Signatur: BStU, MfS, HA XX/9, Nr. 1514, Bl. 7-87
Die Gedächtnisprotokolle von festgenommenen und misshandelten Demonstranten dokumentieren die Übergriffe staatlicher Organe am 7. und 8. Oktober 1989 in Ost-Berlin
Am 7. Oktober 1989 feierte die Partei- und Staatsführung den 40. Jahrestag der Gründung der DDR. Doch die Lage im Land war angespannt: Die Fluchtwelle über Ungarn und die Tschechoslowakei hatte seit August dramatische Ausmaße angenommen. Hinzu kam der wachsende Unmut derer, die blieben und sich in Oppositionsgruppen zusammenschlossen. So fanden beispielsweise in Leipzig seit dem 4. September regelmäßig Montagsdemonstrationen statt. Die Sicherheitskräfte befürchteten deshalb auch am 7. Oktober mit Protesten in Berlin. Stasi-Chef Erich Mielke ordnete daher an: "Feindliche Aktivitäten sind mit allen Mitteln entschlossen zu unterbinden."
Zur Feier des Republikgeburtstages dinierte die DDR-Führung im Palast der Republik mit internationalen Staatsgästen - darunter der Palästinenserführer Jassir Arafat, der rumänische Staatschef Nicolae Ceausescu und der sowjetische Staatschef Michail Gorbatschow. Zur gleichen Zeit versammelten sich auf dem nahegelegenen Alexanderplatz tausende Menschen. Unter ihnen bildete sich ein Demonstrationszug, der sich in Richtung Palast der Republik bewegte. Doch Sicherheitskräften bestehend aus Stasi, Volkspolizei und Ordnungsgruppen der FDJ gelang es, den Zug aus dem Stadtzentrum abzudrängen.
Einige der Demonstranten marschierten daraufhin in Richtung Prenzlauer Berg. Dort gingen die Sicherheitskräfte brutal gegen die friedlichen Demonstranten vor. Volkspolizei und Stasi prügelten Demonstranten in bereitstehende LKW. Die Verhafteten wurden abtransportiert, stundenlang auf Polizeirevieren festgehalten, erniedrigt und misshandelt. Darunter befanden sich auch völlig unbeteiligte Anwohner. Um die Gethsemanekirche lauerten Sicherheitskräfte den Teilnehmern einer Bittandacht auf. Als diese das Gotteshaus verlassen wollten, schlug die Polizei zu. Sie kesselte die Menge ein und verhaftete zahlreiche Menschen. Tags darauf versammelten sich wiederum etwa 3.000 Menschen in der Gethsemanekirche zu einer Andacht. Nach dem Verlassen des Gotteshauses kesselten sie wieder Sondereinheiten der Polizei ein und trieben sie gewaltsam auseinander. Wieder gab es Verletzte und Gefangene.
Nach ihrer Freilassung schilderten viele Verhaftete ihre Erlebnisse in den vorliegenden Gedächtnisprotokollen. Sie wurden von der Kontakttelefongruppe in der Berliner Gethsemane-Gemeinde gesammelt. Sie enthalten rund 150 Erinnerungsprotokolle von festgenommenen und misshandelten Demonstranten. Sie dokumentieren die Übergriffe staatlicher Organe und deren Gewaltexzesse am 7. und 8. Oktober 1989 in Berlin.
Die Aufzeichnungen wurden am 23. Oktober 1989 auf einer Pressekonferenz der Öffentlichkeit übergeben. Die von den Oppositionsgruppen geforderte Untersuchungskommission wurde Anfang November eingerichtet.
Am Montag, den 9.10.89 ging ich um etwa 0.10 Uhr aus meiner Wohnung, um einen Freund zu besuchen. Er wohnt ca. 10 min. von mir entfernt in der [geschwärzt]. Dort traf ich [geschwärzt] (Wohnungsinhaber) und [geschwärzt]. Wir hielten uns noch etwa 10 min. in der Wohnung auf und beschlossen noch in die "Waabe" zu fahren. (Bar & Diskothek) Als ich auf die Knaackstr. kam, ereignete sich folgendes. [geschwärzt] hatte schon sein Auto, mit dem wir gemeinsam fahren wollten, auf der anderen Straßenseite erreicht. [geschwärzt] hatte gerade ein Viertel der Fahrbahn betreten und ich stand direkt an einem parkenden Auto auf der Fahrbahnseite, als plötzlich ein Polizei-LKW mit Blaulicht in die Knaackstr., von der Dimitroffstr. kommend, bog. Da die Knaackstr. Einbahnstr. in Richtung Dimitroffstr. ist, fuhr das Polizeifahrzeug also gegen die Fahrtrichtung. [geschwärzt] und ich blieben an den beschriebenen Positionen, [geschwärzt] (verunsichert vermute ich) ging noch einen Schritt vor und einen zurück, da war das Fahrzeug heran und hielt. (Es bestand noch genügend Platz, um vorbeifahren zu können) Der Fahrer machte die Tür auf und rief im selben Moment nach hinten nach Verstärkung. Dann stürzte er auf [geschwärzt] zu, [geschwärzt] sagte im selben Moment: "Was ist denn los? Es ist doch Einbahnstr.". Der Fahrer hatte einen Gummiknüppel mit dem er [geschwärzt] ins Gesicht schlug. Gleichzeitig kamen noch 2 o. 3 Polizisten, welche auf mich ebenfalls einschlugen. (auf den Rücken) Wir hatten keinen Widerstand geleistet - weder verbal noch körperlich. Unter Schlagen mit dem Gummiknüppel wurden [geschwärzt] und ich auf den LKW getrieben. Beim Aufsteigen sah ich dann [geschwärzt], der ebenfalls unter Knüppelhieben hinter mir auf den LKW getrieben wurde. Auch während des Aufsteigens gab es noch Schläge von den im Fahrzeug sitzenden Polizisten. Von hinten brüllte ein Polizist: "Durchtreten und Schnauze halten, sonst gibts noch mehr". Dann fuhr der LKW los. Als das Fahrzeug hielt und die hintere Klappe geöffnet wurde, erkannte ich sofort, daß wir in der Immanuelkirchstr. waren. Die große Alluminiumeinfahrtstür war weit geöffnet. Ich sah einen etwa 5-8 Meter langen Gang auf dem etwa 20 Polizisten und 2 bis 3 Helfer der VP mit Gummiknüppeln, rechts und links verteilt, eine Gasse bildend, standen. Gleichzeitig brüllten 1 o. 2 Polizisten: "Los runter, im Laufschritt!" und prügelten auf die ersten vor mir los. Dann war ich dran. Die ersten Schläge auf dem Fahrzeug, dann runterspringen, loslaufen, die "Gasse" entlang. (Vor mir eine junge Frau) Schläge auf den Rücken, Hintern und Oberschenkel. Ich hielt die Arme vor dem Gesicht‚ kam auf einen Hof, hörte Kommandos: "An die Wand stellen, Beine breit, Gesicht zur Wand, Arme hoch, Hände an die Wand." Ich sehe beim Laufen drei Garagen, davon eine geöffnet, in der einige Leute breitbeinig stehen. Ich muß mich an ein geschlossenes Garagentor stellen. Immer wieder höre ich, wie Leute geschlagen werden. Ich merke, wie ein Polizist von hinten auf mich zukommt. Er tritt mir gegen die Waden und brüllt: "Weiter weg vom Tor, Beine und Arme weiter auseinander!" Ich stehe jetzt ca. 90 cm von der Wand entfernt. Beine ungefähr genauso weit auseinander, die Arme gestreckt an die Wand stützend. So stehe ich ca. eineinhalb Stunden. In dieser Zeit werden die Personalausweise eingesammelt und Leute geschlagen, die nicht "Richtig" stehen. Man hört Schreie und Hundegebell.
Die junge Frau, die neben mir steht, darf sich nach einiger Zeit "normal" hinstellen. Das heißt, Beine auseinander, Hände auf dem Rücken und das Gesicht zur Wand. Nachdem die eineinhalb Stunden vergangen sind, werde ich aufgefordert, im Laufschritt in die offene Garage zu gehen. Dort werde ich durch eine besonders extreme Körperhaltung gequält. Ich mußte mich an die Wand stellen in "gewohnter" Stellung. Dann kam ein Polizist von hinten und forderte mich mit den Worten: "Wir werden Euch Demokratie schon beibringen." auf, von der Wand weg zu kommen und die Beine noch weiter auseinander zu machen. Nun stand ich ca. 1,20 m von der Wand entfernt, die Beine waren auch ca. 1,20 m auseinander und die Hände an die Wand gestützt. Mir wurden Schläge angedroht, falls ich zusammenbräche. Ich brach nach ca. 20 min zusammen. Die Polizisten lachten und sagten, sie seien human, ich dürfe mich hinknien.
Bekämpfung von Widerstand und Opposition umschreibt, was zwischen 1950 und 1989 als eine Kernaufgabe des MfS galt. Gegen den Willen eines Großteils der ostdeutschen Bevölkerung wurde eine Diktatur etabliert, die nicht durch Wahlen legitimiert war: Dies war einer der Gründe für die Bildung des MfS am 8.2.1950.
Um ihren gesellschaftlichen Alleinvertretungs- und Herrschaftsanspruch zu sichern, schuf sich die SED als Repressions- und polizeistaatliche Unterdrückungsinstanz das MfS - das konsequenterweise so auch offiziell von ihr als "Schild und Schwert der Partei" bezeichnet wurde. Bereits in der "Richtlinie über die Erfassung von Personen, die eine feindliche Tätigkeit durchführen und von den Organen des MfS der DDR festgestellt wurden" vom 20.9.1950 wurde dementsprechend festgelegt, dass "alle Personen" zu registrieren seien, deren Verhalten geeignet war, die "Grundlagen" der DDR in Frage zu stellen.
Ferner wurde bestimmt, dass "über Personen, die eine feindliche Tätigkeit ausüben, [...] Vorgänge" anzulegen sind und über "die erfassten Personen [...] eine zentrale Kartei" einzurichten ist. Das offensive Vorgehen gegen Regimegegner erfuhr eine Ergänzung in den gleichzeitig getroffenen Festlegungen zur Übergabe der als "feindlich" klassifizierten Personen an die Staatsanwaltschaften.
Das MfS wurde somit bei der Bekämpfung von Widerstand und Opposition zur Ermittlungsinstanz; die nachfolgenden Urteile gegen Oppositionelle und Regimekritiker ergingen in enger Kooperation mit den vom MfS zumeist vorab instruierten Gerichten und zum Schein vermeintlicher Rechtsstaatlichkeit unter Hinzuziehung von mit dem MfS häufig zusammenarbeitenden Rechtsanwälten.
Inhalte, Auftreten und Erscheinungsbild von politisch abweichendem Verhalten, Widerstand und Opposition wandelten sich im Laufe der DDR-Geschichte. Zugleich änderten sich auch die Strategien und Methoden des MfS in Abhängigkeit vom konkreten Erscheinungsbild von Protest und Widerstand, aber auch analog zum Ausbauniveau des Apparates und seines Zuträger- und Informantennetzes sowie zur jeweils getroffenen Lageeinschätzung und unter Berücksichtigung der politischen Rahmenbedingungen.
Zu allen Zeiten gab es in beinahe allen Bevölkerungsgruppen und in allen Regionen Aufbegehren, Opposition und Widerstand. In den ersten Jahren nach Gründung der DDR gingen die SED und das MfS mit drakonischen Abschreckungsstrafen (u. a. Todesurteilen) gegen politische Gegner vor. Gefällt wurden die Urteile nicht selten in penibel vorbereiteten Strafprozessen mit präparierten Belastungszeugen und unter Verwendung erzwungener Geständnisse.
In mehreren Orten der DDR wurden z. B. Oberschüler (Werdau, Leipzig, Werder, Eisenfeld, Fürstenberg/Oder, Güstrow), die anknüpfend an das Vorbild der Gruppe "Weiße Rose" in der NS-Diktatur Widerstand geleistet hatte, zum Tode oder zu langjährigen Zuchthausstrafen verurteilt, weil sie Informationen gesammelt und Flugblätter verteilt hatten. Manch einer von ihnen überlebte die Haftbedingungen nicht oder nur mit dauerhaften gesundheitlichen Schäden.
Im Laufe der 50er Jahre ging das MfS schrittweise zum verdeckten Terror über. Nach wie vor ergingen langjährige Zuchthausstrafen; politische Opponenten, die von Westberlin aus die Verhältnisse in der DDR kritisierten, wurden - wie Karl Wilhelm Fricke 1955 - in geheimen Operationen entführt, nach Ostberlin verschleppt, in MfS-Haft festgehalten und vor DDR-Gerichte gestellt (Entführung).
Das Bestreben der SED, sich in der westlichen Öffentlichkeit aufgrund dieser ungelösten Fälle und angesichts eklatanter Menschenrechtsverletzungen nicht fortlaufender Kritik ausgesetzt zu sehen, führte, begünstigt durch die Absicht, der maroden Finanz- und Wirtschaftslage mit westlicher Unterstützung beizukommen, schrittweise zu einem Wandel. Im Ergebnis kam es auch zu einer Modifikation der MfS-Strategien im Vorgehen gegenüber Widerstand und Opposition.
Neben die im Vergleich zu den 50er Jahren zwar niedrigeren, für die Betroffenen aber nach wie vor empfindlich hohen Haftstrafen traten als beabsichtigt "lautloses" Vorgehen die Strategien der Kriminalisierung und Zersetzung. In einem "Entwurf der Sektion politisch-operative Spezialdisziplin" des MfS, der auf 1978 zu datieren ist, wird hierzu ausgeführt: "Um der Behauptung des Gegners die Spitze zu nehmen, dass wir ideologische Meinungsverschiedenheiten oder Andersdenkende mit Mitteln des sogenannten politischen Strafrechts bekämpfen, sind dazu noch wirksamer Maßnahmen zur Kriminalisierung dieser Handlungen sowie nicht strafrechtliche Mittel anzuwenden."
In der Richtlinie 1/76 "zur Entwicklung und Bearbeitung Operativer Vorgänge" vom Januar 1976 wurden unter Punkt 2.6 "die Anwendung von Maßnahmen der Zersetzung" geregelt und unter Punkt 2.6.2 die "Formen, Mittel und Methoden der Zersetzung" erörtert. Jene reichten u. a. von der "systematischen Diskreditierung des öffentlichen Rufes" auch mittels "unwahrer […] Angaben" und der "Verbreitung von Gerüchten" über das "Erzeugen von Misstrauen", dem "Vorladen von Personen zu staatlichen Dienststellen" bis zur "Verwendung anonymer oder pseudonymer Briefe, […] Telefonanrufe".
Mit der "Ordnungswidrigkeitenverordnung" (OWVO) von 1984 ging man zudem verstärkt dazu über, politisch unliebsame Personen, sofern sie sich an Protesten beteiligten, mit Ordnungsstrafen zu überziehen und sie somit materiell unter Druck zu setzen. All diese Maßnahmen sollten nach außen hin den Eindruck erwecken, dass das MfS weniger rigoros als in früheren Jahren gegen Regimegegner vorging.
Nach der Freilassung von Oppositionellen, die kurz zuvor während der Durchsuchung der Umweltbibliothek 1987 und nach den Protesten am Rande der Liebknecht-Luxemburg-Demonstration 1988 in Berlin inhaftiert worden waren, äußerten selbst SED-Mitglieder Zweifel, ob das MfS noch in der Lage sei, offensiv und effektiv gegen politische Opponenten vorzugehen.
Hochgerüstet und allemal zum Einschreiten bereit, trat das MfS jedoch noch bis in den Herbst 1989 gegenüber weniger prominenten Menschen in Aktion, die Widerstand leisteten, inhaftierte diese und ließ gegen sie hohe Haftstrafen verhängen. Bis zum Ende der DDR schritt das MfS bei sog. Demonstrativhandlungen ein und ging gegen - wie es hieß - ungesetzliche Gruppenbildungen vor.
Organisationsstruktur in der MfS-Zentrale, die durch den Minister oder einen seiner Stellvertreter direkt angeleitet wurde. Die zuletzt 13 Hauptabteilungen wurden durch Einzelleiter geführt. Die weiter untergliederten und nach dem Linienprinzip tätigen HA waren für komplexe, abgegrenzte Bereiche operativ zuständig und federführend verantwortlich. Der Zuschnitt der Zuständigkeitsbereiche war an Ressorts oder geheimdienstlichen Praktiken (z. B. Verkehrswesen, Beobachtung, Funkspionage) orientiert.
Signatur: BStU, MfS, HA XX/9, Nr. 1514, Bl. 7-87
Die Gedächtnisprotokolle von festgenommenen und misshandelten Demonstranten dokumentieren die Übergriffe staatlicher Organe am 7. und 8. Oktober 1989 in Ost-Berlin
Am 7. Oktober 1989 feierte die Partei- und Staatsführung den 40. Jahrestag der Gründung der DDR. Doch die Lage im Land war angespannt: Die Fluchtwelle über Ungarn und die Tschechoslowakei hatte seit August dramatische Ausmaße angenommen. Hinzu kam der wachsende Unmut derer, die blieben und sich in Oppositionsgruppen zusammenschlossen. So fanden beispielsweise in Leipzig seit dem 4. September regelmäßig Montagsdemonstrationen statt. Die Sicherheitskräfte befürchteten deshalb auch am 7. Oktober mit Protesten in Berlin. Stasi-Chef Erich Mielke ordnete daher an: "Feindliche Aktivitäten sind mit allen Mitteln entschlossen zu unterbinden."
Zur Feier des Republikgeburtstages dinierte die DDR-Führung im Palast der Republik mit internationalen Staatsgästen - darunter der Palästinenserführer Jassir Arafat, der rumänische Staatschef Nicolae Ceausescu und der sowjetische Staatschef Michail Gorbatschow. Zur gleichen Zeit versammelten sich auf dem nahegelegenen Alexanderplatz tausende Menschen. Unter ihnen bildete sich ein Demonstrationszug, der sich in Richtung Palast der Republik bewegte. Doch Sicherheitskräften bestehend aus Stasi, Volkspolizei und Ordnungsgruppen der FDJ gelang es, den Zug aus dem Stadtzentrum abzudrängen.
Einige der Demonstranten marschierten daraufhin in Richtung Prenzlauer Berg. Dort gingen die Sicherheitskräfte brutal gegen die friedlichen Demonstranten vor. Volkspolizei und Stasi prügelten Demonstranten in bereitstehende LKW. Die Verhafteten wurden abtransportiert, stundenlang auf Polizeirevieren festgehalten, erniedrigt und misshandelt. Darunter befanden sich auch völlig unbeteiligte Anwohner. Um die Gethsemanekirche lauerten Sicherheitskräfte den Teilnehmern einer Bittandacht auf. Als diese das Gotteshaus verlassen wollten, schlug die Polizei zu. Sie kesselte die Menge ein und verhaftete zahlreiche Menschen. Tags darauf versammelten sich wiederum etwa 3.000 Menschen in der Gethsemanekirche zu einer Andacht. Nach dem Verlassen des Gotteshauses kesselten sie wieder Sondereinheiten der Polizei ein und trieben sie gewaltsam auseinander. Wieder gab es Verletzte und Gefangene.
Nach ihrer Freilassung schilderten viele Verhaftete ihre Erlebnisse in den vorliegenden Gedächtnisprotokollen. Sie wurden von der Kontakttelefongruppe in der Berliner Gethsemane-Gemeinde gesammelt. Sie enthalten rund 150 Erinnerungsprotokolle von festgenommenen und misshandelten Demonstranten. Sie dokumentieren die Übergriffe staatlicher Organe und deren Gewaltexzesse am 7. und 8. Oktober 1989 in Berlin.
Die Aufzeichnungen wurden am 23. Oktober 1989 auf einer Pressekonferenz der Öffentlichkeit übergeben. Die von den Oppositionsgruppen geforderte Untersuchungskommission wurde Anfang November eingerichtet.
In ieser Zeit wurden immer wieder Namen aufgerufen. Nach ungefähr 2 Stunden wurde ich aufgerufen. Ich mußte blitzschnell aufstehen und im Laufschritt mich an eine Schlange anstellen. Da meine Beine von Knien völlig eingeschlafen waren, brach ich sofort zusammen und wurde hochgeprügelt. Dann mußten wir wieder einen LKW besteigen. Wir waren 8 Personen und 4 Polizisten. Man konnte sitzen, aber durfte nicht sprechen. So saßen wir ca. eineinhalb Stunden. die Polizisten waren in "guter Laune", spielten mit ihren Gummiknüppeln. erzählten sich, wie lange sie schon nicht geschlafen hätten und beschimpften eine Bürgerin, die aus ihrem Fenster rief: "Laßt sie doch frei, sie haben Euch nichts getan!", mit den Worten: "Halts Maul Alte, sonst holen wir Dich!". Um ca. 3.10 Uhr fuhr der LKW los. Zuerst nach Schöneweide. Dort wurde der LKW wieder weggeschickt. Dann wurden wir in das Polizeirevier Bulgarische - Ecke Köpenicker Landstr. gefahren. Hier wurden wir in einen Raum geführt, der etwa 12 m lang und 4 m breit war. Wieder an der Wand stehen. Nach einer Weile wurde ich in einen anderen Raum geführt. Dort wurde ich abgetastet und mußte mich entkleiden. Dann wurden mir Schmuck, Gürtel, Geld usw. abgenommen.
Nachdem ich wieder angekleidet war, unterschrieb ich eine Liste der mir abgenommenen Gegenstände. Dann wurden meine Personalien aufgenommen und ich wurde zur Vernehmung gebracht. Der Kriminalbeamte war der erste Mensch, der sich "korrekt" verhielt. Ich wurde über das Beschwerderecht informiert und mir wurde der Vorwurf gemacht, ich hätte mich an einer verbotenen, staatsfeindlichen Demonstration beteiligt. Ich verneinte dies und machte meine Aussage so, wie es sich zugetragen hatte. Dies wurde protokolliert und ich unterschrieb dieses Protokoll. Anschließend wurden mir, in einem anderen Raum, die Fingerabdrücke und Handabdrücke abgenommen sowie fotografiert. Danach wurde ich in den großen Raum geführt und durfte sitzen. Nach und nach kamen auch die anderen Personen von der Vernehmung. Es bestand nach wie vor Redeverbot. Wer dagegen verstieß, mußte eine Weile an der Wand stehen. Dem Wunsch auf die Toilette zu gehen, unter Begleitung auf diese, wurde stattgegeben.
Geschlagen wurde ich seit dem Aufsteigen auf den LKW nicht mehr. Um ca. 10.30 Uhr bekamen wir dann zunächst kalten und nach Beschwerden heißen Tee und etwas zu essen. Um 11.30 Uhr bekam ich meine Sachen wieder und wurde ohne Entschuldigung seitens der Polizei entlassen. Auch die Personen, die alle indem großen Raum waren, wurden freigelassen. (insgesamt 12 Personen).
Ich erkläre hiermit eidesstattlich, daß dieser Bericht der Wahrheit entspricht.
(Name ist der Red. bekannt)
Bekämpfung von Widerstand und Opposition umschreibt, was zwischen 1950 und 1989 als eine Kernaufgabe des MfS galt. Gegen den Willen eines Großteils der ostdeutschen Bevölkerung wurde eine Diktatur etabliert, die nicht durch Wahlen legitimiert war: Dies war einer der Gründe für die Bildung des MfS am 8.2.1950.
Um ihren gesellschaftlichen Alleinvertretungs- und Herrschaftsanspruch zu sichern, schuf sich die SED als Repressions- und polizeistaatliche Unterdrückungsinstanz das MfS - das konsequenterweise so auch offiziell von ihr als "Schild und Schwert der Partei" bezeichnet wurde. Bereits in der "Richtlinie über die Erfassung von Personen, die eine feindliche Tätigkeit durchführen und von den Organen des MfS der DDR festgestellt wurden" vom 20.9.1950 wurde dementsprechend festgelegt, dass "alle Personen" zu registrieren seien, deren Verhalten geeignet war, die "Grundlagen" der DDR in Frage zu stellen.
Ferner wurde bestimmt, dass "über Personen, die eine feindliche Tätigkeit ausüben, [...] Vorgänge" anzulegen sind und über "die erfassten Personen [...] eine zentrale Kartei" einzurichten ist. Das offensive Vorgehen gegen Regimegegner erfuhr eine Ergänzung in den gleichzeitig getroffenen Festlegungen zur Übergabe der als "feindlich" klassifizierten Personen an die Staatsanwaltschaften.
Das MfS wurde somit bei der Bekämpfung von Widerstand und Opposition zur Ermittlungsinstanz; die nachfolgenden Urteile gegen Oppositionelle und Regimekritiker ergingen in enger Kooperation mit den vom MfS zumeist vorab instruierten Gerichten und zum Schein vermeintlicher Rechtsstaatlichkeit unter Hinzuziehung von mit dem MfS häufig zusammenarbeitenden Rechtsanwälten.
Inhalte, Auftreten und Erscheinungsbild von politisch abweichendem Verhalten, Widerstand und Opposition wandelten sich im Laufe der DDR-Geschichte. Zugleich änderten sich auch die Strategien und Methoden des MfS in Abhängigkeit vom konkreten Erscheinungsbild von Protest und Widerstand, aber auch analog zum Ausbauniveau des Apparates und seines Zuträger- und Informantennetzes sowie zur jeweils getroffenen Lageeinschätzung und unter Berücksichtigung der politischen Rahmenbedingungen.
Zu allen Zeiten gab es in beinahe allen Bevölkerungsgruppen und in allen Regionen Aufbegehren, Opposition und Widerstand. In den ersten Jahren nach Gründung der DDR gingen die SED und das MfS mit drakonischen Abschreckungsstrafen (u. a. Todesurteilen) gegen politische Gegner vor. Gefällt wurden die Urteile nicht selten in penibel vorbereiteten Strafprozessen mit präparierten Belastungszeugen und unter Verwendung erzwungener Geständnisse.
In mehreren Orten der DDR wurden z. B. Oberschüler (Werdau, Leipzig, Werder, Eisenfeld, Fürstenberg/Oder, Güstrow), die anknüpfend an das Vorbild der Gruppe "Weiße Rose" in der NS-Diktatur Widerstand geleistet hatte, zum Tode oder zu langjährigen Zuchthausstrafen verurteilt, weil sie Informationen gesammelt und Flugblätter verteilt hatten. Manch einer von ihnen überlebte die Haftbedingungen nicht oder nur mit dauerhaften gesundheitlichen Schäden.
Im Laufe der 50er Jahre ging das MfS schrittweise zum verdeckten Terror über. Nach wie vor ergingen langjährige Zuchthausstrafen; politische Opponenten, die von Westberlin aus die Verhältnisse in der DDR kritisierten, wurden - wie Karl Wilhelm Fricke 1955 - in geheimen Operationen entführt, nach Ostberlin verschleppt, in MfS-Haft festgehalten und vor DDR-Gerichte gestellt (Entführung).
Das Bestreben der SED, sich in der westlichen Öffentlichkeit aufgrund dieser ungelösten Fälle und angesichts eklatanter Menschenrechtsverletzungen nicht fortlaufender Kritik ausgesetzt zu sehen, führte, begünstigt durch die Absicht, der maroden Finanz- und Wirtschaftslage mit westlicher Unterstützung beizukommen, schrittweise zu einem Wandel. Im Ergebnis kam es auch zu einer Modifikation der MfS-Strategien im Vorgehen gegenüber Widerstand und Opposition.
Neben die im Vergleich zu den 50er Jahren zwar niedrigeren, für die Betroffenen aber nach wie vor empfindlich hohen Haftstrafen traten als beabsichtigt "lautloses" Vorgehen die Strategien der Kriminalisierung und Zersetzung. In einem "Entwurf der Sektion politisch-operative Spezialdisziplin" des MfS, der auf 1978 zu datieren ist, wird hierzu ausgeführt: "Um der Behauptung des Gegners die Spitze zu nehmen, dass wir ideologische Meinungsverschiedenheiten oder Andersdenkende mit Mitteln des sogenannten politischen Strafrechts bekämpfen, sind dazu noch wirksamer Maßnahmen zur Kriminalisierung dieser Handlungen sowie nicht strafrechtliche Mittel anzuwenden."
In der Richtlinie 1/76 "zur Entwicklung und Bearbeitung Operativer Vorgänge" vom Januar 1976 wurden unter Punkt 2.6 "die Anwendung von Maßnahmen der Zersetzung" geregelt und unter Punkt 2.6.2 die "Formen, Mittel und Methoden der Zersetzung" erörtert. Jene reichten u. a. von der "systematischen Diskreditierung des öffentlichen Rufes" auch mittels "unwahrer […] Angaben" und der "Verbreitung von Gerüchten" über das "Erzeugen von Misstrauen", dem "Vorladen von Personen zu staatlichen Dienststellen" bis zur "Verwendung anonymer oder pseudonymer Briefe, […] Telefonanrufe".
Mit der "Ordnungswidrigkeitenverordnung" (OWVO) von 1984 ging man zudem verstärkt dazu über, politisch unliebsame Personen, sofern sie sich an Protesten beteiligten, mit Ordnungsstrafen zu überziehen und sie somit materiell unter Druck zu setzen. All diese Maßnahmen sollten nach außen hin den Eindruck erwecken, dass das MfS weniger rigoros als in früheren Jahren gegen Regimegegner vorging.
Nach der Freilassung von Oppositionellen, die kurz zuvor während der Durchsuchung der Umweltbibliothek 1987 und nach den Protesten am Rande der Liebknecht-Luxemburg-Demonstration 1988 in Berlin inhaftiert worden waren, äußerten selbst SED-Mitglieder Zweifel, ob das MfS noch in der Lage sei, offensiv und effektiv gegen politische Opponenten vorzugehen.
Hochgerüstet und allemal zum Einschreiten bereit, trat das MfS jedoch noch bis in den Herbst 1989 gegenüber weniger prominenten Menschen in Aktion, die Widerstand leisteten, inhaftierte diese und ließ gegen sie hohe Haftstrafen verhängen. Bis zum Ende der DDR schritt das MfS bei sog. Demonstrativhandlungen ein und ging gegen - wie es hieß - ungesetzliche Gruppenbildungen vor.
Organisationsstruktur in der MfS-Zentrale, die durch den Minister oder einen seiner Stellvertreter direkt angeleitet wurde. Die zuletzt 13 Hauptabteilungen wurden durch Einzelleiter geführt. Die weiter untergliederten und nach dem Linienprinzip tätigen HA waren für komplexe, abgegrenzte Bereiche operativ zuständig und federführend verantwortlich. Der Zuschnitt der Zuständigkeitsbereiche war an Ressorts oder geheimdienstlichen Praktiken (z. B. Verkehrswesen, Beobachtung, Funkspionage) orientiert.
Signatur: BStU, MfS, HA XX/9, Nr. 1514, Bl. 7-87
Die Gedächtnisprotokolle von festgenommenen und misshandelten Demonstranten dokumentieren die Übergriffe staatlicher Organe am 7. und 8. Oktober 1989 in Ost-Berlin
Am 7. Oktober 1989 feierte die Partei- und Staatsführung den 40. Jahrestag der Gründung der DDR. Doch die Lage im Land war angespannt: Die Fluchtwelle über Ungarn und die Tschechoslowakei hatte seit August dramatische Ausmaße angenommen. Hinzu kam der wachsende Unmut derer, die blieben und sich in Oppositionsgruppen zusammenschlossen. So fanden beispielsweise in Leipzig seit dem 4. September regelmäßig Montagsdemonstrationen statt. Die Sicherheitskräfte befürchteten deshalb auch am 7. Oktober mit Protesten in Berlin. Stasi-Chef Erich Mielke ordnete daher an: "Feindliche Aktivitäten sind mit allen Mitteln entschlossen zu unterbinden."
Zur Feier des Republikgeburtstages dinierte die DDR-Führung im Palast der Republik mit internationalen Staatsgästen - darunter der Palästinenserführer Jassir Arafat, der rumänische Staatschef Nicolae Ceausescu und der sowjetische Staatschef Michail Gorbatschow. Zur gleichen Zeit versammelten sich auf dem nahegelegenen Alexanderplatz tausende Menschen. Unter ihnen bildete sich ein Demonstrationszug, der sich in Richtung Palast der Republik bewegte. Doch Sicherheitskräften bestehend aus Stasi, Volkspolizei und Ordnungsgruppen der FDJ gelang es, den Zug aus dem Stadtzentrum abzudrängen.
Einige der Demonstranten marschierten daraufhin in Richtung Prenzlauer Berg. Dort gingen die Sicherheitskräfte brutal gegen die friedlichen Demonstranten vor. Volkspolizei und Stasi prügelten Demonstranten in bereitstehende LKW. Die Verhafteten wurden abtransportiert, stundenlang auf Polizeirevieren festgehalten, erniedrigt und misshandelt. Darunter befanden sich auch völlig unbeteiligte Anwohner. Um die Gethsemanekirche lauerten Sicherheitskräfte den Teilnehmern einer Bittandacht auf. Als diese das Gotteshaus verlassen wollten, schlug die Polizei zu. Sie kesselte die Menge ein und verhaftete zahlreiche Menschen. Tags darauf versammelten sich wiederum etwa 3.000 Menschen in der Gethsemanekirche zu einer Andacht. Nach dem Verlassen des Gotteshauses kesselten sie wieder Sondereinheiten der Polizei ein und trieben sie gewaltsam auseinander. Wieder gab es Verletzte und Gefangene.
Nach ihrer Freilassung schilderten viele Verhaftete ihre Erlebnisse in den vorliegenden Gedächtnisprotokollen. Sie wurden von der Kontakttelefongruppe in der Berliner Gethsemane-Gemeinde gesammelt. Sie enthalten rund 150 Erinnerungsprotokolle von festgenommenen und misshandelten Demonstranten. Sie dokumentieren die Übergriffe staatlicher Organe und deren Gewaltexzesse am 7. und 8. Oktober 1989 in Berlin.
Die Aufzeichnungen wurden am 23. Oktober 1989 auf einer Pressekonferenz der Öffentlichkeit übergeben. Die von den Oppositionsgruppen geforderte Untersuchungskommission wurde Anfang November eingerichtet.
Erlebnisbericht über die Zuführung und Behandlung durch die Staatsorgane
- wurde gegen 0.30 Uhr ohne Vorwarnung von Polizeiketten in die Dänenstraße gedrängt
LKW fuhr rückwärts, von der Schönhauser Allee kommend, an die Polizeiketten
- Uniformierte griffen sich die eingekesselten Menschen und schafften sie auf die LKW
- um möglichst viele Menschen auf die LKW zu bekonnen, werden Stockschläge angewandt
- Abfahrt in vergitterten LKW und Bewachung hinter den Gittern
- fuhren in die Rummelsburger Landstraße zum Gefängnis
- standen auf diesem Hof, ohne den LKW verlassen zu können, bis ca. 2.00 Uhr; Toilettenbenutzung wurde nicht gestattet
- fuhren dann weiter nach Marzahn (H.-Rau-Str. gegenüber der Feuerwache)
- sprangen dort gegen 2.30 Uhr vom LKW, Männer und Frauen wurden getrennt
- wurden in ungeheizte Garagen gebracht, durften nicht sprechen, mit dem Gesicht zur Wand wurden wir einer Leibesvisitation unterzogen (breitbeinig stehend, Hände gespreizt an die Wand)
- mußten in dieser Haltung bis 3.15 Uhr stehen bleiben
- danach gerade hinstellen, mit dem Gesicht zur Wand, alle Taschen leeren, Uhren, Ketten usw. ablegen, Schnürsenkel aus den Schuhen entfernen, kam alles in eine Plastetüte mit Adresse
- mußten in dieser Haltung zunächst bis 12.00 Uhr bei Kälte und Durchzug stehen bleiben, bekamen beim Hellwerden ca. 6 cl heissen Tee im Plastbecher, ca. 8.00 Uhr eine halbe Schrippe mit Jagdwurst zum Frühstück
- ab ca. 10.00 Uhr zwei Stühle für etwa zwanzig Mann, hinsetzen für ca. 5 Minuten im Wechsel (wer sich umdreht, spricht, anlehnt oder auch durch Schwäche hinsetzt, wird mit dem Knüppel auf Schulter oder Kopf geschlagen)
- 12.00 - 13.00 Uhr meine Vernehmung, erfuhr auf meine Frage, daß meine Frau vermutlich, da schon sehr zeitig vernommen, nicht mehr im Gebäude ist
— stellt sich aber später als unwahr heraus, denn ich sah sie danach auf dem Innenhof (nach ca, 2 Stunden)
- gegen 14.00 Uhr Mittagessen (Brühe mit Nudeln und ein Brötchen)
- 2 Personen gegenüber versetzt an einem Tisch, Sprchverbot (Ca. 5 Minuten Zeit zum Essen)
- kam gegen 14.15 Uhr in eine große Lagerhalle, wieder mit dem Gesicht zur Wand und stehen, in der Halle ca. 30 - 35 Männer und immer 5 - 10 Polizisten mit Schlagstöcken
- ca. 16.00 Uhr wieder in kleinerem Raun, in dem Stühle stehen, sitzen mit dem Gesicht zur Wand
- wurden zwischendurch einzeln herausgeholt und erhielten eine Belehrung über 6 Paragraphen, wie Körperverletzung, Widerstand gegen die Staatsgewalt, Demonstrationsrecht, usw. und Informationenüber Einleitung eines Ordnungsstrafverfahrens, mußten beides unterschreiben
- kamen nach Blankenburg (Pflasterweg) zur Bereitschaftspolizei
Bekämpfung von Widerstand und Opposition umschreibt, was zwischen 1950 und 1989 als eine Kernaufgabe des MfS galt. Gegen den Willen eines Großteils der ostdeutschen Bevölkerung wurde eine Diktatur etabliert, die nicht durch Wahlen legitimiert war: Dies war einer der Gründe für die Bildung des MfS am 8.2.1950.
Um ihren gesellschaftlichen Alleinvertretungs- und Herrschaftsanspruch zu sichern, schuf sich die SED als Repressions- und polizeistaatliche Unterdrückungsinstanz das MfS - das konsequenterweise so auch offiziell von ihr als "Schild und Schwert der Partei" bezeichnet wurde. Bereits in der "Richtlinie über die Erfassung von Personen, die eine feindliche Tätigkeit durchführen und von den Organen des MfS der DDR festgestellt wurden" vom 20.9.1950 wurde dementsprechend festgelegt, dass "alle Personen" zu registrieren seien, deren Verhalten geeignet war, die "Grundlagen" der DDR in Frage zu stellen.
Ferner wurde bestimmt, dass "über Personen, die eine feindliche Tätigkeit ausüben, [...] Vorgänge" anzulegen sind und über "die erfassten Personen [...] eine zentrale Kartei" einzurichten ist. Das offensive Vorgehen gegen Regimegegner erfuhr eine Ergänzung in den gleichzeitig getroffenen Festlegungen zur Übergabe der als "feindlich" klassifizierten Personen an die Staatsanwaltschaften.
Das MfS wurde somit bei der Bekämpfung von Widerstand und Opposition zur Ermittlungsinstanz; die nachfolgenden Urteile gegen Oppositionelle und Regimekritiker ergingen in enger Kooperation mit den vom MfS zumeist vorab instruierten Gerichten und zum Schein vermeintlicher Rechtsstaatlichkeit unter Hinzuziehung von mit dem MfS häufig zusammenarbeitenden Rechtsanwälten.
Inhalte, Auftreten und Erscheinungsbild von politisch abweichendem Verhalten, Widerstand und Opposition wandelten sich im Laufe der DDR-Geschichte. Zugleich änderten sich auch die Strategien und Methoden des MfS in Abhängigkeit vom konkreten Erscheinungsbild von Protest und Widerstand, aber auch analog zum Ausbauniveau des Apparates und seines Zuträger- und Informantennetzes sowie zur jeweils getroffenen Lageeinschätzung und unter Berücksichtigung der politischen Rahmenbedingungen.
Zu allen Zeiten gab es in beinahe allen Bevölkerungsgruppen und in allen Regionen Aufbegehren, Opposition und Widerstand. In den ersten Jahren nach Gründung der DDR gingen die SED und das MfS mit drakonischen Abschreckungsstrafen (u. a. Todesurteilen) gegen politische Gegner vor. Gefällt wurden die Urteile nicht selten in penibel vorbereiteten Strafprozessen mit präparierten Belastungszeugen und unter Verwendung erzwungener Geständnisse.
In mehreren Orten der DDR wurden z. B. Oberschüler (Werdau, Leipzig, Werder, Eisenfeld, Fürstenberg/Oder, Güstrow), die anknüpfend an das Vorbild der Gruppe "Weiße Rose" in der NS-Diktatur Widerstand geleistet hatte, zum Tode oder zu langjährigen Zuchthausstrafen verurteilt, weil sie Informationen gesammelt und Flugblätter verteilt hatten. Manch einer von ihnen überlebte die Haftbedingungen nicht oder nur mit dauerhaften gesundheitlichen Schäden.
Im Laufe der 50er Jahre ging das MfS schrittweise zum verdeckten Terror über. Nach wie vor ergingen langjährige Zuchthausstrafen; politische Opponenten, die von Westberlin aus die Verhältnisse in der DDR kritisierten, wurden - wie Karl Wilhelm Fricke 1955 - in geheimen Operationen entführt, nach Ostberlin verschleppt, in MfS-Haft festgehalten und vor DDR-Gerichte gestellt (Entführung).
Das Bestreben der SED, sich in der westlichen Öffentlichkeit aufgrund dieser ungelösten Fälle und angesichts eklatanter Menschenrechtsverletzungen nicht fortlaufender Kritik ausgesetzt zu sehen, führte, begünstigt durch die Absicht, der maroden Finanz- und Wirtschaftslage mit westlicher Unterstützung beizukommen, schrittweise zu einem Wandel. Im Ergebnis kam es auch zu einer Modifikation der MfS-Strategien im Vorgehen gegenüber Widerstand und Opposition.
Neben die im Vergleich zu den 50er Jahren zwar niedrigeren, für die Betroffenen aber nach wie vor empfindlich hohen Haftstrafen traten als beabsichtigt "lautloses" Vorgehen die Strategien der Kriminalisierung und Zersetzung. In einem "Entwurf der Sektion politisch-operative Spezialdisziplin" des MfS, der auf 1978 zu datieren ist, wird hierzu ausgeführt: "Um der Behauptung des Gegners die Spitze zu nehmen, dass wir ideologische Meinungsverschiedenheiten oder Andersdenkende mit Mitteln des sogenannten politischen Strafrechts bekämpfen, sind dazu noch wirksamer Maßnahmen zur Kriminalisierung dieser Handlungen sowie nicht strafrechtliche Mittel anzuwenden."
In der Richtlinie 1/76 "zur Entwicklung und Bearbeitung Operativer Vorgänge" vom Januar 1976 wurden unter Punkt 2.6 "die Anwendung von Maßnahmen der Zersetzung" geregelt und unter Punkt 2.6.2 die "Formen, Mittel und Methoden der Zersetzung" erörtert. Jene reichten u. a. von der "systematischen Diskreditierung des öffentlichen Rufes" auch mittels "unwahrer […] Angaben" und der "Verbreitung von Gerüchten" über das "Erzeugen von Misstrauen", dem "Vorladen von Personen zu staatlichen Dienststellen" bis zur "Verwendung anonymer oder pseudonymer Briefe, […] Telefonanrufe".
Mit der "Ordnungswidrigkeitenverordnung" (OWVO) von 1984 ging man zudem verstärkt dazu über, politisch unliebsame Personen, sofern sie sich an Protesten beteiligten, mit Ordnungsstrafen zu überziehen und sie somit materiell unter Druck zu setzen. All diese Maßnahmen sollten nach außen hin den Eindruck erwecken, dass das MfS weniger rigoros als in früheren Jahren gegen Regimegegner vorging.
Nach der Freilassung von Oppositionellen, die kurz zuvor während der Durchsuchung der Umweltbibliothek 1987 und nach den Protesten am Rande der Liebknecht-Luxemburg-Demonstration 1988 in Berlin inhaftiert worden waren, äußerten selbst SED-Mitglieder Zweifel, ob das MfS noch in der Lage sei, offensiv und effektiv gegen politische Opponenten vorzugehen.
Hochgerüstet und allemal zum Einschreiten bereit, trat das MfS jedoch noch bis in den Herbst 1989 gegenüber weniger prominenten Menschen in Aktion, die Widerstand leisteten, inhaftierte diese und ließ gegen sie hohe Haftstrafen verhängen. Bis zum Ende der DDR schritt das MfS bei sog. Demonstrativhandlungen ein und ging gegen - wie es hieß - ungesetzliche Gruppenbildungen vor.
Nach dem Volksaufstand von 1953 wurden leicht bewaffnete Einheiten der Volkspolizei aufgestellt, die zur Niederschlagung innerer Unruhen dienen sollten und deswegen kaserniert untergebracht und motorisiert waren. Im Mai 1955 wurden sie der Verwaltung Innere Truppen im Staatssekretariat für Staatssicherheit zugeordnet, aus "kosmetischen" Gründen im Mai 1956 in Bereitschaftspolizei umbenannt. Von August 1956 bis März 1957 unterstand sie wie die Deutsche Grenzpolizei und die Transportpolizei der Hauptverwaltung Innere Sicherheit des MfS. Mit dieser wurden sie im Februar 1957 dem MdI unterstellt. Nach Auflösung der Hauptverwaltung Innere Sicherheit im Monat darauf blieben sie kasernierte Eingreifreserve des MdI. Ihr Mannschaftsbestand wurde ab 1962 aus Wehrpflichtigen rekrutiert.
Die geheimpolizeiliche Überwachung dieser Verbände oblag zunächst der Abteilung VII der Verwaltung Groß-Berlin, ab Jahresende 1955 der neu gebildeten Abteilung 10 der Hauptabteilung I. Diese wurde nach dem Mauerbau als Abteilung 7 in die Hauptabteilung VII eingegliedert. Ihre 77 Mitarbeiter sicherten unmittelbar die beiden Berliner Grenzbrigaden der Bereitschaftspolizei sowie die 3. und 4. Brigade (mit Aufgaben der Reserve). Die übrigen Brigaden in den Bezirken fielen in die Verantwortung sog. Abwehroffiziere der jeweiligen Abteilungen VII der Bezirksverwaltungen. Diese arbeiteten vor Ort und trugen die Uniformen der Bereitschaftspolizisten. Sie sollten über Vorkommnisse und Missstimmungen im Bilde sein sowie potenzielle Deserteure identifizieren. Wenn Bereitschaftspolizisten tatsächlich flüchteten, klärten die Abwehroffiziere die Hintergründe, während die Abteilung 6 der Hauptabteilung IX strafrechtlich ermittelte, wie bei anderen Angehörigen der bewaffneten Organe auch.
Im Jahre 1964 wurde die Zuständigkeit für die Bereitschaftspolizei bei der Abteilung 7 der Hauptabteilung VII zentralisiert und ihr die Planstellen der Abwehroffiziere aus den Bezirken übertragen. Im Oktober 1970 wurde dies indes wieder rückgängig gemacht. Die Hauptabteilung Bereitschaften im Ministerium des Innern verfügte zuletzt über 32 Mitarbeiter, darunter 7 IM und GMS (21,8 Prozent). Die Leitungskader pflegten außerdem offizielle Arbeitskontakte zur Staatssicherheit im Rahmen des politischoperativen Zusammenwirkens.
Die Bereitschaftspolizei sollte im Kriegsfall militärische Aufgaben übernehmen und beispielsweise gegnerische Einheiten auf dem Territorium der DDR "zerschlagen". In Friedenszeiten musste sie oft andere Zweige der Volkspolizei verstärken, etwa bei der Sicherung von Großveranstaltungen, der Suche nach entwichenen Häftlingen oder dem Einbringen der Ernte. Zur Disziplin trug dies wohl nicht bei. Unter den zuletzt rund 14.000 Bereitschaftspolizisten wurden jährlich mehr als 700 disziplinarisch bestraft, meist wegen Trunkenheit oder unerlaubten Entfernens. Etwa wegen Westkontakten führte zudem die Staatssicherheit jährlich rund 5 OV und 85 OPK gegen Bereitschaftspolizisten durch. Diese gingen im Oktober 1989 teilweise brutal gegen friedliche Demonstranten vor, wobei mindestens 64 Bereitschaftspolizisten den Befehl zu diesem Einsatz verweigerten.
Organisationsstruktur in der MfS-Zentrale, die durch den Minister oder einen seiner Stellvertreter direkt angeleitet wurde. Die zuletzt 13 Hauptabteilungen wurden durch Einzelleiter geführt. Die weiter untergliederten und nach dem Linienprinzip tätigen HA waren für komplexe, abgegrenzte Bereiche operativ zuständig und federführend verantwortlich. Der Zuschnitt der Zuständigkeitsbereiche war an Ressorts oder geheimdienstlichen Praktiken (z. B. Verkehrswesen, Beobachtung, Funkspionage) orientiert.
Eine Zuführung ist eine polizeirechtliche Maßnahme der kurzzeitigen Freiheitsentziehung, wurde zunächst aus der polizeirechtlichen Generalklausel von § 14 des in der DDR bis 1968 geltenden Preußischen Polizeiverwaltungsgesetzes vom 1.6.1931 abgeleitet. Zuführungen von Personen konnten zur Feststellung der Personalien sowie "zur Klärung eines Sachverhalts" (Sachverhaltsprüfung) durchgeführt werden.
Seit 1968 bildete § 12 VP-Gesetz die Rechtsgrundlage für polizeirechtliche Zuführungen. Im Rahmen des strafprozessualen Prüfungsstadiums war auch eine Zuführung Verdächtiger zur Befragung nach § 95 Abs. 2 StPO/1968 als strafprozessuale Sicherungsmaßnahme zulässig. In beiden Fällen durfte die Zeitdauer 24 Stunden nicht überschreiten. Vom MfS wurden Zuführungen auch als taktisches Instrument genutzt. Sie konnten in eine Inhaftierung münden, aber auch zur Einschüchterung oder zur Anwerbung unter Druck genutzt werden.
Augenzeugenbericht zu den Verhaftungen während des Lindenberg-Konzerts in Ost-Berlin Dokument, 5 Seiten
Protokoll über die Vernehmung Lothar Markwirths zu den Ereignissen während des Volksaufstands in Niesky Dokument, 6 Seiten
Schlusswort von Karl Laurenz im Geheimprozess gegen ihn und Elli Barczatis wegen Spionage Audio, 10 Minuten, 46 Sekunden
Vernehmungsprotokolle Werner Teskes vom 16. und 19. Januar 1981 Dokument, 15 Seiten