Signatur: BArch, MfS, HA IX, Nr. 5355, Bl. 1-4
Die Stasi sorgte dafür, dass "negative Personen", wie beispielsweise unangepasste Jugendliche, während der X. Weltfestspiele 1973 Ost-Berlin fern blieben.
Die Spiele fanden vom 28. Juli bis zum 5. August 1973 in Ost-Berlin statt. Unter dem Motto "Für antiimperialistische Solidarität, Frieden und Freundschaft" kamen mehr als 25.000 Festival-Teilnehmerinnen und -Teilnehmer aus 140 Ländern in die Hauptstadt der DDR, darunter auch Delegationen aus der Bundesrepublik.
Für die SED-Führung waren die Weltfestspiele Chance und Herausforderung zugleich. Sie konnte die DDR einerseits der Welt als ein offenes und selbstbewusstes Land präsentieren, fürchtete aber den westlichen Einfluss auf die eigene Jugend.
Die Planung der Weltfestspiele lag in der Verantwortung des "nationalen Vorbereitungskomitees". Es wurde 1972 unter der Leitung des Ersten Sekretärs des Zentralkomitees der SED Erich Honecker gegründet. Die Staatssicherheit war an der Vorbereitung und Durchführung der Veranstaltung beteiligt. Die generalstabsmäßig geplante Kontrolle der Spiele lief bei der Stasi unter dem Namen Aktion "Banner".
Ein Schwerpunkt war hierbei, die Anreise unerwünschter Personengruppen zu verhindern. Sogenannte "asoziale" und "negative Personen" sollten während der Weltfestspiele Ost-Berlin nicht betreten. Nichts sollte das Bild einer vorbildlichen und klassenbewussten DDR-Jugend stören, das SED und Stasi der Welt präsentieren wollten.
"Negativ" waren in den Augen der SED Menschen, die unangepasst waren und nicht den politischen Vorstellungen der Machthaber entsprachen. Wer in der DDR als "arbeitsscheu" auffiel, galt als "asozial" und konnte nach § 249 StGB der DDR bestraft werden, wobei die Strafe von Bewährungsstrafen über "Arbeitserziehung" bis hin zu Haftstrafen reichen konnte. Diesen Paragraphen nutzte die Geheimpolizei auch im Vorfeld der Weltfestspiele. Möglichst viele Personen aus Berlin, die nach § 249 verdächtig waren, sollten zumindest für die Dauer der Weltfestspiele inhaftiert werden.
Das vorliegende Dokument ist ein Zwischenbericht der Hauptabteilung Kriminalpolizei im Ministerium des Innern zum Stand von Verhaftungen und anderen Maßnahmen, mit denen unliebsamer Besuch von den X. Weltfestspielen ferngehalten werden sollte. Dabei geht aus dem Dokument nicht hervor, wie viele der sogenannten "negativen" Personen tatsächlich vorbestraft oder kriminell und wie viele davon aus politischen Gründen unerwünscht waren.
Auszüge aus Berichten der HA K
5. Verhinderung von Reisen negativer Personen in die Hauptstadt der DDR
In Durchsetzung der im Befehl 055/73 des Ministers des Innern und Chefs der DVP angewiesenen Maßnahmen zur Verhinderung von Reisen negativer Personen während der X. Weltfestspiele in die Hauptstadt der DDR - Berlin, wurden bisher durch die Kriminalpolizei folgende Maßnahmen durchgeführt:
- In den Bezirken der DDR wurden bis zum 28.06.1973 gegen [unterstrichen: 2.720] negative, asoziale und vorbestrafte Personen sowie besonders gefährliche Rechtsverbrecher Maßnahmen zur Verhinderung von Reisen während der X. Weltfestspiele nach der Hauptstadt der DDR - Berlin eingeleitet.
[unterstrichen: 1.400] Personen davon hatten die Absicht, während der X. Weltfestspiele nach Berlin zu fahren.
- Besondere Maßnahmen wurden in Vorbereitung der X. Weltfestspiele zur Bekämpfung der Asozialität in der Hauptstadt der DDR-Berlin sowie den Bezirken Potsdam und Frankfurt (Oder) durchgesetzt.
Im Ergebnis dieser Maßnahmen wurden gegen
[unterstrichen: 2.073 asoziale Personen Haftbefehl erwirkt.]
Davon im
- PdVP Berlin [unterstrichen: 1.460]
- BdVP Potsdam [unterstrichen: 409]
- BdVP Frankfurt [unterstrichen: 244]
die Personen wurden in Verfahren mit verkürzter Ladefrist verurteilt und vorwiegend sofort die Strafvollstreckung vollzogen.
- Zur Einleitung wirksamer Kontroll- und Überwachungsmaßnahmen wurden den Leitern der Abteilungen Kriminalpolizei der BdVP durch den Leiter der HA/K
[unterstrichen: ca. 800 Personen,]
Der schriftliche richterliche Haftbefehl bildete die Grundlage für eine reguläre Verhaftung (§ 114 StPO/1949; § 142 StPO/1952; § 124 StPO/1968). Beschuldigte oder Angeklagte mussten unverzüglich, spätestens am Tage nach ihrer Ergreifung dem zuständigen Gericht vorgeführt werden (§§ 114 b, 128 StPO/1949; §§ 144, 153 StPO/1952; § 126 StPO/1968) – vor allem in den frühen 50er Jahren wurde diese Frist vom MfS teilweise überschritten und der Zeitpunkt der Festnahme entsprechend geändert. Auch wurden die Festgenommenen nicht bei Gericht vorgeführt, die vom MfS ausgewählten Haftrichter kamen zur Ausstellung des Haftbefehls in die Untersuchungshaftanstalten.
Rechtliche Voraussetzungen für den Erlass eines Haftbefehls waren ein dringender Tatverdacht und ein gesetzlich definierter Haftgrund, z. B. Fluchtverdacht oder Verdunklungsgefahr (§ 112 StPO/1949; § 141 StPO/1952; § 122 StPO/1968) sowie während des Ermittlungsverfahrens ein Antrag des Staatsanwaltes; im Hauptverfahren konnte das Gericht auch ohne Antrag einen Haftbefehl erlassen. Laut einer Richtlinie des Obersten Gerichts der DDR vom 17.10.1962 lag ein Haftgrund auch vor bei "Verbrechen im Auftrag feindlicher Agenturen, bei konterrevolutionären Verbrechen" und "bei anderen schweren Verbrechen".
Organisationsstruktur in der MfS-Zentrale, die durch den Minister oder einen seiner Stellvertreter direkt angeleitet wurde. Die zuletzt 13 Hauptabteilungen wurden durch Einzelleiter geführt. Die weiter untergliederten und nach dem Linienprinzip tätigen HA waren für komplexe, abgegrenzte Bereiche operativ zuständig und federführend verantwortlich. Der Zuschnitt der Zuständigkeitsbereiche war an Ressorts oder geheimdienstlichen Praktiken (z. B. Verkehrswesen, Beobachtung, Funkspionage) orientiert.
Beginn einer freiheitsentziehenden Maßnahme, Ergreifung eines Beschuldigten oder Angeklagten aufgrund eines richterlichen Haftbefehls (§ 114 StPO/1949, § 142 StPO/1952, §§ 6 Abs. 3, 124 StPO/1968). Zu unterscheiden von der vorläufigen Festnahme und der Zuführung.
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Signatur: BArch, MfS, HA IX, Nr. 5355, Bl. 1-4
Die Stasi sorgte dafür, dass "negative Personen", wie beispielsweise unangepasste Jugendliche, während der X. Weltfestspiele 1973 Ost-Berlin fern blieben.
Die Spiele fanden vom 28. Juli bis zum 5. August 1973 in Ost-Berlin statt. Unter dem Motto "Für antiimperialistische Solidarität, Frieden und Freundschaft" kamen mehr als 25.000 Festival-Teilnehmerinnen und -Teilnehmer aus 140 Ländern in die Hauptstadt der DDR, darunter auch Delegationen aus der Bundesrepublik.
Für die SED-Führung waren die Weltfestspiele Chance und Herausforderung zugleich. Sie konnte die DDR einerseits der Welt als ein offenes und selbstbewusstes Land präsentieren, fürchtete aber den westlichen Einfluss auf die eigene Jugend.
Die Planung der Weltfestspiele lag in der Verantwortung des "nationalen Vorbereitungskomitees". Es wurde 1972 unter der Leitung des Ersten Sekretärs des Zentralkomitees der SED Erich Honecker gegründet. Die Staatssicherheit war an der Vorbereitung und Durchführung der Veranstaltung beteiligt. Die generalstabsmäßig geplante Kontrolle der Spiele lief bei der Stasi unter dem Namen Aktion "Banner".
Ein Schwerpunkt war hierbei, die Anreise unerwünschter Personengruppen zu verhindern. Sogenannte "asoziale" und "negative Personen" sollten während der Weltfestspiele Ost-Berlin nicht betreten. Nichts sollte das Bild einer vorbildlichen und klassenbewussten DDR-Jugend stören, das SED und Stasi der Welt präsentieren wollten.
"Negativ" waren in den Augen der SED Menschen, die unangepasst waren und nicht den politischen Vorstellungen der Machthaber entsprachen. Wer in der DDR als "arbeitsscheu" auffiel, galt als "asozial" und konnte nach § 249 StGB der DDR bestraft werden, wobei die Strafe von Bewährungsstrafen über "Arbeitserziehung" bis hin zu Haftstrafen reichen konnte. Diesen Paragraphen nutzte die Geheimpolizei auch im Vorfeld der Weltfestspiele. Möglichst viele Personen aus Berlin, die nach § 249 verdächtig waren, sollten zumindest für die Dauer der Weltfestspiele inhaftiert werden.
Das vorliegende Dokument ist ein Zwischenbericht der Hauptabteilung Kriminalpolizei im Ministerium des Innern zum Stand von Verhaftungen und anderen Maßnahmen, mit denen unliebsamer Besuch von den X. Weltfestspielen ferngehalten werden sollte. Dabei geht aus dem Dokument nicht hervor, wie viele der sogenannten "negativen" Personen tatsächlich vorbestraft oder kriminell und wie viele davon aus politischen Gründen unerwünscht waren.
die aus Berlin ausgewiesen und Aufenthaltsbeschränkung für Berlin erhalten haben, mitgeteilt.
- In allen Bezirken wurden im Zusammenwirken mit den staatlichen Organen und gesellschaftlichen Organisationen konkrete Maßnahmen zur Aufklärung krimineller und kriminell gefährdeter Jugendlicher und Jungerwachsener eingeleitet. So wurden z.B. im Bezirk Halle im Zusammenhang mit der Auflösung von 60 kriminellen Gruppierungen Jugendlicher und Jungerwachsener
[unterstrichen: 145] EV eingeleitet
[unterstrichen: 220] Täter ermittelt und
[unterstrichen: 125] davon inhaftiert.
[unterstrichen: Als zweckmäßig erwiesen sich folgende Methoden:]
- Durchführung vorbeugender Aussprachen im Zusammenwirken mit de Erziehungsberechtigten, staatlichen Organen und gesellschaftlichen Organisationen und Abnahme schriftlicher Erklärungen, daß sie von Fahrten nach Berlin Abstand nehmen.
- Einleitung und wirksame Gestaltung von Kontrollmaßnahmen gemäß § 48 StGB;
- Erteilung von Auflagen auf der Grundlage des VP-Gesetzes § 11;
- Auferlegung von - Berlin-Verbot - ;
- Konsequente Einleitung von Ermittlungsverfahren und kurzfristige Verurteilung von Personen, bei denen der begründete Verdacht gemäß § 249 StGB vorliegt.
Vom PdVP Berlin sind im Zusammenwirken mit den BdVP Frankfurt (Oder) und Potsdam Maßnahmen
- zur Verhinderung der Einreise negativer Personen durch verstärkte Kontrollmaßnahmen eingeleitet;
- für Zuführungen, Unterbringungen und Rückführungen von negativen Personen festgelegt.
Aufklärung hatte innerhalb des MfS unterschiedliche Bedeutungen: Sie wird zur Bezeichnung des Tätigkeitsbereiches der Auslandsspionage verwendet, die überwiegend von der HV A getragen wurde, die teilweise auch kurz als Aufklärung bezeichnet wird. Darüber hinaus findet der Begriff Verwendung bei der Bezeichnung von Sachverhaltsermittlungen (Aufklärung eines Sachverhalts) und von Überprüfungen der Eignung von IM-Kandidaten (Aufklärung des Kandidaten).
Organisationsstruktur in der MfS-Zentrale, die durch den Minister oder einen seiner Stellvertreter direkt angeleitet wurde. Die zuletzt 13 Hauptabteilungen wurden durch Einzelleiter geführt. Die weiter untergliederten und nach dem Linienprinzip tätigen HA waren für komplexe, abgegrenzte Bereiche operativ zuständig und federführend verantwortlich. Der Zuschnitt der Zuständigkeitsbereiche war an Ressorts oder geheimdienstlichen Praktiken (z. B. Verkehrswesen, Beobachtung, Funkspionage) orientiert.
Erstes Stadium des Strafverfahrens, steht formal unter Leitung des Staatsanwaltes (§ 87 StPO/1968). Die eigentlichen Ermittlungen werden von den staatlichen Untersuchungsorganen (Polizei, MfS, Zoll) durchgeführt (§ 88 StPO/1968) und vom Staatsanwalt beaufsichtigt (§ 89 StPO/1968).
Tatsächlich waren für die Ermittlungen des MfS lediglich die zuvor vom MfS ausgewählten Staatsanwälte der Abteilungen IA zuständig, die gemäß MfS-internen Regelungen keine Einsicht in Unterlagen oder Ermittlungen, die nicht der StPO entsprachen, bekommen durften. Faktisch gab es daher eine doppelte Aktenführung in der zuständigen Linie IX: den internen Untersuchungsvorgang und die für Staatsanwaltschaft und Gericht bestimmte Gerichtsakte und somit keine wirksame staatsanwaltschaftliche Aufsicht über die MfS-Ermittlungen. Einleitung wie auch Einstellung des Ermittlungsverfahrens konnten selbständig von den Untersuchungsorganen verfügt werden (§§ 98, 141 StPO/1968).
Mit dem Ermittlungsverfahren verbunden waren Eingriffe in die persönliche Freiheit Beschuldigter durch die Untersuchungsorgane wie die Beschuldigten- und Zeugenvernehmung, die Durchsuchung, die Beschlagnahme, die Festnahme oder die Untersuchungshaft. In der Tätigkeit des MfS stellte das Ermittlungsverfahren einen besonders wirksamen Teil des repressiven Vorgehens gegen politische Gegner dar.
Beginn einer freiheitsentziehenden Maßnahme, Ergreifung eines Beschuldigten oder Angeklagten aufgrund eines richterlichen Haftbefehls (§ 114 StPO/1949, § 142 StPO/1952, §§ 6 Abs. 3, 124 StPO/1968). Zu unterscheiden von der vorläufigen Festnahme und der Zuführung.
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"Verhinderung von Reisen" unerwünschter Personen zu den Weltfestpielen der Jugend in Berlin Dokument, 4 Seiten
Durchführungsbestimmung zum Befehl 13/73 über den Einreiseverkehr während der X. Weltfestspiele der Jugend Dokument, 17 Seiten
Befehl Nr. 13/73 zur Sicherung der X. Weltfestspiele der Jugend in Ost-Berlin Dokument, 50 Seiten
Verhaltensregeln für Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus der DDR an den X. Weltfestspielen der Jugend Dokument, 5 Seiten