Signatur: BStU, MfS, BV Dresden, AOPK, Nr. 1725/87, Bl. 23-24
Im Dezember 1984 weitete die DDR die Produktion von Edelstahlbestecken aus. Nachdem es bei der Besteckproduktion im volkseigenen Betrieb Stahl- und Walzwerk Riesa zu Problemen kam, wurde die Stasi beauftragt, im Riesaer Werk zu ermitteln und Mitarbeiter zu überwachen. Die Angestellten äußerten sich kritisch hinsichtlich des Nutzens und der Notwendigkeit einer Essbesteck-Produktion in einem Stahlwerk.
Das Ministerium für Erzbergbau, Metallurgie und Kali ordnete am 14. Dezember 1984 an, dass im Rohrkombinat Riesa ab Dezember 1986 Edelstahlbestecke produziert werden sollten. Hauptsächlich wurden dort Rohre für die Gasversorgung hergestellt. Die eigentlichen Betriebe zur Herstellung von Bestecken waren die VEB Besteckwarenwerke Aue und VEB Alekto Freiberg.
Mit einer Ausweitung der Besteckproduktion wurden zwei Ziele verfolgt. Einerseits sollten die minderwertigen Aluminium-Bestecke, die in der DDR-Gastronomie weit verbreitet waren, zumindest teilweise, von den neuen Edelstahlprodukten aus Riesa ersetzen werden. Andererseits sollte auch der private Bedarf der Bevölkerung mit abgedeckt werden. Nicht zuletzt erhoffte man sich auch die Erwirtschaftung von Devisen durch Exporte ins westliche Ausland.
Die Besteckproduktion im volkseigenen Betrieb Stahl- und Walzwerk Riesa entwickelte sich jedoch ab 1985/86 keineswegs nach den Erwartungen des zuständigen Ministeriums. Dem Vorhaben "Konsumgüterproduktion Besteckfertigung" standen von Anfang an größte Probleme gegenüber. Es begann damit, dass die staatliche Plankommission das Projekt nicht in den Plan von 1985 eingeordnet hatte. So fehlte es in der Vorbereitungsphase an den nötigen Investitionsmitteln. Von den geforderten 200 Arbeitskräften standen gerade einmal 100 zur Verfügung.
Hinsichtlich der Exportpläne war es zudem fraglich, ob die neuen Produkte den hohen Qualitätsanforderungen in der Bundesrepublik genügen würden. Und auch im Inland rechnete man sich wenige Chancen aus. Die niedrigen Preise in der DDR und die dadurch zu erwartenden geringen Erlöse sprachen ebenfalls gegen einen Erfolg.
Den mit der Planung befassten Mitgliedern aus dem Rohrkombinat Riesa waren die Ursachen dieser Probleme durchaus bekannt; der SED-Kreisleitung in Riesa jedoch nicht. Sie informierte den Leiter der MfS-Kreisdienststelle Riesa, der daraufhin eine "Operative Kontrollakte" mit dem Namen "Besteck" anlegte.
Die Aktivitäten der Stasi begannen im August 1985. Ziel der damit anlaufenden Ermittlungen war es, die Ursachen festzustellen, die einer planmäßigen Realisierung des Vorhabens entgegenstanden. Die Überwachung des verantwortlichen Leiters des Projekts sowie weiterer Mitarbeiter lief an.
In dem vorliegenden Dokument fasste die Stasi die Zweifel der Mitarbeiter zu "dem Nutzen und der Notwendigkeit einer Edelstahl-Produktion im VEB Stahl- und Walzwerk Riesa" zusammen. Kritisiert wurde unter anderem, dass diese auf Kosten anderer Produktionsbereiche gehe und es sich allgemein um ein untypisches Vorhaben für einen metallurgischen Betrieb handele.
[handschriftliche Ergänzung: Inf[unleserlich]]
[handschriftliche Ergänzung: 20]
Kreisdienststelle Riesa
Riesa, den 07.01.1986
[handschriftliche Ergänzung: [unleserlich]2]
Information
über das Parteitagsobjekt - Fertigung von Edelstahlbestecken - im VEB Stahl- und Walzwerk Riesa des VEB Rohrkombinat
Von der Kombinatsleitung des VEB Rohrkombinat werden für die Erreichung der Zielstellung Übergabe des Teilobjektes "Kuchengabel-Produktion" als Bestandteil der Besteckproduktion bis zum XI. Parteitag der SED erhöhte Anstrengungen unternommen.
In den einbezogenen Realisierungskollektiven, aber auch unter Werktätigen anderer Bereiche, im VEB Stahl- und Walzwerk Riesa werden wieder verstärkt Zweifel an
dem Nutzen und der Notwendigkeit einer Edelstahl-Produktion im VEBStahl- und Walzwerk Riesa
zum Ausdruck gebracht und gleichzeitig darauf verwiesen, daß die Realisierung auf Kosten anderer Ersatzteilbereitstellung in anderen Bereichen geht.
Im wesentlichen werden diese Zweifel begründet mit folgenden Fakten:
keine abgesicherte mechanische Fertigungskapazität im Rationalisierungsmittelbau für die unbedingt zu fertigenden Baugruppen.
Im Handel ist ein ausreichendes und umfangreiches Angebot an Bestecken vorhanden.
kein typisches Vorhaben für einen metallurgischen Betrieb
Die Vorbereitung und Realisierung des Vorhabens geht zu lasten anderer planmäßiger Arbeiten.
Im Zusammenhang damit wird in den Bearbeitungskollektiven die Meinung vertreten:
"Bis zum XI. Parteitag werden irgendwie Kuchengabeln irgendwo "herausgezaubert". Danach wird es wieder so laufen wie vorher, daß nichts kommt."
Zum Nutzen und zur Notwendigkeit einer Eßbesteck-Produktion werden differenziert folgende charakteristische Meinungen und Standpunkte vertreten:
Die Kreisdienststellen waren neben den Objektdienststellen die territorial zuständigen Diensteinheiten. Sie waren entsprechend den regionalen Gegebenheiten unterschiedlich strukturiert und personell ausgestattet. Einige verfügten über ein Referat zur komplexen Spionageabwehr oder zur Sicherung der Volkswirtschaft und andere nur über spezialisierte Mitarbeiter in diesen Bereichen. Ihre Aufgaben waren die Kontrolle der Wirtschaft, des Verkehrswesens, des Staatsapparates, des Gesundheitswesens, der kulturellen Einrichtungen, der Volksbildung, ggf. von Einrichtungen des Hoch- und Fachschulwesens, wissenschaftlich-technischer Einrichtungen sowie die Überwachung besonders interessierender Personenkreise.
Die Kreisdienststellen waren maßgeblich an den Genehmigungsverfahren für dienstliche bzw. private Auslandsreisen beteiligt, führten Sicherheitsüberprüfungen durch und erstellten Stimmungs- und Lageberichte. Zur Realisierung der Aufgaben bedurfte es einer engen Zusammenarbeit mit den Partnern des POZW, insbesondere mit der Volkspolizei, den Räten und anderen Einrichtungen der Kreise. Die Kreisdienststellen unterhielten ständige Verbindungen zu den SED Kreisleitungen. Zwei Drittel der hauptamtlichen Mitarbeiter der Kreisdienststellen waren operativ tätig. Die Kreisdienststellen führten 50 Prozent der IM und bearbeiteten etwa 60 Prozent der OV zu einzelnen Personen oder Gruppen.
Die Kreisdienststellen gliederten sich in 2 bis 16 Fachreferate sowie das Referat Auswertung und Information (ZAIG) und die Wache/Militärische Sicherungsgruppe. In jeder Kreisdienststelle gab es einen Offizier, der teilweise oder ganz (IM-führender Mitarbeiter/XV) für die Belange der HV A vor Ort zuständig war.
Signatur: BStU, MfS, BV Dresden, AOPK, Nr. 1725/87, Bl. 23-24
Im Dezember 1984 weitete die DDR die Produktion von Edelstahlbestecken aus. Nachdem es bei der Besteckproduktion im volkseigenen Betrieb Stahl- und Walzwerk Riesa zu Problemen kam, wurde die Stasi beauftragt, im Riesaer Werk zu ermitteln und Mitarbeiter zu überwachen. Die Angestellten äußerten sich kritisch hinsichtlich des Nutzens und der Notwendigkeit einer Essbesteck-Produktion in einem Stahlwerk.
Das Ministerium für Erzbergbau, Metallurgie und Kali ordnete am 14. Dezember 1984 an, dass im Rohrkombinat Riesa ab Dezember 1986 Edelstahlbestecke produziert werden sollten. Hauptsächlich wurden dort Rohre für die Gasversorgung hergestellt. Die eigentlichen Betriebe zur Herstellung von Bestecken waren die VEB Besteckwarenwerke Aue und VEB Alekto Freiberg.
Mit einer Ausweitung der Besteckproduktion wurden zwei Ziele verfolgt. Einerseits sollten die minderwertigen Aluminium-Bestecke, die in der DDR-Gastronomie weit verbreitet waren, zumindest teilweise, von den neuen Edelstahlprodukten aus Riesa ersetzen werden. Andererseits sollte auch der private Bedarf der Bevölkerung mit abgedeckt werden. Nicht zuletzt erhoffte man sich auch die Erwirtschaftung von Devisen durch Exporte ins westliche Ausland.
Die Besteckproduktion im volkseigenen Betrieb Stahl- und Walzwerk Riesa entwickelte sich jedoch ab 1985/86 keineswegs nach den Erwartungen des zuständigen Ministeriums. Dem Vorhaben "Konsumgüterproduktion Besteckfertigung" standen von Anfang an größte Probleme gegenüber. Es begann damit, dass die staatliche Plankommission das Projekt nicht in den Plan von 1985 eingeordnet hatte. So fehlte es in der Vorbereitungsphase an den nötigen Investitionsmitteln. Von den geforderten 200 Arbeitskräften standen gerade einmal 100 zur Verfügung.
Hinsichtlich der Exportpläne war es zudem fraglich, ob die neuen Produkte den hohen Qualitätsanforderungen in der Bundesrepublik genügen würden. Und auch im Inland rechnete man sich wenige Chancen aus. Die niedrigen Preise in der DDR und die dadurch zu erwartenden geringen Erlöse sprachen ebenfalls gegen einen Erfolg.
Den mit der Planung befassten Mitgliedern aus dem Rohrkombinat Riesa waren die Ursachen dieser Probleme durchaus bekannt; der SED-Kreisleitung in Riesa jedoch nicht. Sie informierte den Leiter der MfS-Kreisdienststelle Riesa, der daraufhin eine "Operative Kontrollakte" mit dem Namen "Besteck" anlegte.
Die Aktivitäten der Stasi begannen im August 1985. Ziel der damit anlaufenden Ermittlungen war es, die Ursachen festzustellen, die einer planmäßigen Realisierung des Vorhabens entgegenstanden. Die Überwachung des verantwortlichen Leiters des Projekts sowie weiterer Mitarbeiter lief an.
In dem vorliegenden Dokument fasste die Stasi die Zweifel der Mitarbeiter zu "dem Nutzen und der Notwendigkeit einer Edelstahl-Produktion im VEB Stahl- und Walzwerk Riesa" zusammen. Kritisiert wurde unter anderem, dass diese auf Kosten anderer Produktionsbereiche gehe und es sich allgemein um ein untypisches Vorhaben für einen metallurgischen Betrieb handele.
[handschriftliche Ergänzung: 21]
In der Abteilung Elektroprojektierung wird von 12 Ingenieuren die Auffassung geäußert: "Diese Art Konsumgüterproduktion bringt auf längere Sicht keinen Effekt. Es ist zwar gut, wenn in den Gaststätten und Werksküchen eine Abhilfe für das verbogene Aluminiumbeste[unleserlich] geschaffen wird, aber wenn diese Ablösung erfolgt ist, besteht doch kaum Bedarf."
"Das Design der geplanten Bestecke steht nicht gerade auf hohem Niveau, um daß damit die Bevölkerung als Abnehmer in Frage kommt."
Vom gleichen Personenkreis werden Zweifel an der Notwendigkeit des Gesamtvorhabens zum Ausdruck gebracht. "Eine Umlagerung der Produktion von Aue nach Riesa stellt doch keine echte Konsumgüterproduktion dar. Stahlbestecke sind doch kein echter Engpaß."
Arbeiter des Bereiches Ersatzteilwirtschaft diskutieren über das Parteitagsobjekt: "Die Bestecke liegen schon bereit, die zum XI. Parteitag produziert werden sollen. Auf der einen Seite wird zum Beispiel in der "Stahl"-Zeitung geschrieben, daß alles läuft, und auf der anderen Seite sehen wir die Probleme der mechanischen Bearbeitungskapazität."
Angestellte und Ingenieure des Bereiches Werksentwicklung sind von der Notwendigkeit eines solchen Vorhabens nicht überzeugt. Sie bringen zum Ausdruck: "Haben wir in der Metallurgie und im Maschinenbau kein typischeres und treffenderes Vorhaben zum Parteitag? Ist ein Vorziehen einer bestimmten Fertigungslinie oder -stufe zur Herstellung der Kuchengabeln sinnvoll, wenn anschließend zur endgültigen Fertigstellung des Gesamtvorhabens die angefahrene Teilproduktion wieder über einen längeren Zeitraum stillgesetzt werden muß?"
"Ist das Vorhaben notwendig, zumal im Handel Bestecks angeboten werden? Ob dann unsere Fertigung vom Preis und der Art der Ausführung ein gängiges Erzeugnis darstellt, ist zur Zeit nicht einschätzbar."
Weitere Probleme ergeben sich aus der Erarbeitung der Projektierungsunterlagen, die sich bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt erstrecken. Dem Rationalisierungsmittelbau (RMB) ist erst seit Mitte Oktober der Gesamtumfang der unbedingt zu fertigenden Baugruppen bekannt, Schwerpunkt bildet dabei die mechanische Bearbeitungszeit von ca. 20.000 Stunden, die im RMB nicht abgesichert werden kann.
Durch den amtieren Direktor Rationalisierung und Instandhaltung, [anonymisiert], wurde die Entscheidung gefällt, die Bearbeitung einzelner Baugruppen in den Mechanischen Werkstätten der Kombinatsbetriebe zu realisieren. Der IMS "Groß", Reg.-Nr. XII 943/85, der KD Riesa schätzt ein, daß dies unweigerlich zum Schwierigkeiten bei der Ersatzteilbereitstellung für geplante Groß- und laufende Reparaturen führt und eine Verärgerung in den betroffenen Bereichen hervorruft.
Verteiler
AKG
Abt. XVIII
[unterstrichen: KD Riesa]
Leiter der Kreisdienststelle
[Unterschrift]
Winkler/OSL
Eine selbständige Abteilung ist eine Organisationsstruktur in der MfS-Zentrale, die durch den Minister oder einen seiner Stellvertreter direkt angeleitet und durch militärische Einzelleiter geführt wurde. Die weiter untergliederten Abteilungen prägten Linien aus (z. B. Abt. XIV; Linienprinzip) oder blieben auf die Zentrale beschränkt (z. B. Abt. X). Die eng umrissenen Zuständigkeiten mit operativer Verantwortung und Federführung orientierten sich an geheimdienstlichen Praktiken (Telefonüberwachung) oder Arbeitsfeldern (Bewaffnung, chemischer Dienst).
1978 wurden die AIG der Bezirksverwaltungen mit der Integration des Kontrollwesens in Auswertungs- und Kontrollgruppen umgewandelt. Analog zur ZAIG waren die AKG jetzt das Funktionalorgan der Leiter der BV mit den Aufgaben Auswertung und Information, Planung, Überprüfung und Kontrolle, Erarbeitung dienstlicher Bestimmungen und Weisungen sowie EDV. Darüber hinaus wurden die AKG auch für Öffentlichkeitsarbeit zuständig, die im Ministerium noch bis 1985 der Abteilung Agitation bzw. der Arbeitsgruppe Öffentliche Verbindungen zugeordnet war. 1979 wurden auch in den meisten selbständigen Abteilungen und Hauptabteilungen der MfS-Zentrale AKG gebildet. Die AKG unterstanden den Leitern der jeweiligen Diensteinheit, wurden aber fachlich von der ZAIG angeleitet.
Inoffizielle Mitarbeiter (IM) waren das wichtigste Instrument des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS), um primär Informationen über Bürger, die Gesellschaft, ihre Institutionen und Organisationen der DDR oder im Ausland zu gewinnen. Unter Umständen hatten IM auf Personen oder Ereignisse in der DDR steuernden Einfluss zu nehmen.
In der DDR-Gesellschaft hießen sie "Spitzel", "Denunzianten" oder "Kundschafter". Mit der deutschen Einheit hat sich die Bezeichnung Inoffizieller Mitarbeiter des MfS für die heimlichen Zuträger etabliert. Sie lieferten u. a. Informationen über Stimmungen und Meinungen in der Bevölkerung.
Die SED-Führung wollte stets über die konkrete Situation und Lage in der DDR unterrichtet sein. Die IM hatten den Auftrag, "staatsgefährdende" Bestrebungen zu ermitteln, was beim MfS "politisch ideologische Diversion" bzw. "politische Untergrundtätigkeit" hieß. Der Bogen hierfür war weit gespannt und reichte von einer privaten Meinungsäußerung bis hin zu politischen Aktivitäten. Überdies sollten sie, wenn auch selten, direkt auf gesellschaftliche Entwicklungen oder einzelne Personen einwirken.
Die IM waren das wichtigste Repressionsinstrument in der DDR. IM wurden auf bestimmte Schwerpunkte angesetzt, von denen tatsächliche oder vermeintliche Gefahren ausgehen konnten. Diese Objekte und Territorien, Bereiche oder Personen waren so zahlreich, dass die geheimpolizeiliche Durchdringung tendenziell den Charakter einer flächendeckenden Überwachung annahm.
Die Anzahl der vom MfS geführten inoffiziellen Mitarbeiter umfasste im Jahre 1989 ungefähr 189.000 IM, darunter 173.000 IM der Abwehrdiensteinheiten, ferner 13.400 IM in der DDR und 1.550 IM in der Bundesrepublik, die von der Hauptverwaltung A geführt wurden, sowie diverse andere wie Zelleninformatoren usw. Auf 89 DDR-Bürger kam somit ein IM. In der Zeit von 1950 bis 1989 gab es insgesamt ca. 620.000 IM.
Die Entwicklung des IM-Netzes ist nicht allein von einem kontinuierlichen Anstieg geprägt, sondern verweist auf besondere Wachstumsphasen in Zeiten innergesellschaftlicher Krisen wie dem 17. Juni 1953 oder am Vorabend des Mauerbaus. Im Zuge der deutsch-deutschen Entspannungspolitik wurde das IM-Netz ebenfalls erweitert. So umfasste es Mitte der 70er Jahre – hochgerechnet – über 200.000 IM. Angesichts wachsender oppositioneller Bewegungen hatte es in den 80er Jahren gleichfalls ein hohes Niveau.
Die flächendeckende Überwachung der Gesellschaft fiel regional recht unterschiedlich aus. Im Land Brandenburg, das die Bezirke Cottbus, Frankfurt (Oder) und Potsdam vereint, war sie stärker als in Thüringen. Die höchste IM-Dichte wies der ehemalige Bezirk Cottbus auf.
Das MfS operierte formal nach territorialen Gesichtspunkten und Sicherungsbereichen, setzte jedoch operative Schwerpunkte in der geheimpolizeilichen Arbeit. Bezogen auf das Gesamtministerium lagen diese – sowohl auf Kreis-, als auch auf Bezirks- und Hauptabteilungsebene – bei der Volkswirtschaft, der Spionageabwehr und auf der "politischen Untergrundtätigkeit", der "Bearbeitung " von oppositionellen Milieus und den Kirchen.
Die Motive zur Kooperation mit dem MfS waren überwiegend ideeller, seltener materieller Natur, noch seltener war Erpressung der Grund. Die Kooperation währte durchschnittlich sechs bis zehn Jahre oder länger. Augenfällig ist, dass darunter nicht wenige soziale Aufsteiger waren. Der Anteil von weiblichen IM lag in der DDR bei 17 Prozent, in der Bundesrepublik bei 28 Prozent. Über die Hälfte der IM war Mitglied der SED. Von den 2,3 Mio. Mitgliedern der Partei ausgehend, waren 4 bis 5 Prozent zuletzt inoffiziell aktiv, d. h. jedes zwanzigste SED-Mitglied.
Das MfS differenzierte IM nach Kategorien: Gesellschaftliche Mitarbeiter für Sicherheit, IM zur Sicherung und Durchdringung des Verantwortungsbereichs, IM im besonderen Einsatz, Führungs-IM und IM zur Sicherung der Konspiration und des Verbindungswesens. Die wichtigste Kategorie waren IM mit "Feindverbindungen" bzw. solche, die Personen zu "bearbeiten" hatten, die "im Verdacht der Feindtätigkeit" standen. Im Laufe der 80er Jahre nahm der Anteil von IM in der Kategorie IMB bis Dezember 1988 auf rund 3.900 zu.
Der Anteil von Bundesbürgern oder Ausländern unter den IM des MfS betrug nicht einmal 2 Prozent. 1989 waren mindestens 3.000 Bundesbürger inoffiziell im Dienste des MfS, zusätzlich mehrere Hundert Ausländer. In der Zeit von 1949 bis 1989 waren insgesamt mindestens 12.000 Bundesbürger und Westberliner IM.
Die operativen Ziele des MfS waren über die gesamte Bundesrepublik Deutschland verteilt. Darüber hinaus gab es Schwerpunkte in Europa, im Nahen Osten und Asien, nachgeordnet auch in Afrika und Lateinamerika. Nachrichtendienstliche Schwerpunkte waren vor allem die Wissenschafts- und Technikspionage, erst danach die politische und mit etwas Abstand die Militärspionage. Die Bundesrepublik Deutschland wurde folglich vor allem als Ressource zur Systemstabilisierung genutzt.
Die politische Spionage diente vornehmlich dazu, die politische Gefährdungslage des herrschenden Systems in der DDR bestimmen zu können. Dieses Profil deutet an, dass die Spionage der Bewahrung des Status quo dienen sollte. Von einer Unterwanderung der Bundesrepublik war die Geheimpolizei zahlenmäßig weit entfernt. Vielmehr waren ihre inoffiziellen Mitarbeiter damit beschäftigt, das DDR-System zu stabilisieren.
Von 1968 bis 1989 geltende Abkürzung für den gewöhnlichen inoffiziellen Mitarbeiter, der in der IM-Richtlinie von 1968 als IM, "der mit der Sicherung gesellschaftlicher Bereiche oder Objekte betraut ist", und in der IM-Richtlinie von 1979 als IM "zur politisch-operativen Durchdringung und Sicherung des Verantwortungsbereiches" (1980) definiert wurde. Der IMS löste die Kategorie Geheimer Informator ab.
IMS hatten Verdachtsmomente zu erkennen, ferner "wesentliche Beiträge zur allseitigen Gewährleistung der inneren Sicherheit" im Verantwortungsbereich zu leisten, "im hohen Maße vorbeugend und schadensverhütend" zu wirken und "neue Sicherheitserfordernisse" rechtzeitig zu erkennen helfen. IMS war die im MfS bei weitem am häufigsten vorkommende Informanten-Kategorie, zuletzt gab es 93.600 IMS.
Die Kreisdienststellen waren neben den Objektdienststellen die territorial zuständigen Diensteinheiten. Sie waren entsprechend den regionalen Gegebenheiten unterschiedlich strukturiert und personell ausgestattet. Einige verfügten über ein Referat zur komplexen Spionageabwehr oder zur Sicherung der Volkswirtschaft und andere nur über spezialisierte Mitarbeiter in diesen Bereichen. Ihre Aufgaben waren die Kontrolle der Wirtschaft, des Verkehrswesens, des Staatsapparates, des Gesundheitswesens, der kulturellen Einrichtungen, der Volksbildung, ggf. von Einrichtungen des Hoch- und Fachschulwesens, wissenschaftlich-technischer Einrichtungen sowie die Überwachung besonders interessierender Personenkreise.
Die Kreisdienststellen waren maßgeblich an den Genehmigungsverfahren für dienstliche bzw. private Auslandsreisen beteiligt, führten Sicherheitsüberprüfungen durch und erstellten Stimmungs- und Lageberichte. Zur Realisierung der Aufgaben bedurfte es einer engen Zusammenarbeit mit den Partnern des POZW, insbesondere mit der Volkspolizei, den Räten und anderen Einrichtungen der Kreise. Die Kreisdienststellen unterhielten ständige Verbindungen zu den SED Kreisleitungen. Zwei Drittel der hauptamtlichen Mitarbeiter der Kreisdienststellen waren operativ tätig. Die Kreisdienststellen führten 50 Prozent der IM und bearbeiteten etwa 60 Prozent der OV zu einzelnen Personen oder Gruppen.
Die Kreisdienststellen gliederten sich in 2 bis 16 Fachreferate sowie das Referat Auswertung und Information (ZAIG) und die Wache/Militärische Sicherungsgruppe. In jeder Kreisdienststelle gab es einen Offizier, der teilweise oder ganz (IM-führender Mitarbeiter/XV) für die Belange der HV A vor Ort zuständig war.
Information zur "Konsumgüterproduktion Besteckfertigung" im VEB Stahl- und Walzwerk Riesa des VEB Rohrkombinat Dokument, 4 Seiten
Maßnahmeplan zur OPK "Besteck" Dokument, 2 Seiten
"Begründung zur Ablage der OPK 'Besteck'" Dokument, 4 Seiten
Information über ernsthafte Mängel in der Gewährleistung der Zugriffssicherheit bei Geräten der speziellen Produktion im VEB Chemiewerk Kapen/Gräfenhainichen Dokument, 5 Seiten