Gesamtübersicht über die Ereignisse in den Tagen um den 17. Juni 1953 im Bezirk Dresden
Signatur: BStU, MfS, BV Dresden, 1. Stellvertreter des Leiters, Nr. 4, Bl. 1-26
Umfangreicher Bericht der Stasi zu den Ereignissen vom 17. Juni 1953 und den darauffolgenden Tagen im ehemaligen Bezirk Dresden. Zum Teil wird darin offen Kritik an Partei- und Regierungsorganisationen formuliert. Auffällig ist aber auch, dass hier die Geheimpolizisten am Bild einer faschistischen Provokation festhalten.
Vom 16. bis 21. Juni 1953 kam es in fast 700 Städten und Gemeinden der DDR zu Demonstrationen und Streiks. Begann der 17. Juni noch als Arbeiteraufstand, entwickelte er sich schnell zum Volksaufstand weiter. Er nahm vielerorts revolutionäre Züge an, bevor er mit Hilfe von russischen Panzern unterdrückt wurde. SED und Stasi bezeichneten die Vorkommnisse offiziell als einen vom westlichen Ausland gesteuerten "Putschversuch faschistischer Agenten und Provokateure".
Tatsächlich war der 17. Juni 1953 Ausdruck der Unzufriedenheit weiter Teile der DDR-Bevölkerung. Zunächst entzündeten sich die Proteste an sozialen Fragen. Die Menschen stellten Forderungen, die ihren Arbeits- und Lebensalltag betrafen, wie "Senkung der Arbeitsnormen und der HO-Preise". Bald forderten die Demonstranten im ganzen Land jedoch den Rücktritt der Regierung, freie Wahlen, Pressefreiheit, die Freilassung aller politischen Gefangenen und schließlich auch die deutsche Wiedervereinigung.
Im vorliegenden Dokument analysierte die Stasi die Ereignisse des 17. Juni 1953 im ehemaligen Bezirk Dresden. Zum Teil wird darin sehr offen Kritik an Partei- und Regierungsorganisationen formuliert. Auffällig ist aber auch, dass hier die Geheimpolizisten am Bild der faschistischen Provokation festhalten und einzelne sogenannte "Rädelsführer" als Initiatoren der Streikbewegung ausmachen.
Metadaten
- Diensteinheit:
- Bezirksverwaltung Dresden, 1. Stellvertreter des Leiters
- Urheber:
- MfS
- Datum:
- 1.7.1953
- Rechte:
- BStU
9.) Die Auswirkungen der Ereignisse, auf die Produktion, die Erfassung, den Handel und den Verkehr.
Die Auswirkungen auf die Produktion sind nur in den Betrieben festzustellen, in denen gestreikt wurde, und zwar durch den Ausfall an Arbeitszeit.
Das ergibt z.B. im Kreis Pirna einen Produktionsausfall von ca. 100000,00 DM. Die Produktionsausfälle in den anderen Kreisen stehen noch nicht fest.
Ein Teil davon wird von den Brigaden und Belegschaften wieder aufgearbeitet.
In der Erfassung macht sich ein Rückgang in Schlachtvieh bemerkbar.
In den Kreisen Großenhain, Freital und Kamenz weigern sich die Großbauern, gemästetes Vieh abzuliefern wegen der angeblichen Währungsreform.
Die Erfassung der Schweine ging zurück in den Kreisen Meißen und Freital, die Erfassung von Milch in den Kreisen Großenhain, Kamenz und Löbau.
In einigen Kreisen ist die Verknappung von Lebensmitteln durch die Angsteinkäufe noch nicht überwunden, z.B. in Großenhain, Zittau, Pirna und Löbau.
In Sebnitz, MTS-Bereich Polenz, liefern die Bauern z.Zt. mehr freie Spitzen ab, da sie der Meinung sind, daß die HO aufgelöst wird und dann niedrigere Preise zu erwarten sind.
Im Phänomenwerk Zittau diskutiert man in der Belegschaft der Abteilung Fertigungsmontage, daß man nicht mehr Allrad-Fahrzeuge für die VP herstellen will.
Im Kreis Freital lehnen einige Bauern den Nachtdrusch ab und sagen, wenn wir am Tage schwer arbeiten, können wir nachts nicht an der Dreschmaschine stehen.
Im Kreis Kamenz halten einige Bauern die freien Spitzen zurück in der Erwartung einer angeblichen Währungsreform.
Im Kreis Bautzen erklärten Bauern zu den Aufkäufern, den Tag der Ablieferung bestimmen wir jetzt selbst.
Im Verkehr gibt es keine bemerkbaren Auswirkungen der Ereignisse.