Signatur: BStU, MfS, HA XX/AKG, Nr. 1465, Bl. 367-370
An den Kommunalwahlen im Mai 1989 nahmen zahlreiche Wahlbeobachter teil. Sie konnten erstmals nachweisen, dass die im Neuen Deutschland veröffentlichten und durch Egon Krenz verkündeten Ergebnisse gefälscht waren.
Am 7. Mai 1989 waren die Bürgerinnen und Bürger der DDR aufgerufen, anlässlich der Kommunalwahlen den Kandidaten der Nationalen Front ihre Stimme zu geben. Wie immer stand nur diese eine Liste zur Auswahl. Mit "Ja" zu stimmen, bedeutete, den Stimmzettel zu falten und in die Wahlurne einzuwerfen. Für ein "Nein" musste jeder einzelne Kandidat in den obligatorisch aufgebauten Wahlkabinen sauber waagerecht durchgestrichen werden. Andere Kenntlichmachungen führten zu einer ungültigen Stimmenabgabe. Im Volksmund wurden die Wahlen daher auch als "Zettelfalten" bezeichnet.
Schon bei den vorangegangenen Volkskammerwahlen waren Vorwürfe der Wahlfälschung über westliche Medien erstmals öffentlich geworden. Anfang 1989 riefen verschiedene Gruppen von Oppositionellen zum Wahlboykott auf, forderten freie Wahlen und die Beobachtung der Stimmenauszählung. Letztere war nach § 37 (1) des DDR-Wahlgesetzes öffentlich und auch nach der Verfassung der DDR nicht verboten.
Trotzdem war angesichts der Erfahrung früherer Repressalien, auch durch die Stasi, die Teilnahme daran ein mutiger Schritt. Doch auch diese Aussichten konnten zahlreiche Bürgerinnen und Bürger nicht davon abhalten, extra spät zur Wahl zu gehen oder gegen 18:00 Uhr erneut die Wahllokale aufzusuchen, um die Auszählung zu beobachten. Landesweit fanden in etwa 1.000 Wahllokalen die Stimmenauszählungen unter ihrer Teilnahme statt.
Die Auswertungen der Wahlbeobachter belegten, dass Fälschungen durchgeführt wurden: Das durch den Vorsitzenden der Wahlkommission, Egon Krenz, bekanntgegebene Ergebnis von einer Wahlbeteiligung von 99 Prozent und einem Anteil von Gegenstimmen bei ca. 1 Prozent deckte sich in keiner Weise mit denen der Beobachter bei den Stimmenauszählungen.
An den
Nationalrat der Nationalen Front der DDR
Thälmannplatz 8-9
Berlin 1080
Berlin, den 12.05.1989
Betr.: Einspruch gegen die Gültigkeit der Kommunalwahlen 1989 in Berlin
Wir wollen unsere Gesellschaft konstruktiv gestalten. Darum nahmen wir in Warnehmmung unserer staatsbürgerlichen Rechte und Pflichten an der öffentlichen Auszählung der Kommunalwahlen am 6. und 07.05.1989 teil, andere haben die Ergebnisse zur Kenntnis genommen.
Die in 66 von 67 Wahllokalen des Stadtbezirkes Weißensee öffentlich verkündeten Resultate lauten:
abgegebene Stimmen; Ungültige Stimmen; Stimmen für den Wahlvorschlag; Stimmen gegen Wahlvorschlag
Laut Bekanntgabe der Wahlvorstände; 27680; 46; 25410; 2224
Die Veröffentlichung des endgültigen Wahlergebnisses in der Presse vom 10.05.89 zeigt folgende Ergebnisse:
Laut "ND"; 43042; 24; 42007; 1011
Es ergeben sich folgende schwerwiegende Differenzen:
1. Zwischen den Angaben der gültigen Stimmen gegen den Wahlvorschlag besteht ein Unterschied von 1213 Stimmen.
2. Zwischen den Angaben der ungültigen Stimmen besteht ein Unterschied von 22 Stimmen.
Die in 80 von 88 Wahllokalen im Stadtbezirk Friedrichshain verkündeten Resultate lauten:
abgegebene Stimmen; Ungültige Stimmen; Stimmen für den Wahlvorschlag; Stimmen gegen Wahlvorschlag
Laut Bekanntgabe der Wahlvorstände; 71704; 133; 66712; 4721
Die Veröffentlichung des endgültigen Wahlergebnisses in der Presse van 10.05.89 zeigt folgende Ergebnisse:
Laut "ND"; 85377; 113; 83653; 1611
Es ergeben sich folgende schwerwiegende Differenzen:
1. Zwischen den Angaben der gültigen Stimmen gegen den Wahl Vorschlag besteht ein Unterschied von 3110 Stimmen.
2. Zwischen den Angaben der ungültigen Stimmen besteht ein Unterschied von 20 Stimmen.
Ähnliche Tendenzen wurden in Berlin-Prenzlauer Berg festgestellt (41 Wahllokale = etwa ein Drittel):
abgegebene Stimmen; Ungültige Stimmen; Stimmen für den Wahlvorschlag; Stimmen gegen den Wahlvorschlag
Laut Bekanntgabe der Wahlvorstände; 23482; 37; 20768; 2659
Die Veröffentlichung des endgültigen Wahlergebnisses in der Presse vom 10.05.89 zeigt folgende Ergebnisse:
Laut "ND"; 107739; 127; 105614; 1998
Es ergibt sich folgende schwerwiegende Differenz:
In nur einem Drittel der Wahllokale wurden 661 Stimmen mehr gegen den Wahlvorschlag festgestellt, als für den gesamten Prenzlauer Berg in der Presse veröffentlicht wurden.
1978 wurden die AIG der Bezirksverwaltungen mit der Integration des Kontrollwesens in Auswertungs- und Kontrollgruppen umgewandelt. Analog zur ZAIG waren die AKG jetzt das Funktionalorgan der Leiter der BV mit den Aufgaben Auswertung und Information, Planung, Überprüfung und Kontrolle, Erarbeitung dienstlicher Bestimmungen und Weisungen sowie EDV. Darüber hinaus wurden die AKG auch für Öffentlichkeitsarbeit zuständig, die im Ministerium noch bis 1985 der Abteilung Agitation bzw. der Arbeitsgruppe Öffentliche Verbindungen zugeordnet war. 1979 wurden auch in den meisten selbständigen Abteilungen und Hauptabteilungen der MfS-Zentrale AKG gebildet. Die AKG unterstanden den Leitern der jeweiligen Diensteinheit, wurden aber fachlich von der ZAIG angeleitet.
Zur Seite 1 wechseln
Zur Seite 2 wechseln
aktuelle Seite 3
Zur Seite 4 wechseln
Signatur: BStU, MfS, HA XX/AKG, Nr. 1465, Bl. 367-370
An den Kommunalwahlen im Mai 1989 nahmen zahlreiche Wahlbeobachter teil. Sie konnten erstmals nachweisen, dass die im Neuen Deutschland veröffentlichten und durch Egon Krenz verkündeten Ergebnisse gefälscht waren.
Am 7. Mai 1989 waren die Bürgerinnen und Bürger der DDR aufgerufen, anlässlich der Kommunalwahlen den Kandidaten der Nationalen Front ihre Stimme zu geben. Wie immer stand nur diese eine Liste zur Auswahl. Mit "Ja" zu stimmen, bedeutete, den Stimmzettel zu falten und in die Wahlurne einzuwerfen. Für ein "Nein" musste jeder einzelne Kandidat in den obligatorisch aufgebauten Wahlkabinen sauber waagerecht durchgestrichen werden. Andere Kenntlichmachungen führten zu einer ungültigen Stimmenabgabe. Im Volksmund wurden die Wahlen daher auch als "Zettelfalten" bezeichnet.
Schon bei den vorangegangenen Volkskammerwahlen waren Vorwürfe der Wahlfälschung über westliche Medien erstmals öffentlich geworden. Anfang 1989 riefen verschiedene Gruppen von Oppositionellen zum Wahlboykott auf, forderten freie Wahlen und die Beobachtung der Stimmenauszählung. Letztere war nach § 37 (1) des DDR-Wahlgesetzes öffentlich und auch nach der Verfassung der DDR nicht verboten.
Trotzdem war angesichts der Erfahrung früherer Repressalien, auch durch die Stasi, die Teilnahme daran ein mutiger Schritt. Doch auch diese Aussichten konnten zahlreiche Bürgerinnen und Bürger nicht davon abhalten, extra spät zur Wahl zu gehen oder gegen 18:00 Uhr erneut die Wahllokale aufzusuchen, um die Auszählung zu beobachten. Landesweit fanden in etwa 1.000 Wahllokalen die Stimmenauszählungen unter ihrer Teilnahme statt.
Die Auswertungen der Wahlbeobachter belegten, dass Fälschungen durchgeführt wurden: Das durch den Vorsitzenden der Wahlkommission, Egon Krenz, bekanntgegebene Ergebnis von einer Wahlbeteiligung von 99 Prozent und einem Anteil von Gegenstimmen bei ca. 1 Prozent deckte sich in keiner Weise mit denen der Beobachter bei den Stimmenauszählungen.
Hinzu kommen folgende Verstöße gegen das Wahlgesetz der DDR:
§ 30, Abs.1: Die Wahllokale wurden insgesamt nicht öffentlich bekanntgegeben.
§ 37, Abs.1: Die Öffentlichkeit wurde in mehren Fällen von der Auszählung ausgeschlossen.
§ 37, Abs.2: Die Kontrolle der abgegebenen Stimmen anhand der Wählerliste und der vorhandenen Wahlscheine wurde weitestgehend unterlassen.
§ 38, Abs.2: Es erfolgte teilweise keine korrekte Auszählung und Differenzierung der abgegebenen Stimmen.
Im Wahlgesetz ist in keiner Weise definiert, wie die unterschiedlichen Stimmen zu werten sind. Nach § 38, Abs.2, obliegt diese Entscheidung dem Wahlvorstand. Die Erfahrungen der diesjährigen Wahlen zeigen, daß der Auszählungsmodus der Willkür der Wahlvorstände überlassen bleibt. Das bestehende Wahlgesetz schließt eine eindeutige Stimmauszählung aus.
Darum fordern wir Sie auf, gemäß Wahlgesetz § 43, Abs.1, gegen die Gültigkeit der Wahl van 07.05.1989 in Berlin bei der zuständigen Volksvertretung Einspruch einzulegen.
1978 wurden die AIG der Bezirksverwaltungen mit der Integration des Kontrollwesens in Auswertungs- und Kontrollgruppen umgewandelt. Analog zur ZAIG waren die AKG jetzt das Funktionalorgan der Leiter der BV mit den Aufgaben Auswertung und Information, Planung, Überprüfung und Kontrolle, Erarbeitung dienstlicher Bestimmungen und Weisungen sowie EDV. Darüber hinaus wurden die AKG auch für Öffentlichkeitsarbeit zuständig, die im Ministerium noch bis 1985 der Abteilung Agitation bzw. der Arbeitsgruppe Öffentliche Verbindungen zugeordnet war. 1979 wurden auch in den meisten selbständigen Abteilungen und Hauptabteilungen der MfS-Zentrale AKG gebildet. Die AKG unterstanden den Leitern der jeweiligen Diensteinheit, wurden aber fachlich von der ZAIG angeleitet.
Zur Seite 1 wechseln
Zur Seite 2 wechseln
Zur Seite 3 wechseln
aktuelle Seite 4
Wahlfall '89 - Dokumentation der Opposition über Wahlfälschungen Dokument, 32 Seiten
Information über "feindlich-negative Aktivitäten" im Vorfeld der Kommunalwahlen 1989 in Dresden Dokument, 4 Seiten
Hinweise über Aktivitäten feindlicher Kräfte zur Diskreditierung der Ergebnisse der Kommunalwahlen 1989 Dokument, 4 Seiten
Zu Protestaktivitäten im Zusammenhang mit den Kommunalwahlen 1989 Dokument, 17 Seiten