Signatur: BStU, MfS, BV Dresden, Abt. XVIII, Nr. 12392, Bl. 38
Die Deutsche Demokratische Republik hatte in ihrer Verfassung von 1968 den Umweltschutz fest verankert. Mit der Gründung des Ministeriums für Umweltschutz und Wasserwirtschaft im Juni 1972 schuf sie eine Institution, welche die Maßnahmen des Umweltschutzes in die Tat umsetzen sollte. In der Realität fand im Gebiet der DDR eine massive Umweltverschmutzung durch staatliche Betriebe statt. Die Kommission Umweltschutz der Stadt Dresden prangerte mit einer Eingabe die Schadstoffbelastung durch das Chemiewerk Agrotext an.
Die Aufgabe die Natur und Umwelt zu schützen, lag nach der Verfassung der DDR in der Hand staatlicher Institutionen. Umweltschäden können dementsprechend nicht isoliert von der staatlichen Führung betrachtet werden. Wenn Probleme und Versäumnisse im Schutz der Umwelt überhaupt thematisiert wurden, dann wurden diese meist auf die geerbten Strukturen des zuvor herrschenden kapitalistischen Systems zurückgeführt.
Von offiziellen Stellen wurden Umweltschäden geleugnet, auch wenn es offenkundige Umweltschäden und -belastungen gab. Sowohl das Ministerium für Staatssicherheit (MfS), als auch das vom MfS regelmäßig ins Bild gesetzte Zentralkomitee der SED bzw. die regionalen Parteileitungen waren sich der entstandenen und entstehenden Schäden bewusst. Das MfS sorgte auch dafür, dass die durch staatseigene Unternehmen entstandene Verschmutzung der Umwelt nicht an die Öffentlichkeit geriet. Gleichzeitig überwachte die Stasi Umweltschutzgruppen wie Greenpeace, aber auch Umwelt- und Friedensgruppen, die unter dem Dach der Kirche agierten.
Mit einer Eingabe an das Ministerium für Umweltschutz und Wasserwirtschaft prangerte die Kommission Umweltschutz der Stadt Dresden die Schadstoffbelastung durch das Chemiewerk Agrotex an. Vorausgegangen waren Beschwerden von Kleingärtnern. Sie beobachteten, dass ihr angebautes Gemüse durch Emissionen des Werkes, die bei der Produktion des Insektizid „Wofatox“ entstanden, geschädigt wurde. Hinzu kam eine Kontamination des Bodens. Die Bürger forderten eine sofortige Schließung des maroden Werkes.
Abschrift
Stadtverodnetenversammlung Dresden; Dresden, 31.01.89
Ständige Kommission Umweltschutz, Wasserwirtschaft, allgem. Landwirtschaft
Der Vorsitzende
An das
Ministerium für Umweltschutz und Wasserwirtschaft
Hans-Beimler-Straße 70/72
Berlin
1020
Betrifft: VEB Chemiewerk Agroteex, BT Dresden-Stetzsch, 8039 Dresden, Meißner Landstraße 1
Sehr geehrter Minister!
In unmittelbarer Nachbarschaft des VEB Chemiewerk Agrotex, BT Dresden-Stetzsch befindet sich die Kleingarten-Sparte "Am Froschteich". Das Bezirkshygieneinstitut Dresden hat in den vergangenen Jahren gärtnerische Produkte, Bodenproben und Niederschlagsstaub aus dem Bereich der Gartensparte entnommen und untersucht. Dabei wurde eine unzulässig hohe Belastung des Territoriums durch Pflanzenschutzmittel festgestellt.
Seit den siebziger Jahren ist im Boden eine Altlast an DDT vorhanden, die 12,3 mg/kg Boden beträgt. Der Toleranzwert von 0,2 mg wird erst in einer Entfernung von 200 m vom Emittenten erreicht.
Die toxikologische Untersuchung von Gemüse zeigt, daß Wurzelgemüse unzulässig hohe Werte an DDT erreichen. Deshalb wurde durch die Kreishygieneinspektion der Anbau von Wurzelgemüse untersagt.
Gegenwärtig produziert der Chemiebetrieb Agrotex mit vollständig veralteten Produktionsmitteln unter Mißachtung der Emissionsgrenzwerte jährlich rd. 7.000 1 hochkonzentriertes Wofatox-Spritzpulver. Der Wirkstoff Parathionmethyl und sein Abbauprodukt Paraoxonmethyl sind im Umkreis von 200 m nachgewiesen und beeinträchtigen den Anbau von Blattgemüse und Petersilie,
Die Staatliche Umweltinspektion wurde deshalb von uns mit Schreiben vom 24.08.1988 aufgefordert, die Emissionsüberwachung des Betriebes zu verstärken mit dem Ziel, die Emission von Parathionmethyl vollständig zu unterbinden.
Am 29.12.1988 schreibt die Staatliche Umweltschutzinspektion der Kreishygieneinspektion, daß die Wofatox-Spritzpulver-Produktion erst per 31.12.1990 eingestellt werden soll, da die geforderte Absorptionsanlage wegen nicht vertretbarem technischen und ökonomischen Aufwands nicht realisiert werden kann. Für die gesamten Anwohner und Gartenbaubetriebe, insbesondere aber für die Kleingartensparte, ergeben sich für die nächsten 2 Jahre untragbare und unverantwortbare Verhältnisse. Die Ständige Kommission zeigt dafür kein Verständnis und fordert deshalb die sofortige Stillegung dieses ohnehin abbruchreifen Betriebes. Dafür erbitten wir Ihre uneingeschränkte Unterstützung.
Mit sozialistischem Gruß
gez. Dr. Schindler
Die Kirchen gerieten nicht selten unter Verdacht, gegen die politischen Verhältnisse in der DDR zu opponieren. Das lag an ihrer weitgehenden Eigenständigkeit, an der christlichen Botschaft, die von den kommunistischen Ideologen als konkurrierendes Sinn- und Erklärungsangebot abgelehnt wurde, sowie an ihrem Beharren auf Mitsprache und Gestaltungsanspruch in gesellschaftlichen Fragen. Im Auftrag der SED wurde daher das MfS tätig, um die von den Kirchen ausgehenden vermeintlichen und tatsächlichen Gefahren für das politisch-ideologische System der DDR abzuwehren.
Die SED-Kirchenpolitik war in den vier Jahrzehnten der DDR Wandlungen unterworfen. In den 50er Jahren führte die SED mehrfach einen offenen Kirchenkampf. Dieser richtete sich u. a. gegen die kirchliche Jugend- und Studentenarbeit, v. a. bei der Einführung der Jugendweihe, sowie gegen karitative Einrichtungen wie die Bahnhofsmissionen. Mehrere Religionsgemeinschaften wurden verboten und deren Anhänger verfolgt.
Die SED war zudem bestrebt, die Verlesung von solchen Hirtenbriefen und Kanzelabkündigungen zu unterbinden, in denen sozialethische, gesellschaftskritische oder politische Fragen aufgegriffen wurden. Von der Polizei und dem MfS wurden kirchliche Einrichtungen durchsucht und Literatur beschlagnahmt. Neben kirchlichen Mitarbeitern wurden unter Mitwirkung des MfS auch Pfarrer – zwischen 1950 und 1960 mindestens 140 – inhaftiert.
Ab den 60er Jahren beschränkte sich die SED zunehmend darauf, durch eine rigorose Auslegung der Veranstaltungsordnung unerwünschte kirchliche Aktivitäten zu behindern. Das offizielle Eindringen in kirchliche Räume wie im November 1987, als es nachts in der Zionsgemeinde in Ostberlin zu Durchsuchungen und Festnahmen kam, war in den 70er und 80er Jahren eher untypisch, weil dies die Staat-Kirche-Beziehungen erheblich belastete. Vor allem seit 1978 bemühte sich die SED, ein Stillhalteabkommen zwischen Kirchenleitungen und Staat zu respektieren.
Das MfS versuchte aber stets, indirekt Einfluss auf kirchliche Entscheidungen zu nehmen. Dies und die verdeckte Informationsbeschaffung zählten zu den Hauptbetätigungsfeldern des MfS im Rahmen der von der SED konzipierten Kirchenpolitik. Die Informationsbeschaffung erfolgte mittels Observation, IM-Einsatz und auf dem Weg der sog. Gesprächsabschöpfung. Dabei gelang es in Einzelfällen auch, Christen in kirchlichen Leitungspositionen als IM zu gewinnen.
So arbeitete der thüringische Kirchenjurist und Oberkirchenrat Gerhard Lotz seit 1955 mit dem MfS als IM "Karl" zusammen. Durch die Positionierung eines Offiziers im besonderen Einsatz im Konsistorium in Magdeburg, Detlev Hammer, der ab 1974 juristischer, dann Oberkonsistorialrat war, vermochte es das MfS, einen hauptamtlichen Mitarbeiter innerhalb der Leitungsstruktur der provinzsächsischen Kirche zu platzieren. Außerdem hatte das MfS gegenüber den Kirchen dann tätig zu werden, wenn Verdachtsmomente dafür vorlagen, dass die Kirchen über den ihnen von der SED zugewiesenen religiös-kultischen Bereich hinaus tätig wurden.
Dementsprechend observierte das MfS Kirchengemeinden und Pfarrer, die – wie es beim MfS hieß – im Rahmen der "Partnerschaftsarbeit" Besuchskontakt zu Kirchengemeinden in der Bundesrepublik unterhielten. Das MfS legte hierzu OV an und ermittelte gegen die Organisatoren der Zusammenkünfte.
Als Ziele der MfS-Aufklärung galten ebenso kirchliche Synoden und Basistreffen, auf denen grundsätzlich die potenzielle Gefahr bestand, dass Kritik an den Verhältnissen in der DDR geübt werden würde. In das Blickfeld des MfS rückten die evangelischen Kirchen insbesondere ab Mitte der 70er Jahre: Zunächst rief die auch unter nichtkirchlichen Jugendlichen an Attraktivität gewinnende kirchliche Jugendarbeit, dann die Friedens-, Umwelt- und Menschenrechtsarbeit unter dem Dach der Kirche den Argwohn des MfS hervor.
Insgesamt war das MfS nur eine von mehreren Institutionen des SED-Staates, die im Rahmen der SED-Kirchenpolitik tätig wurden. Im Zusammenspiel mit ihnen versuchte das MfS, die Kirchen zu kontrollieren und zu disziplinieren.
In Auswertung der kirchenpolitischen Kampagnen der 50er Jahre und bestärkt durch konzeptionelle Arbeiten, drängte die SED-Führung ab Anfang der 80er Jahre zunehmend auf ein koordiniertes Vorgehen. Die vom MdI und den Abteilungen für Inneres erstellten Rapportmeldungen, Berichte und Personeneinschätzungen zu Gottesdiensten und kirchlichen Mitarbeitern wurden vereinbarungsgemäß dem MfS zur Verfügung gestellt und bildeten häufig den Grundstock jener Berichte und Personencharakteristiken, die sich in den Beständen des MfS wiederfinden.
Bereits vor Gründung des MfS hatte bei der Deutschen Verwaltung des Innern in der Abteilung K 5 das Referat C 3 existiert. Als Aufgabenbeschreibung wurde die "Aufklärung und Bekämpfung der kirchlichen Feindtätigkeit" genannt. Ab 1950 bestand im MfS zunächst die Abteilung V, die sich ab 1953 Hauptabteilung V nannte und 1964 im Zuge einer Umstrukturierung zur Hauptabteilung XX wurde.
Innerhalb dieser Organisationsstruktur zeichnete die Abt. 4 für die "Bearbeitung" der Kirchen verantwortlich. 1988 gliedert sich diese in sechs Fachreferate, wobei je eins für die evangelischen Kirchen, die katholische Kirche sowie die Religionsgemeinschaften und Sekten zuständig war. Ein Referat widmete sich Operativen Vorgängen. Als Schwerpunkt der Arbeit wurde die "Bekämpfung der politischen Untergrundtätigkeit" benannt. Zwei weitere Referate nahmen koordinierende Funktionen wahr.
Neben der Hauptabteilung XX/4 stützte sich das MfS bei der Bekämpfung und Infiltration der Kirchen auf die Zuarbeit verschiedener Hauptabteilungen und Abteilungen - so u. a. auf die Dienste der HV A bei der "Aufklärung" von westlichen Partnergemeinden und Pfarrern, die die kirchliche Friedensarbeit in den ostdeutschen Gemeinden unterstützten. Im Fall der Inhaftierung kirchlicher Mitarbeiter übernahm die Hauptabteilung IX als Untersuchungsorgan den Vorgang.
Hinzu kamen andere institutionalisierte Formen der "Bearbeitung". Als politisch-ideologische fungierte ab 1958 das Referat Familienforschung, das Verwicklungen missliebiger Kirchenvertreter in das NS-Regime aufdecken oder konstruieren sollte, um die so Diffamierten unter Druck setzen zu können. Angesiedelt war es beim Deutschen Zentralarchiv in Potsdam. Es verwaltete verschiedene aus NS-Beständen stammende Unterlagen und wertete sie aus. Dabei handelte es sich um eine verdeckt arbeitende Einrichtung des MfS.
Um den steigenden Informationsbedarf – unter Berücksichtigung der Spezifik kirchlicher und religiöser Angelegenheiten – zu decken und um Sonderaufträge u. a. auch im Ausland ausführen zu können, etablierte das MfS 1960 die sog. Auswertungsgruppe, die dem Referat V zugeordnet wurde. In einem konspirativen Objekt in Berlin-Pankow ("Institut Wandlitz") arbeiteten hauptamtliche IM und mehrere OibE zusammen.
Seine "Absicherung" fand das Vorgehen des MfS gegenüber den Kirchen durch ein umfangreiches Netz von OibE und IM, die das MfS im Staatssekretariat für Kirchenfragen und in den Kirchenabteilungen der DDR-Bezirke unterhielt. 1989 gab es im Staatssekretariat drei OibE; zudem berichtete der persönliche Referent und Büroleiter der Staatssekretäre Hans Seigewasser und Klaus Gysi, Horst Dohle, ab 1975 als IM "Horst" dem MfS. Insgesamt aber gelang es dem MfS nicht, die Kirchen umfassend zu unterwandern.
Aufruf zu Protesten gegen das Reinstsiliziumwerk Gittersee Dokument, 1 Seite
Aufnäher zu Umweltschutzthemen aus dem Umfeld der Proteste gegen das Reinstsiliziumwerk Gitterseee Dokument, 1 Seite
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Flyer zur Greenpeace-Aktion "Schadstoffe sind grenzenlos" in Dresden 1987 Dokument, 2 Seiten