Signatur: BStU, MfS, HA II, Vi, Nr. 121
Das Schulungsvideo des MfS zeigt, wie mittels eines fotochemischen Verfahrens Stempel in Reisepässen gefälscht werden konnten.
Der Schulungsfilm, produziert von der für Spionageabwehr zuständigen Hauptabteilung II, zeigt einen Geschäftsmann aus West-Berlin, der mit Hilfe von Lichtröhren, Chemikalien und einem Stück Film Visastempel fälschen konnte. Mit einem fotochemischen Verfahren wurden zu diesem Zweck anhand der Originaleintragungen in Reisepässen Duplikate der Einreisestempel erstellt. Mit diesen nachgemachten Stempeln wurden Einreisevermerke in gefälschte westdeutsche Pässe ausreisewilliger DDR-Bürger übertragen. Diese Dokumente wurden dann in die DDR geschafft und sollten den Betroffenen ermöglichen, mit Unterstützung von Fluchthelfern über das benachbarte "sozialistische Ausland" legal das Land zu verlassen. Auch Bundesbürger konnten so unerkannt in die DDR einreisen.
Dieser Schulungsfilm wurde vermutlich dazu genutzt, die MfS-Mitarbeiter an der Grenze über aktuelle Techniken und Verfahren der Fälschung zu informieren. Denn auch Spione hätten mit den Fälschungen über die Grenzen einreisen können.
[Musik]
Der in Westberlin ansässige Geschäftsmann [anonymisiert] offenbarte Anfang 1987 im Rahmen kommerzieller Beziehungen einem zuverlässigen inoffiziellen Mitarbeiter der Hauptabteilung 2, dass er über wichtige, die Sicherheitsinteressen der DDR betreffende Informationen verfüge.
[anonymisiert] ließ in einem Gespräch mit dem IM erkennen, dass er diese Informationen kompetenten Stellen preisgeben würde, wenn er dadurch eine Intensivierung seiner geschäftlichen Beziehungen mit der DDR erreichen könnte.
Aufgrund dieses IM-Hinweises wurde [anonymisiert] bei einer seiner nächsten Einreisen in die Hauptstadt der DDR über ein Außenhandelsunternehmen legendiert - dem MfS zu einer Aussprache zugeführt.
[anonymisiert] legte bei diesen und weiteren Gesprächen dar, dass ein westberliner krimineller Menschenhändler seit längerer Zeit Schleusungen von DDR-Bürgern über Grenzübergangsstellen mittels gefälschter Ein- und Ausreisestempel in BRD-Reisepässen und deren Anlagen durchführe.
Er wendet dabei unter anderem zwei in der Praxis erprobte Verfahren an, mit denen in den Dokumenten Stempel eingetragen beziehungsweise entfernt werden können.
Nach entsprechender Übung sollen beide Verfahren in kurzer Zeit beherrschbar sein, ohne dass optisch sichtbare Spuren hinterbleiben, die bei der Grenzpassage von den eingesetzten Kontrolleuren mit bloßem Auge festzustellen sind.
Diese Verfahren habe der Menschenhändler selbst entwickelt.
Die dazu benötigten Materialien sollen aus den USA stammen und konnten von [anonymisiert] im Einzelnen nicht konkret bezeichnet werden.
Beide Verfahren würden fast ausschließlich spezielle Chemikalien und Filmmaterialien erfordern.
Das erste Verfahren darüber hinaus auch noch dünne Aluminiumplättchen Letztere besitzen eine aus Gummi und Plaste hergestellt lichtempfindliche Schicht Die Produktion des benötigten Filmmaterials und der beschichteten Aluminiumplättchen laufe derzeit in den USA aus.
Nach Meinung des [anonymisiert] besäße der Menschenhändler davon jedoch noch eine größere Anzahl.
[anonymisiert] gab an, bei dem Verfahren sowie kleinere Mengen aller benötigten Materialien dem Menschenhändler für 20.000 D-Mark abgekauft zu haben, mit der Begründung, sie anderen Schleuserorganisationen zur Nutzung anbieten und verkaufen zu wollen.
Vorerst habe [anonymisiert] von sich aus einen Prospekt zu dem von ihm als "Stamak" bezeichneten Verfahren angefertigt, in der Erwartung, die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken und somit auch das Interesse des MfS zu wecken.
Im Verlaufe der Aussprachen führte [anonymisiert] beide Verfahren praktisch vor und übergab dem MfS zum Zwecke der weiteren Untersuchung alle dazu erforderlichen Materialien mit weiterem Zubehör.
Als Motiv seines Handelns nannte er ausschließlich materielle Gründe.
Mit dem ersten Verfahren lassen sich in für Schleusungszwecke vorbreitete BRD-Pässe Vermerke über eine angebliche Einreise des Passinhabers in einen sozialistischen Staat eintragen.
[anonymisiert] erklärte, dass dazu von der Schleuserorganisation Bürger der BRD zur Ablenkung der Passkontrolleure und zur Verschleierung des eigentlichen Schleusungsvorhabens mit echten Reisedokumenten im Transit durch mehrere sozialistische Länder geschickt werden.
Zum Beispiel erst in die Volksrepublik Polen, von dort in die CSSR und dann weiter in die Volksrepublik Ungarn.
In allen drei Ländern können anhand der Originaleintragungen in den Reisepässen dieser BRD-Bürger mittels eines fotochemischen Verfahrens Duplikate der Einreisestempel angefertigt und somit aktuell gültige Einreisevermerke in gefälschte BRD-Pässe der auszuschleusenden DDR-Bürger übertragen werden.
Die Ausreise der DDR-Bürger ins westliche Ausland erfolgt aus einem der drei genannten Länder.
Auf diese Art und Weise ließen sich gleichzeitig auch mehrere DDR-Bürger aus einem und aus allen drei Ländern ausschleusen.Von der Schleuserorganisation werde laut Angaben des [anonymisiert], aber auch die Einreise in nur einen sozialistischen Staat, speziell in die ungarische Volksrepublik praktiziert und am gleichen Tage die Ausschleusung der DDR-Bürger nach Österreich realisiert.
Zum ersten Verfahren selbst:
Auf den zu kopierenden Original-Einreisevermerk im Reisepass des BRD-Bürgers wird ein Stück Filmmaterial aufgelegt und mit einer kleinen durchsichtigen Plaste-Schachtel selbsthaftend abgedeckt.
Dazu kann eine überall gebräuchliche Bonbonschachtel und ähnliches verwendet werden.
Der Filmstreifen ist dabei so auf den Stempelabdruck zu legen, dass dessen graue Schicht oben liegt.
Die Belichtung des Films erfolgt mit schwachen Kunstlicht.
[anonymisiert] übergab dazu die Philips Leuchtstoffröhre TL8W-47.
Die Belichtungszeit beträgt bei einem Abstand von 9,5 cm zwischen Film und Lampe unter der Verwendung eines Gelbfilters ca. elf Minuten.
Als Messhilfe für den erforderlichen Abstand diente [anonymisiert] eine Zigarettenschachtel der Sorte Marlboro.
Die genannte Leuchtstoffröhre kann aus dem 220 Voltnetz oder einer 12 Volt Autobatterie gespeisst werden.
An ihrer Stelle kann auch eine mit anderen Batterien zu betreibende Spezial-Leuchtstoffröhre benutzt werden.
Der derart belichtete Filmstreifen wird anschließend entwickelt und fixiert.
Als Behälter für beide Bäder verwendete [anonymisiert] die beiden Hälften einer Seifendose.
Der Entwickler ist zu gleichen Teilen aus zwei klaren flüssigen Chemikalien herzustellen.
Sie waren in Flaschen für Kosmetikartikel abgefüllt und als Rassierwasser getarnt.
Das Fixierbad ist aus normalen Leitungswasser und einer weißen kristallienen Substanz, etwa ein Fingerhut voll, anzufertigen.
Bei einer Entwickler- und Fixierbadtemperatur von 21°, beträgt die Zeit für die Entwicklung des Filmstreifens ca. drei Minuten und für die Fixierung ca. zwei Minuten.
Das so entstande Positiv des Orginalstempelabdrucks muss nun in eine Negativ umgekehrt werden.
Dazu legt [anonymisiert] das Positiv in einen handelsüblichen Kopierrahmen und darauf wiederum ein Stück Filmstreifen. Diesmal jedoch mit der bräunlichen Seite nachoben.
Die Belichtung des Films erfolgt im gleichen Abstand und unter Verwendung der gleichen Lichtquelle wie im ersten Arbeitsgang, jedoch ohne Gelbfilter.
Die Belichtungszeit beträgt diesmal nur drei bis fünf Minuten.
[anonymisiert] gab an, dass zur Belichtung auch die direkte Sonnenstrahlung genutzt werden kann.
Wobei sich dann die Belichtungszeit auf drei bis vier Sekunden verkürze.
Die Entwicklung und Fixierung des Filmstreifens erfolgt in der bereits geschilderten Weise, unter Verwendung der gleichen Chemikalien und unter Beibehaltung der genannten Zeiten.
Das nun vorliegende Negativ des Stempelabdrucks ist in Wasser gründlich zu säubern und anschließend zu trocknen und dient im weiteren zur Anfertigung der eigentlichen Stempelplatte.
Zur Herstellung dieser Stempelplatte werden die bereits genannten dünnen Aluminiumplättchen benutzt.
Entsprechend zugeschnitten und an den Kanten entgratet, wird nach Entfernen der Schutzschicht, auf diese das angefertigte Negativ gelegt.
Das Aluminiumplättchen ist 20 Minuten lang mit einer Leuchtstoffröhre mit hohen Rotlichtanteil ungefiltert zu belichten.
[anonymisiert] benutze dazu die Philips Leuchtstoffröhre TL20D18-09N.
Da das Aluminiumplättchen beim belichten fotochemisch reagiert, ist es nun nur noch in einer nicht ätzenden Flüssigkeit.
[anonymisiert] nennt in seinem Prospekt hierfür Wasser, Milch, Coca Cola, Bier usw. gründlich zu säubern z.B. mit einer weichen Zahnbürste.
Die unbelichteten Teile der lichtempfindlichen Schicht werden dadurch ausgewaschen.
Danach ist die so hergestellte Stempelplatte mit der gleichen Leuchtstoffröhre zur Nachhärtung nochmals fünf Minuten zu belichten.
Ist ein Dauergebrauch dieser Stempelplatte vorgesehen, sei es angebracht sie im Ofen bei ca 150° 20 minuten zu härten.
Mit einer derart hergestellten Stempelplatte wird unter Benutzung eines gleichfarbiges Stempelkissens der Einreisevermerk in den vorbereitteten und verfälschten Reisepass übertragen.
Der auszuschleussene DDR-Bürger kann dann, um beim genannten Beispiel zu bleiben, als angeblicher BRD-Bürger ungehindert aus der Volksrepublik Polen, der CSSR bzw. der Ungarischen Volksrepublik ausreisen.
Nach Angaben des [anonymisiert] wird diese Methode der Fälschung von Einreisevermerken in BRD-Pässen von den eingangs gennannten Menschenhändler seit längerer Zeit erfolgreich praktiziert.
Die zweite von [anonymisiert] dem MfS preisgegegeben Fälschungsmethode ist das nicht ohne weiteres feststellbare Entfernen von Ausreisestempeln oder anderen Eintragungen aus Pässen und deren Anlagen.
Dieses Verfahren kann nur angewandt werden, wenn der zur Schleusung vorgesehene Reisepass vorher entsprechend präpariert wurde und eine BRD Bürger mit diesem Pass kurze Zeit zuvor in einen sozialistischen Staat ein- und wieder ausreiste.
Nach Schilderung des [anonymisiert] ging der Menschenhändler dabei in der Praxis folgendermaßen vor:
Die noch leeren Seiten eines Reisepasses, in denen von dem jeweiligen Staat Vermerke über Ausreisen des Passinhabers eingetragen werden können, sind mit zwei verschieden Inprägnierungen und mit einem Speziallack abwechselnd insgesamt sechs mal leicht zu besprühen.
1. Aufsprühen des Inprägnierers 1 und trocknen.
2. Aufsprühen des Inprägnierers 2 und trocknen.
3. Aufsprühen des Speziallackes und trocknen.
4. Aufsprühen des Inprägnierers 1 und trocknen.
5. Aufsprühen des Inprägnierers 2 und trocknen.
6. Aufsprühen des Inprägnierers 1 und trocknen.
Beim Besprühen der betroffenden Stellen sind die Sprayflaschen ca 30 cm entfernt vom Dokument zu halten um ein Durchnässen des Papiers zu vermeiden.
Nach jedem einzelnen Arbeitsgang sind die besprühten Flächen mittels Fön zu trocknen.
Mit einem derart vorbehandelten Pass reist nun ein BRD-Bürger zum Beispiel in die Ungarische Volksrepublik und zurück in die BRD.
Dort übergibt er diesen Pass sofort den Menschenhändler, der in wenigen Minuten den Ausreisestempel aus dem Pass entfernt.
Dazu benötigt er lediglich normales Feuerzeugbenzin und ein geeignetes Läppchen, zum Beispiel ein Tempotaschentuch.
Durch leichtes reiben des mit benzinbenetzten Läppchens auf dem Ausreisevermerk lässt sich dieser entfernen, da durch die Vorbehandlung des Passes die Stempelfarbe mit dem Dokumentenpapier keine feste Verbindung herstellte.
Zur Vermeidung eventueller Spuren ist diese Stelle des Passes anschließend mit Pergament oder Butterbrotpapier mehrmals abzureiben.
Dieses Verfahren sei bis zu dreimal auf der gleichen Stelle der Dokumente anwendbar.
Nach Auswechseln des Lichtbildes wird dieser Pass so schnell wie möglich dem auszuschleusenden DDR-Bürger in Ungarn übergeben, der dann zum Beispiel nach Österreich ausreist.
Vor- und Nachteile beider Verfahren sind aus den Darlegungen des [anonymisiert]und der Dokumentation ersichtlich.
Die Eintragung des Einreisestempels in den zur Schleußung vorbereiteten Reisepass, nach dem ersten Verfahren, beansprucht bei entsprechender Übung eine reichliche Stunde.
Der Pass kann danach in dem jeweiligen Land sofort dem auszuschleusenden DDR-Bürger übergeben werden.
Das zweite Verfahren zur Entfernung des Ausreisestempels aus dem Pass erfordert an sich nur wenige Minuten.
Bedingt aber, dass dieser Pass, nach Auswechlung des Lichtbildes, erst wieder in den Staat transportiert werden muss aus dem der DDR-Bürger ausgeschleust werden soll.
Der Zeitfaktor ist bei Schleusungen mittels dieses Verfahrens unbedingt zu berücksichtigen.
Nach Angaben des [anonymisiert] habe der kriminelle Menschenhändler die Erkenntnis gewonnen, dass der Transport aller, der zum ersten Verfahren benötigter Chemikalien und Materialien in die sozialistischen Länder problemlos verlaufe.
[unverständlich] ist der Ansicht das selbst bei auffinden einzelner Gegenstände, bei Kontrollen, niemand Rückschlüsse auf deren Verwendungzweckziehen könne.
Nicht unerwähnt soll bleiben, dass die in dieser Dokumentation dargestellten Information des [anonymisiert], die Einleitung geeigneter politisch-operativer Maßnahmen in der DDR und bei den Bruderorganen zur Verhinderung von Straftaten gemäß Paragraf 213 Strafgesetzbuch ermöglichten.
Hauptabteilung II (Spionageabwehr)
Die Hauptabteilung II wurde 1953 durch Fusion der Abteilungen II (Spionage) und IV (Spionageabwehr) gebildet. Sie deckte klassische Bereiche der Spionageabwehr ab. Dazu zählte auch die interne Abwehrarbeit im MfS, etwa die Überwachung aktiver und ehemaliger MfS-Mitarbeiter, von Einrichtungen der KGB-Dienststelle Berlin-Karlshorst sowie von Objekten der sowjetischen Streitkräfte und der Sektion Kriminalistik an der Ostberliner Humboldt-Universität. Darüber hinaus betrieb die Hauptabteilung II im Rahmen der "offensiven Spionageabwehr" aktive Spionage in der Bundesrepublik; diese zielte auf westliche Geheimdienste, auf Bundeswehr, Polizei, Massenmedien, Emigrantenverbände u. a.
Die Hauptabteilung II überwachte, sicherte und kontrollierte die DDR-Botschaften im Ausland, die ausländischen diplomatischen Vertretungen in der DDR sowie das Außenministerium der DDR. DDR-Bürger, die westliche Botschaften bzw. die Ständige Vertretung der Bundesrepublik in Ostberlin aufsuchten, wurden systematisch erfasst. In den Zuständigkeitsbereich der Hauptabteilung II fielen auch die Überwachung der in der DDR lebenden Ausländer sowie die Betreuung von Funktionären und Mitgliedern illegaler, verfolgter kommunistischer Parteien, die in der DDR Aufnahme fanden.
Besondere Brisanz beinhaltete die politisch-operative Sicherung der Westkontakte von SED und FDGB. So kümmerte sich die Hauptabteilung II um die Militärorganisation der DKP ("Gruppe Ralf Forster", eine ca. 220 Bundesbürger umfassende Sabotage- und Bürgerkriegstruppe), organisierte in Absprache mit der NVA deren militärische Ausbildung, finanzierte die Gruppe und stattete sie mit Falschpapieren aus.
Die Hauptabteilung II sicherte (bis 1961 und wieder ab 1980; zwischenzeitlich gab es hierfür die Abteilung BdL II) die Abteilung Verkehr des ZK der SED ab, die kommunistische Organisationen im Westen unterstützte und dort SED-Tarnfirmen betrieb. Die Hauptabteilung II versuchte, Aktivitäten bundesdeutscher Behörden gegen DKP, SEW und SED-Tarnfirmen festzustellen und zu verhindern.
Im Ergebnis der Entspannungspolitik nahmen Begegnungen zwischen Ost- und Westdeutschen zu, westliche Medienvertreter konnten sich in der DDR akkreditieren. Das veranlasste den beträchtlichen personellen Ausbau der Hauptabteilung II. Sie war nun auch zuständig für die Überwachung westlicher Journalisten in der DDR. Ziel war es, unerwünschten Informationsabfluss und unbequeme, kritische Berichterstattung zu verhindern. 1987 übertrug Erich Mielke in der Dienstanweisung 1/87 der Hauptabteilung II die Führung der Spionageabwehr, um ein unkoordiniertes Nebeneinander verschiedener Diensteinheiten zu vermeiden.
Die Hauptabteilung II leitete von Beginn an die Operativgruppen des MfS in der Sowjetunion und Polen, seit 1989 auch in der ČSSR, Ungarn und Bulgarien. Mit den entsprechenden Spionageabwehr-Abteilungen in diesen Ländern gab es eine ausgeprägte bi- und multilaterale Zusammenarbeit, die aber erst in den frühen 80er Jahren vertraglich fixiert wurde (kommunistischer Geheimdienst). Im Dezember 1981 übernahm die Hauptabteilung II innerhalb des MfS die Federführung bei der Bekämpfung der unabhängigen polnischen Gewerkschaft "Solidarność". Schließlich unterstützte die Hauptabteilung II Sicherheitsorgane in (pro)sozialistischen Entwicklungsländern, entsandte Berater und bildete deren Geheimdienstmitarbeiter in der DDR aus.
Die Hauptabteilung II verfügte über eigene Abteilungen für Fahndung, Logistik, operative Technik und Beobachtung und war in dieser Hinsicht nicht auf andere Abteilungen angewiesen. Zum unmittelbaren Anleitungsbereich des Leiters der Hauptabteilung II gehörte die Abteilung M (Postkontrolle).
1989 zählte die Hauptabteilung II in der Ostberliner Zentrale 1.432 hauptamtliche Mitarbeiter, in den Bezirksverwaltungen (BV) auf der Linie II weitere 934. Hinzu kamen Mitarbeiter in den Kreisdienststellen (KD), die die Aufgaben der Linie II ausführten. Genaue Zahlen der Inoffiziellen Mitarbeiter (IM) ließen sich bis heute nicht ermitteln. Die Hauptabteilung II hatte mindestens 3.000 IM, die Abt. II der BV etwa 4.000; hinzu kamen weitere IM der KD. 1976 führte die Hauptabteilung II im Westen 109 IM. Unter den West-IM befanden sich z. T. hochkarätige Agenten.
Die Durchsuchung von Wohnungen, Räumen oder Personen war eine strafprozessuale Maßnahme im Ermittlungsverfahren zum Zwecke der Festnahme oder Verhaftung Verdächtiger bzw. zum Auffinden von Beweismaterial (§§ 108–119 StPO/1968). Eine Durchsuchung musste vom Staatsanwalt bzw. konnte bei Gefahr im Verzuge auch von den Untersuchungsorganen angeordnet werden und bedurfte einer richterlichen Bestätigung binnen 48 Stunden (§ 121 StPO/1968). Die Durchsuchung oblag eigentlich den Untersuchungsorganen, formal im MfS also der Linie IX (Hauptabteilung IX). Tatsächlich wurden sie aber regulär von Mitarbeitern der Linie VIII (Hauptabteilung VIII) durchgeführt.
Die Durchsuchung Verhafteter und vorläufig Festgenommener konnte ohne staatsanwaltliche Anordnung durchgeführt werden und bedurfte keiner richterlichen Bestätigung (§ 109 StPO/1968); sie wurde im MfS von den – formal nicht zuständigen – Mitarbeitern der Linie XIV (Abteilung XIV) durchgeführt. Außerhalb des Ermittlungsverfahrens war die Durchsuchung von Personen und Sachen durch Polizei und MfS polizeirechtlich geregelt (§ 13 VP-Gesetz). Vom MfS wurden die Möglichkeiten der Durchsuchung und Beschlagnahme auch außerhalb des jeweiligen strafprozessualen Ermittlungsverfahrens für geheimdienstliche Zwecke genutzt. Jenseits jeglicher rechtlicher Regelungen führten operative Diensteinheiten des MfS, vor allem die Linie VIII (Hauptabteilung VIII), auch konspirative Wohnungsdurchsuchungen durch.
Organisationsstruktur in der MfS-Zentrale, die durch den Minister oder einen seiner Stellvertreter direkt angeleitet wurde. Die zuletzt 13 Hauptabteilungen wurden durch Einzelleiter geführt. Die weiter untergliederten und nach dem Linienprinzip tätigen HA waren für komplexe, abgegrenzte Bereiche operativ zuständig und federführend verantwortlich. Der Zuschnitt der Zuständigkeitsbereiche war an Ressorts oder geheimdienstlichen Praktiken (z. B. Verkehrswesen, Beobachtung, Funkspionage) orientiert.
Inoffizielle Mitarbeiter (IM) waren das wichtigste Instrument des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS), um primär Informationen über Bürger, die Gesellschaft, ihre Institutionen und Organisationen der DDR oder im Ausland zu gewinnen. Unter Umständen hatten IM auf Personen oder Ereignisse in der DDR steuernden Einfluss zu nehmen.
In der DDR-Gesellschaft hießen sie "Spitzel", "Denunzianten" oder "Kundschafter". Mit der deutschen Einheit hat sich die Bezeichnung Inoffizieller Mitarbeiter des MfS für die heimlichen Zuträger etabliert. Sie lieferten u. a. Informationen über Stimmungen und Meinungen in der Bevölkerung.
Die SED-Führung wollte stets über die konkrete Situation und Lage in der DDR unterrichtet sein. Die IM hatten den Auftrag, "staatsgefährdende" Bestrebungen zu ermitteln, was beim MfS "politisch ideologische Diversion" bzw. "politische Untergrundtätigkeit" hieß. Der Bogen hierfür war weit gespannt und reichte von einer privaten Meinungsäußerung bis hin zu politischen Aktivitäten. Überdies sollten sie, wenn auch selten, direkt auf gesellschaftliche Entwicklungen oder einzelne Personen einwirken.
Die IM waren das wichtigste Repressionsinstrument in der DDR. IM wurden auf bestimmte Schwerpunkte angesetzt, von denen tatsächliche oder vermeintliche Gefahren ausgehen konnten. Diese Objekte und Territorien, Bereiche oder Personen waren so zahlreich, dass die geheimpolizeiliche Durchdringung tendenziell den Charakter einer flächendeckenden Überwachung annahm.
Die Anzahl der vom MfS geführten inoffiziellen Mitarbeiter umfasste im Jahre 1989 ungefähr 189.000 IM, darunter 173.000 IM der Abwehrdiensteinheiten, ferner 13.400 IM in der DDR und 1.550 IM in der Bundesrepublik, die von der Hauptverwaltung A geführt wurden, sowie diverse andere wie Zelleninformatoren usw. Auf 89 DDR-Bürger kam somit ein IM. In der Zeit von 1950 bis 1989 gab es insgesamt ca. 620.000 IM.
Die Entwicklung des IM-Netzes ist nicht allein von einem kontinuierlichen Anstieg geprägt, sondern verweist auf besondere Wachstumsphasen in Zeiten innergesellschaftlicher Krisen wie dem 17. Juni 1953 oder am Vorabend des Mauerbaus. Im Zuge der deutsch-deutschen Entspannungspolitik wurde das IM-Netz ebenfalls erweitert. So umfasste es Mitte der 70er Jahre – hochgerechnet – über 200.000 IM. Angesichts wachsender oppositioneller Bewegungen hatte es in den 80er Jahren gleichfalls ein hohes Niveau.
Die flächendeckende Überwachung der Gesellschaft fiel regional recht unterschiedlich aus. Im Land Brandenburg, das die Bezirke Cottbus, Frankfurt (Oder) und Potsdam vereint, war sie stärker als in Thüringen. Die höchste IM-Dichte wies der ehemalige Bezirk Cottbus auf.
Das MfS operierte formal nach territorialen Gesichtspunkten und Sicherungsbereichen, setzte jedoch operative Schwerpunkte in der geheimpolizeilichen Arbeit. Bezogen auf das Gesamtministerium lagen diese – sowohl auf Kreis-, als auch auf Bezirks- und Hauptabteilungsebene – bei der Volkswirtschaft, der Spionageabwehr und auf der "politischen Untergrundtätigkeit", der "Bearbeitung " von oppositionellen Milieus und den Kirchen.
Die Motive zur Kooperation mit dem MfS waren überwiegend ideeller, seltener materieller Natur, noch seltener war Erpressung der Grund. Die Kooperation währte durchschnittlich sechs bis zehn Jahre oder länger. Augenfällig ist, dass darunter nicht wenige soziale Aufsteiger waren. Der Anteil von weiblichen IM lag in der DDR bei 17 Prozent, in der Bundesrepublik bei 28 Prozent. Über die Hälfte der IM war Mitglied der SED. Von den 2,3 Mio. Mitgliedern der Partei ausgehend, waren 4 bis 5 Prozent zuletzt inoffiziell aktiv, d. h. jedes zwanzigste SED-Mitglied.
Das MfS differenzierte IM nach Kategorien: Gesellschaftliche Mitarbeiter für Sicherheit, IM zur Sicherung und Durchdringung des Verantwortungsbereichs, IM im besonderen Einsatz, Führungs-IM und IM zur Sicherung der Konspiration und des Verbindungswesens. Die wichtigste Kategorie waren IM mit "Feindverbindungen" bzw. solche, die Personen zu "bearbeiten" hatten, die "im Verdacht der Feindtätigkeit" standen. Im Laufe der 80er Jahre nahm der Anteil von IM in der Kategorie IMB bis Dezember 1988 auf rund 3.900 zu.
Der Anteil von Bundesbürgern oder Ausländern unter den IM des MfS betrug nicht einmal 2 Prozent. 1989 waren mindestens 3.000 Bundesbürger inoffiziell im Dienste des MfS, zusätzlich mehrere Hundert Ausländer. In der Zeit von 1949 bis 1989 waren insgesamt mindestens 12.000 Bundesbürger und Westberliner IM.
Die operativen Ziele des MfS waren über die gesamte Bundesrepublik Deutschland verteilt. Darüber hinaus gab es Schwerpunkte in Europa, im Nahen Osten und Asien, nachgeordnet auch in Afrika und Lateinamerika. Nachrichtendienstliche Schwerpunkte waren vor allem die Wissenschafts- und Technikspionage, erst danach die politische und mit etwas Abstand die Militärspionage. Die Bundesrepublik Deutschland wurde folglich vor allem als Ressource zur Systemstabilisierung genutzt.
Die politische Spionage diente vornehmlich dazu, die politische Gefährdungslage des herrschenden Systems in der DDR bestimmen zu können. Dieses Profil deutet an, dass die Spionage der Bewahrung des Status quo dienen sollte. Von einer Unterwanderung der Bundesrepublik war die Geheimpolizei zahlenmäßig weit entfernt. Vielmehr waren ihre inoffiziellen Mitarbeiter damit beschäftigt, das DDR-System zu stabilisieren.
Spionageabwehr beinhaltete nicht nur defensives Abwehren westlicher Spionage, sondern auch offensive Bekämpfung westlicher (zumeist bundesdeutscher) Sicherheitsbehörden auf dem Gebiet der Bundesrepublik. Das MfS fasste den Spionagebegriff sehr weit, so dass auch Angehörige oppositioneller Gruppen oder westliche Korrespondenten und Diplomaten regelmäßig im Visier der Spionageabwehr standen.
Das MfS unterschied drei Arten der Spionageabwehr. Die innere Spionageabwehr agierte innerhalb der DDR. Die äußere (auch: offensive) Spionageabwehr sollte bundesdeutsche Sicherheitsbehörden direkt bekämpfen, sich dabei aber auf deren Außenstellen und nachgeordnete Diensteinheiten konzentrieren. Die Gegenspionage hatte die Aufgabe, Spione in den Zentralen bundesdeutscher Sicherheitsbehörden zu platzieren, um die westliche Spionage gegen die DDR schon im Vorfeld zu paralysieren. In der Praxis waren die Grenzen zwischen äußerer Spionageabwehr, für die die Hauptabteilung II zuständig war, und der Gegenspionage, die Sache der Abt. IX der HV A war, fließend.
Die Spionageabwehr des MfS reagierte einerseits auf die tatsächliche Spionage gegen die DDR. Vor allem der BND und sein Vorgänger, die Organisation Gehlen, unterhielten in der DDR bis zum Mauerbau 1961 ein großes Agentennetz. In den Folgejahren brachen viele Kontakte westlicher Geheimdienste zu ihren Agenten in der DDR ab, auch enttarnte die Spionageabwehr viele von ihnen.
Der BND setzte daraufhin verstärkt Bundesbürger zur Informationsgewinnung ein, die als Besucher oder Transitreisende in der DDR unterwegs waren ("Reise- und Transitspione"). Seit den 70er Jahren versuchte der BND vor allem DDR-Bürger, die als Dienstreisende in den Westen kamen, als Agenten anzuwerben. Westliche Geheimdienste betrieben in der DDR schwerpunktmäßig Militärspionage.
Das MfS ging andererseits von der unzutreffenden Annahme aus, dass politisch widerständiges Verhalten von DDR-Bürgern zumeist von westlichen Geheimdiensten inspiriert würde (Diversion, politisch-ideologische), sodass die Bekämpfung politischer Gegner oft in den Bereich der Spionageabwehr fiel, ebenso wie die Überwachung westlicher Journalisten und Diplomaten. Aufgrund des weit gefassten Spionagebegriffs waren zahlreiche MfS-Abteilungen mit Spionageabwehr befasst, was zu Ineffizienz führte. Mielke wies deshalb 1987 der Hauptabteilung II die Federführung bei der Spionageabwehr zu.
1953 bis 1955 verhaftete das MfS in drei Großaktionen 1.200 Personen in der DDR und Westberlin, die pauschal als westliche Agenten bezeichnet wurden. Tatsächlich befanden sich darunter etliche Personen, die nur politischen Widerstand gegen die SED geleistet hatten. In vielen Fällen wurden hohe Haftstrafen verhängt, mindestens zehn Menschen wurden hingerichtet. Zugleich nutzte das MfS diese Aktionen erfolgreich als Vorlagen für ausgeklügelte Pressekampagnen.
Auch in späteren Jahren wurden Erfolge der Spionageabwehr popularisiert, nicht zuletzt um spionagebereite DDR-Bürger abzuschrecken. Schwerpunktaktionen der Hauptabteilung II in den 70er und 80er Jahren richteten sich u. a. gegen Transitspione sowie gegen die Anwerbung von Angehörigen bestimmter Personengruppen durch westliche Dienste (beispielsweise Militärangehörige, Reisekader). Erfolge erzielte die HV A im Rahmen der Gegenspionage in den 70er und 80er Jahren u. a. aufgrund ihrer Top-Quellen im BND (Gabriele Gast, Alfred Spuhler), BfV (Klaus Kuron) und MAD (Joachim Krase).
Seit den 70er Jahren intensivierte das MfS die Strategie der "vorbeugenden Verhinderung": Immer mehr Bürger wurden als potenziell spionageverdächtig observiert, immer mehr Berufsgruppen zu Geheimnisträgern erklärt, das Personal der Hauptabteilung II aufgestockt, auch die Kreisdienststellen setzten nun einen Mitarbeiter ausschließlich für Aufgaben der Linie II (Linienprinzip) ein.
Generell profitierte die Spionageabwehr von der geschlossenen Gesellschaft der DDR, der flächendeckenden Observierung der Bevölkerung, der Kooperation mit anderen sozialistischen Geheimdiensten sowie der Strategie, Verdächtige mitunter über einen sehr langen Zeitraum zu observieren. Post- und Telefonkontrolle und die Funküberwachung im In- und Ausland dienten in erheblichem Maße der Spionageabwehr.
Die überzogene Sicherheitsdoktrin führte dazu, dass das MfS in der ersten Hälfte der 70er Jahre dem Hirngespinst eines Hochstaplers aufsaß und 144 DDR-Bürger als angebliche "Agenten mit spezieller Auftragsstruktur" (AsA), quasi als Eliteagenten westlicher Dienste, einstufte und es auf dieser fiktiven Grundlage zu zahlreichen Verurteilungen kam.
Vagen Schätzungen zufolge spionierten zwischen 1949 und 1989 rund 10.000 Ost- und Westdeutsche für den BND in der DDR, viele von ihnen nur für kurze Zeit und nicht in Schlüsselpositionen. Etwa 4.000 Agenten bundesdeutscher Dienste sollen in dieser Zeit durch die Spionageabwehr der DDR erkannt und festgenommen worden sein.
Etwa 90 Prozent der "Innenquellen" des BND in der DDR (Agenten, die direkt in einem auszuspionierenden Objekt tätig waren) sollen in den 70er und 80er Jahren als Doppelagenten auch dem MfS gedient haben. Darunter waren offenbar viele, die "überworben" wurden, das heißt, das MfS hatte ihre BND-Anbindung erkannt, sie aber nicht verhaftet, sondern als IM angeworben und nun gegen den BND eingesetzt.
Sichere Angaben darüber, in welchem Umfang westliche Agenten in der DDR unerkannt geblieben sind, liegen nicht vor. Insofern kann noch keine abschließende Bilanz der Wirksamkeit der Spionageabwehr gezogen werden.
Schulungsfilm "Rauschgift" Video, 27 Minuten, 5 Sekunden
"Kühler Kopf, Heisses Herz, Saubere Hände" Propagandafilm zum 50. Jahrestag der Oktoberrevolution Video, 1 Stunde, 39 Minuten, 48 Sekunden
"Wer ist wer?" - MfS-Schulungsfilm für Führungsoffiziere über die IM "Eva" Video, 26 Minuten, 17 Sekunden
MfS-Schulungsfilm "Revisor – ungesetzliche Verbindungsaufnahme" Video, 33 Minuten, 24 Sekunden