Signatur: BStU, MfS, VRD, Nr. 11143, Bl. 168-170
Die DDR praktizierte eine israelfeindliche Politik, doch parallel dazu bemühte sich die SED-Führung in den 80er Jahren, die Sympathien von Menschen jüdischen Glaubens im In- und Ausland zu gewinnen. Dafür griff die Regierung sogar in Bauprojekte ein. Nachdem der West-Berliner Vorsitzende der jüdischen Gemeinde, Heinz Galinski, darum bat, das Bauvorhaben einer Straße durch den jüdischen Friedhof in Berlin-Weißensee zu verhindern, ordnete die SED-Führung einen Baustopp an.
Ab Mitte der 80er Jahre widmete die SED-Führung den jüdischen Bürgerinnen und Bürgern in der DDR zunehmend fürsorgliche Aufmerksamkeit. Grund dafür waren handfeste wirtschaftliche und außenpolitische Interessen. Man wollte jüdische Lobbyisten in den Vereinigten Staaten als Fürsprecher gewinnen, um Vorteile im Außenhandel zu erhalten und die Beziehungen zu den USA zu verbessern. Die neue Akzentuierung zeigte sich unter anderem darin, dass ab 1985 auch jüdische Widerstandskämpfer und Opfer geehrt wurden.
Für den jüdischen Friedhof an der Herbert-Baum-Straße in Berlin-Weißensee griff die DDR-Führung direkt in die Ost-Berliner Verkehrsplanung ein. Über das Gelände sollte eine Straße gebaut werden. Im März 1983 notierte die Stasi erste Proteste dagegen, im September 1986 schrieb der Vorsitzende der jüdischen Gemeinde West-Berlins, Heinz Galinski, in dieser Sache an Erich Honecker. Er bat darum, den Autobahnbau zu stoppen. Die SED-Führung ordnete den Baustopp an, um Galinskis Wohlwollen gegenüber der DDR-Führung zu gewinnen, so beschreibt es der Staatssekretär für Kirchenfragen, Klaus Gysi, in einer Information.
Berlin, 25. September 1986
Information
zum Besuch von Herrn Heinz Galinski, Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde von Berlin (West), am 25. 0.1986 beim Staatssekretär für Kirchenfragen
Gemäß dem mir übermittelten Auftrag habe ich Herrn Galinski am 25.09.1986 empfangen, Ich habe ihm im Auftrag des Vorsitzenden des Staatsrates, Genossen Erich Honecker, in der vorgegebenen Art und Diktion für sein Schreiben gedankt und über den Beschluß zur nicht mehr vorgesehenen Trasse durch den Jüdischen Friedhof in Berlin-Weißensee informiert.
Galinski zeigte sich mehr als berührt von dieser Mitteilung, die ihn überraschte. Er blieb 1 1/2 Stunden. Wir haben über viele Fragen gesprochen, Ich habe den Eindruck, daß er seine frühere Haltung uns gegenüber stark korrigiert hat, Seine Haltung war nach der Teilung Berlins uns gegenüber aggressiv ablehnend. Jetzt ist davon nur noch wenig festzustellen. Offensichtlich ist das vor allem eine Folge der Entwicklung in der BRD und in Berlin (West). Er äußerte sich sehr scharf über das Wiederaufleben antisemitischer Tendenzen und ebenso scharf gegen das in der BRD "weitest verbreitete Beiseiteschieben der Nazi-Vergangenheit und nicht vorhandene Bereitschaft, Konsequenzen aus dieser Vergangenheit zu ziehen". Er habe eine solche Rückkehr zu den alten Verhältnissen ebensowenig für möglich gehalten, wie daß er sich 1986 in Berlin (West) nur mit Persönlichen Begleitern vom Staatsschutz bewegen könne.
Galinski wünscht sich, öfter bei uns eingeladen zu werden, um zu sehen, wie wir die antifaschistische Tradition auch in bezug auf unsere jüdischen Mitbürger bewahren.
Man konnte den Eindruck haben, daß er uns in vielem näher steht als der BRD, ohne unsere prinzipiellen Standpunkte zu teilen. Er wünscht sich viel mehr Kontakt mit der DDR, vor allem auch die Möglichkeit, eine gemeinsame antifaschistische Tradition bei internationalen und anderen öffentlichen Anlässen (50. Jahrestag Pogromnacht) zu demonstrieren.
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Signatur: BStU, MfS, VRD, Nr. 11143, Bl. 168-170
Die DDR praktizierte eine israelfeindliche Politik, doch parallel dazu bemühte sich die SED-Führung in den 80er Jahren, die Sympathien von Menschen jüdischen Glaubens im In- und Ausland zu gewinnen. Dafür griff die Regierung sogar in Bauprojekte ein. Nachdem der West-Berliner Vorsitzende der jüdischen Gemeinde, Heinz Galinski, darum bat, das Bauvorhaben einer Straße durch den jüdischen Friedhof in Berlin-Weißensee zu verhindern, ordnete die SED-Führung einen Baustopp an.
Ab Mitte der 80er Jahre widmete die SED-Führung den jüdischen Bürgerinnen und Bürgern in der DDR zunehmend fürsorgliche Aufmerksamkeit. Grund dafür waren handfeste wirtschaftliche und außenpolitische Interessen. Man wollte jüdische Lobbyisten in den Vereinigten Staaten als Fürsprecher gewinnen, um Vorteile im Außenhandel zu erhalten und die Beziehungen zu den USA zu verbessern. Die neue Akzentuierung zeigte sich unter anderem darin, dass ab 1985 auch jüdische Widerstandskämpfer und Opfer geehrt wurden.
Für den jüdischen Friedhof an der Herbert-Baum-Straße in Berlin-Weißensee griff die DDR-Führung direkt in die Ost-Berliner Verkehrsplanung ein. Über das Gelände sollte eine Straße gebaut werden. Im März 1983 notierte die Stasi erste Proteste dagegen, im September 1986 schrieb der Vorsitzende der jüdischen Gemeinde West-Berlins, Heinz Galinski, in dieser Sache an Erich Honecker. Er bat darum, den Autobahnbau zu stoppen. Die SED-Führung ordnete den Baustopp an, um Galinskis Wohlwollen gegenüber der DDR-Führung zu gewinnen, so beschreibt es der Staatssekretär für Kirchenfragen, Klaus Gysi, in einer Information.
Galinski beauftragte mich, dem Vorsitzenden des Staatsrates seinen großen Dank und seine herzlichen Grüße zu übermitteln mit der Hoffnung, ihm in Zukunft bei irgendeiner Gelegenheit das persönlich sagen zu können.
Seine tiefe emotionale Reaktion war echt.
Er bat sehr um eine kurze Protokollmeldung über seinen Besuch bei mir durch ADN, da es sowieso kein Geheimnis geblieben sei, daß er zu uns herübergefahren ist. Er wünschte sich dafür ausdrücklich die Formulierungen: "gemeinsame antifaschistische Überzeugung und Tradition" und "Übereinstimmung in allen besprochenen aktuellen Fragen".
Ich lege 2 Entwürfe bei und bin für den kürzeren.
[Unterschrift]
Klaus Gysi
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Die DDR praktizierte eine israelfeindliche Politik, doch parallel dazu bemühte sich die SED-Führung in den 80er Jahren, die Sympathien von Menschen jüdischen Glaubens im In- und Ausland zu gewinnen. Dafür griff die Regierung sogar in Bauprojekte ein. Nachdem der West-Berliner Vorsitzende der jüdischen Gemeinde, Heinz Galinski, darum bat, das Bauvorhaben einer Straße durch den jüdischen Friedhof in Berlin-Weißensee zu verhindern, ordnete die SED-Führung einen Baustopp an.
Ab Mitte der 80er Jahre widmete die SED-Führung den jüdischen Bürgerinnen und Bürgern in der DDR zunehmend fürsorgliche Aufmerksamkeit. Grund dafür waren handfeste wirtschaftliche und außenpolitische Interessen. Man wollte jüdische Lobbyisten in den Vereinigten Staaten als Fürsprecher gewinnen, um Vorteile im Außenhandel zu erhalten und die Beziehungen zu den USA zu verbessern. Die neue Akzentuierung zeigte sich unter anderem darin, dass ab 1985 auch jüdische Widerstandskämpfer und Opfer geehrt wurden.
Für den jüdischen Friedhof an der Herbert-Baum-Straße in Berlin-Weißensee griff die DDR-Führung direkt in die Ost-Berliner Verkehrsplanung ein. Über das Gelände sollte eine Straße gebaut werden. Im März 1983 notierte die Stasi erste Proteste dagegen, im September 1986 schrieb der Vorsitzende der jüdischen Gemeinde West-Berlins, Heinz Galinski, in dieser Sache an Erich Honecker. Er bat darum, den Autobahnbau zu stoppen. Die SED-Führung ordnete den Baustopp an, um Galinskis Wohlwollen gegenüber der DDR-Führung zu gewinnen, so beschreibt es der Staatssekretär für Kirchenfragen, Klaus Gysi, in einer Information.
Pressemitteilung für ADN
Der Staatssekretär für Kirchenfragen, Klaus Gysi, empfing den Vorsitzenden der Jüdischen Gemeinde von Berlin (West), Heinz Galinski.
In dem Gespräch wurden auf der Grundlage gemeinsamer antifaschistischer Traditionen und Überzeugungen sowie der Verpflichtung sie zu bewahren und den folgenden Generationen weiterzugeben, wie die DDR es sich zur Aufgabe gemacht hat, beiderseitig interessierende aktuelle Fragen behandelt und große Übereinstimmung festgestellt.
Pressemitteilung für ADN
Der Staatssekretär für Kirchenfragen, Klaus Gysi, empfing den Vorsitzenden der Jüdischen Gemeinde von Berlin (West), Heinz Galinski.
In dem Gespräch wurden auf der Grundlage gemeinsamer antifaschistischer Traditionen und Überzeugungen sowie der Verpflichtung sie zu bewahren und den folgenden Generationen weiterzugeben beiderseitig interessierende aktuelle Fragen behandelt und große Übereinstimmung festgestellt.
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Brief von Heinz Galinski, Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde zu Berlin, an Erich Honecker Dokument, 2 Seiten
Information zum MfS-Bauvorhaben in der Wittlicher Straße mit Lageplan Dokument, 11 Seiten
Information über Kontakte "kirchlich-negativer Kreise" zur jüdischen Gemeinde Dokument, 1 Seite
Übersicht der Abteilung XX der Bezirksverwaltung Berlin über jüdische Einrichtungen Dokument, 15 Seiten