Eingaben MfS-Angehöriger gegen das "Sputnik"-Verbot
Signatur: BStU, MfS, SED-Kreisleitung, Nr. 4581, Bl. 35-40
Das Verbot der Monatszeitschrift "Sputnik" löste in der DDR allerorts Proteste aus. Auch Stasi-Angehörige schrieben Beschwerdebriefe an das Zentralkomitee der SED. Bei anschließenden Aussprachen sollten sie ihren kritischen Standpunkt zu der Zensurmaßnahme aufgeben.
Die sowjetische Monatszeitschrift "Sputnik" existierte seit 1967 in der UdSSR und erschien in mehreren Sprachen. Sie sollte das Erscheinungsbild des Landes in sozialistischen Staaten und in westlichen Ländern verbessern und verzichtete deswegen weitgehend auf sozialistische Rhetorik. Mit Beginn von Glasnost und Perestroika in der Sowjetunion informierte "Sputnik" in der zweiten Hälfte der achtziger Jahre auch über die Reformpolitik Gorbatschows und griff frühere Tabuthemen auf, wie die Verbrechen Stalins. In der DDR eröffnete die Zeitschrift ihrer Leserschaft damit eine willkommene Abwechslung in der Medienlandschaft.
Von der SED-Führung wurde sie hingegen zunehmend kritisch betrachtet. Als die November-Ausgabe von 1988 den in der DDR-Geschichtsschreibung geleugneten Hitler-Stalin-Pakt thematisierte sowie die Stalin-hörige KPD der 20er Jahre kritisierte, untersagten SED-Funktionäre am 18. November 1988 den weiteren Vertrieb der Zeitschrift in der DDR. Das Heft wurde eingezogen und eingestampft - mit der Begründung, die Zeitschrift enthalte "keinen Beitrag, der der Festigung der deutsch-sowjetischen Freundschaft dient, statt dessen verzerrende Beiträge zur Geschichte".
Selbst MfS-Mitarbeiter verfassten Eingaben, in denen sie ihren Unmut über die Nichtauslieferung des "Sputniks" äußerten. Gerade für solche Geheimnisträger zog dies eine Aussprache vor der Parteikontrollkommission (PKK) nach sich.
Metadaten
- Diensteinheit:
- Parteiorganisation im MfS
- Datum:
- 19.1.1989
- Rechte:
- BStU
Bereits vor Übergabe des Schreibens durch die ZPKK war dieser Sachverhalt durch Äußerungen des Gen. [anonymisiert] zu Genossen seines Kollektivs bekanntgeworden.
Durch den 1. Sekretär der PO, dem Sekretär der GO, dem Parteigruppenorganisator und Dienstvorgesetzten wurde darauf sofort reagiert. Gen. [anonymisiert] legte den Durchschlag seines Schreibens vor, so daß die Genossen in der Lage waren, auf die darin formulierten Positionen einzugehen.
Danach setzte sich die Leitung der GO, die Parteigruppe und am 13.01.1989 die GO in einer Mitgliederversammlung mit dem Gen. [anonymisiert] prinzipiell auseinander.
Es wurde herausgearbeitet, daß er aus Selbstüberschätzung Wertungen vornahm, mit denen er sich über Entscheidungen und Positionen der Partei hinwegsetzte.
Er hat sich auch zu stark von Gefühlen leiten lassen.
Völlig außer Acht gelassen hat er dabei die scharfen Angriffe, die vom Gegner auf die Partei gerichtet werden.
Kritisiert wurde auch der Zynismus, der in den Formulierungen enthalten ist.
Gen. [anonymisiert] nahm eine selbstkritische Haltung ein und reagierte parteilich auf die an ihn geübte Kritik.
In der Mitgliederversammlung wurde ihm für sein unparteiliches Verhalten eine "Mißbilligung" ausgesprochen.
Die Klärung dieses Sachverhaltes wurde von Beginn an durch die Leitung der PO und den 1. Sekretär persönlich im Zusammenwirken mit dem Sekretär der GO, dem Gruppenorganisator und dem Dienstvorgesetzten zielgerichtet und parteilich konsequent geführt. Die sich daraus für die politisch-ideologische Arbeit ergebenden Hinweise sind in Funktionärsberatungen ohne Zeitverzug ausgewertet worden.
Nach den vorliegenden Erkenntnissen ergeben sich dazu keine weiteren Maßnahmen.
Ein Schreiben an das ZK der SED wurde von drei 21jährigen parteilosen Unteroffizieren auf Zeit des Wachregimentes verfaßt. Sie sind Mitglied der FDJ. Es handelt sich dabei um Genossen, die diszipliniert und einsatzbereit ihren Dienst versehen.
Sie stellten Fragen nach den Gründen der Streichung der Zeitschrift "Sputnik" von der Postzeitungsliste und brachten ihre Besorgnis zum Ausdruck, ob die Richtigkeit dieser Maßnahme ausreichend geprüft wurde, da sie unter der Bevölkerung wenig Verständnis finde.
In der mit ihnen dazu geführten Aussprache akzeptierten sie die Begründungen und Erläuterungen, die ihnen auf der Grundlage der Rede des Generalsekretärs auf der 7. Tagung des ZK und der Veröffentlichungen im Neuen Deutschland gegeben wurden.