Hinweise zum Einsatz von Stasi-Mitarbeitern für die Demonstration am 4. November 1989 in Berlin
Signatur: BStU, MfS, HA XX/AKG, Nr. 1465, Bl. 142-147
Am 4. November 1989 fand die größte Demonstration während der Friedlichen Revolution in Berlin statt. Diese war zwar offiziell genehmigt, trotzdem hatten die Stasi-Mitarbeiter vor Ort einen umfangreichen Aufgabenkatalog abzuarbeiten.
Die erste offiziell genehmigte Demonstration während der Friedlichen Revolution in der DDR fand am 4. November 1989 in Berlin-Mitte statt. Hunderttausende Menschen demonstrierten gegen das SED-Machtmonopol und die Gewalt durch die Sicherheitsorgane der DDR und forderten Menschenrechte, wie Presse-, Meinungs- und Versammlungsfreiheit ein.
Es begann um 10 Uhr mit einer Demonstration. Sie führte über die Karl-Liebknecht-Straße zum Palast der Republik und schließlich zum Alexanderplatz, wo bereits Zehntausende warteten. Dort fand eine über drei Stunden dauernde Abschlusskundgebung statt.
Unter den Rednern befanden sich die Politiker Manfred Gerlach und Günter Schabowski, Stasi-Generaloberst a.D. Markus Wolf, der Theologe Friedrich Schorlemmer, Rechtsanwalt Gregor Gysi, Hochschulrektor Lothar Bisky, die Schriftsteller Christoph Hein, Stefan Heym und Christa Wolf, die Schauspieler Ulrich Mühe und Jan Josef Liefers sowie Vertreter der Bürgerbewegung Neues Forum.
Die Demonstration war die größte ihrer Art während der Friedlichen Revolution. Lange war unklar, ob sie überhaupt genehmigt werden sollte. Aufgabe der Staatssicherheit war es, zu verhindern, dass etwas aus dem Ruder läuft. Mitarbeiter der Geheimpolizei dokumentierten akribisch den Ablauf der Versammlung und fotografierten die Losungen der Demonstranten auf Plakaten und Transparenten.
Das vorliegende Dokument zeigt darüber hinaus, welche Aufgaben der Staatssicherheitsdienst bei Versammlungen dieser Art zu bewältigen hatte.
Metadaten
- Urheber:
- MfS
- Datum:
- 2.11.1989
- Rechte:
- BStU
Unter den Teilnehmern ist außerdem mit einer großen Zahl von Schaulustigen und Einkaufstouristen aus den Bezirken der DDR zu rechnen; u.a. weil die Handelseinrichtungen während der Demonstration normale Öffnungszeiten haben werden.
Über den Weg der Demonstration und weitere Haupt Tragen ihrer Durchführung bestehen konkrete Vereinbarungen mit den Antragstellern/Organisatoren. Auf der Abschlußkundgebung vor dem Haus der Elektroindustrie sollen 17 Redner á 5 Minuten sprechen, darunter ein leitender Genossen der SED-Bezirksleitung.
Das Ende der Veranstaltung ist für 14.30 Uhr vorgesehen, die Teilnehmerzahlen werden zwischen 100.000 und 500.000 Personen vermutet. Einige Mitorganisatoren wollen den Umfang der Leipziger Demonstration übertreffen und zu einem "Ereignis mit Auswirkungen für Europa" gelangen.
Angesichts dieser komplizierten Ausgangslage ist von vornherein damit zu rechnen, daß unter dem Deckmantel der genehmigten Demonstration verschiedene Personengruppen und Einzelpersonen mit eigenen Losungen (unabhängig vom Ziel der Demonstration) auftreten, den festgelegten Weg der Demonstration nicht einhalten und eigene Kundgebungen durchführen.
Besondere Gefahren für die staatliche Sicherheit und Ordnung können eintreten, wenn diese Kräfte durch psychologische Beeinflussung der Demonstranten (z.B. Hysterie) schwere Provokationen auslösen (z.B. Marsch in Richtung Staatsgrenze, Angriffe auf Gebäude von Partei und Regierung).