oder "Kundschafter". Mit der deutschen Einheit hat sich die Bezeichnung Inoffizieller Mitarbeiter des MfS für die heimlichen Zuträger etabliert. Sie lieferten u. a. Informationen über Stimmungen und Meinungen in der Bevölkerung.
Die SED-Führung wollte stets über die konkrete Situation und Lage in der DDR unterrichtet sein. Die IM hatten den Auftrag, "staatsgefährdende" Bestrebungen zu ermitteln, was beim MfS "politisch ideologische Diversion" bzw. "politische Untergrundtätigkeit" hieß. Der Bogen hierfür war weit gespannt und reichte von einer privaten Meinungsäußerung bis hin zu politischen Aktivitäten. Überdies sollten sie, wenn auch selten, direkt auf gesellschaftliche Entwicklungen oder einzelne Personen einwirken.
Die IM waren das wichtigste Repressionsinstrument in der DDR. IM wurden auf bestimmte Schwerpunkte angesetzt, von denen tatsächliche oder vermeintliche Gefahren ausgehen konnten. Diese Objekte und Territorien, Bereiche oder Personen waren so zahlreich, dass die geheimpolizeiliche Durchdringung tendenziell den Charakter einer flächendeckenden Überwachung annahm.
Die Anzahl der vom MfS geführten inoffiziellen Mitarbeiter umfasste im Jahre 1989 ungefähr 189.000 IM, darunter 173.000 IM der Abwehrdiensteinheiten, ferner 13.400 IM in der DDR und 1.550 IM in der Bundesrepublik, die von der Hauptverwaltung A geführt wurden, sowie diverse andere wie Zelleninformatoren usw. Auf 89 DDR-Bürger kam somit ein IM. In der Zeit von 1950 bis 1989 gab es insgesamt ca. 620.000 IM.
Die Entwicklung des IM-Netzes ist nicht allein von einem kontinuierlichen Anstieg geprägt, sondern verweist auf besondere Wachstumsphasen in Zeiten innergesellschaftlicher Krisen wie dem 17. Juni 1953 oder am Vorabend des Mauerbaus. Im Zuge der deutsch-deutschen Entspannungspolitik wurde das IM-Netz ebenfalls erweitert. So umfasste es Mitte der 70er Jahre – hochgerechnet – über 200.000 IM. Angesichts wachsender oppositioneller Bewegungen hatte es in den 80er Jahren gleichfalls ein hohes Niveau.
Die flächendeckende Überwachung der Gesellschaft fiel regional recht unterschiedlich aus. Im Land Brandenburg, das die Bezirke Cottbus, Frankfurt (Oder) und Potsdam vereint, war sie stärker als in Thüringen. Die höchste IM-Dichte wies der ehemalige Bezirk Cottbus auf.
Das MfS operierte formal nach territorialen Gesichtspunkten und Sicherungsbereichen, setzte jedoch operative Schwerpunkte in der geheimpolizeilichen Arbeit. Bezogen auf das Gesamtministerium lagen diese – sowohl auf Kreis-, als auch auf Bezirks- und Hauptabteilungsebene – bei der Volkswirtschaft, der Spionageabwehr und auf der "politischen Untergrundtätigkeit", der "Bearbeitung " von oppositionellen Milieus und den Kirchen.
Die Motive zur Kooperation mit dem MfS waren überwiegend ideeller, seltener materieller Natur, noch seltener war Erpressung der Grund. Die Kooperation währte durchschnittlich sechs bis zehn Jahre oder länger. Augenfällig ist, dass darunter nicht wenige soziale Aufsteiger waren. Der Anteil von weiblichen IM lag in der DDR bei 17 Prozent, in der Bundesrepublik bei 28 Prozent. Über die Hälfte der IM war Mitglied der SED. Von den 2,3 Mio. Mitgliedern der Partei ausgehend, waren 4 bis 5 Prozent zuletzt inoffiziell aktiv, d. h. jedes zwanzigste SED-Mitglied.
Das MfS differenzierte IM nach Kategorien: Gesellschaftliche Mitarbeiter für Sicherheit, IM zur Sicherung und Durchdringung des Verantwortungsbereichs, IM im besonderen Einsatz, Führungs-IM und IM zur Sicherung der Konspiration und des Verbindungswesens. Die wichtigste Kategorie waren IM mit "Feindverbindungen" bzw. solche, die Personen zu "bearbeiten" hatten, die "im Verdacht der Feindtätigkeit" standen. Im Laufe der 80er Jahre nahm der Anteil von IM in der Kategorie IMB bis Dezember 1988 auf rund 3.900 zu.
Der Anteil von Bundesbürgern oder Ausländern unter den IM des MfS betrug nicht einmal 2 Prozent. 1989 waren mindestens 3.000 Bundesbürger inoffiziell im Dienste des MfS, zusätzlich mehrere Hundert Ausländer. In der Zeit von 1949 bis 1989 waren insgesamt mindestens 12.000 Bundesbürger und Westberliner IM.
Die operativen Ziele des MfS waren über die gesamte Bundesrepublik Deutschland verteilt. Darüber hinaus gab es Schwerpunkte in Europa, im Nahen Osten und Asien, nachgeordnet auch in Afrika und Lateinamerika. Nachrichtendienstliche Schwerpunkte waren vor allem die Wissenschafts- und Technikspionage, erst danach die politische und mit etwas Abstand die Militärspionage. Die Bundesrepublik Deutschland wurde folglich vor allem als Ressource zur Systemstabilisierung genutzt.
Die politische Spionage diente vornehmlich dazu, die politische Gefährdungslage des herrschenden Systems in der DDR bestimmen zu können. Dieses Profil deutet an, dass die Spionage der Bewahrung des Status quo dienen sollte. Von einer Unterwanderung der Bundesrepublik war die Geheimpolizei zahlenmäßig weit entfernt. Vielmehr waren ihre inoffiziellen Mitarbeiter damit beschäftigt, das DDR-System zu stabilisieren.
Signatur: BStU, MfS, HA VI, Nr. 16175, Bl. 1-60
Um sechs Uhr morgens standen am 3. Oktober 1961 Sicherheitskräfte vor den Türen von vorher genau ausgewählten Personen im Grenzstreifen. Sie teilten den Betroffenen mit, dass sie sofort umziehen müssten. Innerhalb von 18 Stunden wurden 3.600 missliebige Personen zwangsumgesiedelt. In einer Dokumentation wird die Aktion "Festigung" genau analysiert.
Seit Gründung der DDR hatte es immer wieder politisch motivierte Zwangsumsiedlungen aus dem westlichen Grenzgebiet nach stalinistischem Vorbild gegeben. Eine der größten derartigen Operationen war die Aktion "Festigung". Sie war eingebunden in eine andere Maßnahme gegen die DDR-Bevölkerung: den Mauerbau am 13. August 1961.
Einige Wochen nach der Abriegelung der Grenzen, am 3. Oktober 1961, überraschte die Aktion ihre Opfer um sechs Uhr morgens. Über 3.600 Menschen wurden aus ihren Wohnungen in Grenznähe vertrieben und zwangsweise im Hinterland angesiedelt. Insgesamt war etwa ein Prozent der Grenzbevölkerung davon betroffen. Es handelte sich dabei um Personen, die vorher auf Listen erfasst worden waren und als politisch unzuverlässig galten. Die Aktion war generalstabsmäßig geplant und innerhalb von 18 Stunden komplett abgeschlossen.
Eine grundsätzliche Koordinierung der Aktion erfolgte über Erich Mielke, der sechs gemischte Arbeitsgruppen aus Offizieren des Ministeriums für Staatssicherheit, der Nationalen Volksarmee und dem Ministerium des Inneren leitete. Allerdings gab es ausdrücklich keine zentralen Anweisungen. Verantwortlich für die Planung und Durchführung der Aktion waren die sogenannten Bezirkseinsatzleitungen.
Noch Monate nach dem Ende der Aktion "Festigung" wurden im MfS detaillierte Auswertungen über deren Verlauf angefertigt. Die hier vorliegende wurde nach den Vorgaben des stellvertretenden Ministers für Staatssicherheit Bruno Beater angefertigt. Die umfangreiche Analyse des Ablaufs und der ständig wiederkehrende Verweis auf spätere, ähnliche Aktionen lassen vermuten, dass es sich um eine gigantische Übung unter realistischen Bedingungen handelte. Offensichtlich sollten im Ernst- und Verteidigungsfall ähnliche Umsiedlungen erfolgen und dafür die Erfahrungen der Aktion "Festigung" genutzt werden.
Es ist zweckmäßig, unter Wahrung der Konspiration bereits in der Vorbereitung der Aktion inoffiziell die Lage in den betreffenden Einsatzorten zu erforschen, damit die Reaktion der direkt betroffenen
Personen wie auch der übrigen Einwohner schon bei Auslösung der Aktion insgesamt besser eingeschätzt werden kann.
Dies muß allerdings sehr differenziert und in qualitativ guter Form unserer operativen Arbeit ausgeführt werden. Dadurch wird auch die Organisierung der Einzelmaßnahmen (Transportraum, Stärke der Handlungsgruppen, Reservekräfte, Absicherungskräfte usw.) wirklichkeitsnäher zu behandeln und festzustellen sein.
Es hat sich auch als positiv erwiesen, daß z.B. im Bezirk Karl-Marx-Stadt bereits vor Eintreffen der umziehenden Personen in ihren neuen Wohnorten inoffiziell Vorbereitungen zur sofortigen Kontaktaufnahme getroffen wurden, um gleich von Anfang an die Reaktion und Handlung dieser Personenkreise unter operative Kontrolle nehmen zu können und einen ausbaufähigen inoffiziellen Kontakt zu schaffen. Somit konnten auch Versuche der reaktionären Kräfte in den neuen Orten von uns schwer zu kontrollierende Verbindungen zu diesen Personen aufzunehmen, weitgehendst verhindert bzw. unter Kontrolle gebracht werden.
Für die Informationstätigkeit sind besonders qualifizierte und zuverlässige IM heranzuziehen, um eine objektive Einschätzung zu erhalten.
Schwätzer und unzuverlässige IM sind hierbei auszuschalten.
Die Informationstätigkeit muß auf jedem Fall, ohne erst eine Weisung dazu abzuwarten, verstärkt werden.
Dabei soll vor allem orientiert werden auf
Organisationsstruktur in der MfS-Zentrale, die durch den Minister oder einen seiner Stellvertreter direkt angeleitet wurde. Die zuletzt 13 Hauptabteilungen wurden durch Einzelleiter geführt. Die weiter untergliederten und nach dem Linienprinzip tätigen HA waren für komplexe, abgegrenzte Bereiche operativ zuständig und federführend verantwortlich. Der Zuschnitt der Zuständigkeitsbereiche war an Ressorts oder geheimdienstlichen Praktiken (z. B. Verkehrswesen, Beobachtung, Funkspionage) orientiert.
Inoffizielle Mitarbeiter (IM) waren das wichtigste Instrument des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS), um primär Informationen über Bürger, die Gesellschaft, ihre Institutionen und Organisationen der DDR oder im Ausland zu gewinnen. Unter Umständen hatten IM auf Personen oder Ereignisse in der DDR steuernden Einfluss zu nehmen.
In der DDR-Gesellschaft hießen sie "Spitzel", "Denunzianten" oder "Kundschafter". Mit der deutschen Einheit hat sich die Bezeichnung Inoffizieller Mitarbeiter des MfS für die heimlichen Zuträger etabliert. Sie lieferten u. a. Informationen über Stimmungen und Meinungen in der Bevölkerung.
Die SED-Führung wollte stets über die konkrete Situation und Lage in der DDR unterrichtet sein. Die IM hatten den Auftrag, "staatsgefährdende" Bestrebungen zu ermitteln, was beim MfS "politisch ideologische Diversion" bzw. "politische Untergrundtätigkeit" hieß. Der Bogen hierfür war weit gespannt und reichte von einer privaten Meinungsäußerung bis hin zu politischen Aktivitäten. Überdies sollten sie, wenn auch selten, direkt auf gesellschaftliche Entwicklungen oder einzelne Personen einwirken.
Die IM waren das wichtigste Repressionsinstrument in der DDR. IM wurden auf bestimmte Schwerpunkte angesetzt, von denen tatsächliche oder vermeintliche Gefahren ausgehen konnten. Diese Objekte und Territorien, Bereiche oder Personen waren so zahlreich, dass die geheimpolizeiliche Durchdringung tendenziell den Charakter einer flächendeckenden Überwachung annahm.
Die Anzahl der vom MfS geführten inoffiziellen Mitarbeiter umfasste im Jahre 1989 ungefähr 189.000 IM, darunter 173.000 IM der Abwehrdiensteinheiten, ferner 13.400 IM in der DDR und 1.550 IM in der Bundesrepublik, die von der Hauptverwaltung A geführt wurden, sowie diverse andere wie Zelleninformatoren usw. Auf 89 DDR-Bürger kam somit ein IM. In der Zeit von 1950 bis 1989 gab es insgesamt ca. 620.000 IM.
Die Entwicklung des IM-Netzes ist nicht allein von einem kontinuierlichen Anstieg geprägt, sondern verweist auf besondere Wachstumsphasen in Zeiten innergesellschaftlicher Krisen wie dem 17. Juni 1953 oder am Vorabend des Mauerbaus. Im Zuge der deutsch-deutschen Entspannungspolitik wurde das IM-Netz ebenfalls erweitert. So umfasste es Mitte der 70er Jahre – hochgerechnet – über 200.000 IM. Angesichts wachsender oppositioneller Bewegungen hatte es in den 80er Jahren gleichfalls ein hohes Niveau.
Die flächendeckende Überwachung der Gesellschaft fiel regional recht unterschiedlich aus. Im Land Brandenburg, das die Bezirke Cottbus, Frankfurt (Oder) und Potsdam vereint, war sie stärker als in Thüringen. Die höchste IM-Dichte wies der ehemalige Bezirk Cottbus auf.
Das MfS operierte formal nach territorialen Gesichtspunkten und Sicherungsbereichen, setzte jedoch operative Schwerpunkte in der geheimpolizeilichen Arbeit. Bezogen auf das Gesamtministerium lagen diese – sowohl auf Kreis-, als auch auf Bezirks- und Hauptabteilungsebene – bei der Volkswirtschaft, der Spionageabwehr und auf der "politischen Untergrundtätigkeit", der "Bearbeitung " von oppositionellen Milieus und den Kirchen.
Die Motive zur Kooperation mit dem MfS waren überwiegend ideeller, seltener materieller Natur, noch seltener war Erpressung der Grund. Die Kooperation währte durchschnittlich sechs bis zehn Jahre oder länger. Augenfällig ist, dass darunter nicht wenige soziale Aufsteiger waren. Der Anteil von weiblichen IM lag in der DDR bei 17 Prozent, in der Bundesrepublik bei 28 Prozent. Über die Hälfte der IM war Mitglied der SED. Von den 2,3 Mio. Mitgliedern der Partei ausgehend, waren 4 bis 5 Prozent zuletzt inoffiziell aktiv, d. h. jedes zwanzigste SED-Mitglied.
Das MfS differenzierte IM nach Kategorien: Gesellschaftliche Mitarbeiter für Sicherheit, IM zur Sicherung und Durchdringung des Verantwortungsbereichs, IM im besonderen Einsatz, Führungs-IM und IM zur Sicherung der Konspiration und des Verbindungswesens. Die wichtigste Kategorie waren IM mit "Feindverbindungen" bzw. solche, die Personen zu "bearbeiten" hatten, die "im Verdacht der Feindtätigkeit" standen. Im Laufe der 80er Jahre nahm der Anteil von IM in der Kategorie IMB bis Dezember 1988 auf rund 3.900 zu.
Der Anteil von Bundesbürgern oder Ausländern unter den IM des MfS betrug nicht einmal 2 Prozent. 1989 waren mindestens 3.000 Bundesbürger inoffiziell im Dienste des MfS, zusätzlich mehrere Hundert Ausländer. In der Zeit von 1949 bis 1989 waren insgesamt mindestens 12.000 Bundesbürger und Westberliner IM.
Die operativen Ziele des MfS waren über die gesamte Bundesrepublik Deutschland verteilt. Darüber hinaus gab es Schwerpunkte in Europa, im Nahen Osten und Asien, nachgeordnet auch in Afrika und Lateinamerika. Nachrichtendienstliche Schwerpunkte waren vor allem die Wissenschafts- und Technikspionage, erst danach die politische und mit etwas Abstand die Militärspionage. Die Bundesrepublik Deutschland wurde folglich vor allem als Ressource zur Systemstabilisierung genutzt.
Die politische Spionage diente vornehmlich dazu, die politische Gefährdungslage des herrschenden Systems in der DDR bestimmen zu können. Dieses Profil deutet an, dass die Spionage der Bewahrung des Status quo dienen sollte. Von einer Unterwanderung der Bundesrepublik war die Geheimpolizei zahlenmäßig weit entfernt. Vielmehr waren ihre inoffiziellen Mitarbeiter damit beschäftigt, das DDR-System zu stabilisieren.
Konspiration war das Grundprinzip der nachrichtendienstlichen und geheimpolizeilichen Arbeit des MfS, das den Einsatz von inoffiziellen Kräften und anderen verdeckten Mitteln und Methoden sowie die weitgehende Geheimhaltung der eigenen Tätigkeit auch gegenüber anderen DDR-Organen und dem SED-Parteiapparat beinhaltet. Eine besondere Rolle spielt die Konspiration bei den Verhaltensregeln für IM, GMS, HIM, OibE und Führungsoffiziere, welche über die inoffiziellen Beziehungen zum MfS zu schweigen bzw. inoffizielle Handlungen für das MfS geheimzuhalten, zu tarnen oder zu verschleiern hatten.
Signatur: BStU, MfS, HA VI, Nr. 16175, Bl. 1-60
Um sechs Uhr morgens standen am 3. Oktober 1961 Sicherheitskräfte vor den Türen von vorher genau ausgewählten Personen im Grenzstreifen. Sie teilten den Betroffenen mit, dass sie sofort umziehen müssten. Innerhalb von 18 Stunden wurden 3.600 missliebige Personen zwangsumgesiedelt. In einer Dokumentation wird die Aktion "Festigung" genau analysiert.
Seit Gründung der DDR hatte es immer wieder politisch motivierte Zwangsumsiedlungen aus dem westlichen Grenzgebiet nach stalinistischem Vorbild gegeben. Eine der größten derartigen Operationen war die Aktion "Festigung". Sie war eingebunden in eine andere Maßnahme gegen die DDR-Bevölkerung: den Mauerbau am 13. August 1961.
Einige Wochen nach der Abriegelung der Grenzen, am 3. Oktober 1961, überraschte die Aktion ihre Opfer um sechs Uhr morgens. Über 3.600 Menschen wurden aus ihren Wohnungen in Grenznähe vertrieben und zwangsweise im Hinterland angesiedelt. Insgesamt war etwa ein Prozent der Grenzbevölkerung davon betroffen. Es handelte sich dabei um Personen, die vorher auf Listen erfasst worden waren und als politisch unzuverlässig galten. Die Aktion war generalstabsmäßig geplant und innerhalb von 18 Stunden komplett abgeschlossen.
Eine grundsätzliche Koordinierung der Aktion erfolgte über Erich Mielke, der sechs gemischte Arbeitsgruppen aus Offizieren des Ministeriums für Staatssicherheit, der Nationalen Volksarmee und dem Ministerium des Inneren leitete. Allerdings gab es ausdrücklich keine zentralen Anweisungen. Verantwortlich für die Planung und Durchführung der Aktion waren die sogenannten Bezirkseinsatzleitungen.
Noch Monate nach dem Ende der Aktion "Festigung" wurden im MfS detaillierte Auswertungen über deren Verlauf angefertigt. Die hier vorliegende wurde nach den Vorgaben des stellvertretenden Ministers für Staatssicherheit Bruno Beater angefertigt. Die umfangreiche Analyse des Ablaufs und der ständig wiederkehrende Verweis auf spätere, ähnliche Aktionen lassen vermuten, dass es sich um eine gigantische Übung unter realistischen Bedingungen handelte. Offensichtlich sollten im Ernst- und Verteidigungsfall ähnliche Umsiedlungen erfolgen und dafür die Erfahrungen der Aktion "Festigung" genutzt werden.
Es muß angestrebt werden, daß bei der Zusammenfassung der Lageberichte zwischen den beteiligten Organen eine enge Zusammenarbeit besteht und nicht jeder für sich Berichte abfaßt.
Es sollte ein einheitlicher Bericht zusammengestellt werden, um von unten bis oben eine einheitliche Einschätzung zu erhalten.
Erscheinungen, die zur Wahrung der Konspiration nicht im allgemeinen Lagebericht verarbeitet werden können, sind als Anlage beizufügen.
Bei der Abfassung der Lageberichte kommt es nicht auf den Umfang an.
Es ist besser einen kurzen Bericht anzufertigen, in dem alle notwendigen Fakten in knapper, exakter Form dargestellt werden.
Vor allem aber kommt es darauf an, Vorkommnisse nicht nur schlechthin als solche zu melden, sondern anhand der Erscheinung die Lage im jeweiligen Zuständigkeitsbereich exakt und gründlich zu analysieren, um ein reales Bild zu bekommen.
Oberflächlichkeit kann zu falschen Einschätzungen und demzufolge zu falschen Maßnahmen führen!
Organisationsstruktur in der MfS-Zentrale, die durch den Minister oder einen seiner Stellvertreter direkt angeleitet wurde. Die zuletzt 13 Hauptabteilungen wurden durch Einzelleiter geführt. Die weiter untergliederten und nach dem Linienprinzip tätigen HA waren für komplexe, abgegrenzte Bereiche operativ zuständig und federführend verantwortlich. Der Zuschnitt der Zuständigkeitsbereiche war an Ressorts oder geheimdienstlichen Praktiken (z. B. Verkehrswesen, Beobachtung, Funkspionage) orientiert.
Konspiration war das Grundprinzip der nachrichtendienstlichen und geheimpolizeilichen Arbeit des MfS, das den Einsatz von inoffiziellen Kräften und anderen verdeckten Mitteln und Methoden sowie die weitgehende Geheimhaltung der eigenen Tätigkeit auch gegenüber anderen DDR-Organen und dem SED-Parteiapparat beinhaltet. Eine besondere Rolle spielt die Konspiration bei den Verhaltensregeln für IM, GMS, HIM, OibE und Führungsoffiziere, welche über die inoffiziellen Beziehungen zum MfS zu schweigen bzw. inoffizielle Handlungen für das MfS geheimzuhalten, zu tarnen oder zu verschleiern hatten.
Abschlussbericht der Bezirksverwaltung Suhl zur Aktion "Festigung" Dokument, 25 Seiten
Wochenbericht nach Durchführung der Aktion "Festigung" im Oktober 1961 Dokument, 3 Seiten
Abschlussbericht zur Aktion "Konfrontation" anlässlich des DDR-Besuchs von Willy Brandt Dokument, 39 Seiten
Arbeitsmaterial für die Vorbereitung, Durchführung und Auswertung von konspirativen Durchsuchungen Dokument, 73 Seiten