Signatur: BStU, MfS, ZAIG, Nr. 2067, Bl. 1-8
Nach den Olympischen Spielen hörte die Arbeit der Stasi nicht auf. "Beachtenswerte Erscheinungen", also besondere Vorkommnisse während der Olympiade in München, sollten analysiert werden, um bei kommenden Sportveranstaltungen noch besser gewappnet zu sein.
Es war der Stasi gelungen die Olympischen Spiele bis ins Detail abzusichern. Mit der Platzierung der DDR auf dem dritten Platz im Medaillenspiegel sowie ohne Fluchtversuch eines Athleten, konnte das MfS Lehren für kommende Sportveranstaltungen ziehen. Denn die Weltmeisterschaft im Fußball 1974 stand bevor, die zwei Jahre später ebenfalls in der Bundesrepublik stattfinden sollte.
Anhand einer ausführlichen Dokumentierung der gesamten Olympischen Spiele wurde das Auftreten der eigenen Delegation bewertet um feststellen zu können, ob und in wie fern Ostberlin politischer Schaden entstanden sei. Auch die verbalen oder symbolischen "Angriffe" auf die DDR-Delegation wurde analysiert, um bei weiteren Sportveranstaltungen besser reagieren zu können.
- 7 -
Ministerium für Staatssicherheit
Kurz vor der Rückreise der ersten Touristengruppe wurden mehrere DDR-Bürger aufgefordert, in der BRD um "politisches Asyl" zu ersuchen. Einige DDR-Bürger wurden brieflich zu Begegnungen mit Bekannten in der BRD aufgefordert.
Im Büro der DDR-Mannschaft ging wiederholt auf dem Postweg versandtes Hetzmaterial ein. So erhielten z. B. Hetzschriften gleichen Inhalts u. a. die Genossen EWALD und Dr. SCHÖBEL, der Fahnenträger der DDR-Delegation, Manfred WOLKE, der Schwimmer Roland Matthes und der Turner Wolfgang THÜNE.
In verschiedenen Unterkünften der DDR-Touristendelegation in Oberaudorf und Kiefersfelden gingen auf dem Postweg ebenfalls Hetzschriften ein. Auch DDR-Journalisten wurden über den Postweg bzw. durch Ablage in den Postboxen Hetzmaterialien zugesandt. Im Haus 38 des Pressedorfes erfolgten in mehreren Zimmern konspirative Durchsuchungen. (In diesen Räumen wohnten Journalisten von Radion DDR.)
Bei den Hetzschriften handelt es sich um folgende:
- anonym gehaltenes Flugblatt mit dem Text: "DDR/Ostdeutschland/Eure sportlichen Erfolge sind Leichentücher für die Toten an der Mauer",
- Hetzflugblatt, unterzeichnet von einer "Europäischen Vereinigung gegen Tyrannei und Diktatur", mit einem kurzen Text in Versform ("Bald marschiert ihr wieder mal ein ..."-gegen die Hilfsaktion der sozialistischen Staaten in der CSSR gerichtet),
- "Aufruf" des "Zentralkomitees des Anti-Bolschewistischen Blocks der Nationen" (ABN), der sich als Sprecher der "unterdrückten Völker im sowjetrussischen Machtbereich" ausgibt und der die "Auflösung des russischen Imperiums in unabhängige nationale Staaten" fordert,
Die ZAIG war das "Funktionalorgan" des Ministers für Staatssicherheit, die Schaltstelle im MfS, in der nahezu alle komplexen Stabsfunktionen konzentriert waren: die zentrale Auswertung und Information, einschließlich der Berichterstattung an die politische Führung, die Optimierung der entsprechenden Verfahren und Strukturen im Gesamtapparat des MfS, die zentralen Kontrollen und Untersuchungen und die Analyse der operativen Effektivität des MfS, die zentrale Planung und die Erarbeitung dienstlicher Bestimmungen, zudem die übergeordneten Funktionen im Bereich EDV sowie die Gewährleistung des internationalen Datenaustauschsystems der kommunistischen Staatssicherheitsdienste (SOUD). Nach der Eingliederung der Abteilung Agitation 1985 waren auch die Öffentlichkeitsarbeit und die Traditionspflege des MfS in der ZAIG als "Bereich 6" funktional verankert. Die ZAIG war im direkten Anleitungsbereich des Ministers angesiedelt; ihr waren zuletzt die formal selbständigen Abt. XII, XIII (Rechenzentrum) und die Rechtsstelle fachlich unterstellt.
Die ZAIG geht auf die nach dem Juniaufstand 1953 gegründete und von Heinz Tilch geleitete Informationsgruppe (IG) der Staatssicherheitszentrale zurück, die erstmals eine regelmäßige Lage- und Stimmungsberichterstattung für die Partei- und Staatsführung hervorbrachte. Diese entwickelte sich 1955/56 zur Abteilung Information mit drei Fachreferaten, wurde aber 1957 als Resultat des Konfliktes zwischen Ulbricht und Wollweber wieder stark reduziert. 1957 erhielt die Abteilung mit Irmler einen neuen Leiter, der jedoch bereits 1959 vom ehemaligen stellv. Leiter der HV A Korb abgelöst und zum Stellvertreter zurückgestuft wurde. Gleichzeitig wurde die Diensteinheit in Zentrale Informationsgruppe (ZIG) umbenannt; von da an lief auch die bisher eigenständige Berichterstattung der HV A über sie. 1960 wurde die Berichterstattung an die politische Führung durch einen Ministerbefehl präzise geregelt, und die ZIG erhielt mit der Neueinrichtung von Informationsgruppen in den BV und operativen HA einen soliden Unterbau.
1965 wurde die ZIG in ZAIG umbenannt und ein einheitliches Auswertungs- und Informationssystem eingeführt, das die Recherche und Selektion von Daten sowie die Organisierung von Informationsflüssen gewährleistete. In den operativen HA und BV erhielt die ZAIG mit den AIG entsprechende "Filialen". Im gleichen Jahr ging Korb in den Ruhestand, Irmler wurde wieder Leiter der Diensteinheit.
1968 wurde auch das Kontrollwesen der Staatssicherheit in die ZAIG eingegliedert, das im Dezember 1953 mit der Kontrollinspektion seinen ersten organisatorischen Rahmen erhalten hatte und 1957 mit der Umbenennung in AG Anleitung und Kontrolle erheblich qualifiziert worden war.
1969 erhielt die ZAIG auch die Verantwortung für den Einsatz der EDV. Das im Aufbau begriffene Rechenzentrum (Abt. XIII) wurde ihr unterstellt. In der ersten Hälfte der 70er Jahre bildeten sich vier Arbeitsbereiche der ZAIG heraus. Bereich 1: konkrete Auswertungs- und Informationstätigkeit und Berichterstattung an die politische Führung; Bereich 2: Kontrollwesen, die Erarbeitung von dienstlichen Bestimmungen sowie Prognose- und Planungsaufgaben; Bereich 3: Fragen der EDV; Bereich 4: Pflege und Weiterentwicklung der "manuellen" Bestandteile des Auswertungs- und Informationssystems. 1979 erhielt dieser Bereich auch die Verantwortung für das SOUD ("ZAIG/5").
Zur Seite 1 wechseln
Zur Seite 2 wechseln
Zur Seite 3 wechseln
Zur Seite 4 wechseln
Zur Seite 5 wechseln
Zur Seite 6 wechseln
aktuelle Seite 7
Zur Seite 8 wechseln
Signatur: BStU, MfS, ZAIG, Nr. 2067, Bl. 1-8
Nach den Olympischen Spielen hörte die Arbeit der Stasi nicht auf. "Beachtenswerte Erscheinungen", also besondere Vorkommnisse während der Olympiade in München, sollten analysiert werden, um bei kommenden Sportveranstaltungen noch besser gewappnet zu sein.
Es war der Stasi gelungen die Olympischen Spiele bis ins Detail abzusichern. Mit der Platzierung der DDR auf dem dritten Platz im Medaillenspiegel sowie ohne Fluchtversuch eines Athleten, konnte das MfS Lehren für kommende Sportveranstaltungen ziehen. Denn die Weltmeisterschaft im Fußball 1974 stand bevor, die zwei Jahre später ebenfalls in der Bundesrepublik stattfinden sollte.
Anhand einer ausführlichen Dokumentierung der gesamten Olympischen Spiele wurde das Auftreten der eigenen Delegation bewertet um feststellen zu können, ob und in wie fern Ostberlin politischer Schaden entstanden sei. Auch die verbalen oder symbolischen "Angriffe" auf die DDR-Delegation wurde analysiert, um bei weiteren Sportveranstaltungen besser reagieren zu können.
- 8 -
Ministerium für Staatssicherheit
Vom ABN wurde weiterhin ein an Brundage gerichteter Brief in englischer Sprache verteilt, in dem die selbständige Teilnahme der Ukainer an den Olympischen Spielen gefordert wird.
- Rundbrief der "Hilfsaktion Märtyrerkirche", in welchem mit Parolen von der angeblichen Verfolgung der Christen in der Sowjetunion und in anderen sozialistischen Staaten üble antikommunistische Hetze betrieben wird,
(Die "Hilfsaktion Märtyrerkirche" stellt sich offiziell die Aufgabe, allen "unterdrückten Christen, insbesondere denen in kommunistisch regierten Ländern, zu helfen".)
- Flugblätter der maoistischen "KPD/Marxisten-Leninisten", die u. a. zu einem "Roten Antikriegstag“ am 2. 9. in München aufriefen. Die Olympischen Spiele werden als "Notstands- und Kriegsolympiade" bezeichnet.
In der Zeit zwischen 21. bis 24. 8. 1972 wurde an einem DDR-Omnibus (Kennzeichen IF 82 - 90) der vordere rechte Bremsschlauch beschädigt. Der Bus parkte vor dem Hotel "Mark" auf dem offiziellen Parkplatz am Olympiaturm. (Der beschädigte Schlauch wird kriminaltechnisch überprüft.)
Am 29. 8. 1972 verteilte die DKP vor dem Pressezentrum ein Flugblatt über das Verhalten von Neonazis und anderen Rechtskräften während der Olympischen Spiele.
Die Verteiler, Mitglieder der DKP, trugen das Olympiaabzeichen der DDR. Dieser Umstand habe insbesondere angeblich unter Ausländern zu der Auffassung geführt, daß es sich bei den Flug-blattverteilern um DDR-Bürger handle.
Die ZAIG war das "Funktionalorgan" des Ministers für Staatssicherheit, die Schaltstelle im MfS, in der nahezu alle komplexen Stabsfunktionen konzentriert waren: die zentrale Auswertung und Information, einschließlich der Berichterstattung an die politische Führung, die Optimierung der entsprechenden Verfahren und Strukturen im Gesamtapparat des MfS, die zentralen Kontrollen und Untersuchungen und die Analyse der operativen Effektivität des MfS, die zentrale Planung und die Erarbeitung dienstlicher Bestimmungen, zudem die übergeordneten Funktionen im Bereich EDV sowie die Gewährleistung des internationalen Datenaustauschsystems der kommunistischen Staatssicherheitsdienste (SOUD). Nach der Eingliederung der Abteilung Agitation 1985 waren auch die Öffentlichkeitsarbeit und die Traditionspflege des MfS in der ZAIG als "Bereich 6" funktional verankert. Die ZAIG war im direkten Anleitungsbereich des Ministers angesiedelt; ihr waren zuletzt die formal selbständigen Abt. XII, XIII (Rechenzentrum) und die Rechtsstelle fachlich unterstellt.
Die ZAIG geht auf die nach dem Juniaufstand 1953 gegründete und von Heinz Tilch geleitete Informationsgruppe (IG) der Staatssicherheitszentrale zurück, die erstmals eine regelmäßige Lage- und Stimmungsberichterstattung für die Partei- und Staatsführung hervorbrachte. Diese entwickelte sich 1955/56 zur Abteilung Information mit drei Fachreferaten, wurde aber 1957 als Resultat des Konfliktes zwischen Ulbricht und Wollweber wieder stark reduziert. 1957 erhielt die Abteilung mit Irmler einen neuen Leiter, der jedoch bereits 1959 vom ehemaligen stellv. Leiter der HV A Korb abgelöst und zum Stellvertreter zurückgestuft wurde. Gleichzeitig wurde die Diensteinheit in Zentrale Informationsgruppe (ZIG) umbenannt; von da an lief auch die bisher eigenständige Berichterstattung der HV A über sie. 1960 wurde die Berichterstattung an die politische Führung durch einen Ministerbefehl präzise geregelt, und die ZIG erhielt mit der Neueinrichtung von Informationsgruppen in den BV und operativen HA einen soliden Unterbau.
1965 wurde die ZIG in ZAIG umbenannt und ein einheitliches Auswertungs- und Informationssystem eingeführt, das die Recherche und Selektion von Daten sowie die Organisierung von Informationsflüssen gewährleistete. In den operativen HA und BV erhielt die ZAIG mit den AIG entsprechende "Filialen". Im gleichen Jahr ging Korb in den Ruhestand, Irmler wurde wieder Leiter der Diensteinheit.
1968 wurde auch das Kontrollwesen der Staatssicherheit in die ZAIG eingegliedert, das im Dezember 1953 mit der Kontrollinspektion seinen ersten organisatorischen Rahmen erhalten hatte und 1957 mit der Umbenennung in AG Anleitung und Kontrolle erheblich qualifiziert worden war.
1969 erhielt die ZAIG auch die Verantwortung für den Einsatz der EDV. Das im Aufbau begriffene Rechenzentrum (Abt. XIII) wurde ihr unterstellt. In der ersten Hälfte der 70er Jahre bildeten sich vier Arbeitsbereiche der ZAIG heraus. Bereich 1: konkrete Auswertungs- und Informationstätigkeit und Berichterstattung an die politische Führung; Bereich 2: Kontrollwesen, die Erarbeitung von dienstlichen Bestimmungen sowie Prognose- und Planungsaufgaben; Bereich 3: Fragen der EDV; Bereich 4: Pflege und Weiterentwicklung der "manuellen" Bestandteile des Auswertungs- und Informationssystems. 1979 erhielt dieser Bereich auch die Verantwortung für das SOUD ("ZAIG/5").
Zur Seite 1 wechseln
Zur Seite 2 wechseln
Zur Seite 3 wechseln
Zur Seite 4 wechseln
Zur Seite 5 wechseln
Zur Seite 6 wechseln
Zur Seite 7 wechseln
aktuelle Seite 8
Zusammenstellung operativ bedeutsamer Anhaltspunkte in Auswertung der Berichte über den Einsatz der IM/GMS bei den Olympischen Sommerspielen 1972 in München Dokument, 3 Seiten
Befehl Erich Mielkes zur Zusammenstellung der Touristendelegation Dokument, 7 Seiten
Vorbereitung des Einsatzes von Kräften und Mitteln der Linie III vor, während und nach den Olympischen Sommerspielen 1972 in München (Rahmenplan) Dokument, 4 Seiten
Information über Pläne, Absichten, Maßnahmen und andere Aktivitäten gegen die DDR und verschiedene sozialistische Staaten unter Mißbrauch der Olympischen Sommerspiele 1972 in München Dokument, 13 Seiten