Haftbefehl gegen einen Brigadier wegen "Boykotthetze"
Signatur: BStU, MfS, BV Neubrandenburg, AU, Nr. 109/53, Bd. 2, Bl. 15
Weil ein Brigadier der Bau-Union Nord-Ost Torgelow während des Volksaufstandes eine Rede hielt, wurde er wegen "Boykotthetze" verhaftet.
Der Bezirk Neubrandenburg war wie die anderen Bezirke im Norden auch kein Zentrum des Volksaufstandes. Ein wichtiger Grund hierfür war die agrarisch geprägte Struktur Mecklenburgs. Zudem gelangten die Nachrichten aus dem Süden der DDR nur langsam bis zur Bevölkerung im Norden. Polizei, MfS und SED waren hier ausnahmsweise besser informiert und konnten sich auf Unruhen vorbereiten.
Trotzdem kam es vereinzelt zu Unruhen. Im Bezirk Neubrandenburg kam es in 29 Städten und Gemeinden zu Aktionen, die von Streiks über Demonstrationen bis hin zu Versuchen reichten, politische Gefangene zu befreien. Einzelne Aktionen wie Forderungen nach Auflösung der LPG (Landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaft), die Abnahme von Bildern führender Mitglieder der Staats- und Parteiführung an öffentliche Stellen oder Solidaritätskundgebungen mit den streikenden Arbeitern und Bauern führten zu Verhaftungen und Verurteilungen.
Auf einer Belegschaftsversammlung der Bau-Union Nord-Ost Torgelow hielt ein Genosse der IG Bauholz ein Referat. In der anschließenden Diskussion trat ein Brigadier auf und legte seine Gedanken zu den Ereignissen, die zur Zuspitzung der Lage 1953 führten, dar. Im August wurde er deshalb verhaftet und später zu zehn Jahren Zuchthaus verurteilt.
Metadaten
- Diensteinheit:
- Amtsgericht Ueckermünde
- Datum:
- 8.8.1953
- Überlieferungsform:
- Dokument
Das Amtsgericht Ueckermünde
Ueckermünde, den 08.08.1953
Geschäftsnummer: 4As/ 53
(Bei Eingaben stets anzuführen)
Fernsprecher:
Haftbefehl
Dem [anonymisiert] geb. am [anonymisiert] in Dresden, wohnh. in Leipzig [anonymisiert]
ist zur Untersuchungshaft zu bringen.
Er wird beschuldigt, die Grundlagen unserer Staatsordnung angeriffen und verletzt zu haben in dem er Boykotthetze gegen demokratische Einrichtung und Politik führte da er immer laufe seiner Tätigkeit bei der Bauunion Nord-Ost provokatorisch Hetzreden hielt die von ihm zum Zwecke des Unfriedenstiftens unter den Arbeitern geführt wurde.
Verbrechen Gemäß Artikel 6 der Verfassung der DDR
Er ist dieser Straftat dringend verdächtig und da die Untersuchungen ein Verbrechen zum Gegenstand haben und die Gefahr besteht, dass der Beschuldigte sich seiner Verantwortlichkeit entzieht, ist der Haftbefehl erforderlich.
Gegen diesen Haftbefehl ist das Rechtsmittel der Beschwerde zulässig.
[Stempel: Kreisgericht Ueckermünde]
[Unterschrift unleserlich]
Kreisgerichtsdirektor