Haftbefehl gegen einen Mann, der Fotos des Volksaufstandes in Rathenow gemacht hatte
Signatur: BStU, MfS, BV Potsdam, AU, Nr. 242/53, Bl. 30
Während des Volksaufstandes in Rathenow dokumentierte ein Mann die Ereignisse mit seiner Kamera. Die Stasi beschlagnahmte die Bilder und nahm den mann fest.
Zwischen dem 17. und 21. Juni 1953 kam es in über 150 brandenburgischen Städten und Gemeinden zu Streiks, Demonstrationen und Kundgebungen. Brandenburg war flächendeckend vom Volksaufstand erfasst. Im Bezirk Potsdam fanden Demonstrationen und Aufstände vor allem in den größeren Orten mit Industrieansiedlungen statt. Zu Demonstrationen und Streiks kam es auch in allen Landkreisen des Bezirks Potsdam, die direkt an Berlin angrenzten.
Der Aufstand in Rathenow begann zunächst wie in den meisten anderen Städten mit Streiks der örtlichen Industriebetriebe. In den Morgenstunden hatte sich ein aus etwa 8.000 Personen bestehender Demonstrationszug von Mitarbeitern der Rathenower Optischen Werke und der Bevölkerung gebildet. Die Demonstranten gingen zu einer Kundgebung auf dem Karl-Marx-Platz. Die Belegschaft des VEB Kunstseidenwerkes Premnitz hatte bereits um 7:30 Uhr desselben Tages geschlossen die Arbeit niedergelegt. Ihren Forderungen schlossen sich auch die Arbeiter des Kraftwerkes Premnitz an.
Während der Demonstration, die sowjetische Truppen zunächst vergeblich einzudämmen versuchten, kam es immer wieder zu Angriffen auf die Polizei. Rathenower Demonstranten hatten Polizisten entwaffnet, ihnen Fahrzeuge und Motorräder weggenommen und eine Einheit regelrecht aufgerieben.
Einen Arbeiter, der die Ereignisse mit seiner Kamera festhielt, nahm die Staatssicherheit am 18. Juni fest. Seine Bilder wurden beschlagnahmt.
Metadaten
- Diensteinheit:
- Kreisgericht Potsdam
- Datum:
- 20.6.1953
- Überlieferungsform:
- Dokument
Das Kreisgericht
Potsdam, den 20. Juni 1953
Aktenzeichen: 167/53
(Bei Eingaben stehts anzuführen)
Potsdam, den 20. Juni 1953
Fernsprecher:
Haftbefehl
Der [anonymisiert], geb. [anonymisiert] Rathenow, wohnhaft Rathenow, [anonymisiert]
ist zur Untersuchungshaft zu bringen.
Er wird beschuldigt,
anlässlich der Unruhen in Rathenow am 17.06.53 Aufnahmen gemacht zu haben, worunter sich auch solche von sowj. Wehrmachtsangehörigen und Fahrzeugen befanden. Es besteht der Verdacht, daß diese Aufnahmen für feindliche Zwecke verwandt werden sollten.
Verbrechen
gemäß Art. 6 der Verf. der DDR in Verb. mit dem Abschn. II Art. III A III der KD 38.
Er ist dieser Straftat dringend verdächtig und da Fluchtverdacht vorliegt, ist der Haftbefehl gesetzlich begründet.
Gegen diesen Haftbefehl ist das Rechtsmittel der Beschwerde zulässig.
[Stempel: Kreisgericht: Potsdam (Land)]
(Richter am Kreisgericht)