Signatur: BStU, MfS, SED-Kreisleitung, Nr. 4581, Bl. 35-40
Das Verbot der Monatszeitschrift "Sputnik" löste in der DDR allerorts Proteste aus. Auch Stasi-Angehörige schrieben Beschwerdebriefe an das Zentralkomitee der SED. Bei anschließenden Aussprachen sollten sie ihren kritischen Standpunkt zu der Zensurmaßnahme aufgeben.
Die sowjetische Monatszeitschrift "Sputnik" existierte seit 1967 in der UdSSR und erschien in mehreren Sprachen. Sie sollte das Erscheinungsbild des Landes in sozialistischen Staaten und in westlichen Ländern verbessern und verzichtete deswegen weitgehend auf sozialistische Rhetorik. Mit Beginn von Glasnost und Perestroika in der Sowjetunion informierte "Sputnik" in der zweiten Hälfte der achtziger Jahre auch über die Reformpolitik Gorbatschows und griff frühere Tabuthemen auf, wie die Verbrechen Stalins. In der DDR eröffnete die Zeitschrift ihrer Leserschaft damit eine willkommene Abwechslung in der Medienlandschaft.
Von der SED-Führung wurde sie hingegen zunehmend kritisch betrachtet. Als die November-Ausgabe von 1988 den in der DDR-Geschichtsschreibung geleugneten Hitler-Stalin-Pakt thematisierte sowie die Stalin-hörige KPD der 20er Jahre kritisierte, untersagten SED-Funktionäre am 18. November 1988 den weiteren Vertrieb der Zeitschrift in der DDR. Das Heft wurde eingezogen und eingestampft - mit der Begründung, die Zeitschrift enthalte "keinen Beitrag, der der Festigung der deutsch-sowjetischen Freundschaft dient, statt dessen verzerrende Beiträge zur Geschichte".
Selbst MfS-Mitarbeiter verfassten Eingaben, in denen sie ihren Unmut über die Nichtauslieferung des "Sputniks" äußerten. Gerade für solche Geheimnisträger zog dies eine Aussprache vor der Parteikontrollkommission (PKK) nach sich.
Parteiorganisation im MfS
Parteikontrollkommission
Berlin, 19.01.1989
Ergebnisse
der Bearbeitung von Schreiben, die von Angehörigen des MfS im Zusammenhang mit der Nichtauslieferung der Zeitschrift "Sputnik" 10/88 an das ZK der SED gerichtet wurden
Von der ZPKK erhielt die PKK den Auftrag, drei derartige Sachverhalte zu bearbeiten. Das erfolgte in enger Zusammenarbeit mit den 1. Sekretären der betreffenden PO.
Die zur Klärung erforderlichen Aussprachen und Mitgliederversammlungen wurden in Verantwortlichkeit der jeweiligen Parteileitungen und Parteikollektive durchgeführt.
Es war erforderlich, der PO ZMD dabei durch die PKK und den Operativinstrukteur Unterstützung zu geben.
Zu den Verfassern der Schreiben wurden folgende Feststellungen getroffen und zur Klärung der Probleme nachstehend genannte Maßnahmen durchgeführt und Beschlüsse gefaßt.
Genosse [anonymisiert]
geb. am [anonymisiert]
PO ZMD
SED seit April 1971
MfS seit Juni 1970
Ingenieur für Medizintechnik
langjähriger Propagandist
Er hatte in einem Brief an den Generalsekretär des ZK der SED die Informationspolitik der Partei kritisiert und erklärt, daß er "den neueren Methoden nicht mehr zustimmen kann, wo Zeitschriften aus Freundesland am Erscheinen gehindert werden". Durch entsprechende Beschlüsse der Partei "fühle er sich persönlich in gewissem Maße für unmündig erklärt". Er machte der Partei den Vorwurf, Zeitungen und Zeitschriften zu verbieten und in der ideologischen Arbeit eine deffensive Haltung einzunehmen.
Er vertrat die Auffassung, daß in unseren Medien auch unangenehme Standpunkte von Bürgern der DDR und bürgerlichen Ideologen veröffentlicht werden sollten.
Der Zentrale Medizinische Dienst (ZMD) entstand 1974 aus der Abteilung Medizinischer Dienst. Seine Aufgaben waren: Gewährleistung der medizinischen, ggf. auch psychologischen Versorgung/Betreuung der hauptamtlichen Mitarbeiter des MfS als auch der UMA, OibE, HIM und zurückgezogener "Kundschafter"; Leitung des MfS-Krankenhauses in Berlin-Buch, der MfS-Poliklinik Berlin-Lichtenberg und des Haftkrankenhauses Berlin-Hohenschönhausen (Abt. Haftkrankenhaus).
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Signatur: BStU, MfS, SED-Kreisleitung, Nr. 4581, Bl. 35-40
Das Verbot der Monatszeitschrift "Sputnik" löste in der DDR allerorts Proteste aus. Auch Stasi-Angehörige schrieben Beschwerdebriefe an das Zentralkomitee der SED. Bei anschließenden Aussprachen sollten sie ihren kritischen Standpunkt zu der Zensurmaßnahme aufgeben.
Die sowjetische Monatszeitschrift "Sputnik" existierte seit 1967 in der UdSSR und erschien in mehreren Sprachen. Sie sollte das Erscheinungsbild des Landes in sozialistischen Staaten und in westlichen Ländern verbessern und verzichtete deswegen weitgehend auf sozialistische Rhetorik. Mit Beginn von Glasnost und Perestroika in der Sowjetunion informierte "Sputnik" in der zweiten Hälfte der achtziger Jahre auch über die Reformpolitik Gorbatschows und griff frühere Tabuthemen auf, wie die Verbrechen Stalins. In der DDR eröffnete die Zeitschrift ihrer Leserschaft damit eine willkommene Abwechslung in der Medienlandschaft.
Von der SED-Führung wurde sie hingegen zunehmend kritisch betrachtet. Als die November-Ausgabe von 1988 den in der DDR-Geschichtsschreibung geleugneten Hitler-Stalin-Pakt thematisierte sowie die Stalin-hörige KPD der 20er Jahre kritisierte, untersagten SED-Funktionäre am 18. November 1988 den weiteren Vertrieb der Zeitschrift in der DDR. Das Heft wurde eingezogen und eingestampft - mit der Begründung, die Zeitschrift enthalte "keinen Beitrag, der der Festigung der deutsch-sowjetischen Freundschaft dient, statt dessen verzerrende Beiträge zur Geschichte".
Selbst MfS-Mitarbeiter verfassten Eingaben, in denen sie ihren Unmut über die Nichtauslieferung des "Sputniks" äußerten. Gerade für solche Geheimnisträger zog dies eine Aussprache vor der Parteikontrollkommission (PKK) nach sich.
Es wurde festgestellt, daß Gen. [anonymisiert] derartige Positionen auch schon in der zurückliegenden Zeit zu verschiedenen Anlässen vertreten hatte. Gegenüber parteilichen Argumenten und kritischen Hinweisen zur Veränderung seiner Haltung als Parteimitglied zeigte er wenig oder keine Aufgeschlossenheit.
Das veranlaßte den Leiter der Diensteinheit und den Parteisekretär in der Beurteilung für den Zeitraum von 1983 bis Juni 1988 folgende Einschätzung aufzunehmen:
"Er nimmt eine Schlüsselposition in der kollektiven Kommunikation ein und besitzt Einflußkraft auf Stimmungen und Meinungen der Genossen."
"Er betrachtet manche gesellschaftliche Erscheinungen und Entwicklungen außerordentlich kritisch. An politischen Diskussionen ist er sehr interessiert, neigt jedoch dazu, durchaus kritikwürdige Einzelerscheinungen zu verallgemeinern und ist Gegenargumenten gegenüber nicht immer aufgeschlossen. In der Auseinandersetzung kann er außerordentlich impulsiv und überschießend auftreten. Seine teilweise pessimistischen Tendenzen und Positionen, die er in politischen Diskussionen einnimmt, stehen oft der Bildung einer gemeinsamen Meinung und einem konstruktiven, kollektiven Herangehen entgegen. Er muß deshalb in Zukunft seiner Vorbildrolle als Hochschulkader innerhalb des Kollektivs bewußter gerecht werden."
"Seine Wirksamkeit im Partei- und Dienstkollektiv wird wesentlich davon bestimmt werden, ob es ihm gelingt, auch bei Meinungsdifferenzen immer Sachlichkeit zu wahren und eine Neigung zu individualistischer Betrachtung zugunsten höherer Objektivität zurückzudrängen."
Eine Auswertung dieser Einschätzung erfolgte mit ihm bis Dezember 1988 nicht. Er wurde aber als Kandidat für die Wahl in die GO-Leitung vorgeschlagen, im Oktober 1988 gewählt und mit der Funktion als Funktionär für Agitation und Propaganda betraut.
Am 29.10.1988 führte die GO-Leitung eine Schulung der neugewählten APO-Funktionäre durch. Bereits dort warf er die Frage auf, ob es eine Berechtigung gäbe, die Nr. 10/88 des Sputnik nicht ausliefern zu lassen und worin die Gründe bestünden. Entgegen seiner Verantwortung als Funktionär für Agitation und Propaganda beteiligte er sich nicht konstruktiv an der Erarbeitung von Argumenten. Gegenüber parteilichen Standpunkten anderer Genossen zeigte er sich uneinsichtig und verharrte auf analogen Positionen, wie sie in seinem Schreiben enthalten sind.
Nach erfolglosen Versuchen, ihn zu überzeugen und vom Schreiben der von ihm angekündigten Eingabe abzuhalten, wurde die Diskussion dazu beendet.
Bevor sich Anfang der 80er Jahre der Begriff Öffentlichkeitsarbeit, zumeist als Begriffspaar Öffentlichkeits- und Traditionsarbeit (ÖTA), durchsetzte, wurde dieses Tätigkeitsfeld im MfS als Agitation bezeichnet. Im Verlauf der MfS-Geschichte nahm sie unterschiedliche Ausprägungen an. Ihren Höhepunkt erlebte sie in den 50er und 60er Jahren, später reduzierte sich ihre Bedeutung deutlich.
Schon die Gründung des MfS wurde von einer Medienkampagne gegen westliche "Saboteure und Agenten" begleitet. 1954 wurde für die Öffentlichkeitsarbeit ein eigenes Referat in der für Verwaltungsaufgaben zuständigen Abteilung Allgemeines eingerichtet, das 1955 als selbständige Abteilung Agitation ausgelagert wurde. Der Bereich wurde nach außen als Pressestelle oder Presseabteilung bezeichnet, seine Leiter traten in den 50er und 60er Jahren auch als Pressesprecher des MfS auf. 1985 wurde der Bereich umorganisiert und als Bereich 6 in die ZAIG eingegliedert. In den Bezirksverwaltungen und Hauptabteilungen des Ministeriums lag die Zuständigkeit für die Öffentlichkeitsarbeit bei einzelnen Stabsoffizieren, die nach Einrichtung der AKG 1978/79 diesem Bereich zugeordnet waren. Aufgaben einer wirklichen Pressestelle erfüllte der Agitationsbereich nur begrenzt. Die Medien wurden vom MfS nur sehr restriktiv informiert, aber umso intensiver instrumentalisiert. Es ging primär um Popularisierung der Arbeit der Staatssicherheit; die Abwehr gegnerischer Angriffe stand thematisch im Zentrum der Öffentlichkeitsarbeit Konkrete Angaben zum eigenen Apparat, etwa zu Mitarbeiterzahlen, Aufbau und Arbeitsweise wurden grundsätzlich nicht in die Öffentlichkeit gegeben.
Wie kaum ein anderes Tätigkeitsfeld der Staatssicherheit war die Öffentlichkeitsarbeit in der Ulbricht-Ära unmittelbar in die entsprechenden Aktivitäten des zentralen Parteiapparates der SED (Abteilungen Agitation und Propaganda des ZK, Agitationskommission des ZK) eingebunden. Auch die Beziehungen zu anderen staatlichen Akteuren, etwa dem Amt für Information oder der Generalstaatsanwaltschaft, waren vorrangig offizieller Natur. Der Einsatz von IM oder OibE spielte in diesem Bereich eine untergeordnete Rolle. Eine prominente Ausnahme war der Publizist Julius Mader, der von 1962 bis 1989 OibE des MfS-Agitationsbereichs war und mit seinen geheimdienstspezifischen Büchern (z. B. Nicht länger geheim, 1966; Who’s who in CIA, 1968) durchaus Breitenwirkung erzielte. In den 50er Jahren konzentrierte sich die MfS-Agitation darauf, "Diversanten", "Spione" und ihre westlichen "Hintermänner" anzuprangern. Die Öffentlichkeitsarbeit wurde ab 1953 im Rahmen der Strategie der "Konzentrierten Schläge" erheblich intensiviert. Große Verhaftungsaktionen mit den Codenamen "Feuerwerk" (1953), "Pfeil" (1954) und "Blitz" (1955), die jeweils zu Hunderten von Festnahmen führten, wurden mit Pressekonferenzen beendet. Hierbei wurden auch "reumütige" Agenten vorgeführt, bei denen es sich zumeist um abgezogene IM der Staatssicherheit handelte. Außerdem gehörten Beiträge in Zeitungen, Zeitschriften, Rundfunk und der Kino-Wochenschau ebenso dazu wie Ausstellungen und Vorträge von hohen MfS-Kadern in Betriebsversammlungen.
Ab Ende der 50er Jahre konzentrierten sich die Öffentlichkeitsarbeit des MfS auf die elektronischen Medien und den Film. Besonders erfolgreich war der vom MfS inspirierte und 1963 gedrehte Spielfilm "For eyes only" über die spektakuläre Entwendung einer Agentenkartei aus der Würzburger Dienststelle des amerikanischen Militärgeheimdienstes MID durch den "Kundschafter" Horst Hesse. In den 60er Jahren hatte die Öffentlichkeitsarbeit des MfS in erster Linie Westdeutschland im Blick und arbeitete hierbei mit dem Agitationsapparat des ZK der SED zusammen. In Publikationen und auf internationalen Pressekonferenzen unter dem Vorsitz von Politbüromitglied Albert Norden wurden Themen wie die Aufrüstung der Bundeswehr oder die Nazivergangenheit bundesdeutscher Funktionsträger angeprangert. Diese Kampagnen waren vor allem dann wirkungsvoll, wenn es gelang, auf konspirativem Wege einschlägige Nachrichten in westlichen Medien zu platzieren. Außerdem organisierte das MfS zu dieser Zeit die massenhafte Einschleusung von Propagandaschriften in die Bundesrepublik. Als sich die DDR-Führung mit dem SED-Parteitag 1967 auch offiziell von der gesamtdeutschen Perspektive verabschiedete, wandte sich auch die MfS-Agitation mehr DDR-internen Themen zu. Vorrangige Ziele waren jetzt die Stärkung der "Massenwachsamkeit" und die Pflege des "Vertrauensverhältnisses" zwischen Bevölkerung und MfS.
In der Phase der Entspannungspolitik veränderte sich der Charakter der Öffentlichkeitsarbeit beträchtlich. Mediale Angriffe auf die Bundesrepublik ließen stark nach. Künstlerische und journalistische Projekte des Agitationsbereichs, etwa zur "BRD-Menschenrechtsdemagogie" oder zur Übersiedlungsproblematik, erhielten von der politischen Führung kein grünes Licht mehr, weil sie nicht in die Politik der internationalen Normalisierung passten oder an tabuisierten innenpolitischen Problemen rührten. Die Medienpräsenz von MfS-Themen ging stark zurück. Ausnahmen blieben in den 70er Jahren die beiden großen, vom MfS inspirierten Fernsehfilmserien "Das unsichtbare Visier" (mit Armin Mueller-Stahl in der Hauptrolle) und "Rendezvous mit Unbekannt", die sich mit politisch unbedenklichen Sujets, der Auslandsspionage und der Frühzeit des MfS, befassten. Die Öffentlichkeitsarbeit beschränkte sich ansonsten auf ADN-Meldungen zu Kleinereignissen, wie z. B. dem "Missbrauch von Transitwegen" durch Fluchthelfer. Ab Mitte der 80er Jahre beklagten die Verantwortlichen der Öffentlichkeitsarbeit im MfS die mangelnde Verwertbarkeit von internen Ermittlungsergebnissen und die abnehmende Bereitschaft von Autoren, mit der Staatssicherheit zusammenzuarbeiten.
Die Öffentlichkeitsarbeit konzentrierte sich ab Mitte der 70er Jahre vorrangig auf die Traditions- und Patenschaftsarbeit im direkten Kontakt mit Arbeitskollektiven und Schulen. Ein nicht unbeträchtlicher Teil der Traditionspflege war aber auch nach innen, auf den eigenen Apparat, und auf andere bewaffnete Organe ausgerichtet. Diese sehr begrenzten Personenkreise erhielten Zugang zu Ausstellungen im sog. Informationszentrum des MfS in Berlin-Mitte und zu Broschüren mit den klassischen Geheimdienstthemen wie "CIA und BND", "Zersetzung der DDR-Jugend" oder "Tätigkeit des MfS gegen innere und äußere Feinde". Wie selbst eine interne Forschungsarbeit von 1989 bilanziert, scheiterte die Staatssicherheit in den 80er Jahren mit ihrem Ziel, durch Öffentlichkeitsarbeit die Verbundenheit der Bevölkerung mit dem MfS zu fördern.
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Signatur: BStU, MfS, SED-Kreisleitung, Nr. 4581, Bl. 35-40
Das Verbot der Monatszeitschrift "Sputnik" löste in der DDR allerorts Proteste aus. Auch Stasi-Angehörige schrieben Beschwerdebriefe an das Zentralkomitee der SED. Bei anschließenden Aussprachen sollten sie ihren kritischen Standpunkt zu der Zensurmaßnahme aufgeben.
Die sowjetische Monatszeitschrift "Sputnik" existierte seit 1967 in der UdSSR und erschien in mehreren Sprachen. Sie sollte das Erscheinungsbild des Landes in sozialistischen Staaten und in westlichen Ländern verbessern und verzichtete deswegen weitgehend auf sozialistische Rhetorik. Mit Beginn von Glasnost und Perestroika in der Sowjetunion informierte "Sputnik" in der zweiten Hälfte der achtziger Jahre auch über die Reformpolitik Gorbatschows und griff frühere Tabuthemen auf, wie die Verbrechen Stalins. In der DDR eröffnete die Zeitschrift ihrer Leserschaft damit eine willkommene Abwechslung in der Medienlandschaft.
Von der SED-Führung wurde sie hingegen zunehmend kritisch betrachtet. Als die November-Ausgabe von 1988 den in der DDR-Geschichtsschreibung geleugneten Hitler-Stalin-Pakt thematisierte sowie die Stalin-hörige KPD der 20er Jahre kritisierte, untersagten SED-Funktionäre am 18. November 1988 den weiteren Vertrieb der Zeitschrift in der DDR. Das Heft wurde eingezogen und eingestampft - mit der Begründung, die Zeitschrift enthalte "keinen Beitrag, der der Festigung der deutsch-sowjetischen Freundschaft dient, statt dessen verzerrende Beiträge zur Geschichte".
Selbst MfS-Mitarbeiter verfassten Eingaben, in denen sie ihren Unmut über die Nichtauslieferung des "Sputniks" äußerten. Gerade für solche Geheimnisträger zog dies eine Aussprache vor der Parteikontrollkommission (PKK) nach sich.
In der ersten Aussprache, die mit Genossen [anonymisiert] zu seinem Schreiben geführt wurde, versuchte er zunächst seine Position zu rechtfertigen. Nachdem er auf seine Pflichten zur Verwirklichung des Parteiprogramms, des Statuts, der Parteibeschlüsse insgesamt, die Lösung der gegenwärtig vor der Partei stehenden Aufgaben und die Schärfe der ideologischen Angriffe auf die Partei hingewiesen wurde, begann bei ihm ein Prozeß der Veränderung seiner Haltung.
In der folgenden GO-Leitungssitzung und in dem gegen ihn am 12.01.1989 durchgeführten Parteiverfahren bezog er eine selbstkritische Position zu den im Schreiben formulierten Standpunkten und gegen die Partei erhobenen Anschuldigungen. Er distanzierte sich davon und nahm eine insgesamt parteiliche Haltung ein. Im Ergebnis des Verfahrens wurde ihm für sein unparteiliches Verhalten eine "Rüge" ausgesprochen. Zuvor wurde er auf Beschluß der GO-Leitung von der Funktion des Propagandafunktionärs und als Mitglied der GO-Leitung entbunden.
Im Prozeß der Klärung des Sachverhaltes wurden folgende Feststellungen getroffen:
Die Leitung der PO und GO hat bei der Auswahl des Gen. [anonymisiert] als Kandidat für die GO-Leitung nicht die erforderliche Sorgfalt und Konsequenz walten lassen.
Die ernsten Hinweise auf seine unparteilichen Positionen wurden nicht geklärt.
Der Leitung der APO und GO war bekannt, daß es im Parteikollektiv eine Vielzahl von Fragen zur Politik der Partei, zu aktuellen Entwicklungen in den sozialistischen Ländern und zur internationalen Klassenkampfsituation gab, auf die keine klärenden Antworten gefunden wurden. Beide Leitungen nahmen in den Leitungssitzungen dazu nicht Stellung und reagierten auch sonst in keiner Weise.
Der Sekretär der APO hatte vom Wortlaut des Briefes des Gen. [anonymisiert] Kenntnis. Ein Mitglied der GO-Leitung hat ihn geschrieben. Weitere Parteifunktionäre hatten allgemeine Kenntnis dazu. Von keinem wurden Initiativen zur parteimäßigen Reaktion unternommen.
Auch nachdem das Schreiben vorlag, nahmen der 1. Sekretär der PO, der Sekretär der GO und APO keine konsequente parteiliche Haltung dazu ein.
Es wurde der Standpunkt vertreten und auch schriftlich formuliert, daß sich Gen. [anonymisiert] als Funktionär für Agitation und Propaganda bewährt. Die Notwendigkeit der Ablösung von der Funktion und die parteiliche Klärung im Rahmen eines Parteiverfahrens wurde in Abrede gestellt.
Bevor sich Anfang der 80er Jahre der Begriff Öffentlichkeitsarbeit, zumeist als Begriffspaar Öffentlichkeits- und Traditionsarbeit (ÖTA), durchsetzte, wurde dieses Tätigkeitsfeld im MfS als Agitation bezeichnet. Im Verlauf der MfS-Geschichte nahm sie unterschiedliche Ausprägungen an. Ihren Höhepunkt erlebte sie in den 50er und 60er Jahren, später reduzierte sich ihre Bedeutung deutlich.
Schon die Gründung des MfS wurde von einer Medienkampagne gegen westliche "Saboteure und Agenten" begleitet. 1954 wurde für die Öffentlichkeitsarbeit ein eigenes Referat in der für Verwaltungsaufgaben zuständigen Abteilung Allgemeines eingerichtet, das 1955 als selbständige Abteilung Agitation ausgelagert wurde. Der Bereich wurde nach außen als Pressestelle oder Presseabteilung bezeichnet, seine Leiter traten in den 50er und 60er Jahren auch als Pressesprecher des MfS auf. 1985 wurde der Bereich umorganisiert und als Bereich 6 in die ZAIG eingegliedert. In den Bezirksverwaltungen und Hauptabteilungen des Ministeriums lag die Zuständigkeit für die Öffentlichkeitsarbeit bei einzelnen Stabsoffizieren, die nach Einrichtung der AKG 1978/79 diesem Bereich zugeordnet waren. Aufgaben einer wirklichen Pressestelle erfüllte der Agitationsbereich nur begrenzt. Die Medien wurden vom MfS nur sehr restriktiv informiert, aber umso intensiver instrumentalisiert. Es ging primär um Popularisierung der Arbeit der Staatssicherheit; die Abwehr gegnerischer Angriffe stand thematisch im Zentrum der Öffentlichkeitsarbeit Konkrete Angaben zum eigenen Apparat, etwa zu Mitarbeiterzahlen, Aufbau und Arbeitsweise wurden grundsätzlich nicht in die Öffentlichkeit gegeben.
Wie kaum ein anderes Tätigkeitsfeld der Staatssicherheit war die Öffentlichkeitsarbeit in der Ulbricht-Ära unmittelbar in die entsprechenden Aktivitäten des zentralen Parteiapparates der SED (Abteilungen Agitation und Propaganda des ZK, Agitationskommission des ZK) eingebunden. Auch die Beziehungen zu anderen staatlichen Akteuren, etwa dem Amt für Information oder der Generalstaatsanwaltschaft, waren vorrangig offizieller Natur. Der Einsatz von IM oder OibE spielte in diesem Bereich eine untergeordnete Rolle. Eine prominente Ausnahme war der Publizist Julius Mader, der von 1962 bis 1989 OibE des MfS-Agitationsbereichs war und mit seinen geheimdienstspezifischen Büchern (z. B. Nicht länger geheim, 1966; Who’s who in CIA, 1968) durchaus Breitenwirkung erzielte. In den 50er Jahren konzentrierte sich die MfS-Agitation darauf, "Diversanten", "Spione" und ihre westlichen "Hintermänner" anzuprangern. Die Öffentlichkeitsarbeit wurde ab 1953 im Rahmen der Strategie der "Konzentrierten Schläge" erheblich intensiviert. Große Verhaftungsaktionen mit den Codenamen "Feuerwerk" (1953), "Pfeil" (1954) und "Blitz" (1955), die jeweils zu Hunderten von Festnahmen führten, wurden mit Pressekonferenzen beendet. Hierbei wurden auch "reumütige" Agenten vorgeführt, bei denen es sich zumeist um abgezogene IM der Staatssicherheit handelte. Außerdem gehörten Beiträge in Zeitungen, Zeitschriften, Rundfunk und der Kino-Wochenschau ebenso dazu wie Ausstellungen und Vorträge von hohen MfS-Kadern in Betriebsversammlungen.
Ab Ende der 50er Jahre konzentrierten sich die Öffentlichkeitsarbeit des MfS auf die elektronischen Medien und den Film. Besonders erfolgreich war der vom MfS inspirierte und 1963 gedrehte Spielfilm "For eyes only" über die spektakuläre Entwendung einer Agentenkartei aus der Würzburger Dienststelle des amerikanischen Militärgeheimdienstes MID durch den "Kundschafter" Horst Hesse. In den 60er Jahren hatte die Öffentlichkeitsarbeit des MfS in erster Linie Westdeutschland im Blick und arbeitete hierbei mit dem Agitationsapparat des ZK der SED zusammen. In Publikationen und auf internationalen Pressekonferenzen unter dem Vorsitz von Politbüromitglied Albert Norden wurden Themen wie die Aufrüstung der Bundeswehr oder die Nazivergangenheit bundesdeutscher Funktionsträger angeprangert. Diese Kampagnen waren vor allem dann wirkungsvoll, wenn es gelang, auf konspirativem Wege einschlägige Nachrichten in westlichen Medien zu platzieren. Außerdem organisierte das MfS zu dieser Zeit die massenhafte Einschleusung von Propagandaschriften in die Bundesrepublik. Als sich die DDR-Führung mit dem SED-Parteitag 1967 auch offiziell von der gesamtdeutschen Perspektive verabschiedete, wandte sich auch die MfS-Agitation mehr DDR-internen Themen zu. Vorrangige Ziele waren jetzt die Stärkung der "Massenwachsamkeit" und die Pflege des "Vertrauensverhältnisses" zwischen Bevölkerung und MfS.
In der Phase der Entspannungspolitik veränderte sich der Charakter der Öffentlichkeitsarbeit beträchtlich. Mediale Angriffe auf die Bundesrepublik ließen stark nach. Künstlerische und journalistische Projekte des Agitationsbereichs, etwa zur "BRD-Menschenrechtsdemagogie" oder zur Übersiedlungsproblematik, erhielten von der politischen Führung kein grünes Licht mehr, weil sie nicht in die Politik der internationalen Normalisierung passten oder an tabuisierten innenpolitischen Problemen rührten. Die Medienpräsenz von MfS-Themen ging stark zurück. Ausnahmen blieben in den 70er Jahren die beiden großen, vom MfS inspirierten Fernsehfilmserien "Das unsichtbare Visier" (mit Armin Mueller-Stahl in der Hauptrolle) und "Rendezvous mit Unbekannt", die sich mit politisch unbedenklichen Sujets, der Auslandsspionage und der Frühzeit des MfS, befassten. Die Öffentlichkeitsarbeit beschränkte sich ansonsten auf ADN-Meldungen zu Kleinereignissen, wie z. B. dem "Missbrauch von Transitwegen" durch Fluchthelfer. Ab Mitte der 80er Jahre beklagten die Verantwortlichen der Öffentlichkeitsarbeit im MfS die mangelnde Verwertbarkeit von internen Ermittlungsergebnissen und die abnehmende Bereitschaft von Autoren, mit der Staatssicherheit zusammenzuarbeiten.
Die Öffentlichkeitsarbeit konzentrierte sich ab Mitte der 70er Jahre vorrangig auf die Traditions- und Patenschaftsarbeit im direkten Kontakt mit Arbeitskollektiven und Schulen. Ein nicht unbeträchtlicher Teil der Traditionspflege war aber auch nach innen, auf den eigenen Apparat, und auf andere bewaffnete Organe ausgerichtet. Diese sehr begrenzten Personenkreise erhielten Zugang zu Ausstellungen im sog. Informationszentrum des MfS in Berlin-Mitte und zu Broschüren mit den klassischen Geheimdienstthemen wie "CIA und BND", "Zersetzung der DDR-Jugend" oder "Tätigkeit des MfS gegen innere und äußere Feinde". Wie selbst eine interne Forschungsarbeit von 1989 bilanziert, scheiterte die Staatssicherheit in den 80er Jahren mit ihrem Ziel, durch Öffentlichkeitsarbeit die Verbundenheit der Bevölkerung mit dem MfS zu fördern.
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Protokoll der außerplanmäßigen GO-Versammlung zum "Fehlverhalten" eines Mitarbeiters Dokument, 4 Seiten
Reaktionen von Mitgliedern der Gesellschaft für Deutsch-Sowjetische Freundschaft (DSF) Dokument, 4 Seiten
Referat über Arbeit der Parteikontrollkommissionen der SED bei der Durchführung von Parteiverfahren Dokument, 57 Seiten
Weitere Reaktionen von Mitgliedern der Gesellschaft für Deutsch-Sowjetische Freundschaft (DSF) Dokument, 3 Seiten