Signatur: BStU, MfS, BV Rostock, Ka, Nr. 26
Nach seiner Enttarnung 1974 wurde Günter Guillaume als "Kanzleramtsspion" berühmt. Er stand exemplarisch für die Fähigkeit des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS), bis in die Spitzen der bundesdeutschen Politik vorzudringen. Am 29. März 1989 sprach der als Topspion gefeierte Guillaume vor Mitarbeitern der MfS-Bezirksverwaltung (BV) Rostock über seine Tätigkeit als "Kundschafter" in der Bundesrepublik.
1956 schickte das MfS Günter Guillaume und seine Frau Christel mit dem langfristigen Auftrag in die Bundesrepublik, die Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD) auszuspionieren. Ihre Übersiedlung fand zeitgleich mit der "Aktion 100" statt. Darin versuchte die Hauptverwaltung A (HV A), der Auslandsnachrichtendienst des MfS, Mitte der 50er Jahre, einhundert ausgebildete Residentinnen und Residenten in die Bundesrepublik einzuschleusen. Diese Zahl verfehlte sie aber deutlich. Das MfS verklärte seine Westspioninnen und -spione propagandistisch als "Kundschafter des Friedens".
Vorausgegangen war eine sorgfältige Schulung Guillaumes durch die HV A. Zehn Jahre lang war Guillaume dann als Parteifunktionär tätig und stieg innerhalb der SPD in Frankfurt am Main immer weiter auf. Dass er es 1970 bis ins Kanzleramt schaffte und 1972 sogar Persönlicher Referent von Bundeskanzler Willy Brandt wurde, hatte Mitte der 50er Jahre niemand erwartet.
Anfang der 70er Jahre gehörte Guillaume zum engsten Mitarbeiterkreis des Kanzlers und bekam für kurze Zeit Einblick in unterschiedliche, zum Teil streng geheime Regierungsvorgänge. Im Jahre 1973 verdichteten sich bei den bundesdeutschen Sicherheitsbehörden die Verdachtsmomente gegen Guillaume. Doch erst im April 1974 wurde das Ehepaar verhaftet. Der Fall löste eine politische Krise in der Bundesrepublik aus, an deren Ende der ohnehin amtsmüde Willy Brandt als Kanzler zurücktrat. Günter Guillaume wurde zu 13 Jahren Freiheitsstrafe verurteilt, seine Frau Christel zu acht Jahren.
Nach seiner vorzeitigen Haftentlassung und Rückkehr in die DDR 1981 trat Guillaume immer wieder als Gastredner vor MfS-Mitarbeitern auf, um von seiner Spionagetätigkeit in der Bundesrepublik zu erzählen. Außerdem wirkten er und seine Frau Christel im 1982 gedrehten Propagandafilm "Auftrag erfüllt" des MfS mit, in dem sie zum erfolgreichen Kundschafter-Ehepaar stilisiert wurden. Tatsächlich war Guillaume keine besonders ergiebige Quelle, wie heute zugängliche Stasi-Unterlagen belegen. Offenbar agierte er nach seiner Einstellung im Kanzleramt zunächst zurückhaltend, um in den anfänglichen Sicherheitsüberprüfungen nicht aufzufallen. Dieses vorsichtige Verhalten war durchaus üblich. Doch allein schon die erreichte Position als persönlicher Referent des Bundeskanzlers war ein enormer geheimdienstlicher Erfolg. Guillaumes "große Zeit" hätte indes noch vor ihm gelegen.
Der Film, den MfS und Deutscher Fernsehfunk in enger Zusammenarbeit erstellten, blieb weitgehend unter Verschluss. Im September 1982 wurde der Film vor Mielke uraufgeführt, durfte danach aber nur einem ausgewählten Publikum gezeigt werden. Dazu gehörten unter anderem die Mitarbeiter der BV Rostock.
Am 29. März 1989 war Guillaume zu Gast in der nördlichsten Bezirksverwaltung des MfS. Nachdem den Mitarbeitern der Film "Auftrag erfüllt" präsentiert worden war, sprach Guillaume vor ihnen über seine Tätigkeit als "Kundschafter" in der Bundesrepublik. Zu Beginn äußert er sich kurz zum Film, der als "Hilfe für die Ausbildung junger Tschekisten" produziert worden sei. Anschließend schildert Guillaume seinen Werdegang in der Bundesrepublik, angefangen bei seiner konspirativen Übersiedlung in den Westen bis hin zu seinem Aufstieg in der SPD. Anschließend stellt sich Guillaume den Fragen der BV-Mitarbeiter, die im Audiomitschnitt jedoch größtenteils unverständlich sind. Guillaume äußert bei seinen Antworten Kritik an der Parteipolitik der SPD und am politischen System der Bundesrepublik im Allgemeinen: Es begünstige die Entstehung "neofaschistischer" Strömungen und Tendenzen in der Bevölkerung. Vor allem bei Themen wie der Gesundheits- und Wohnungspolitik prangert er das soziale Gefälle in der Bundesrepublik an.
Beim vorliegenden Ausschnitt handelt es sich um den ersten Teil des insgesamt ca. anderthalbstündigen Vortrages. Hier geht es zum zweiten Teil. Insgesamt sind beim BStU etwa fünf Stunden Tonmaterial von verschiedenen Auftritten Guillaumes vor den Mitarbeitern der BV Rostock am 29. und 30. März 1989 überliefert.
[Beginn Audio BStU, MfS, BV Rostock, Ka, Nr. 26a]
[Sprecher 1:] Wir haben uns ja erst kürzlich gesehen. Aber Genossen, heute ein für mich, ich denke für uns alle, sehr freudiges Ereignis, dass wir hier unserer Mitte den Genossen Oberst Günter Guillaume begrüßen können. Wir haben uns schon lange [...]
[Applaus]
Genossen, nun fällt es mir schwer Genossen Oberst vorzustellen. Er wurde vorgestellt in dem Film. Er wird sich auch in seinen Darstellungen selbst vorstellen, indem er nämlich zu einigen Prozessen seiner Arbeit sprechen wird. Ich denke, viel mehr brauchen wir Ihnen nicht sagen. Ich würde deshalb bitten, Günter, dass du das Wort übernimmst und mit den Genossen sprichst.
[Günter Guillaume:] Ja. Schönen Dank.
[Schritte]
Genossinnen und Genossen, Ihr seid ein wenig eingestimmt auf das Thema.
Ihr habt euch der Mühe unterzogen, unseren Lehrfilm euch anzusehen, "Auftrag erfüllt!". Na sicherlich kein künstlerisches Meisterwerk, eine Dokumentation, die wir gemacht haben, als wir zurück kamen und die das festhalten sollte, man hat ja damals nicht gewusst, wie lange man so dabei ist. Und es ist gemacht worden, als, naja, Hilfe für die Ausbildung junger Tschekisten und ich hoffe, dass wir darin übereinstimmen, wir wollen ja möglichst noch viele Guillaumes auf den Weg bringen - mh. Günter sein Anliegen, mein Anliegen und vieler anderer. Dass - äh - ihr euch den Film angeguckt habt, erleichtert mir das nun jetzt ein bisschen, ich brauch nicht die ganze Lebensgeschichte, die Geschichte unseres Einsatzes zu erzählen, des Einsatzes der beiden Kundschafter Christel und Günter Guillaumes. Ihr habt das in groben Zügen verfolgen können und vielleicht war es für den einen oder anderen jüngeren Genossen ganz hilfreich, dass auch der geschichtliche Hintergrund dargestellt wurde, nicht. Es liegt ja alles so weit zurück. Na, wir feiern jetzt den 40. Jahrestag unserer Republik. Na die anderen existieren auch so lange, haben schon im Mai ihren Verfassungstag. Sie feiern den nicht, vielleicht haben sie doch ein bisschen schlechtes Gewissen. Sie haben andere Nationalfeiertage, die wir wiederum nicht mit ihnen teilen. Aber bei der einen oder anderen Begegnung in den zurückliegenden Jahren, in denen ich jetzt schon zu Hause bin, habe ich eben doch festgestellt, dass es ganz sinnvoll ist, wenn man bestimmte Dinge nochmal darstellt, um auch ein wenig Verständnis zu wecken für das, was wir damals gemacht haben, nicht, ich meine damit in den 50er Jahren, als der Einsatz von mir anfing. Hab heut' Vormittag in diesem Raum hier vor Mitarbeitern der Bezirksverwaltung sprechen dürfen und die haben mir dann Fragen gestellt. Und da hat mir einer die Frage gestellt: "Na Genosse Guillaume, wie war das denn eigentlich? Wie, wie bist du Mitarbeiter geworden, ja, wie wurden man damals Mitarbeiter der Staatssicherheit?" Und ich hab dann ehrlich geantwortet: "Naja, man hat das damals gar nicht gemerkt, nicht." Und wer von uns kennt schon seien eigene Kaderakte? Das ist ja in unserem Organ nicht so, dass man da mal reinguckt. Für uns war das Parteiarbeit, nicht. Und daran möchte ich auch noch mal erinnern, weil das wär zu viel gewesen, das konnten wir im Film nicht reinpacken, ist schon lang genug. Für uns war das eben, als junge Genossen, Parteiarbeit. Wir hatten in, vor allem in Berlin, ick bin Berliner, man hört 's sicherlich auch, wir hatten die offene Grenze, wir waren damals Vier-Sektoren-Stadt und führten, na fast tagtäglich, die Auseinandersetzung mit dem politischen Gegner und mit denen, die wirklich unsere Feinde waren, ja. Man hatte sie teilweise sogar am Arbeitsplatz, es gab ja damals die Grenzgänger und man hatte sie dann gesucht in den anderen Stadtbezirken. Ein Teil unserer Parteiarbeit war eben damals nach Feierabend sich in kleinen Gruppen in den anderen Teil der Stadt zu begeben. Wem das was sagt, also Spandau war unser Patenstadtbezirk in Berlin-West, da fuhren wir hin und agitierten, versuchten die Menschen in politische Gespräche zu verwickeln und ihnen unsere Auffassung darzulegen. Denn unsere Meinung war ja damals dort nicht gerade gefragt. Es gab schon die Springer-Presse, die sich selber Frontstadtpresse nannte, wie eben auch die Politiker dort Frontstadtpolitiker nannten und wir versuchten dagegen anzukämpfen. Wir wurden nicht immer mit offenen Armen empfangen, nicht, es gab Reibereien, es gab Auseinandersetzungen, es gab Prügeleien. Die Stumm-Polizei, damals benannt nach dem Polizeipräsidenten Stumm, Mitglied der SPD, ne, in Berlin-West, die jagte uns und verprügelte und manchmal und der eine oder andere wurde auch kurz inhaftiert, ich glücklicherweise nicht, war also nicht aktenkundig zu der Zeit und so haben wir unsere ersten Erfahrungen gesammelt. Und dann kam ein, ein Solidaritätseinsatz, der mich eigentlich nicht als jungen Genossen betraf, sondern mehr als Gewerkschaftler. Ich war ja in unserem Schulbuchverlag tätig, im Verlag "Volk und Wissen" und war in der Betriebsgewerkschaftsleitung und wir waren eines Tages gefordert zwei Kollegen mit zu delegieren für eine Solidaritätsfahrt in die BRD, da streikten die Metallarbeiter 1954, großer Streik vor allen Dingen Bayern und in Baden-Württemberg, der Metallarbeiter. Und ich war einer von den zwei Kollegen und nicht nur und nicht nur mit - äh - vielleicht gut wenn man das heute mal erwähnt, nicht nur mit ideologischen Rüstzeug, sondern wir haben auch Geld mitgenommen und Fresspakete. Die Kollegen dort waren wirklich in Not und wir versuchten ihnen zu helfen. Vielleicht habe ich mich dabei ein bisschen besonders geschickt verhalten, jedenfalls kam hinterher jemand auf mich zu, der das ganz genau und detailliert wissen wollte und noch mal gefragt hat, was ich erlebt hatte und was ich zu berichten hatte und - äh - später war das dann mein Führungsoffizier, der Paul Laufer, den ihr im Film gesehen habt. So, so fing das an, so muss das angefangen haben. Und dann schickte mich Paul Laufer auf die Reise zu einem Politiker in die BRD. Zu einem Politiker, zu einem Politiker der damaligen, wie heutigen Oppositionspartei, der uns aufgefallen war durch seine konsequente Haltung, sein öffentliches Auftreten im Kampf gegen die Remilitarisierung, die Aufstellung der Bundeswehr und den Weg, den die Adenauer Regierung damals beschritt ins atlantische Bündnis. Der Nordatlantikpakt ist ja jetzt auch 40 Jahre alt. Die, die damals am konsequentesten in der BRD gegen die Remilitarisierung kämpften, waren vom Verbot bedroht, ne. Die Kommunistische Partei und die Massenorganisationen, die man dort neben der Kommunistischen Partei einordnete, waren vom Verbot bedroht. Der Verbotsantrag beim Bundesverfassungsgericht lief und wurde dann auch 1956 ausgesprochen. Und wir waren gezwungen den illegalen Kampf vorzubereiten und dafür suchten wir Verbündete. Ich erwähne das noch mal, weil, weil das für mich ein ganz großes Erlebnis war und sicherlich der, im Rückblick, der schwierigste Auftrag, den ich zu erfüllen hatte. Nun als ganz junger Genosse, nicht, ich war, ich war ja erst Mitglied der Partei geworden, als Stalin starb, nicht. Ich komme nicht aus einer Arbeiterfamilie, komme aus einer Hugenottenfamilie. Mein Vater war Musiker, mein Großvater war Musiker. Also mein Weg in die Partei war etwas schwierig, damals, die Älteren werden sich entsinnen, wir nahmen nicht jeden, also ich bin erst 1953, als Stalin starb, dazu gekommen und nun mit viel Optimismus und Tatendrang dabei. Wie gesagt, 54 schon das erst mal auf die Reise gegangen und dann bekam ich diesen Auftrag zu einem Oppositionspolitiker in der BRD zu fahren und den, mit dem das Gespräch zu suchen, ja. Da, da ist man schon ein bisschen beklommen, nicht. Man weiß ja über den anderen nicht viel: Name, Adresse, das Alter, was er aktuell machte, wie er auftrat und - äh - das er in der Nazizeit auch illegal gearbeitet hatte und damals keine Berührungsängste zu Kommunisten hatte. Wenn ihr nachher Fragen stellt, das ist die einzige Frage die ich nicht beantworten werde. Fragt mich nicht, wer das war! Das hat der Feind nie entdeckt und da sind die Jahre drüber hinweg gegangen und wir können ihm nur ein stilles Angedenken bewahren. Er wurde unser Kampfgefährte. Aber ich, wie gesagt, war damals - mh - na voller Herzklopfen. Ist auch nicht so einfach, nicht, fährt man in das fremde Land, in eine fremde Stadt, na gut man sprach dieselbe Sprache, ja, das war das einzige, wobei der Dialekt noch sehr unterschiedlich ist. Und dann steht man also vor der Tür des Fremden und muss dann den inneren Schweinehund überwinden und den Klingelknopf drücken und kommt sich vor wie ein Hausierer, nicht. Vielleicht wissen auch die jüngeren Genossen gar nicht mehr was das ist, ein Hausierer, kennen wir gar nicht, ein Handelsvertreter, der Ware an der Tür verkaufen will. Aber ich hatte Glück, der Andere fand das gar nicht so komisch, nicht, das aus der jungen Deutschen Demokratischen Republik, ein junger Kommunist, zu ihm kam und mit ihm reden wollte. Er war gesprächsbereit und war bereit mich wieder zu empfangen und wir kamen gemeinsam zu der Auffassung, dass wir eben gemeinsam den illegalen Kampf vorbereiten müssten. Na ja und dann ging alles sehr schnell. Unsere Voraussage, unsere bittere Voraussage, dass der Kampf gegen die Remilitarisierung dort drüben nicht so erfolgreich sein würde, wie wir es uns wünschten, das traf ein. Die Mehrheit der Menschen waren nicht wachzurütteln. Die Bundeswehr wurde aufgestellt. Die BRD ging in das NATO-Bündnis und die Zusammenarbeit mit neugewonnenen Freund wurde immer wichtiger, der Informationsaustausch. Und so kam dann, für mich schon gar nicht mehr überraschend, Ende November 1955 der Befehl: "Bereite dich vor! Du wirst in die BRD übersiedeln!" Es war einfach nicht mehr möglich, ständig hin und her zu fahren ohne aufzufallen. So viele Grenzübergänge gab es ja gar nicht. Da wären die feindlichen Organe schon schnell dahinter gekommen, war schon ein großes Glück, dass es so lange gut ging. Tja, Befehl zu übersiedeln, ne, das hört sich heute so einfach an, klingt wie Ausreise, war damals eine schwierige Sache. Man musste sich, ja man musste sich selbst verleugnen, ne. Ja, man musste sich einreihen in die Reihe derer, denen es damals nicht bei uns gefiel, die weggingen oder sich abwerben ließen. Man wurde als junger Genosse in den Augen der anderen Genossen und Kollegen und Freunde und Verwandten - äh - über Nacht zum Verräter, nicht, zum Renegaten. Man konnte ja niemanden hinter der vorgehaltenen Hand sagen: "Wenn ich morgen früh nicht zur Arbeit komme, macht euch keine Gedanken", nicht, "Das geht schon alles in Ordnung", nicht, "Die Partei will es so". Das ging nicht. Wir verschwanden bei Nacht und Nebel und wurden 1956 Bundesbürger und nahmen dort die Arbeit auf. Das war eine stille und intensive Tätigkeit, die vielleicht gar nicht so spektakulär geendet hätte, wie meine dann geendet hat, aber es kamen eben dann ein paar andere Entwicklungen, nicht. 1957, ich mach mal ein paar Sprünge, 1957 kam der Befehl - äh - werde Mitglied der Sozialdemokratischen Partei. Na, da war kein Gedanke, daran nun in der Partei Karriere zu machen und vielleicht noch eines Tages dann dabei zu sein, wenn dann der amtierende Parteivorsitzende Regierungschef wird, sondern der Grund für diesen Befehl war eben, dass die Leitung hier der Meinung war, es wäre gut, sinnvoll diese Beziehung zu dem Freund dort dadurch zu schützen, dass man mit ihm in der gleichen Partei ist, nicht. Man kann ja mit einem Politiker schlecht unter den Bedingungen absoluter Konspiration zusammenarbeiten. Stimmt mir der eine oder andere, der das weiß, zu. Mit dem muss man sich treffen können, mit dem muss man reden und - äh - die Begegnung muss möglichst normal sein. Am besten ist es, sie kann unter den Augen des Feindes stattfinden, ohne das der Feind was merkt. Und so kam also der Befehl werde Mitglied der gleichen Partei. Und dann, dann kann man das betrachten wie man will, nicht, von da an ging es bergauf oder bergab, also ich würde sagen bergauf. Äh - wir nahmen die Geschichte, meine junge Frau damals, meine Kampfgefährtin, wir beide, wir nahmen das sehr ernst, nicht. Wir gingen also in diese andere Partei und - mh - wurden aktive Mitarbeiter. Vielleicht an der Stelle ein Wort - äh - zu der Aktivität in der Sozialdemokratischen Partei. Ja, wir wissen vieles aus der Geschichte vom Studium, Geschichte der Arbeiterbewegungen und den Strömungen, ja, stellen dann fest wir kommen aus derselben Quelle, sind dann unterschiedliche Wege gegangen, die einen den revolutionären, die anderen den reformistischen, aber, versteht mich recht, das ist nur die halbe Wahrheit. In Wirklichkeit unterscheidet uns viel mehr, ja. Ich sag immer gerne, das ist keine richtige Partei dort, nicht, das ist ein Wahlverein. Die Sozialdemokratische Partei hat nach Ausweis des letzten Parteitages zurzeit 911.000 Mitglieder, paar zerquetschte noch, also schon paar mehr in den Jahren, in denen sie den Kanzler stellten, jetzt ist wieder weniger, aber aktiv mitarbeiten in der Partei, am Parteileben teilnehmen, was immer das bei ihnen ist, das tun nur zehn Prozent. Zehn Prozent der Mitglieder besuchen eine monatlich einmal stattfindende Parteiversammlung in ihrem Ortsverein, nicht. Der Ortsverein ist die Gliederung der Partei. In der BRD sind alle Parteien Wohngebietsparteien. Der Kapitalist duldet keine Parteipolitik in seinen Betrieben, hat schon mit den Gewerkschaften genug zu tun. Der Ortsverein ist also die unterste Gliederung. Da findet einmal im Monat, zehn Mal im Jahr, Weihnachten und Urlaubszeit ausgeklammert, eine Mitgliederversammlung statt, da gehen zehn Prozent der Mitglieder hin. Zehn Prozent sind bei Wahlkämpfen zu aktivieren, sind bereit mal was zu tun, sich zu bekennen zur Partei, Flugblätter zu verteilen, am Informationsstand zu stehen, eventuell sich zu bekennen und Andere anzusprechen. Der Rest hat ein Parteibuch zu Hause irgendwo liegen und zahlt recht und schlecht Beitrag. Das wussten wir damals auch nicht, da ist 'ne Erfahrung, die ich gemacht habe, bemühe mich sie weiter zu geben. Äh - wir gingen mit den Erfahrungen aus unserer Partei dort rein, nicht. Und nun wurden wir aktive Sozialdemokraten, ne. Und 57 war ein Wahljahr, waren Bundestagswahlen, die Wahlen bei denen Adenauer die absolute Mehrheit bekam, nicht, trotz Militarisierung und NATO. Die absolute Mehrheit, ist einmal erfolgt in der BRD, 1957, dass eine Partei die absolute Mehrheit bekam bei Bundestagswahlen. So freute sich die, wie alle anderen Parteien, freute sich die Sozialdemokratische Partei über neue Mitglieder, die mitmachten und weil man mitmachte, wurde man gewählt in den Ortsvereinsvorstand, zum Delegierten und so weiter und so fort. Meine junge Frau hat es damals zuerst erwischt - äh - die war eben auch aktiv, machte mit. Frauen waren damals also noch ganz große Mangelware unter den Aktiven, in den politischen Parteien dort, auch in der SPD. Und äh - als sie gefragt wurde mal von jemanden, von einer älteren SPD-Dame: "Was bist du denn eigentlich?" Nun da hat sie entsprechend unserer Geschichte, die wir uns da zu Recht gelegt hatten, gesagt, dass sie Stenotypistin wär, nicht. Sie konnte Stenographie und Schreibmaschine, dass sie hier vorher bei uns im Kulturministerium gearbeitet hatte und für Kinderbuchliteratur zuständig war, also das hat sie verschwiegen. Also sie war Stenotypistin und so bot man ihr eine Arbeitsstelle an und das war ja wichtig, eine Arbeitsstelle im Parteiapparat, ja, im Bezirk, in Frankfurt am Main, im Bezirk Hessen-Süd, Apparat der Bezirksleitung. Interessanterweise in einem merkwürdigen Referat und das war zuständig für Bildung, also für die Arbeitsgemeinschaft für sozialdemokratische Lehrer, die Arbeitsgemeinschaft der sozialdemokratischen Eltern, also die Menschen, die dort in Elternbeiräten arbeiten und außerdem gehörten zu dem Referat, und das war der größere Teil - äh - die Betreuung von Heimatvertriebenen und Flüchtlingen. Und dahinter verbarg sich so ein Stückchen Ostbüro der SPD, also auch 'ne ganz interessante Arbeit, jedoch sie blieb dort nicht lang. Sie war natürlich tüchtig, regte sich und kam ein Jahr später, weil man jemanden brauchte ins Büro des Bezirksvorsitzenden, in sein Vorzimmer. Und nun sag ich ganz gerne, weil ich glaube, dass ist nachvollziehbar, wenn man die Frau im Vorzimmer des Ersten des Bezirks sitzen hat, dann ist das für den Mann kein Nachteil, ja. Ich war ja nur ehrenamtliches Mitglied in Leitungsfunktion und Delegierter, aber nun saß meine Frau im Vorzimmer vom Ersten des Bezirks und ich hatte plötzlich ganz andere Gesprächspartner, ja, lernte die Bundestagsabgeordneten kennen, die Landtagsabgeordneten. Damals regierten die Sozialdemokraten in Hessen noch, nicht die CDU, nicht. Georg August Zinn war Ministerpräsident und die Sozialdemokraten hatten absolute Mehrheiten im Hessenland, in der Stadt Frankfurt am Main und dort dann bei den nächsten Wahlen auch alle drei Bundestagswahlkreise erobert. Also ganz andere Verhältnisse, jetzt feiert man das schon fast als Wahlsieg, wenn die Sozialdemokraten wieder eins-Komma-so-und-so-viel in Frankfurt am Main zu nehmen und eine Koalition gründen können, mit den was sie eigentlich alles verloren haben, nicht. Denn was heute da Grüne oder AL ist, das waren ja früher alles mal Wählerstimmen für die Sozialdemokraten, das war ja 'ne Hochburg der SPD. Bei Wahlen immer so 50 oder etwas mehr Prozente für die SPD. Also für mich erschloss sich ein ganz neuer Kreis. Und 1964, wir waren also sieben Jahre da drüben in der SPD nun tätig, da suchten die Sozialdemokraten in Frankfurt am Main, für Frankfurt am Main einen neuen Parteisekretär und waren der Meinung, der Mann von der Christel ist der Beste, den gönnt er den nehmen wir. Und so wurde ich ermuntern zu kandidieren und wurde dann auch gewählt und wurde 1964 Parteisekretär der SPD in Frankfurt am Main. Etwas, was wir uns gar nicht haben träumen lassen, was wir direkt auch in unsere Arbeit gar nicht angestrebt hatten. Nun war eine neue Situation, ja, und nun bekam ich von zu Hause das Signal: Nun mach was da draus, ja, nun seh zu, dass du falls Sozialdemokraten eines Tages in Bonn Ministersessel erklimmen würden, an einem dran hängst, der dich mitzieht in die provinzielle Hauptstadt, anders konnte man ja Bonn nicht bezeichnen. Denn mit den Sozialdemokraten war nun inzwischen eine Menge passiert, ja. Sie hatten aus der vernichtenden Wahlniederlage 1957 auf ihre Art und Weise Lehren gezogen. Sie hatten sich 59 ein neues Parteiprogramm gegeben, das Godesberger Programm, hatten sich aus der Geschichte nun endgültig verabschiedet, als Arbeiterpartei, nannten sich Volkspartei, öffneten sich zur Mitte, das Gedränge um die Mitte wurde immer größer. Und hatten dann 1960 in einer denkwürdigen Sitzung des Bundestages, durch ihren Sprecher, ihr ja zur Bundeswehr, zur Remilitarisierung, zur NATO nachgeliefert, was sie vor 57 verweigert hatten, 60 schon nachgeliefert. Kurz darauf fuhr der Wehrexperte der SPD, der abgeordnete Erler nach Amerika und versicherte dem amerikanischen Präsidenten die Bündnistreue der Sozialdemokraten, an der sie bis heute, bis heute festhalten und wohl noch in Zukunft festhalten werden. Und Kandidaten, eine neue Spitzenpersönlichkeit, sie wählten den regierenden Bürgermeister von Berlin-West, Willy Brandt, zum Kanzlerkandidaten, der sich, wie gesagt, damals als Frontstadtpolitiker bezeichnete und international bekannt war. Der hatte nicht gleich Wunder vollbracht, nicht. 61 bei den Wahlen konnte er nicht Adenauer schlagen, aber die, Adenauer verlor die absolute Mehrheit, musste wieder eine Koalition zusammenzimmern mit Andern, die Sozis waren ein paar Punkte vorangekommen. Und 64 beurteilten wir die Entwicklung dort drüben so, dass es nicht auszuschließen wäre, inzwischen war ja auch der Wechsel von Adenauer auf Erhardt erfolgt, dass es nicht auszuschließen wäre [...]
[Ende Audio BStU, MfS, BV Rostock, Ka, Nr. 26a]
[Beginn Audio BStU, MfS, BV Rostock, Ka, Nr. 26b]
[Übergang von 26a zu 26b nicht vollständig]
[Günter Guillaume:] [...] Verantwortung gemeinsam mit anderen zur Sicherung dieses Systems der BRD gebraucht wurden. Na ja, ich hab' mich dann umgesehen unter den hessischen Bundestagsabgeordneten der SPD, die ich ja nun alle gut kannte und die mich kannten und hab mir dann einen ausgeguckt, von dem ich glaubte, der würde noch was Großes werden. Das war Georg Leber, ja. Der Georg Leber war damals Bundestagsabgeordneter, hat in Frankfurt am Main einen Wahlkreis, war direkt gewählt, hatte mehr Erststimmen für seien Person bekommen, als die SPD an Zweitstimmen bekommen hatte. Also ein populärer Mann, war der Vorsitzende der großen Gewerkschaft der Bauarbeiter, hatte sich dort profiliert als Antikommunist. Als die Kommunistische Partei 56 verboten wurde, hat er damals handstreichartig die Gewerkschaft von Kommunisten gesäubert, dessen rühmt er sich heute noch, hat ganze Ortskartelle geschlossen, die Gewerkschaftsarbeit ruhen lassen, vorübergehend, weil dort gewählte Funktionäre Kommunisten waren. Und da hat er noch einen, noch ein Prädikat, könnte man sagen, er war der Renommierkatholik des Parteivorstandes der SPD. Kommt aus einer kleinen Gemeinde bei Limburg, Bischofssitz, katholisch erzogen, einer kinderreichen Arme-Leute-Familie. Also das alles zusammen: Antikommunist, also rechter Sozialdemokrat, Gewerkschaftsboss, Katholik, praktizierender Katholik, Mitglied des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, dieser Leihenorganisation. Das alles veranlasste mich zu hoffen oder zu analysieren, dieser Georg Leber wird vielleicht noch große Karriere machen. Ich hab mich ihm dann als Parteisekretär nützlich gemacht, ne, habe ihm geholfen in seinen Wahlkreis und wurde sein Gesprächspartner und eben unter den Bedingungen dort - äh - na ja sein Freund, der mochte mich.
Warum sollte ich mich wehren? Er mochte mich. Und meine Rechnung ging voll auf, ne.
Als die Sozialdemokraten gebraucht wurden in Bonn und Regierungsämter bekamen, da war mein Georg Leber dabei. Er wurde erst Verkehrsminister, dann Minister für Verkehr-, Post- und Fernmeldewesen und dann 72 auch noch Verteidigungsminister. Nur holte mich der Leber nicht in sein Ministerium nach Bonn, womit ich gerechnet hatte, sondern der schob mich ins Bundeskanzleramt. So kühne Träume hatten wir gar nicht, aber es war eine Situation entstanden, die so etwas erforderlich machte, nicht. 20 Jahre hatten, von 1949 bis 69, in Bonn die Schwarzen regiert, ne. Adenauer, Erhardt, Kiesinger waren die Bundeskanzler der CDU/CSU und entsprechend war der Beamtenapparat in der Hauptstadt in den Ministerien. In der Regierungszentrale, im Bundeskanzleramt gab es also Willy Brandt im Oktober 69 zum Kanzler gewählt wurde bei 400 Bediensteten nicht einen Einzigen, der Mitglied der SPD war, keinen, auch keinen der heimlich irgendwo in der Schublade ein Parteibuch der SPD hatte. Er hätte es ja jetzt schwenken können, nicht, sein Parteivorsitzenden war ja Kanzler geworden. Er konnte was werden, aber es war keiner da und so waren alle, na sagen wir mal, prominente Sozialdemokraten, also Parteivorstandsmitglieder, Präsidiumsmitglieder aufgerufen, aus ihrem Umfeld Empfehlungen zu geben für die Mitarbeit in der Regierungszentrale, damit der neugewählte Bundeskanzler wenigstens von ein paar Parteifreunden umgeben wäre. Und mich empfahl Leber, bürgte für mich, neben anderen und so rutschte ich da rein, ja. Na ja und dann freute sich der Parteivorsitzende, dass er sein Parteisekretär aus Frankfurt am Main da wieder sah und dann kam ich auch noch ins Kanzleramtsbüro direkt zu ihm. Das ist nochmal so ein bisschen Ergänzung zu dem, was der Film gebracht hat. Nun ich hätte das gerne noch etwas länger gemacht, nicht, aber bedauerlicher Weise ist nach 20 Jahren, von 54-74 ging die tschekistische Arbeit gut, aber bedauerlicher Weise wurde nach 20 Jahren der Feind noch fündig und dann gab's diese große Affäre dort, den Skandal. Und für uns kamen ein paar unangenehme Jahre, aber ich glaube, ihr könnt euch von Augenschein davon überzeugen, dass man auch das durchsteht, nicht, ja. Ich bin jetzt schon wieder länger zu Hause, als ich im Gefängnis war, nicht. Womit ich nicht sagen will, dass mir die siebeneinhalb Jahre Haft, ich sag mal, diese siebeneinhalb Jahre Jure-, Jurastudium haben mir gelangt, nicht. Wünsch ich niemanden, aber das geht eben alles vorüber. Als ich nach Hause kam am 1. Oktober 1981, damals von dem amtierenden Bundespräsidenten, Herrn Professor Carstens von der CDU, begnadigt, nicht. Die Reststrafe von fünfeinhalb Jahren wurde zur Bewährung ausgesetzt. Inzwischen ist auch meine Bewährung ausgelaufen. Ich hoffe ich hab mich bewährt, mir Mühe gegeben, in unserem Sinne, sicherlich nicht in dem von Herrn Carstens. Als ich damals nach Hause kam, da hab ich mir nicht träumen lassen, dass auf dem Tag genau, nur ein Jahr später, am 1. Oktober 82, wohl der für längere Zeit letzte sozialdemokratische Bundeskanzler in Bonn sein, seine Mütze, er trug ja die Mütze, seine Mütze nehmen musste und gehen, der Herr Schmidt. Nun sind sie wieder Oppositionspartei und sind in manchen Fragen lernfähiger geworden und - äh - na ja ich kann nun ein bisschen mitwirken, das zu beobachten und einzuschätzen, weil ich nun einer bin, der die Partei von innen her kennt. Ich erwähne das, um zu sagen, auch das kann Inhalt von Fragen sein, nicht nur die tschekistische Arbeit der Vergangenheit, sondern auch die aktuelle politische Lage, die Parteiensituation in der BRD. Nun glaube ich, haben wir eine breite Palette für unser Gespräch - äh - ihr habt sicherlich Fragen auf dem Herzen oder im Kopf. Stellen wir uns also vor, wir wären in einer großen Pressekonferenz, ihr seid alle Topjournalisten, habt 'nen Gast und stellt dem eure Fragen. Wort, ich glaube bis auf die eine, die ich nannte werden wir uns gut verständigen können. Schönen Dank fürs zu hören, erst mal.
[Applaus]
[Sprecher 1:] [unverständlich]
[Günter Guillaume:] Ach ja, geht ja zügig. Ja, einer macht den Anfang. Na prima.
[Frage 1 aus dem Publikum unverständlich]
[Günter Guillaume:] Ja - äh.
[Sprecher 2:] [flüstert in der Nähe des Mikrofons] Die Ausrichtung!
[Günter Guillaume:] Genossen, ich bin ein bisschen zurückhaltender in dem - äh - Verleihen von Etiketten, ähm, "Neofaschisten". Ich will ein bisschen ausholen. Die beiden großen Volksparteien in der BRD die CDU/CSU, nicht, die sich ja - äh - als zum Leidwesen zum Beispiel der Sozialdemokraten nach der, nach dem Zweiten Weltkrieg, als sich wieder Parteien gründeten, nach der Nazizeit, sich nun Christdemokraten oder Christlich Soziale Union nannten. Früher hieß das ja Zentrum, nicht, klang sehr sachlich, Partei der Mitte und dann wurde es also eine christliche Partei. Und das war schlau von denen, nicht, denn Christen gibt 's 'ne Menge und gläubige Menschen gibt sehr viele, vor allen Dingen alle Alten, ja die ich ein bisschen orientieren, in der Hoffnung da gibt's noch was nach dem Tode. Also so entstand diese andere große Volkspartei. Diese beide Parteien haben ja in dem System dort eine Funktion. Sie sollen möglichst dafür sorgen, dass - äh - an ihren Rändern nichts ausfranst, ja, sich nichts Ernsthaftes entwickelt. Und die Sozialdemokraten rühmen sich auch heute noch, egal ob sie Rau oder Lafontaine heißen, die rühmen sich, dass es ihnen gelungen ist, dafür zu sorgen, dass die Kommunisten in der BRD keine entscheidende politische Rolle spielen und schon gar nicht 'ne parlamentarische Kraft sind. Das rechnen sich die Sozis als ihr Verdienst an und sie haben ja auch immer wieder, wenn irgendwas hochkam, die Kommunisten entschieden bekämpft und Wert darauf gelegt von ihnen abzugrenzen, nicht. Der sogenannte Unvereinbarkeitsbeschluss, der mal von den Sozialdemokraten gefasst wurde, dass es also unvereinbar ist mit Kommunisten zusammenzuarbeiten, egal ob in der Gewerkschaftsarbeit, auf lokaler Ebene oder in Parlamenten, dieser Beschluss gilt noch immer. Sie machen jetzt nur eine Ausnahme. Sie reden mit regierenden Kommunisten. Das heißt also mit Kommunisten anderer Länder. Und wir sind nun - äh - in unserer Entwicklung an den Punkt angelangt, wo sie eingesehen haben, dass wir dann eben eigener Staat sind und damit also ein Ausland und mit denen muss man reden. Und die Christdemokraten, die haben in dem System dort die Aufgabe dafür zu sorgen, dass sich rechts nichts entwickelt, nicht. Als 1949 die BRD gegründet wurde und die ersten Wahlen anstanden - äh - da wurde ja der erste Bundeskanzler Konrad Adenauer mit einer Stimme Mehrheit gewählt, nicht. Da gab es hämische Kommentare von Journalisten: "Mit seiner eigenen Stimme". Also solche Kommentare halte ich für Blödsinn, nicht, wenn der Mann kandidiert, dann muss er sich auch selber die Stimme geben. Also was ist denn das sonst für ein Politiker? Machen ja andere auch, nicht. Der an der Saar regiert, regiert ja auch mit einer Stimme Mehrheit oder der in Niedersachsen, der Herr Albrecht, auch eine Stimme Mehrheit zur Zeit, an knappe Mehrheiten gewöhnt man sich. Also das war damals auch der Fall und der Adenauer brachte eine Regierungskoalition zu Stande. Na mit wem denn, nicht, ja? DRP (Deutsche Reichspartei), DP (Deutsche Partei), BHE (Bund der Heimatvertriebenen und Entrechteten), das waren alles, damals wirklich, neonazistische Organisationen. Denn da liefen ja Leute drin rum und agierten an der Spitze, der Partei die nicht irgendwann mit 19 Jahren noch bei der Waffen-SS waren, sondern die, was weiß ich, Ritterkreuzträger waren und wirklich das faschistische Regime unterstützt hatten, Kommentatoren waren der Rassengesetze und all diesen Sachen, nicht, der Herr Oberländer und Genossen. Aber es gelang dann den Adenauer, dass alles, nicht, 57 bekam er dann schon die absolute Mehrheit für seine CDU/CSU, das alles zu vereinnahmen, nicht. Die Gruppierungen lösten sich alle nach und nach auf und ihre aktiven Leute und vor allen Dingen ihre Wähler stimmten dann für die CDU/CSU. Wenn man einen Globke zum Kanzleramtschef macht, wie das Adenauer damals gemacht hat, nun da brauch man keine neofaschistische Partei mehr, nicht, da fragt man sich, wo sitzen die Neofaschisten, ja, die saßen dann in der CDU/CSU. So war damals die Entwicklung. Dann gab es einen ersten, na ja, Aufschrei, könnte man es nennen, ja also, wurden erste Signale gesetzt zur Zeit der großen Koalition, ja. 1968 würde ich mal nennen als Jahr. Bei den Landtagswahlen 1968 war erstmals wieder eine Gruppierung mit Erfolg angetreten, die sich damals eben NPD nannte und kam in die Landesparlamente und Kommunen, nicht. In Frankfurt am Main, ich war ja damals Parteisekretär und Fraktionsgeschäftsführer, also wir hatten bei der Kommunalwahl 68, trotzdem die Sozialdemokraten noch mit 50 Prozent der Stimmen die Mehrheit hatten, die absolute Mehrheit, hatten wir aber im Stadtparlament fünf Abgeordnete dieser neuen rechten Gruppierung. Die war entstanden, weil eben Anhänger der CDU/CSU nicht damit einverstanden waren, dass die CDU/CSU mit den Sozialdemokraten die Bundesregierung gebildet hatte. Das konnten die nicht fassen. Das man also plötzlich mit Leuten wie Willy Brandt, der vorher von der CDU immer angegangen wurde, als was weiß ich, "vaterlandloser Geselle", "Landesverräter", nicht, der also in der Emigration war und in einer ausländischen Uniform, die er nie als Soldat richtig an hatte, also so schön war der Herr Brandt gar nicht. Ja, Korrespondent war er von einer norwegischen Zeitung, und dann kam er als Presseattaché nach Berlin in einer Uniform eines norwegischen Presseoffiziers, aber solche Bilder gab es halt, nicht. Der wurde angegriffen, nicht und der Herbert Wehner, weil er mal Kommunist war und ähnliche Dinge. Also das konnten CDU/CSU- Leute nicht verstehen, dass ihre Parteiführung mit denen eine Koalition machte. Und umgekehrt konnten das junge Sozialdemokraten und junge Wähler der SPD nicht verstehen, dass dieser selbe Willy Brandt nun neben dem Alt-Nazi Kiesinger, der ja Kanzler der CDU war, im Kabinett saß und dessen Vizekanzler war, ja und Ähnliches. Und so bildete sich dann auf dem anderen Flügel, nichts neues Parlamentarisches, aber was Außerparlamentarisches, nämlich die APO, nicht, die Außerparlamentarische Opposition. Das ganze ging schnell vorbei, weil eben nach den Wahlen 1969 zwei mutige Männer, der Willy Brandt und der Walther Scheel, der FDP-Vorsitzende - äh - mit 'ner schmalen Basis, mit zwölf Mandaten Mehrheit im Bonner Parlament nun eine neue Regierungskoalition bildeten. Jetzt war die große CDU/CSU, die eigentlich die stärkste Partei war im Parlament, auch nach den 69er Wahlen, aber alleine kein Kanzler wählen konnte, aber nun kein Koalitionspartner hatte, nicht. Es waren ja nur drei Parteien im Parlament: CDU/CSU, SPD und FDP. Und diese Pendlerpartei, die FDP war also zur SPD gependelt und nun stand die stärkste Partei da und wurde Opposition. Und nun gab es plötzlich keine, keine NPD mehr, nicht, in Parlamenten, das schlief wieder ein. Denn gegen die neue, zum Beispiel, gegen die neue Ostpolitik der Regierung Brandt/Scheel, die also endlich die Realität, das Ergebnis des Zweiten Weltkrieges anerkannte und Verträge schloss mit der Sowjetunion, mit anderen sozialistischen Staaten und dann noch mit uns, der DDR, dagegen stand ja nun die Politik der CDU/CSU. Und somit war dort der Schulterschluss wiederhergestellt. Und die neue Politik von Brandt und Scheel holte viele, viele junge Menschen bis auf ganz wenige Radikale, nicht, wie die sich dann bildende Baader-Meinhof Truppe, aber die anderen von der APO wurden zum großen Teil auch in die SPD reingeholt. Sonst wäre das Wahlergebnis 72 dann nicht zu Stande gekommen, bei dem nun dann wirklich die SPD selber stärkste Partei wurde. Auch nicht alleine eine Kanzlermehrheit hatte, weiter die FDP brauchte, aber jetzt stärker war als CDU/CSU im Parlament und als äußeres Zeichen den Parlamentspräsidenten stellte, wurde damals die Annemarie Renger von der SPD. Nun stimmt es wieder. Und dann, dann enttäuschten die Sozialdemokraten ihre Wähler, nicht. Der Willy Brandt war ja 1969 durch die Lande gereist vor der Wahl und hatte unter anderem den blauen Himmel über der Ruhr verkündet und versprochen. Na damit meinte er ja nicht, dass die Öfen abgeblasen werden und die Zechen stillgelegt werden, sondern er meinte wirklich Umweltschutz, nicht. Nur gemacht wurde nichts. Die Gesetze wurden nicht geschaffen, die Auflagen wurden der Industrie nicht erteilt. Und sein Nachfolger im Amt, der sozialdemokratische Bundeskanzler Schmidt, der drehte eifrigst an der Rüstungsspirale, nicht, der holte die neuen Raketen ins Land. Nachdem der eine Friedensnobelpreisträger wurde, war der andere, ich bin immer noch dabei ihn so zu nennen, der Raketenkanzler, ne, ja. Und nun bildete sich wieder was, jetzt bildete sich wieder was, die Friedensbewegung - äh - die Ökogruppen, Grüne, Alternative, neue Gruppierungen. Und heute können wir feststellen, ähm, dass die Regierung Kohl, na ihre Wähler auch enttäuscht, ja. Die Zwei-Drittel-Gesellschaft, die sie geschaffen hat, zwei Drittel sind Arbeitsplatzinhaber, den geht's gut und die anderen sind draußen und den geht's immer schlechter. Das führt natürlich auch zur Unzufriedenheit und da bildet sich wieder was Neues. Nun können wir jammern, wir können uns beklagen, dass nicht alle die, die mit der Regierung Kohl nicht einverstanden sind und durch das soziale Netz fallen, von denen immer geredet wird, nicht - Dieser Blüm ist ja nur der Oberkomiker dort, ja, christlicher Gewerkschaftler - dass die nun nicht nach links marschieren, nicht, eigentlich müssten die ja alle DKP wählen, ja. Denn die SPD hat ja nun auch nicht das überzeugende Programm, die bietet ja nun auch nicht die Alternative an, sie ist ja eigentlich nur die etwas bessere CDU, ja. Ihr Programm, also wenn ich mir den neuen Programmentwurf ansehe, im Herbst wollen sie sich ja auf einem Parteitag in Bremen ein neues Programm geben, Godesberg für das Jahr 2000, nicht, Fortschreibung - äh - da steht ja nichts drin, wie man die Arbeitslosigkeit beseitigen will, wie man soziale Gerechtigkeit schaffen will. Da sind viele schöne Worte drin, aber nichts Greifbares. Also diesen Menschen, den es nun schlecht geht, die werden aggressiv und da ein niedriges Bildungsniveau, vor allem ein niedriges politisches Bildungsniveau haben - äh - wählen sie aus Protest, die die eben ihnen zum Munde reden. Und dann ist man eben neidisch auf Bevölkerungskreise unter anderem, von denen man meint, dass sie gar nicht da sein dürften, nicht, so entsteht dann zum Beispiel Ausländerfeindlichkeit, ja, und Ähnliches. Das hat bekannte Töne, neofaschistische Töne. Aber ich persönlich würde nicht alle Wähler, die aus dem Protest gegen die schlechte Politik von diesen beiden großen Volksparteien jetzt einer anderen Gruppierung ihre Stimme geben, nun gleich da so fest einbetonieren. Man muss um sie ringen, ne. Nur schimpfen, nur auf diese, auf die Wähler schimpfen, dass wird die Dinge nicht verändern. Auch unsere Freunde in der BRD, die DKP, muss Alternativen aufzeigen zu den Fragen, die die Menschen am brennendsten interessieren und ob es uns das passt oder nicht Genossen, das ist nicht in erster Linie die Frage "Erhaltung des Friedens", das ist für die meisten Menschen eine Selbstverständlichkeit. Die sie am brennendste interessierte Frage ist der Arbeitsplatz, die Umweltverhältnisse, diese fürchterliche Blümische sogenannte Gesundheitsreform, die die Armen benachteiligt, die den Rentner zwingt höhere Kosten aufzuzwingen für den Arzt und Medikamente und, und, und. Ja, und die Furcht, ob dann eines Tages noch für die Renten nun Geld da sein wird, dass ist das, was die Menschen in erster Linie bewegt und das die Mieten immer höher klettern und der Wohnraum zur Mangelware wird. Das ist das, was sie bewegt. Und da muss man was tun. Es geht im Moment weniger um rechts oder links. Ich würde sagen, meine ganz persönliche Meinung, es geht mehr um oben und unten, ja. Für die da unten ist die Lage verdammt hoffnungslos, ja und dann kann es eben passieren, dass man den falschen Parolen nachläuft und Verführern auf den Leim geht. Soweit dazu.
[Frage 2 aus dem Publikum unverständlich]
[Günter Guillaume:] Genossen, die persönlichen Erfahrungen sind dann nicht so - äh - so lehrbuchhaft, wie, wie uns das manchmal vorstellen. Die Kontakte zu Führungsoffizier, na die sind rar. Der Kundschafter da draußen, der geht an der langen Leine, würd ich sagen, ne. Ähm, man sieht sich vielleicht einmal im Jahr und bei mir wurde es dann von dem Zeitpunkt an, wo ich selber mit einem gewissen Sinne in der Öffentlichkeit stand, in der politischen Arbeit dort drüben, dann noch schwieriger, ja, schwieriger hierher zu kommen. Aber das hat uns nicht schwächer gemacht - äh - Genossen, im Rückblick würde ich sagen, geholfen bei der eigenen Standortbestimmung [...]
[Ende Audio BStU, MfS, BV Rostock, Ka, Nr. 26b]
Personalakten
Die Personalakten hauptamtlicher Mitarbeiter wurden in den zuständigen Kaderabteilungen bzw. in der Hauptabteilung Kader und Schulung (HA KuSch) geführt. In den Personalakten sollten relevante Veränderungen bei den hauptamtlichen Mitarbeitern und in deren privatem Umfeld festgehalten werden. Den Umgang mit den Personalakten regelte die Personalaktenordnung von 1969. Sie unterschied fünf Aktenkategorien: Personalakten der Berufsund Zeitsoldaten, Personalakten der Zivilbeschäftigten (ZB), Disziplinarakten und Dossiers als mögliche Teile der jeweiligen Personalakte sowie die Zentralkarteikarte, die den Teil I der Personalakte der Berufs- und Zeitsoldaten bildete und die wichtigsten Personalangaben enthielt.
Teil II enthielt den Einstellungsvorschlag und dessen Vorgeschichte, Teil III die Beurteilungen und Qualifikationsnachweise, Teil IV den Lebenslauf mit der Verpflichtungserklärung (Verpflichtung), Teil V die Überprüfungs- und Ermittlungsunterlagen zum späteren MfS-Angehörigen, seinen Verwandten und Bekannten, Teil VI war die Disziplinarakte. Dossiers wurden nur für Berufssoldaten angefertigt und fassten die wichtigsten Angaben aus den Teilen I und III zusammen. Die Personalakten der ZB ähnelten kategorial denen der Soldaten, beschränkten sich aber auf vier Teile.
Im Zusammenhang mit der Verwaltungsreform der DDR vom Sommer 1952 wurden die fünf Länderverwaltungen für Staatssicherheit (LVfS) in 14 Bezirksverwaltungen umgebildet. Daneben bestanden die Verwaltung für Staatssicherheit Groß-Berlin und die Objektverwaltung "W" (Wismut) mit den Befugnissen einer BV. Letztere wurde 1982 als zusätzlicher Stellvertreterbereich "W" in die Struktur der BV Karl-Marx-Stadt eingegliedert.
Der Apparat der Zentrale des MfS Berlin und der der BV waren analog strukturiert und nach dem Linienprinzip organisiert. So waren die Hauptabteilung II in der Zentrale bzw. die Abteilungen II der BV für die Schwerpunkte der Spionageabwehr zuständig usw. Auf der Linie der Hauptverwaltung A waren die Abteilung XV der BV aktiv. Einige Zuständigkeiten behielt sich die Zentrale vor: so die Militärabwehr (Hauptabteilung I) und die internationalen Verbindungen (Abteilung X) oder die Arbeit des Büros für Besuchs- und Reiseangelegenheiten in Westberlin (Abteilung XVII). Für einige Aufgabenstellungen wurde die Bildung bezirklicher Struktureinheiten für unnötig erachtet. So gab es in den 60er und 70er Jahren für die Abteilung XXI und das Büro der Leitung II Referenten für Koordinierung (RfK) bzw. Offiziere BdL II. Für spezifische Aufgaben gab es territorial bedingte Diensteinheiten bei einigen BV, z. B. in Leipzig ein selbständiges Referat (sR) Messe, in Rostock die Abt. Hafen.
An der Spitze der BV standen der Leiter (Chef) und zwei Stellv. Operativ. Der Stellv. für Aufklärung fungierte zugleich als Leiter der Abt. XV. Die Schaffung des Stellvertreterbereichs Operative Technik im MfS Berlin im Jahre 1986 führte in den BV zur Bildung von Stellv. für Operative Technik/Sicherstellung.
Hauptamtliche Mitarbeiter des MfS, die IM und OibE führten, in MfS-Dokumenten auch als vorgangsführende Mitarbeiter oder IM-führende Mitarbeiter (umgangssprachlich Führungsoffiziere) bezeichnet, von denen es im MfS zuletzt etwa 12.000 bis 13.000 gab. Sie waren für eine Region oder Institution, für bestimmte Personenkreise oder spezifische Sachfragen zuständig und hatten die Sicherheitslage in ihrem Verantwortungsbereich zu beurteilen.
Es wurde von ihnen erwartet, dass sie insbesondere durch Rekrutierung und Einsatz von IM die "staatliche Sicherheit und die gesellschaftliche Entwicklung" vorbeugend sicherten. Verdächtige Personen waren in OV oder OPK zu "bearbeiten", Personengruppen mit besonderen Befugnissen mit Sicherheitsüberprüfungen unter Kontrolle zu halten. Bei der Erfüllung ihrer Aufgaben sollten sie das politisch-operative Zusammenwirken mit anderen staatlichen und gesellschaftlichen Institutionen nutzen.
Die Hauptverwaltung A (HV A) war die Spionageabteilung des MfS, deren Bezeichnung sich an die der Spionageabteilung des KGB, 1. Verwaltung, anlehnt. Der Ordnungsbuchstabe A wurde in der Bundesrepublik oftmals, aber unzutreffenderweise mit "Aufklärung" aufgelöst. Die HV A wurde 1951 als Institut für Wirtschaftswissenschaftliche Forschung (IWF) gebildet und ging im September 1953 als HA XV in das Staatssekretariat für Staatssicherheit ein. Sie wurde im MfS von 1956 bis zur Auflösung im Juni 1990 als HV A bezeichnet.
Der Schwerpunkt nachrichtendienstlicher Tätigkeit der HV A lag in der Bundesrepublik Deutschland und Westberlin, wo sie mit Objektquellen, d. h. den IM in den nachrichtendienstlichen Zielobjekten, aktiv war.
Die HV A gliederte sich 1956 in 15, 1989 in 20 Abteilungen.
Für die operative Arbeit gegen das Bundeskanzleramt und wichtige Bundesministerien war die Abteilung I, für die gegen die bundesdeutschen Parteien die Abteilung II und für die Arbeit außerhalb Deutschlands die Abteilung III zuständig. Für die Infiltration der USA war die Abteilung XI, für die NATO und die Europäischen Gemeinschaften die Abteilung XII verantwortlich. Mit der Militärspionage war die Abteilung IV befasst, mit der Unterwanderung gegnerischer Nachrichtendienste die Abteilung IX.
Innerhalb der Hauptverwaltung war vornehmlich der Sektor Wissenschaft und Technik (SWT) mit Wissenschafts- und Technikspionage befasst, der zu diesem Zweck die Abteilung XIII bis XV sowie die Arbeitsgruppen 1, 3 und 5 unterhielt sowie eine eigene Auswertungsabteilung, die Abteilung V bzw. ab 1959 Abteilung VII.
Leiter der HV A waren 1951/52 Anton Ackermann, kurzzeitig Richard Stahlmann, 1952-1986 Markus Wolf, dann Werner Großmann und 1989/90 Bernd Fischer. Von anfangs zwölf Mitarbeitern wuchs der Apparat bis 1955 auf 430, bis 1961 auf 524 Mitarbeiter und erreichte bis 1972 einen Umfang von 1.066 hauptamtlichen Mitarbeitern. Bis 1989 wuchs die HV A auf 3.299 hauptamtliche Mitarbeiter, hinzu kamen 701 OibE (1985: 1.006) sowie 778 HIM. OibE und HIM arbeiteten verdeckt in der DDR und im Operationsgebiet. Insgesamt verfügte die HV A also zuletzt über 4.778 Mitarbeiter.
Die Anzahl der von der HV A geführten IM umfasste im Jahre 1989 rund 13.400 in der DDR und weitere 1.550 in der Bundesrepublik. Über 40 Jahre hinweg werden nach Hochrechnungen insgesamt rund 6.000 Bundesbürger und Westberliner IM der HV A gewesen sein.
Konspiration war das Grundprinzip der nachrichtendienstlichen und geheimpolizeilichen Arbeit des MfS, das den Einsatz von inoffiziellen Kräften und anderen verdeckten Mitteln und Methoden sowie die weitgehende Geheimhaltung der eigenen Tätigkeit auch gegenüber anderen DDR-Organen und dem SED-Parteiapparat beinhaltet. Eine besondere Rolle spielt die Konspiration bei den Verhaltensregeln für IM, GMS, HIM, OibE und Führungsoffiziere, welche über die inoffiziellen Beziehungen zum MfS zu schweigen bzw. inoffizielle Handlungen für das MfS geheimzuhalten, zu tarnen oder zu verschleiern hatten.
Quelle war eine zentrale IM-Kategorie der Hauptverwaltung A. Als Quelle wurden im sogenannten Operationsgebiet tätige inoffizielle Mitarbeiter bezeichnet, die in der Lage waren, an geheime Informationen über Aktivitäten und Absichten sowie Ressourcen und interne Lagebedingungen gegnerischer Einrichtungen zu gelangen.
Es wurden zwei Typen von Quellen unterschieden:
Zuletzt besaß die HV A (einschließlich der ihr nachgeordneten Abteilungen XV der BV) in der Bundesrepublik und Westberlin 133 A-Quellen und 449 O-Quellen.
Das MfS hat als ein Instrument der DDR, insbesondere der SED-Führung, die politischen Interessen des Staates inoffiziell in der Bundesrepublik Deutschland unterstützt. Die Westarbeit des MfS bestand aus Spionageaktivitäten, also der nachrichtendienstlichen Beschaffung von Informationen, Patenten, Verfahren und Mustern durch das MfS.
Die Bezeichnungen Westarbeit und Spionage meinen in diesem Kontext das, was beim MfS mit "operative Arbeit im und nach dem Operationsgebiet" bezeichnet wird. Im engeren Sinne also die Arbeit mit Inoffiziellen Mitarbeitern im "Operationsgebiet", bei dem es sich überwiegend um die Bundesrepublik Deutschland und Westberlin handelte, aber auch die in der NATO und der Europäischen Gemeinschaft verbundenen Staaten einschloss.
Im weiteren Sinne fallen darunter auch die Funkaufklärung und der Einsatz von Offizieren im besonderen Einsatz in Botschaften, Konsulaten usw. Erfolgte diese operative Arbeit bis Anfang der 70er Jahre wesentlich "illegal", ergaben sich mit der zunehmenden Anerkennung der DDR auch verstärkt "legale" Zugänge über die Einrichtung von Botschaften, von denen aus das MfS mit "legal abgedeckten Residenturen" arbeiten konnte.
Für die Beschaffung von wissenschaftlich-technischen, politischen und militärischen Informationen war vor allem die Hauptverwaltung A zuständig, aber nahezu gleichrangig zahlreiche Abwehrdiensteinheiten des MfS. Die Hauptabteilung I, in der DDR für die Absicherung des Militärkomplexes verantwortlich, erkundete auch die Bundeswehr, den Bundesgrenzschutz, den Zollgrenzdienst, die Bayerische Grenzpolizei und diverse Einrichtungen der NATO.
Die Hauptabteilung II, mit der "offensiven Abwehr" ausländischer Nachrichtendienste in der DDR befasst, arbeitete zeitweise auch gegen den Bundesnachrichtendienst, das Bundesamt und die Landesämter für Verfassungsschutz sowie den Militärischen Abschirmdienst. Die Hauptabteilung VI überwachte neben dem Ein-, Ausreise- und Transitverkehr in der DDR auch den über innerdeutsche Grenzen hinaus von und nach Westberlin.
Die Hauptabteilung VII unterhielt im "Operationsgebiet" ebenfalls ein Netz, das im klassischen Sinne kriminelle Aktivitäten wie Schmuggel aufzuklären hatte. Die Hauptabteilung VIII war für Ermittlungen und Beobachtungen zuständig. Zugleich war sie Servicediensteinheit für alle Diensteinheiten des MfS, indem sie den Informationsbedarf über Bundesbürger bediente.
Neben der Sicherungsarbeit in den Bereichen Staatsapparat, Blockparteien und "politischer Untergrundtätigkeit" war die Hauptabteilung XX im "Operationsgebiet" für alle Einrichtungen zuständig, die sich mit der DDR befassten. Im Visier der Hauptabteilung XXII standen links- und rechtsextremistische, überwiegend terroristische Gruppen.
Schließlich wäre auf Hauptabteilungsebene noch die Zentrale Kontrollgruppe anzuführen, die sich mit besonders DDR-kritischen Gruppen befasste, wie z. B. der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte oder den Fluchthilfeorganisationen. Mit der Westarbeit waren nicht allein die zentralen Abwehrdiensteinheiten befasst, sondern ihre Linien (Linienprinzip) erstreckten sich meist auch auf Bezirks- und im Einzelfall auf Kreisverwaltungsebene des MfS.
In den Kontext der Westarbeit sind auch die etwa 400 Entführungen von Bürgern aus der Bundesrepublik Deutschland und Westberlin zu zählen sowie vereinzelte Versuche und Erwägungen, Bürger zu töten, wobei bislang ein Mord nicht nachgewiesen ist. Das MfS selbst verstand unter der "Arbeit im und nach dem Operationsgebiet" die "Gesamtheit der politisch-operativen Kräfte des MfS im Operationsgebiet und die Nutzung solcher Personen aus dem Operationsgebiet, die zur Erfüllung operativer Aufgaben geeignet sind".
Die HV A und ihre Abteilungen XV in den Bezirksverwaltungen arbeiteten nach Schwerpunkten im "Operationsgebiet", ihre innere Struktur drückte die entsprechende Interessenlage aus.
Demnach konzentrierte sich die Abt. I auf Politik und strategische Absichten der Bundesregierung, die Abt. II auf die Parteien, Gewerkschaften, Landsmannschaften im "Operationsgebiet", die Abt. III steuerte die operative Arbeit der "legal abgedeckten Residenturen" in DDR-Botschaften, Konsulaten und Handelseinrichtungen, und die Abt. IV beschäftigte sich mit den militärischen Zentren" in der Bundesrepublik Deutschland, wozu das Bundesministerium der Verteidigung, Wehrbezirkskommandos der Bundeswehr und diverse US-amerikanische Einrichtungen gehörten. Die Abt. IX befasste sich mit westlichen Nachrichtendiensten, die Abt. XI mit den USA und die Abt. XII mit der NATO.
Die Abteilungen XIII bis XV gehörten zum Sektor Wissenschaft und Technik, der systematisch Patente, Verfahren und Muster für die DDR- und osteuropäische Forschung und Wirtschaft beschaffte. Schwerpunkte waren die Fachgebiete Energie, Biologie, Chemie, Elektronik, Elektrotechnik und Maschinenbau sowie das Bemühen, die Embargopolitik zu unterlaufen. Für offizielle, mithin dienstliche Kontakte zwischen beispielsweise DDR- und bundesdeutschen Wissenschaftlern oder Politikern war eigens die Abt. XVI der HV A zuständig, die auf diesem Weg an relevante Informationen gelangen sollte.
Während all diese Abteilungen der HV A überwiegend informationsbeschaffend tätig waren, verfügte sie mit der Abt. X eigens über eine Struktureinheit, die systematisch aktive Maßnahmen in der Bundesrepublik zu entfalten suchte.
Günter Guillaume über seine Tätigkeit als "Kundschafter" in der Bundesrepublik (Teil 2) Audio, 41 Minuten, 9 Sekunden
"Auftrag erfüllt" Video, 1 Stunde, 26 Minuten, 39 Sekunden
Podiumsveranstaltung mit George Blake als Redner in der Schule der Hauptverwaltung A in Belzig Video, 1 Stunde, 47 Minuten, 45 Sekunden
Ausschnitt der Tondokumentation "Zurückgekehrt – Interviews mit Enttäuschten" Audio, 12 Minuten, 47 Sekunden