Signatur: BStU, MfS, HA XX/AKG, Nr. 7143, Bl. 20-23
Im Vorfeld der Kommunalwahlen im Mai 1989 brachten immer mehr DDR-Bürgerinnen und -Bürger ihren Unmut über die SED-Regierung und das Wahlsystem zum Ausdruck. In Dresden forderte eine Gruppe von Pfarrern per Eingabe an den Leiter der zentralen Wahlkommission Egon Krenz freie und geheime Wahlen.
Am 7. Mai 1989 waren die Bürgerinnen und Bürger der DDR aufgerufen, anlässlich der Kommunalwahlen den Kandidaten der Nationalen Front ihre Stimme zu geben. Wie immer stand nur diese eine Liste zur Auswahl. Mit "Ja" zu stimmen, bedeutete, den Stimmzettel zu falten und in die Wahlurne einzuwerfen. Für ein "Nein" musste jeder einzelne Kandidat in den obligatorisch aufgebauten Wahlkabinen sauber waagerecht durchgestrichen werden. Andere Kenntlichmachungen führten zu einer ungültigen Stimmenabgabe. Im Volksmund wurden die Wahlen daher auch als "Zettelfalten" bezeichnet.
Schon bei den vorangegangenen Volkskammerwahlen waren über westliche Medien Vorwürfe der Wahlfälschung öffentlich geworden. Anfang 1989 riefen verschiedene Gruppen von Oppositionellen zum Wahlboykott auf, forderten freie Wahlen und die Beobachtung der Stimmenauszählung. Letztere war nach § 37 (1) des DDR-Wahlgesetzes öffentlich und auch nach der Verfassung der DDR nicht verboten.
In der gesamten DDR war es im Vorfeld der Wahlen zu verschiedenen "Vorkommnissen" gekommen, wobei die Stasi regionale Schwerpunkte ausmachte. Zu den meisten Vorfällen kam es in der Hauptstadt Berlin, den Bezirken Karl-Marx-Stadt, Dresden, Leipzig, Halle und Magdeburg. Die Art und Weise der "Vorkommnisse" glich sich dabei: Es gingen bei den Wahlkommissionen und Amtsträgern zum Teil anonyme Schreiben und Anrufe ein, zahlreiche "Hetzlosungen" und "Hetzzettel" wurden verbreitet.
Ziel der Kritik waren das Wahlsystem und die Missstände in der DDR. Der Stasi war dabei durchaus bewusst, dass derartige Proteste nur die Spitze des Eisbergs waren. Unter der Oberfläche wurden zahlreiche weniger deutlich artikulierte "Wahlvorbehalte" sichtbar, die beispielsweise in Form der Verweigerung der Annahme der Wahlbenachrichtigungen oder der Ankündigung der Wahlverweigerung zum Ausdruck kamen. Die Stasi beobachtete daher sehr genau die Stimmung im Vorfeld der Wahlen und versuchte mit Hilfe von Inoffiziellen Mitarbeitern den Ursachen der "Wahlvorbehalte" auf den Grund zu gehen.
Denn verschiedene Einzelpersonen, Initiativgruppen und kirchliche Kreise forderten eine bessere Informationspolitik im Vorfeld der Wahlen, um "demokratische Rechte auf Mitgestaltung der gesellschaftlichen Verhältnisse" auch richtig wahrnehmen zu können. Sie wollten den "gesamten Wahlvorgang durchschaubar" machen und so den "Verdacht einer Manipulierung" der Wahlergebnisse ausräumen.
Eine Gruppe Dresdner Pfarrer wandte sich mit einer entsprechenden Eingabe an die Wahlkommission der DDR. Sie forderte gemäß dem Wahlgesetz von 1975 die Einhaltung freier und geheimer Wahlen sowie "eine echte Wahl zwischen verschiedenen Kandidaten" anstatt der Einheitsliste. Die Stasi verunglimpft diese Aufforderung in einer Information über die Lage im Vorfeld der Wahlen als demagogischen Aufruf.
1310
13.02.89
Einschreiben
[Stempel: R
8016 Dresden
089]
[Briefmarken und Poststempel]
[Stempel: Einschreiben
Recommandé]
An die Wahlkommission der DDR
z. Hd. Herrn E. Krenz
Marx-Engels-Platz
Berlin
1020
[Stempel: Albrecht
DDR [unleserlich]19 Dresden
Fiedlerstraße 2]
Inoffizielle Mitarbeiter (IM) waren das wichtigste Instrument des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS), um primär Informationen über Bürger, die Gesellschaft, ihre Institutionen und Organisationen der DDR oder im Ausland zu gewinnen. Unter Umständen hatten IM auf Personen oder Ereignisse in der DDR steuernden Einfluss zu nehmen.
In der DDR-Gesellschaft hießen sie "Spitzel", "Denunzianten" oder "Kundschafter". Mit der deutschen Einheit hat sich die Bezeichnung Inoffizieller Mitarbeiter des MfS für die heimlichen Zuträger etabliert. Sie lieferten u. a. Informationen über Stimmungen und Meinungen in der Bevölkerung.
Die SED-Führung wollte stets über die konkrete Situation und Lage in der DDR unterrichtet sein. Die IM hatten den Auftrag, "staatsgefährdende" Bestrebungen zu ermitteln, was beim MfS "politisch ideologische Diversion" bzw. "politische Untergrundtätigkeit" hieß. Der Bogen hierfür war weit gespannt und reichte von einer privaten Meinungsäußerung bis hin zu politischen Aktivitäten. Überdies sollten sie, wenn auch selten, direkt auf gesellschaftliche Entwicklungen oder einzelne Personen einwirken.
Die IM waren das wichtigste Repressionsinstrument in der DDR. IM wurden auf bestimmte Schwerpunkte angesetzt, von denen tatsächliche oder vermeintliche Gefahren ausgehen konnten. Diese Objekte und Territorien, Bereiche oder Personen waren so zahlreich, dass die geheimpolizeiliche Durchdringung tendenziell den Charakter einer flächendeckenden Überwachung annahm.
Die Anzahl der vom MfS geführten inoffiziellen Mitarbeiter umfasste im Jahre 1989 ungefähr 189.000 IM, darunter 173.000 IM der Abwehrdiensteinheiten, ferner 13.400 IM in der DDR und 1.550 IM in der Bundesrepublik, die von der Hauptverwaltung A geführt wurden, sowie diverse andere wie Zelleninformatoren usw. Auf 89 DDR-Bürger kam somit ein IM. In der Zeit von 1950 bis 1989 gab es insgesamt ca. 620.000 IM.
Die Entwicklung des IM-Netzes ist nicht allein von einem kontinuierlichen Anstieg geprägt, sondern verweist auf besondere Wachstumsphasen in Zeiten innergesellschaftlicher Krisen wie dem 17. Juni 1953 oder am Vorabend des Mauerbaus. Im Zuge der deutsch-deutschen Entspannungspolitik wurde das IM-Netz ebenfalls erweitert. So umfasste es Mitte der 70er Jahre – hochgerechnet – über 200.000 IM. Angesichts wachsender oppositioneller Bewegungen hatte es in den 80er Jahren gleichfalls ein hohes Niveau.
Die flächendeckende Überwachung der Gesellschaft fiel regional recht unterschiedlich aus. Im Land Brandenburg, das die Bezirke Cottbus, Frankfurt (Oder) und Potsdam vereint, war sie stärker als in Thüringen. Die höchste IM-Dichte wies der ehemalige Bezirk Cottbus auf.
Das MfS operierte formal nach territorialen Gesichtspunkten und Sicherungsbereichen, setzte jedoch operative Schwerpunkte in der geheimpolizeilichen Arbeit. Bezogen auf das Gesamtministerium lagen diese – sowohl auf Kreis-, als auch auf Bezirks- und Hauptabteilungsebene – bei der Volkswirtschaft, der Spionageabwehr und auf der "politischen Untergrundtätigkeit", der "Bearbeitung " von oppositionellen Milieus und den Kirchen.
Die Motive zur Kooperation mit dem MfS waren überwiegend ideeller, seltener materieller Natur, noch seltener war Erpressung der Grund. Die Kooperation währte durchschnittlich sechs bis zehn Jahre oder länger. Augenfällig ist, dass darunter nicht wenige soziale Aufsteiger waren. Der Anteil von weiblichen IM lag in der DDR bei 17 Prozent, in der Bundesrepublik bei 28 Prozent. Über die Hälfte der IM war Mitglied der SED. Von den 2,3 Mio. Mitgliedern der Partei ausgehend, waren 4 bis 5 Prozent zuletzt inoffiziell aktiv, d. h. jedes zwanzigste SED-Mitglied.
Das MfS differenzierte IM nach Kategorien: Gesellschaftliche Mitarbeiter für Sicherheit, IM zur Sicherung und Durchdringung des Verantwortungsbereichs, IM im besonderen Einsatz, Führungs-IM und IM zur Sicherung der Konspiration und des Verbindungswesens. Die wichtigste Kategorie waren IM mit "Feindverbindungen" bzw. solche, die Personen zu "bearbeiten" hatten, die "im Verdacht der Feindtätigkeit" standen. Im Laufe der 80er Jahre nahm der Anteil von IM in der Kategorie IMB bis Dezember 1988 auf rund 3.900 zu.
Der Anteil von Bundesbürgern oder Ausländern unter den IM des MfS betrug nicht einmal 2 Prozent. 1989 waren mindestens 3.000 Bundesbürger inoffiziell im Dienste des MfS, zusätzlich mehrere Hundert Ausländer. In der Zeit von 1949 bis 1989 waren insgesamt mindestens 12.000 Bundesbürger und Westberliner IM.
Die operativen Ziele des MfS waren über die gesamte Bundesrepublik Deutschland verteilt. Darüber hinaus gab es Schwerpunkte in Europa, im Nahen Osten und Asien, nachgeordnet auch in Afrika und Lateinamerika. Nachrichtendienstliche Schwerpunkte waren vor allem die Wissenschafts- und Technikspionage, erst danach die politische und mit etwas Abstand die Militärspionage. Die Bundesrepublik Deutschland wurde folglich vor allem als Ressource zur Systemstabilisierung genutzt.
Die politische Spionage diente vornehmlich dazu, die politische Gefährdungslage des herrschenden Systems in der DDR bestimmen zu können. Dieses Profil deutet an, dass die Spionage der Bewahrung des Status quo dienen sollte. Von einer Unterwanderung der Bundesrepublik war die Geheimpolizei zahlenmäßig weit entfernt. Vielmehr waren ihre inoffiziellen Mitarbeiter damit beschäftigt, das DDR-System zu stabilisieren.
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Signatur: BStU, MfS, HA XX/AKG, Nr. 7143, Bl. 20-23
Im Vorfeld der Kommunalwahlen im Mai 1989 brachten immer mehr DDR-Bürgerinnen und -Bürger ihren Unmut über die SED-Regierung und das Wahlsystem zum Ausdruck. In Dresden forderte eine Gruppe von Pfarrern per Eingabe an den Leiter der zentralen Wahlkommission Egon Krenz freie und geheime Wahlen.
Am 7. Mai 1989 waren die Bürgerinnen und Bürger der DDR aufgerufen, anlässlich der Kommunalwahlen den Kandidaten der Nationalen Front ihre Stimme zu geben. Wie immer stand nur diese eine Liste zur Auswahl. Mit "Ja" zu stimmen, bedeutete, den Stimmzettel zu falten und in die Wahlurne einzuwerfen. Für ein "Nein" musste jeder einzelne Kandidat in den obligatorisch aufgebauten Wahlkabinen sauber waagerecht durchgestrichen werden. Andere Kenntlichmachungen führten zu einer ungültigen Stimmenabgabe. Im Volksmund wurden die Wahlen daher auch als "Zettelfalten" bezeichnet.
Schon bei den vorangegangenen Volkskammerwahlen waren über westliche Medien Vorwürfe der Wahlfälschung öffentlich geworden. Anfang 1989 riefen verschiedene Gruppen von Oppositionellen zum Wahlboykott auf, forderten freie Wahlen und die Beobachtung der Stimmenauszählung. Letztere war nach § 37 (1) des DDR-Wahlgesetzes öffentlich und auch nach der Verfassung der DDR nicht verboten.
In der gesamten DDR war es im Vorfeld der Wahlen zu verschiedenen "Vorkommnissen" gekommen, wobei die Stasi regionale Schwerpunkte ausmachte. Zu den meisten Vorfällen kam es in der Hauptstadt Berlin, den Bezirken Karl-Marx-Stadt, Dresden, Leipzig, Halle und Magdeburg. Die Art und Weise der "Vorkommnisse" glich sich dabei: Es gingen bei den Wahlkommissionen und Amtsträgern zum Teil anonyme Schreiben und Anrufe ein, zahlreiche "Hetzlosungen" und "Hetzzettel" wurden verbreitet.
Ziel der Kritik waren das Wahlsystem und die Missstände in der DDR. Der Stasi war dabei durchaus bewusst, dass derartige Proteste nur die Spitze des Eisbergs waren. Unter der Oberfläche wurden zahlreiche weniger deutlich artikulierte "Wahlvorbehalte" sichtbar, die beispielsweise in Form der Verweigerung der Annahme der Wahlbenachrichtigungen oder der Ankündigung der Wahlverweigerung zum Ausdruck kamen. Die Stasi beobachtete daher sehr genau die Stimmung im Vorfeld der Wahlen und versuchte mit Hilfe von Inoffiziellen Mitarbeitern den Ursachen der "Wahlvorbehalte" auf den Grund zu gehen.
Denn verschiedene Einzelpersonen, Initiativgruppen und kirchliche Kreise forderten eine bessere Informationspolitik im Vorfeld der Wahlen, um "demokratische Rechte auf Mitgestaltung der gesellschaftlichen Verhältnisse" auch richtig wahrnehmen zu können. Sie wollten den "gesamten Wahlvorgang durchschaubar" machen und so den "Verdacht einer Manipulierung" der Wahlergebnisse ausräumen.
Eine Gruppe Dresdner Pfarrer wandte sich mit einer entsprechenden Eingabe an die Wahlkommission der DDR. Sie forderte gemäß dem Wahlgesetz von 1975 die Einhaltung freier und geheimer Wahlen sowie "eine echte Wahl zwischen verschiedenen Kandidaten" anstatt der Einheitsliste. Die Stasi verunglimpft diese Aufforderung in einer Information über die Lage im Vorfeld der Wahlen als demagogischen Aufruf.
An die Wahlkommission der DDR
z.Hd. Herrn Egon Krenz,
Vorsitzender
Marx-Engels-Platz
Berlin
1020
Dresden, am 10.02.89
Betr.: Wahlen am 7. Mai 1989
Wir, die unterzeichnenden Pfarrer aus Dresden, sehen uns genötigt, Ihnen im Blick auf die kommende Wahl zu schreiben. Im Verlauf unseres Dienstes als Pfarrer, z.T. über Jahrzehnte hinweg, haben wir versucht, gemäß unseres Auftrags der Verkündigung des Evangeliums auch den gesellschaftlichen Prozeß unseres Landes zum Wohl der Menschen zu fördern. Das gelingt u.E., so wie wir es in vielen Gesprächen feststellen, dort am ehesten, wo Beschlüsse und Festlegungen durchschaubar sind und den gesellschaftlichen Veränderungen Rechnung tragen.
Dies ist für uns bei der Wahl - bei dem Modus wie bei der Durchführung - am wenigsten gegeben. Im Zusammenhang mit der letzten Wahl zur Volkskammer und zu den Bezirkstagen kam es zu einer Reihe von Ereignissen, die uns berichtet wurden bzw. die wir selbst erlebten, die uns manches problematisch erscheinen ließen.
Die Anfragen und Vorbehalte wurden auch bei einem Gespräch mit Vertretern des Stadtbezirks nicht ausgeräumt und lassen uns fragen, ob der Anspruch einer freien und geheimen Wahl mit der Wirklichkeit übereinstimmt. Aus Gesprächen mit Gemeindegliedern wissen wir, daß manche entgegen ihrer Überzeugung zur Wahl gehen und offen ihren Wahlschein in die Urne stecken, weil sie Sorge haben, diskriminiert oder benachteiligt zu werden.
Darum wäre es dringend erforderlich, gemäß Wahlgesetz vom 24.Juni 1975, den Wählern in geeigneter Weise offiziell bekanntzugeben,
- daß es ein Wahlrecht, aber keine Wahlpflicht gibt;
- daß in jedem Wahllokal eine Wahlkabine vorhanden ist und genutzt werden muß;
- wann eine Stimme eine gültige Ja- oder Nein-Stimme bzw. wann sie ungültig ist.
Damit der gesamte Wahlvorgang durchschaubar und der Verdacht einer Manipulierung ausgeschlossen wird, ist eine Veröffentlichung der bisher internen Wahldurchführungsbestimmungen ebenfalls vor der Wahl nötig.
Inoffizielle Mitarbeiter (IM) waren das wichtigste Instrument des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS), um primär Informationen über Bürger, die Gesellschaft, ihre Institutionen und Organisationen der DDR oder im Ausland zu gewinnen. Unter Umständen hatten IM auf Personen oder Ereignisse in der DDR steuernden Einfluss zu nehmen.
In der DDR-Gesellschaft hießen sie "Spitzel", "Denunzianten" oder "Kundschafter". Mit der deutschen Einheit hat sich die Bezeichnung Inoffizieller Mitarbeiter des MfS für die heimlichen Zuträger etabliert. Sie lieferten u. a. Informationen über Stimmungen und Meinungen in der Bevölkerung.
Die SED-Führung wollte stets über die konkrete Situation und Lage in der DDR unterrichtet sein. Die IM hatten den Auftrag, "staatsgefährdende" Bestrebungen zu ermitteln, was beim MfS "politisch ideologische Diversion" bzw. "politische Untergrundtätigkeit" hieß. Der Bogen hierfür war weit gespannt und reichte von einer privaten Meinungsäußerung bis hin zu politischen Aktivitäten. Überdies sollten sie, wenn auch selten, direkt auf gesellschaftliche Entwicklungen oder einzelne Personen einwirken.
Die IM waren das wichtigste Repressionsinstrument in der DDR. IM wurden auf bestimmte Schwerpunkte angesetzt, von denen tatsächliche oder vermeintliche Gefahren ausgehen konnten. Diese Objekte und Territorien, Bereiche oder Personen waren so zahlreich, dass die geheimpolizeiliche Durchdringung tendenziell den Charakter einer flächendeckenden Überwachung annahm.
Die Anzahl der vom MfS geführten inoffiziellen Mitarbeiter umfasste im Jahre 1989 ungefähr 189.000 IM, darunter 173.000 IM der Abwehrdiensteinheiten, ferner 13.400 IM in der DDR und 1.550 IM in der Bundesrepublik, die von der Hauptverwaltung A geführt wurden, sowie diverse andere wie Zelleninformatoren usw. Auf 89 DDR-Bürger kam somit ein IM. In der Zeit von 1950 bis 1989 gab es insgesamt ca. 620.000 IM.
Die Entwicklung des IM-Netzes ist nicht allein von einem kontinuierlichen Anstieg geprägt, sondern verweist auf besondere Wachstumsphasen in Zeiten innergesellschaftlicher Krisen wie dem 17. Juni 1953 oder am Vorabend des Mauerbaus. Im Zuge der deutsch-deutschen Entspannungspolitik wurde das IM-Netz ebenfalls erweitert. So umfasste es Mitte der 70er Jahre – hochgerechnet – über 200.000 IM. Angesichts wachsender oppositioneller Bewegungen hatte es in den 80er Jahren gleichfalls ein hohes Niveau.
Die flächendeckende Überwachung der Gesellschaft fiel regional recht unterschiedlich aus. Im Land Brandenburg, das die Bezirke Cottbus, Frankfurt (Oder) und Potsdam vereint, war sie stärker als in Thüringen. Die höchste IM-Dichte wies der ehemalige Bezirk Cottbus auf.
Das MfS operierte formal nach territorialen Gesichtspunkten und Sicherungsbereichen, setzte jedoch operative Schwerpunkte in der geheimpolizeilichen Arbeit. Bezogen auf das Gesamtministerium lagen diese – sowohl auf Kreis-, als auch auf Bezirks- und Hauptabteilungsebene – bei der Volkswirtschaft, der Spionageabwehr und auf der "politischen Untergrundtätigkeit", der "Bearbeitung " von oppositionellen Milieus und den Kirchen.
Die Motive zur Kooperation mit dem MfS waren überwiegend ideeller, seltener materieller Natur, noch seltener war Erpressung der Grund. Die Kooperation währte durchschnittlich sechs bis zehn Jahre oder länger. Augenfällig ist, dass darunter nicht wenige soziale Aufsteiger waren. Der Anteil von weiblichen IM lag in der DDR bei 17 Prozent, in der Bundesrepublik bei 28 Prozent. Über die Hälfte der IM war Mitglied der SED. Von den 2,3 Mio. Mitgliedern der Partei ausgehend, waren 4 bis 5 Prozent zuletzt inoffiziell aktiv, d. h. jedes zwanzigste SED-Mitglied.
Das MfS differenzierte IM nach Kategorien: Gesellschaftliche Mitarbeiter für Sicherheit, IM zur Sicherung und Durchdringung des Verantwortungsbereichs, IM im besonderen Einsatz, Führungs-IM und IM zur Sicherung der Konspiration und des Verbindungswesens. Die wichtigste Kategorie waren IM mit "Feindverbindungen" bzw. solche, die Personen zu "bearbeiten" hatten, die "im Verdacht der Feindtätigkeit" standen. Im Laufe der 80er Jahre nahm der Anteil von IM in der Kategorie IMB bis Dezember 1988 auf rund 3.900 zu.
Der Anteil von Bundesbürgern oder Ausländern unter den IM des MfS betrug nicht einmal 2 Prozent. 1989 waren mindestens 3.000 Bundesbürger inoffiziell im Dienste des MfS, zusätzlich mehrere Hundert Ausländer. In der Zeit von 1949 bis 1989 waren insgesamt mindestens 12.000 Bundesbürger und Westberliner IM.
Die operativen Ziele des MfS waren über die gesamte Bundesrepublik Deutschland verteilt. Darüber hinaus gab es Schwerpunkte in Europa, im Nahen Osten und Asien, nachgeordnet auch in Afrika und Lateinamerika. Nachrichtendienstliche Schwerpunkte waren vor allem die Wissenschafts- und Technikspionage, erst danach die politische und mit etwas Abstand die Militärspionage. Die Bundesrepublik Deutschland wurde folglich vor allem als Ressource zur Systemstabilisierung genutzt.
Die politische Spionage diente vornehmlich dazu, die politische Gefährdungslage des herrschenden Systems in der DDR bestimmen zu können. Dieses Profil deutet an, dass die Spionage der Bewahrung des Status quo dienen sollte. Von einer Unterwanderung der Bundesrepublik war die Geheimpolizei zahlenmäßig weit entfernt. Vielmehr waren ihre inoffiziellen Mitarbeiter damit beschäftigt, das DDR-System zu stabilisieren.
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Signatur: BStU, MfS, HA XX/AKG, Nr. 7143, Bl. 20-23
Im Vorfeld der Kommunalwahlen im Mai 1989 brachten immer mehr DDR-Bürgerinnen und -Bürger ihren Unmut über die SED-Regierung und das Wahlsystem zum Ausdruck. In Dresden forderte eine Gruppe von Pfarrern per Eingabe an den Leiter der zentralen Wahlkommission Egon Krenz freie und geheime Wahlen.
Am 7. Mai 1989 waren die Bürgerinnen und Bürger der DDR aufgerufen, anlässlich der Kommunalwahlen den Kandidaten der Nationalen Front ihre Stimme zu geben. Wie immer stand nur diese eine Liste zur Auswahl. Mit "Ja" zu stimmen, bedeutete, den Stimmzettel zu falten und in die Wahlurne einzuwerfen. Für ein "Nein" musste jeder einzelne Kandidat in den obligatorisch aufgebauten Wahlkabinen sauber waagerecht durchgestrichen werden. Andere Kenntlichmachungen führten zu einer ungültigen Stimmenabgabe. Im Volksmund wurden die Wahlen daher auch als "Zettelfalten" bezeichnet.
Schon bei den vorangegangenen Volkskammerwahlen waren über westliche Medien Vorwürfe der Wahlfälschung öffentlich geworden. Anfang 1989 riefen verschiedene Gruppen von Oppositionellen zum Wahlboykott auf, forderten freie Wahlen und die Beobachtung der Stimmenauszählung. Letztere war nach § 37 (1) des DDR-Wahlgesetzes öffentlich und auch nach der Verfassung der DDR nicht verboten.
In der gesamten DDR war es im Vorfeld der Wahlen zu verschiedenen "Vorkommnissen" gekommen, wobei die Stasi regionale Schwerpunkte ausmachte. Zu den meisten Vorfällen kam es in der Hauptstadt Berlin, den Bezirken Karl-Marx-Stadt, Dresden, Leipzig, Halle und Magdeburg. Die Art und Weise der "Vorkommnisse" glich sich dabei: Es gingen bei den Wahlkommissionen und Amtsträgern zum Teil anonyme Schreiben und Anrufe ein, zahlreiche "Hetzlosungen" und "Hetzzettel" wurden verbreitet.
Ziel der Kritik waren das Wahlsystem und die Missstände in der DDR. Der Stasi war dabei durchaus bewusst, dass derartige Proteste nur die Spitze des Eisbergs waren. Unter der Oberfläche wurden zahlreiche weniger deutlich artikulierte "Wahlvorbehalte" sichtbar, die beispielsweise in Form der Verweigerung der Annahme der Wahlbenachrichtigungen oder der Ankündigung der Wahlverweigerung zum Ausdruck kamen. Die Stasi beobachtete daher sehr genau die Stimmung im Vorfeld der Wahlen und versuchte mit Hilfe von Inoffiziellen Mitarbeitern den Ursachen der "Wahlvorbehalte" auf den Grund zu gehen.
Denn verschiedene Einzelpersonen, Initiativgruppen und kirchliche Kreise forderten eine bessere Informationspolitik im Vorfeld der Wahlen, um "demokratische Rechte auf Mitgestaltung der gesellschaftlichen Verhältnisse" auch richtig wahrnehmen zu können. Sie wollten den "gesamten Wahlvorgang durchschaubar" machen und so den "Verdacht einer Manipulierung" der Wahlergebnisse ausräumen.
Eine Gruppe Dresdner Pfarrer wandte sich mit einer entsprechenden Eingabe an die Wahlkommission der DDR. Sie forderte gemäß dem Wahlgesetz von 1975 die Einhaltung freier und geheimer Wahlen sowie "eine echte Wahl zwischen verschiedenen Kandidaten" anstatt der Einheitsliste. Die Stasi verunglimpft diese Aufforderung in einer Information über die Lage im Vorfeld der Wahlen als demagogischen Aufruf.
Weiterhin erwarten wir in Zukunft, daß die gegenwärtig praktizierte Abstimmung zu einer Kandidatenliste umgewandelt wird in eine echte Wahl zwischen verschiedenen Kandidaten und daß auch Parteilose kandidieren können, ohne nominell einer Partei oder Massenorganisation zugeordnet zu werden.
Wir schreiben diesen Brief, weil uns daran liegt, daß die Wahrhaftigkeit in unserem Land gefördert wird. Diese Eingabe bitten wir uns schriftlich zu beantworten.
[handschriftlich abgehakt][handschriftliche Ergänzung: alle [unterstrichen: 0]] [Unterschrift]
[handschriftliche Ergänzung: [unleserlich] 11541]
Rudolf Albrecht
Fiedlerstr. 2
Dresden 8019
[handschriftliche abgehakt] [Unterschrift]
[handschriftliche Ergänzung: SW295] Harald Bretschneider
Reinickstr. 13
[handschriftliche Ergänzung: [unleserlich]] Dresden 8019
[Unterschrift]
Hans Christoph Schumann
[handschriftliche Ergänzung: [unleserlich]] Fiedlerstr. 2
Dresden 8019
[Unterschrift]
Johannes Rechenberg
[handschriftliche Ergänzung: [unleserlich]] Kirchgasse 6 PF 33-18
Dresden 8054
[Unterschrift]
Klaus Rebs
[handschriftliche Ergänzung: [unleserlich]] Voglerstr. 12
Dresden 8021
[Unterschrift]
[handschriftliche Ergänzung: w.id.M.Hans-Georg]
Hans-Richard Mosemann
[handschriftliche Ergänzung: [unleserlich]]Seb.-Bach-Str. 13, PSF 33
Dresden 8054
[Unterschrift]
[handschriftliche Ergänzung: VSH[unleserlich]
Angelika Biskupski
Grunaer Weg 17
[handschriftlich abgehakt] Dresden 8020
[Unterschrift]
Dietmar Selunka
[handschriftliche Ergänzung: [unleserlich]]
Pillnitzer Landstr. 9
Dresden 8054
[Unterschrift]
[handschriftliche Ergänzung: w.id. VSHSW
geb. 01.03.34
a. Adresse]
Wolfgang Opitz
Einsteinstr. 2
Dresden 8027
[Unterschrift]
Andreas Horn
[handschriftliche Ergänzung: VSHSW] Voglerstr. 18
Dresden 8021
[Unterschrift]
Andreas Jentsch
[handschriftliche Ergänzung: [unleserlich]] Käthe-Kollwitz-Ufer 75
Dresden 8053
[Unterschrift]
Matthias Weismann
[handschriftliche Ergänzung: [unleserlich]] Anton-Graff-Str. 28
Dresden 8019
[Unterschrift]
Rainer Petzold
[handschriftliche Ergänzung: [unleserlich]]
Reichenbachstr. 79, PF 16-14
Dresden 8020
[Unterschrift]
Fried Fleischhack
[handschriftliche Ergänzung: [unleserlich]] Haydnstr. 23
Dresden 8019
[handschriftliche Ergänzung: Fl. Dorothee VSH[unleserlich]]
Inoffizielle Mitarbeiter (IM) waren das wichtigste Instrument des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS), um primär Informationen über Bürger, die Gesellschaft, ihre Institutionen und Organisationen der DDR oder im Ausland zu gewinnen. Unter Umständen hatten IM auf Personen oder Ereignisse in der DDR steuernden Einfluss zu nehmen.
In der DDR-Gesellschaft hießen sie "Spitzel", "Denunzianten" oder "Kundschafter". Mit der deutschen Einheit hat sich die Bezeichnung Inoffizieller Mitarbeiter des MfS für die heimlichen Zuträger etabliert. Sie lieferten u. a. Informationen über Stimmungen und Meinungen in der Bevölkerung.
Die SED-Führung wollte stets über die konkrete Situation und Lage in der DDR unterrichtet sein. Die IM hatten den Auftrag, "staatsgefährdende" Bestrebungen zu ermitteln, was beim MfS "politisch ideologische Diversion" bzw. "politische Untergrundtätigkeit" hieß. Der Bogen hierfür war weit gespannt und reichte von einer privaten Meinungsäußerung bis hin zu politischen Aktivitäten. Überdies sollten sie, wenn auch selten, direkt auf gesellschaftliche Entwicklungen oder einzelne Personen einwirken.
Die IM waren das wichtigste Repressionsinstrument in der DDR. IM wurden auf bestimmte Schwerpunkte angesetzt, von denen tatsächliche oder vermeintliche Gefahren ausgehen konnten. Diese Objekte und Territorien, Bereiche oder Personen waren so zahlreich, dass die geheimpolizeiliche Durchdringung tendenziell den Charakter einer flächendeckenden Überwachung annahm.
Die Anzahl der vom MfS geführten inoffiziellen Mitarbeiter umfasste im Jahre 1989 ungefähr 189.000 IM, darunter 173.000 IM der Abwehrdiensteinheiten, ferner 13.400 IM in der DDR und 1.550 IM in der Bundesrepublik, die von der Hauptverwaltung A geführt wurden, sowie diverse andere wie Zelleninformatoren usw. Auf 89 DDR-Bürger kam somit ein IM. In der Zeit von 1950 bis 1989 gab es insgesamt ca. 620.000 IM.
Die Entwicklung des IM-Netzes ist nicht allein von einem kontinuierlichen Anstieg geprägt, sondern verweist auf besondere Wachstumsphasen in Zeiten innergesellschaftlicher Krisen wie dem 17. Juni 1953 oder am Vorabend des Mauerbaus. Im Zuge der deutsch-deutschen Entspannungspolitik wurde das IM-Netz ebenfalls erweitert. So umfasste es Mitte der 70er Jahre – hochgerechnet – über 200.000 IM. Angesichts wachsender oppositioneller Bewegungen hatte es in den 80er Jahren gleichfalls ein hohes Niveau.
Die flächendeckende Überwachung der Gesellschaft fiel regional recht unterschiedlich aus. Im Land Brandenburg, das die Bezirke Cottbus, Frankfurt (Oder) und Potsdam vereint, war sie stärker als in Thüringen. Die höchste IM-Dichte wies der ehemalige Bezirk Cottbus auf.
Das MfS operierte formal nach territorialen Gesichtspunkten und Sicherungsbereichen, setzte jedoch operative Schwerpunkte in der geheimpolizeilichen Arbeit. Bezogen auf das Gesamtministerium lagen diese – sowohl auf Kreis-, als auch auf Bezirks- und Hauptabteilungsebene – bei der Volkswirtschaft, der Spionageabwehr und auf der "politischen Untergrundtätigkeit", der "Bearbeitung " von oppositionellen Milieus und den Kirchen.
Die Motive zur Kooperation mit dem MfS waren überwiegend ideeller, seltener materieller Natur, noch seltener war Erpressung der Grund. Die Kooperation währte durchschnittlich sechs bis zehn Jahre oder länger. Augenfällig ist, dass darunter nicht wenige soziale Aufsteiger waren. Der Anteil von weiblichen IM lag in der DDR bei 17 Prozent, in der Bundesrepublik bei 28 Prozent. Über die Hälfte der IM war Mitglied der SED. Von den 2,3 Mio. Mitgliedern der Partei ausgehend, waren 4 bis 5 Prozent zuletzt inoffiziell aktiv, d. h. jedes zwanzigste SED-Mitglied.
Das MfS differenzierte IM nach Kategorien: Gesellschaftliche Mitarbeiter für Sicherheit, IM zur Sicherung und Durchdringung des Verantwortungsbereichs, IM im besonderen Einsatz, Führungs-IM und IM zur Sicherung der Konspiration und des Verbindungswesens. Die wichtigste Kategorie waren IM mit "Feindverbindungen" bzw. solche, die Personen zu "bearbeiten" hatten, die "im Verdacht der Feindtätigkeit" standen. Im Laufe der 80er Jahre nahm der Anteil von IM in der Kategorie IMB bis Dezember 1988 auf rund 3.900 zu.
Der Anteil von Bundesbürgern oder Ausländern unter den IM des MfS betrug nicht einmal 2 Prozent. 1989 waren mindestens 3.000 Bundesbürger inoffiziell im Dienste des MfS, zusätzlich mehrere Hundert Ausländer. In der Zeit von 1949 bis 1989 waren insgesamt mindestens 12.000 Bundesbürger und Westberliner IM.
Die operativen Ziele des MfS waren über die gesamte Bundesrepublik Deutschland verteilt. Darüber hinaus gab es Schwerpunkte in Europa, im Nahen Osten und Asien, nachgeordnet auch in Afrika und Lateinamerika. Nachrichtendienstliche Schwerpunkte waren vor allem die Wissenschafts- und Technikspionage, erst danach die politische und mit etwas Abstand die Militärspionage. Die Bundesrepublik Deutschland wurde folglich vor allem als Ressource zur Systemstabilisierung genutzt.
Die politische Spionage diente vornehmlich dazu, die politische Gefährdungslage des herrschenden Systems in der DDR bestimmen zu können. Dieses Profil deutet an, dass die Spionage der Bewahrung des Status quo dienen sollte. Von einer Unterwanderung der Bundesrepublik war die Geheimpolizei zahlenmäßig weit entfernt. Vielmehr waren ihre inoffiziellen Mitarbeiter damit beschäftigt, das DDR-System zu stabilisieren.
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Anzeige wegen Wahlfälschung im Bezirk Dresden Dokument, 2 Seiten
Information über "feindlich-negative Aktivitäten" im Vorfeld der Kommunalwahlen 1989 in Dresden Dokument, 4 Seiten
Eingabe zur Durchführung einer öffentlichen Wahlversammlung im Bezirk Dresden Dokument, 2 Seiten
Beschluss der 22. Landessynode Sachsens zu den Kommunalwahlen 1989 Dokument, 1 Seite