Signatur: BArch, MfS, HA IX, Nr. 18561, Bl. 50-62
Eine "Information" von Stasi-Minister Erich Mielke fasst die Ereignisse rund um die Besetzung der Iranischen Botschaft in Ost-Berlin 1978 zusammen. Aus dem Dokument geht außerdem hervor, wie das DDR-Außenministerium in Zusammenarbeit mit der Staatssicherheit auf die Vorwürfe des iranischen Botschafters reagierte.
Die DDR und der Iran unter Schah Mohammad Reza Pahlavi nahmen im Dezember 1972 diplomatische Beziehungen auf. Die Iranische Botschaft bezog daraufhin ihren Dienstsitz in der Hermann-Duncker-Straße 26 (heute Treskowallee) in Berlin-Karlshorst. In den folgenden fünf Jahren pflegten die beiden Staaten gute Beziehungen.
Am 27. Februar 1978 besetzten zwölf Mitglieder der linken Oppositionsgruppe "Confederation of Iranian Students, National Union" (CISNU) aus West-Berlin die Iranische Botschaft. In einer Presseerklärung nannten sie als Grund für ihre Protestaktion ein Massaker durch Truppen des Schah-Regimes in Tabriz, Verhaftungen und Folterungen durch den iranischen Geheimdienst SAVAK. Die Besetzer drangen in die Büroräume ein, verwüsteten das Inventar und hinterließen politische Parolen an Wänden und Einrichtung.
Nach der Festnahme der Protestierenden durch die Deutsche Volkspolizei übernahm die Hauptabteilung IX des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) die Untersuchung des "Tatorts" und die weitere Aufklärung des Falls. Auf Grundlage der Untersuchungsergebnisse bemühte sich das Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten (MfAA), eine Belastung der DDR-Iran-Beziehungen zu verhindern und Vorwürfe des iranischen Botschafters aus dem Weg zu räumen. Dieser hatte die mangelnden Sicherheitsvorkehrungen durch die DDR-Organe kritisiert.
Auf die ersten Untersuchungsberichte der HA IX Ende Februar 1978 folgte im März eine "Information" von Stasi-Minister Erich Mielke zu dem Vorfall in der Iranischen Botschaft. Sie enthält eine Zusammenfassung der Ereignisse, inklusive der bereits am Tag darauf verhängten Strafen, sowie eine Aufzählung der "Täter".
Neben einer Schilderung des Ablaufs der Protestaktion liegt dem zwölfseitigen Dokument eine Erklärung des MfAA für den iranischen Botschafter bei. Darin werden die bis dato vorliegenden Untersuchungsergebnisse des MfS vorgestellt und das Nichteingreifen der DDR-Sicherheitsorgane gerechtfertigt: Diesen seien aufgrund völkerrechtlicher Bestimmungen und ausgebliebener Verdachtsmomente die Hände gebunden gewesen. Die Erklärung wurde dem iranischen Botschafter im Rahmen einer Reihe von Gesprächen übergeben. Die handschriftlichen Markierungen im Dokument weisen darauf hin, dass es sich nicht um den finalen Entwurf handelte.
Trotz der Bemühungen des MfAA ließ sich die politische Krise nicht mehr abwenden. Am 2. März 1978 zog der Iran seine Diplomaten aus der DDR ab. Sogar ein Abbruch der Handelsbeziehungen stand im Raum, wozu es letztlich aber nicht kam. Ein Jahr später erfasste die Islamische Revolution das Land. Deren Sieg und die Absetzung des Schahs Anfang 1979 markierten das Ende der iranischen Monarchie und den Beginn einer islamistischen Diktatur.
Ministerrat
der Deutschen Demokratischen Republik
Ministerium für Staatssicherheit
Der Minister
Berlin, den [Auslassung]
Tgb.-Nr. VMA/[Auslassung]
Streng Geheim!
Information
über provokatorische Handlungen gegen die Botschaft des Kaiserreiches Iran in der Deutschen Demokratischen Republik
Hauptabteilung IX (Untersuchungsorgan)
Die Hauptabteilung IX war die für strafrechtliche Ermittlungen und Strafverfolgung zuständige Diensteinheit. Sie hatte wie die nachgeordneten Abteilung IX in den Bezirksverwaltung (BV) (Linie IX) die Befugnisse eines Untersuchungsorgans, d. h. einer kriminalpolizeilichen Ermittlungsbehörde. Ursprünglich vor allem für die sog. Staatsverbrechen zuständig, befasste sie sich in der Honecker-Ära überwiegend mit Straftaten gegen die staatliche Ordnung, vor allem mit Fällen "ungesetzlichen Grenzübertritts" und Delikten, die mit Ausreisebegehren zu tun hatten. Nach StPO der DDR standen auch die Ermittlungsverfahren der Linie IX unter Aufsicht der Staatsanwaltschaft, in der Praxis arbeitete das MfS hier jedoch weitgehend eigenständig.
Die Hauptabteilung IX und die Abteilungen IX der BV waren berechtigt, Ermittlungsverfahren einzuleiten sowie Festnahmen, Vernehmungen, Durchsuchungen, Beschlagnahmen und andere strafprozessuale Handlungen vorzunehmen sowie verpflichtet, diese Verfahren nach einer bestimmten Frist - meist durch die Übergabe an die Staatsanwaltschaft zur Anklageerhebung - zum Abschluss zu bringen (Untersuchungsvorgang). Daneben führte sie Vorermittlungen zur Feststellung von Ursachen und Verantwortlichen bei Großhavarien (industriellen Störfällen), Flugblättern widerständigen Inhalts, öffentlichen Protesten u. ä. (Vorkommnisuntersuchung, Sachverhaltsprüfung).
Die Hauptabteilung IX gehörte zeit ihres Bestehens zum Anleitungsbereich Mielkes, in den ersten Jahren in seiner Funktion als Staatssekretär und 1. stellv. Minister, ab 1957 als Minister. Ihre Leiter waren Alfred Karl Scholz (1950-1956), Kurt Richter (1956-1964), Walter Heinitz (1964-1973) und Rolf Fister (1973-1989).
1953 bestand die Hauptabteilung IX aus drei Abteilungen, die für Spionagefälle, Fälle politischer "Untergrundtätigkeit" und die Anleitung der Abt. IX der BV zuständig waren. Durch Ausgliederungen entstanden weitere Abteilungen, so u. a. für Wirtschaftsdelikte, Militärstraftaten, Delikte von MfS-Angehörigen und Fluchtfälle. Ende 1988 bestand die Hauptabteilung IX aus zehn Untersuchungsabteilungen sowie der Auswertungs- und Kontrollgruppe (AKG) und der AGL (Arbeitsgruppe des Ministers (AGM)) mit insgesamt 489 Mitarbeitern. Auf der Linie IX arbeiteten 1.225 hauptamtliche Mitarbeiter.
Die Linie IX wirkte eng mit den Abteilung XIV (Haft) und der Linie VIII (Beobachtung, Ermittlung), die für die Durchführung der Festnahmen zuständig waren, zusammen. Bei der juristischen Beurteilung von Operativen Vorgängen (OV) wurde die Hauptabteilung IX von den geheimdienstlich arbeitenden Diensteinheiten häufig einbezogen.
Beginn einer freiheitsentziehenden Maßnahme, Ergreifung eines Beschuldigten oder Angeklagten aufgrund eines richterlichen Haftbefehls (§ 114 StPO/1949, § 142 StPO/1952, §§ 6 Abs. 3, 124 StPO/1968). Zu unterscheiden von der vorläufigen Festnahme und der Zuführung.
Signatur: BArch, MfS, HA IX, Nr. 18561, Bl. 50-62
Eine "Information" von Stasi-Minister Erich Mielke fasst die Ereignisse rund um die Besetzung der Iranischen Botschaft in Ost-Berlin 1978 zusammen. Aus dem Dokument geht außerdem hervor, wie das DDR-Außenministerium in Zusammenarbeit mit der Staatssicherheit auf die Vorwürfe des iranischen Botschafters reagierte.
Die DDR und der Iran unter Schah Mohammad Reza Pahlavi nahmen im Dezember 1972 diplomatische Beziehungen auf. Die Iranische Botschaft bezog daraufhin ihren Dienstsitz in der Hermann-Duncker-Straße 26 (heute Treskowallee) in Berlin-Karlshorst. In den folgenden fünf Jahren pflegten die beiden Staaten gute Beziehungen.
Am 27. Februar 1978 besetzten zwölf Mitglieder der linken Oppositionsgruppe "Confederation of Iranian Students, National Union" (CISNU) aus West-Berlin die Iranische Botschaft. In einer Presseerklärung nannten sie als Grund für ihre Protestaktion ein Massaker durch Truppen des Schah-Regimes in Tabriz, Verhaftungen und Folterungen durch den iranischen Geheimdienst SAVAK. Die Besetzer drangen in die Büroräume ein, verwüsteten das Inventar und hinterließen politische Parolen an Wänden und Einrichtung.
Nach der Festnahme der Protestierenden durch die Deutsche Volkspolizei übernahm die Hauptabteilung IX des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) die Untersuchung des "Tatorts" und die weitere Aufklärung des Falls. Auf Grundlage der Untersuchungsergebnisse bemühte sich das Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten (MfAA), eine Belastung der DDR-Iran-Beziehungen zu verhindern und Vorwürfe des iranischen Botschafters aus dem Weg zu räumen. Dieser hatte die mangelnden Sicherheitsvorkehrungen durch die DDR-Organe kritisiert.
Auf die ersten Untersuchungsberichte der HA IX Ende Februar 1978 folgte im März eine "Information" von Stasi-Minister Erich Mielke zu dem Vorfall in der Iranischen Botschaft. Sie enthält eine Zusammenfassung der Ereignisse, inklusive der bereits am Tag darauf verhängten Strafen, sowie eine Aufzählung der "Täter".
Neben einer Schilderung des Ablaufs der Protestaktion liegt dem zwölfseitigen Dokument eine Erklärung des MfAA für den iranischen Botschafter bei. Darin werden die bis dato vorliegenden Untersuchungsergebnisse des MfS vorgestellt und das Nichteingreifen der DDR-Sicherheitsorgane gerechtfertigt: Diesen seien aufgrund völkerrechtlicher Bestimmungen und ausgebliebener Verdachtsmomente die Hände gebunden gewesen. Die Erklärung wurde dem iranischen Botschafter im Rahmen einer Reihe von Gesprächen übergeben. Die handschriftlichen Markierungen im Dokument weisen darauf hin, dass es sich nicht um den finalen Entwurf handelte.
Trotz der Bemühungen des MfAA ließ sich die politische Krise nicht mehr abwenden. Am 2. März 1978 zog der Iran seine Diplomaten aus der DDR ab. Sogar ein Abbruch der Handelsbeziehungen stand im Raum, wozu es letztlich aber nicht kam. Ein Jahr später erfasste die Islamische Revolution das Land. Deren Sieg und die Absetzung des Schahs Anfang 1979 markierten das Ende der iranischen Monarchie und den Beginn einer islamistischen Diktatur.
Am 27. Februar 1978 [handschriftlich unterstrichen: gegen 13.20 Uhr] stellten Angehörige des Wachkommandos Missionsschutz fest, daß auf braunem Plakatpapier an einem Fenster der Botschaft des Kaiserreiches Iran in
[handschriftliche Markierung am Rand: !] Berlin-Karlshorst, Hermann-Duncker-Straße 28
[handschriftlich unterstrichen: eine Losung] angebracht worden war. In dieser Losung wurde das Kaiserreich Iran als faschistisches Regime bezeichnet und die Errichtung eines nationalen Volksstaates gefordert. [handschriftlich unterstrichen: Gegen 13.30 Uhr] teilte ein Attaché der Botschaft einem Angehörigen des Wachkommandos Missionsschutz mit, daß sich fünf bis sieben [handschriftliche Markierung am Rand: !] iranische Studenten in der Botschaft befinden und mit dem Geschäftsträger verhandeln würden.
[handschriftliche Markierung am Rand: ? [handschriftlich unterstrichen: Da seitens des iranischen] Diplomaten kein Schutzersuchen gestellt wurde, ergab sich für die Organe der DDR zunächst [handschriftlich unterstrichen: keine Veranlassung] und Möglichkeit für ein Eingreifen in den Räumen der Botschaft.]
[handschriftlich unterstrichen: Um 13.55 Uhr] wurde beobachtet, wie in einem Fenster der Botschaft eine mit [handschriftlich unterstrichen: zwei faschistischen Symbolen (Hakenkreuze) versehene iranische Staatsflagge angebracht wurde.]
[handschriftliche Markierung am Rand: ?] [handschriftlich durchgestrichen: Zwischenzeitlich bereits eingeleitete Aufklärungsmaßnahmen ergaben, daß sich drei weitere iranische Staatsbürger in der Nähe des an einer verkehrsreichen und belebten Straße gelegenen Botschaftsgebäudes aufhielten. Auf Befragen erklärten sie den Sicherheitskräften, sie würden aus Protest gegen Maßnahmen der iranischen Regierung in der Stadt Täbris, wo die iranische Armee ein Massaker angerichtet habe, eine Aktion durchführen.
Diese richte sich nicht gegen die Botschaft, und es seinen auch keine Geiselnahmen geplant.]
Um 14.20 Uhr verließen zwei Bürger der DDR (Sekretärin und Kraftfahrer des Botschafters) die Räumlichkeiten der Botschaft und überbrachten dem Wachkommando Missionsschutz das mündliche Ersuchen des Botschafters, geeignete Maßnahmen zum Entfernen der Eindringlinge zu treffen und zu diesem Zweck
Hauptabteilung IX (Untersuchungsorgan)
Die Hauptabteilung IX war die für strafrechtliche Ermittlungen und Strafverfolgung zuständige Diensteinheit. Sie hatte wie die nachgeordneten Abteilung IX in den Bezirksverwaltung (BV) (Linie IX) die Befugnisse eines Untersuchungsorgans, d. h. einer kriminalpolizeilichen Ermittlungsbehörde. Ursprünglich vor allem für die sog. Staatsverbrechen zuständig, befasste sie sich in der Honecker-Ära überwiegend mit Straftaten gegen die staatliche Ordnung, vor allem mit Fällen "ungesetzlichen Grenzübertritts" und Delikten, die mit Ausreisebegehren zu tun hatten. Nach StPO der DDR standen auch die Ermittlungsverfahren der Linie IX unter Aufsicht der Staatsanwaltschaft, in der Praxis arbeitete das MfS hier jedoch weitgehend eigenständig.
Die Hauptabteilung IX und die Abteilungen IX der BV waren berechtigt, Ermittlungsverfahren einzuleiten sowie Festnahmen, Vernehmungen, Durchsuchungen, Beschlagnahmen und andere strafprozessuale Handlungen vorzunehmen sowie verpflichtet, diese Verfahren nach einer bestimmten Frist - meist durch die Übergabe an die Staatsanwaltschaft zur Anklageerhebung - zum Abschluss zu bringen (Untersuchungsvorgang). Daneben führte sie Vorermittlungen zur Feststellung von Ursachen und Verantwortlichen bei Großhavarien (industriellen Störfällen), Flugblättern widerständigen Inhalts, öffentlichen Protesten u. ä. (Vorkommnisuntersuchung, Sachverhaltsprüfung).
Die Hauptabteilung IX gehörte zeit ihres Bestehens zum Anleitungsbereich Mielkes, in den ersten Jahren in seiner Funktion als Staatssekretär und 1. stellv. Minister, ab 1957 als Minister. Ihre Leiter waren Alfred Karl Scholz (1950-1956), Kurt Richter (1956-1964), Walter Heinitz (1964-1973) und Rolf Fister (1973-1989).
1953 bestand die Hauptabteilung IX aus drei Abteilungen, die für Spionagefälle, Fälle politischer "Untergrundtätigkeit" und die Anleitung der Abt. IX der BV zuständig waren. Durch Ausgliederungen entstanden weitere Abteilungen, so u. a. für Wirtschaftsdelikte, Militärstraftaten, Delikte von MfS-Angehörigen und Fluchtfälle. Ende 1988 bestand die Hauptabteilung IX aus zehn Untersuchungsabteilungen sowie der Auswertungs- und Kontrollgruppe (AKG) und der AGL (Arbeitsgruppe des Ministers (AGM)) mit insgesamt 489 Mitarbeitern. Auf der Linie IX arbeiteten 1.225 hauptamtliche Mitarbeiter.
Die Linie IX wirkte eng mit den Abteilung XIV (Haft) und der Linie VIII (Beobachtung, Ermittlung), die für die Durchführung der Festnahmen zuständig waren, zusammen. Bei der juristischen Beurteilung von Operativen Vorgängen (OV) wurde die Hauptabteilung IX von den geheimdienstlich arbeitenden Diensteinheiten häufig einbezogen.
Beginn einer freiheitsentziehenden Maßnahme, Ergreifung eines Beschuldigten oder Angeklagten aufgrund eines richterlichen Haftbefehls (§ 114 StPO/1949, § 142 StPO/1952, §§ 6 Abs. 3, 124 StPO/1968). Zu unterscheiden von der vorläufigen Festnahme und der Zuführung.
Fotodokumentation der verwüsteten Büroräume in der Iranischen Botschaft in Ost-Berlin 1978 Dokument, 11 Seiten
Personenfestellungen im Bereich der Botschaft der VR China Dokument, 3 Seiten
Bericht über Verbindungen der PLO zu Terroristen bei der Vorbereitung von Gewaltakten Dokument, 16 Seiten
Thesenzuarbeit für Erich Mielke in Vorbereitung der Antiterrorismuskonsultationen der DDR mit den USA Dokument, 14 Seiten