Signatur: BArch, MfS, Abt. M, Nr. 806, Bl. 5
Zoll und Stasi arbeiteten bei der Überwachung des Postverkehrs eng zusammen, u. a. wenn es um die Einfuhr illegaler Software aus dem Westen ging. So landete 1988 eine Zoll-Information über das Einfuhrverbot für das verbotene Computerspiel "Kreml" in den Unterlagen der für Postkontrolle zuständigen MfS-Abteilung M.
In den 80er Jahren erreichte die weltweite Faszination für Computer auch die DDR. Es entwickelte sich eine Jugendkultur, deren Anhängerinnen und Anhänger ihre Geräte für eine neue Form der Unterhaltung nutzten: Das digitale Spielen. Diese Entwicklungen hingen eng mit den wirtschaftlichen und technologischen Entwicklungen der 70er und 80er Jahre zusammen, als die Mikroelektronik einen weltweiten Aufschwung erlebte. Die SED-Führung erklärte sie im Juni 1977 zur Schlüsseltechnologie, das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) besorgte im Westen die nicht einfuhrgestattete Hard- und Software sowie das nötige "Know-how" für die Produktion und Ausbildung von Fachpersonal.
Mit der neuen wirtschaftspolitischen Ausrichtung kamen Mitte der 80er Jahre die ersten Heimcomputer in der DDR auf den Markt. Diese hielten zwar auch Einzug in die Privathaushalte. Im Vergleich zum Westen waren sie in der DDR aber vor allem in Einrichtungen, wie Schulen, Jugendclubs und Volkseigenen Betrieben, zu finden. Die geringen Produktionszahlen und hohen Kaufpreise machten eine flächendeckende private Nutzung unmöglich.
Die Mitte der 80er Jahre einsetzende private Nutzung von Heimcomputern beschäftigte ab 1986 verstärkt auch die Stasi. Die Geheimpolizei wollte wissen, was die jungen Menschen mit ihren Geräten anstellten. Dafür nahm sie verschiedene "operative" Aspekte in den Blick: die Kontakte von Computerfans in den Westen, die Gefahr von Virenübertragungen auf DDR-Rechner in Betrieben und staatlichen Stellen, den Schmuggel von Computertechnik und die Einfuhr von Software mit verbotenen Inhalten. Dazu zählten etwa Spiele mit "antisozialistischem Charakter", d. h. NS-Bezügen oder kriegsverherrlichenden Darstellungen.
Beim Thema Schmuggel und Einfuhr illegaler Hard- und Software arbeitete das MfS eng mit dem Zoll zusammen. Vor allem bei Sendungen aus dem Ausland, aus und nach Ost-Berlin sowie den Bezirkshauptstädten unterzog die Geheimpolizei die Post genaueren Kontrollen. Außerdem ließ sie sich über geöffnete Sendungen informieren, z. B. wenn darin Software aus dem Westen gefunden wurde. Solche Informationen des Zolls nahm sie zu ihren Unterlagen.
Im Juli 1988 etwa setzte der stellvertretende Leiter der DDR-Zollverwaltung, Günther Arndt, die Zoll-Bezirksverwaltungen über das Einfuhrverbot für das Spiel "Kreml" in Kenntnis. Darin müssen die Spielerinnen und Spieler den Kampf um das namensgebende sowjetische Machtzentrum für sich entscheiden, wobei die KPdSU-Funktionärinnen und -Funktionäre stark karikiert werden. Wegen seiner "antisowjetischen Aussagen", die den "Interessen der DDR" widersprächen, dürfe das Spiel weder im "grenzüberschreitenden Reiseverkehr" noch im "Geschenkpaket- und -päckchenverkehr auf dem Postwege" in die DDR eingeführt werden. Das Dokument landete in einer Akte der Abteilung M (Postkontrolle).
Stellvertreter operativ
der Leiter der Bezirksverwaltungen Berlin, Dresden, Erfurt, Frankfurt/ Oder, Leipzig, Magdeburg, Potsdam, Rostock West und Nord
Nach vorliegenden Informationen werden von dem Schweizer Kleinverlag "Fata Morgana Spiele" das strategische Brettspiel "Kreml" und vom Hersteller "Spiele Ma Kro Soft" dessen Umsetzung als Computerspiel "Kreml" für den Computer "Atari ST" (mit Monochrommonitor) hergestellt.
Der Inhalt dieser Spiele widerspricht auf Grund der antisowjetischen Aussagen den Interessen der DDR (vgl. Anlage - Spielbeschreibung in der Zeitschrift "Happy Computer" 7/88).
Die Einfuhr dieser Spiele ist
- im grenzüberschreitenden Reiseverkehr nach den Entscheidungsgrundsätzen der DA 11/87 und
- im Geschenkpaket- und -päckchenverkehr auf dem Postwege nach den Entscheidungsgrundsätzen der DA 5/87
zu verhindern.
Sie haben zu sichern, daß die in Frage kommenden Dienststellen über diese Verallgemeinerung umgehend informiert werden.
Anlage
i.V. [Unterschrift]
Arndt
Hauptinspektor
Abteilung M (Postkontrolle)
Die 1951/52 entstandene Abt. M im MfS Berlin und in den BV führte die bis 1952 von den Abt. VIa betriebene Postkontrolle fort. Die Abt. M gliederte sich anfangs in die Leitung und die Referate I (Information/Stimmungsberichte), II (Haupttelegrafenamt) und III (Kontrollpunkt 1). In den BV hießen die Außenstellen AFAS (Aussortierungsstellen für antidemokratische Schriften bzw. Auftragsfahndung bei abgehenden Sendungen). Die Postkontrolle war bis 1989 als Abt. 12 bzw. Abt. XII in die Struktur der Deutschen Post eingebaut. Die auf der Grundlage der Postauswertung erstellten Stimmungsberichte sollten das MfS in die Lage versetzen, jederzeit ein Bild über die Stimmung der Bevölkerung der verschiedenen sozialen Schichten zu erhalten. Mitte der 50er Jahre wurde begonnen, die Möglichkeiten der Abt. M bei Personenüberprüfungen systematisch zu nutzen.
Im Zusammenhang mit der internationalen Anerkennung der DDR richtete die Abt. M 1973 die "Kurierstelle für Botschaftspost" (KfB) ein. In den 70er Jahren kam es zur verstärkten Entwicklung sowie zum Einsatz von Brieföffnungsautomaten, Briefschließmaschinen und der Röntgentechnik. Um die zwischen der Bundespost und der Deutschen Post der DDR vereinbarte verkürzte Bearbeitungszeit im Postverkehr zu gewährleisten, wurde 1984 die Abt. PZF als neue Abt. M 4 in die Linie M übernommen und dadurch Doppelarbeit abgebaut. Von 1979 bis 1983 war der Mitarbeiterbestand um 41,5 Prozent gestiegen.
Nach dem Tode des bis zu diesem Zeitpunkt zuständigen Stellv. des Ministers Beater übernahm Mielke die HA II und die dieser zugeordnete Abt. M des MfS Berlin in seinen Verantwortungsbereich. Im Oktober 1989 gehörten der Linie M 2192 Offiziere an (MfS Berlin 516, BV 1676). Da das Postgeheimnis in den Verfassungen der DDR seit 1949 nominell verbrieft war, räumte der letzte Leiter der Abt. M, Generalmajor Rudi Strobel, im November 1989 ein, dass für die Tätigkeit der Linie M eine eindeutige gesetzliche Regelung fehle.
Im Zusammenhang mit der Verwaltungsreform der DDR vom Sommer 1952 wurden die fünf Länderverwaltungen für Staatssicherheit (LVfS) in 14 Bezirksverwaltungen umgebildet. Daneben bestanden die Verwaltung für Staatssicherheit Groß-Berlin und die Objektverwaltung "W" (Wismut) mit den Befugnissen einer BV. Letztere wurde 1982 als zusätzlicher Stellvertreterbereich "W" in die Struktur der BV Karl-Marx-Stadt eingegliedert.
Der Apparat der Zentrale des MfS Berlin und der der BV waren analog strukturiert und nach dem Linienprinzip organisiert. So waren die Hauptabteilung II in der Zentrale bzw. die Abteilungen II der BV für die Schwerpunkte der Spionageabwehr zuständig usw. Auf der Linie der Hauptverwaltung A waren die Abteilung XV der BV aktiv. Einige Zuständigkeiten behielt sich die Zentrale vor: so die Militärabwehr (Hauptabteilung I) und die internationalen Verbindungen (Abteilung X) oder die Arbeit des Büros für Besuchs- und Reiseangelegenheiten in Westberlin (Abteilung XVII). Für einige Aufgabenstellungen wurde die Bildung bezirklicher Struktureinheiten für unnötig erachtet. So gab es in den 60er und 70er Jahren für die Abteilung XXI und das Büro der Leitung II Referenten für Koordinierung (RfK) bzw. Offiziere BdL II. Für spezifische Aufgaben gab es territorial bedingte Diensteinheiten bei einigen BV, z. B. in Leipzig ein selbständiges Referat (sR) Messe, in Rostock die Abt. Hafen.
An der Spitze der BV standen der Leiter (Chef) und zwei Stellv. Operativ. Der Stellv. für Aufklärung fungierte zugleich als Leiter der Abt. XV. Die Schaffung des Stellvertreterbereichs Operative Technik im MfS Berlin im Jahre 1986 führte in den BV zur Bildung von Stellv. für Operative Technik/Sicherstellung.
Von Beginn an betrieb das MfS – neben gezielten Fahndungsmaßnahmen – eine systematische Kontrolle und Auswertung der nationalen und internationalen Postsendungen (Brief- und Telegrammverkehr). Zuständig hierfür waren die Abteilungen M (sowie vor 1952 ihre Vorläufer-Abteilungen VI a). Neben Einzelpersonen konnten auch ganze Häuser, Straßen, Ortschaften oder Städte, aber auch Betriebsangehörige bzw. -belegschaften und Berufsgruppen unter Postkontrolle gestellt werden. Die Aufträge hierzu wurden von den jeweils operativ zuständigen Diensteinheiten erteilt.
Die Postkontrolle basierte auf dem politisch-operativen Zusammenwirken insbesondere mit der Deutschen Post der DDR, daneben auch mit der Volkspolizei und der Zollverwaltung der DDR (Postzollfahndung). Grundsätzlich durchlief die gesamte Post in den zentralen Postämtern die dort getarnt arbeitenden Kontrollstellen der Abteilungen M. Diese sortierten Briefe aus, die aufgrund der Adresse oder der äußeren Merkmale als verdächtig angesehen wurden, und öffneten sie. Zumeist wurden sie kopiert sowie, möglichst ohne Spuren zu hinterlassen, anschließend wieder verschlossen und weiterbefördert, teilweise aber auch – wenn es geboten erschien – einbehalten.
Bei der Postkontrolle entnahm das MfS die in den Sendungen enthaltene Valuta (1984-1989 rund 32 Mio. DM) und andere Wertsachen zugunsten des Staatshaushaltes der DDR. Durch den zunehmenden Einsatz von Geräten und technischen Verfahren sowie qualifizierter Fahndungsmethoden entwickelte sich die Postkontrolle zu einem leistungsstarken Überwachungs- und Kontrollsystem.
Einfuhrverbot für "Telespiele" Dokument, 2 Seiten
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