Signatur: BArch, MfS, BV Dresden, KD Pirna, Nr. 70484, Bl. 48-50
Die Staatssicherheit beobachtete im Jahr 1989 Faschingsveranstaltungen im Kreis Pirna. Die satirisch-kritischen Losungen und Plakate der "Narren" setzten sich – sehr zum Missfallen von SED und Stasi – mit Problemen des real existierenden Sozialismus in der DDR auseinander. Die MfS-Kreisdienstelle Pirna informierte die SED-Bezirksleitung Dresden zum Ablauf der Karnevalsumzüge in Schmilka und Krippen.
Das allgemeine Faschingstreiben im Januar und Februar 1989 bedeutete auch in der DDR für die Karnevalisten der Gemeinden im Kreis Pirna Narrenfreiheit. Unter dem Motto "Elfe reisen durch die ganze Welt" machten die Plakate und Losungen der "Narren" auch schnell klar, wie der real existierende Sozialismus von der Bevölkerung tatsächlich empfunden wurde. Die Karnevalsveranstaltungen zu Beginn des Jahres 1989 zogen daher die besondere Aufmerksamkeit des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) auf sich. So zum Beispiel die zahlreichen Umzüge und Veranstaltungen, die im Rahmen der so genannten "Postelwitzer Schifferfastnacht" stattfanden.
Mitte Februar hatte die Kreisdienststelle Pirna Maßnahmepläne zur Kontrolle der Faschingsumzüge in Schmilka und Krippen erstellt, um "politischen Provokationen" zuvor zu kommen. Die Pläne für die beiden Umzüge wurden dann konsequent umgesetzt. Am 21. Februar übersandte die Kreisdienststelle Pirna Hans Modrow, dem Ersten Sekretär der SED-Bezirksleitung Dresden, einen Bericht über den Verlauf dieser beiden Veranstaltungen.
Ministerium für Staatssicherheit
[handschriftliche Ergänzung: KD Pirna; 387/89]
Bezirksverwaltung Dresden
Genossen Modrow/Fuchs/Nyffenegger/Jung/Hensel
Streng vertraulich!
Um Rückgabe wird gebeten!
Nr. [Auslassung] / [Auslassung]
Dresden, [handschriftliche Ergänzung: 21.02.1989]
[handschriftliche Ergänzung: 3] Blatt
[Auslassung] Exemplar
Information
über
den Verlauf der Faschingsveranstaltung in Schmilka und Krippen/Kreis Pirna am 18.02.1989
[unterstrichen: Anlage]
Die Information ist bitte innerhalb von vier Wochen wieder an den Absender zurückzusenden.
Die Kreisdienststellen waren neben den Objektdienststellen die territorial zuständigen Diensteinheiten. Sie waren entsprechend den regionalen Gegebenheiten unterschiedlich strukturiert und personell ausgestattet. Einige verfügten über ein Referat zur komplexen Spionageabwehr oder zur Sicherung der Volkswirtschaft und andere nur über spezialisierte Mitarbeiter in diesen Bereichen. Ihre Aufgaben waren die Kontrolle der Wirtschaft, des Verkehrswesens, des Staatsapparates, des Gesundheitswesens, der kulturellen Einrichtungen, der Volksbildung, ggf. von Einrichtungen des Hoch- und Fachschulwesens, wissenschaftlich-technischer Einrichtungen sowie die Überwachung besonders interessierender Personenkreise.
Die Kreisdienststellen waren maßgeblich an den Genehmigungsverfahren für dienstliche bzw. private Auslandsreisen beteiligt, führten Sicherheitsüberprüfungen durch und erstellten Stimmungs- und Lageberichte. Zur Realisierung der Aufgaben bedurfte es einer engen Zusammenarbeit mit den Partnern des POZW, insbesondere mit der Volkspolizei, den Räten und anderen Einrichtungen der Kreise. Die Kreisdienststellen unterhielten ständige Verbindungen zu den SED Kreisleitungen. Zwei Drittel der hauptamtlichen Mitarbeiter der Kreisdienststellen waren operativ tätig. Die Kreisdienststellen führten 50 Prozent der IM und bearbeiteten etwa 60 Prozent der OV zu einzelnen Personen oder Gruppen.
Die Kreisdienststellen gliederten sich in 2 bis 16 Fachreferate sowie das Referat Auswertung und Information (ZAIG) und die Wache/Militärische Sicherungsgruppe. In jeder Kreisdienststelle gab es einen Offizier, der teilweise oder ganz (IM-führender Mitarbeiter/XV) für die Belange der HV A vor Ort zuständig war.
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Signatur: BArch, MfS, BV Dresden, KD Pirna, Nr. 70484, Bl. 48-50
Die Staatssicherheit beobachtete im Jahr 1989 Faschingsveranstaltungen im Kreis Pirna. Die satirisch-kritischen Losungen und Plakate der "Narren" setzten sich – sehr zum Missfallen von SED und Stasi – mit Problemen des real existierenden Sozialismus in der DDR auseinander. Die MfS-Kreisdienstelle Pirna informierte die SED-Bezirksleitung Dresden zum Ablauf der Karnevalsumzüge in Schmilka und Krippen.
Das allgemeine Faschingstreiben im Januar und Februar 1989 bedeutete auch in der DDR für die Karnevalisten der Gemeinden im Kreis Pirna Narrenfreiheit. Unter dem Motto "Elfe reisen durch die ganze Welt" machten die Plakate und Losungen der "Narren" auch schnell klar, wie der real existierende Sozialismus von der Bevölkerung tatsächlich empfunden wurde. Die Karnevalsveranstaltungen zu Beginn des Jahres 1989 zogen daher die besondere Aufmerksamkeit des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) auf sich. So zum Beispiel die zahlreichen Umzüge und Veranstaltungen, die im Rahmen der so genannten "Postelwitzer Schifferfastnacht" stattfanden.
Mitte Februar hatte die Kreisdienststelle Pirna Maßnahmepläne zur Kontrolle der Faschingsumzüge in Schmilka und Krippen erstellt, um "politischen Provokationen" zuvor zu kommen. Die Pläne für die beiden Umzüge wurden dann konsequent umgesetzt. Am 21. Februar übersandte die Kreisdienststelle Pirna Hans Modrow, dem Ersten Sekretär der SED-Bezirksleitung Dresden, einen Bericht über den Verlauf dieser beiden Veranstaltungen.
Ministerium für Staatssicherheit
In Schmilka fand der Faschingsumzug am 18.02.1989 in der Zeit von 13.00 Uhr bis 14.00 Uhr statt. Die Organisation hatte die Schiffervereinigung "Eintracht" beim Kulturbund der DDR. Es nahmen ca. 130 Personen als Teilnehmer und etwa 250 Zuschauer teil. Der Ablauf der Veranstaltung war diszipliniert und ohne Störungen der öffentlichen Ordnung. Im Umzug zeigte man unter anderem Karikaturen über den PKW "Wartburg 1.3." mit kritischen Aufschriften zur Preisfestlegung. (siehe Bildanlage)
Der Umzug in Krippen, durchgeführt am 18.02.1989 in der Zeit von 13.40 Uhr bis 14.30 Uhr, stand unter dem Motto "Vom Kohlborn (gemeint ist ein Berg) bis zur Elbe - immer dasselbe". Hier nahmen etwa 250 aktive und 2.500 zuschauende Personen teil.
Die Veranstaltung verlief ohne besondere Probleme hinsichtlich Ordnung und Sicherheit.
Unmittelbar vor dem Umzug gegen 12.15 Uhr wurde durch gesellschaftliche Kräfte des Rates der Gemeinde Krippen von einem Fahrzeug der PGH "Bau-Möbel" ein Plakat (Größe 2x1 Meter) mit dem Text:
"Trotz alledem - seid nicht so barsch -
leben wir auch wie der letzte Arsch -
und habt ihrs einmal satt, dann
nehmt den 01.03. und fahrt in die
Tschechoslowakei - doch tragt dabei
gut ein in den neuen Schein"
entfernt.
Die Hersteller dieses Plakates sind:
[anonymisiert]
geboren am: [anonymisiert]
wohnhaft: [anonymisiert]
und
[anonymisiert]
geboren am: [anonymisiert]
wohnhaft: [anonymisiert].
Des weiteren wurde durch Kräfte des Rates der Gemeinde das Mitführen von 2 kleineren Trageelementen verhindert. Auf einem war eine angedeutete Losung zu sehen, die mit "Wir" begann und deren restlicher Text mit schwarzer Farbe ausgestrichen war. Das Trageelement hatte die
[anonymisiert]
geboren am: [anonymisiert]
wohnhaft: [anonymisiert]
und
[anonymisiert]
geboren am: [anonymisiert]
wohnhaft: [anonymisiert]
angefertigt.
Die Kreisdienststellen waren neben den Objektdienststellen die territorial zuständigen Diensteinheiten. Sie waren entsprechend den regionalen Gegebenheiten unterschiedlich strukturiert und personell ausgestattet. Einige verfügten über ein Referat zur komplexen Spionageabwehr oder zur Sicherung der Volkswirtschaft und andere nur über spezialisierte Mitarbeiter in diesen Bereichen. Ihre Aufgaben waren die Kontrolle der Wirtschaft, des Verkehrswesens, des Staatsapparates, des Gesundheitswesens, der kulturellen Einrichtungen, der Volksbildung, ggf. von Einrichtungen des Hoch- und Fachschulwesens, wissenschaftlich-technischer Einrichtungen sowie die Überwachung besonders interessierender Personenkreise.
Die Kreisdienststellen waren maßgeblich an den Genehmigungsverfahren für dienstliche bzw. private Auslandsreisen beteiligt, führten Sicherheitsüberprüfungen durch und erstellten Stimmungs- und Lageberichte. Zur Realisierung der Aufgaben bedurfte es einer engen Zusammenarbeit mit den Partnern des POZW, insbesondere mit der Volkspolizei, den Räten und anderen Einrichtungen der Kreise. Die Kreisdienststellen unterhielten ständige Verbindungen zu den SED Kreisleitungen. Zwei Drittel der hauptamtlichen Mitarbeiter der Kreisdienststellen waren operativ tätig. Die Kreisdienststellen führten 50 Prozent der IM und bearbeiteten etwa 60 Prozent der OV zu einzelnen Personen oder Gruppen.
Die Kreisdienststellen gliederten sich in 2 bis 16 Fachreferate sowie das Referat Auswertung und Information (ZAIG) und die Wache/Militärische Sicherungsgruppe. In jeder Kreisdienststelle gab es einen Offizier, der teilweise oder ganz (IM-führender Mitarbeiter/XV) für die Belange der HV A vor Ort zuständig war.
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