Signatur: BStU, MfS, HA XX, ZMA, Nr. 20037, Bl. 149
Die Stasi beobachtete die Bewegungen von Zielpersonen in der DDR genau – in diesem Fall einen Besuch Udo Lindenbergs in Ost-Berlin.
Für die Stasi war der westdeutsche Musiker Udo Lindenberg seit Beginn der 1980er Jahre von besonderem Interesse. Der Künstler hatte sich zunächst intensiv um die Genehmigung für Konzerte in der DDR bemüht und dabei auch einen offenen Brief an SED-Generalsekretär Erich Honecker geschrieben. Nach einem viel beachteten Konzert Lindenbergs im Rahmen einer FDJ-Veranstaltung im Palast der Republik sagte ihm die Staatsführung zunächst eine Tournee in der DDR zu, um sie dann aus politischem Kalkül wieder abzusagen. Danach machte Lindenberg seiner Frustration immer wieder durch Kritik an der DDR Luft.
Das vorliegende Dokument ist ein Bericht über einen Besuch Udo Lindenbergs im Zentralen Klub der Gewerkschaft Kunst "Die Möwe" in Ost-Berlin. Zuträger der Stasi registrierten genau, was Lindenberg tat, wem er dabei auffiel und ob er mit DDR-Bürgern in näheren Kontakt trat.
Hauptabteilung XX
Streng geheim
Berlin, 6.2.1987
Nr. 77 / 87
Information zum Aufenthalt des BRD-Sängers Udo Lindenberg im Zentralen Klub der Gewerkschaft Kunst "Die Möwe"
Inoffiziell wurde bekannt, daß sich am 4.2.1987 in der Zeit von 21.15 bis 23.40 Uhr der BRD-Sänger Udo Lindenberg im Zentralen Klub der Gewerkschaft Kunst "Die Möwe" aufhielt.
Lindenberg wurde durch zwei Personen begleitet,
Bei einem von ihnen handelt es sich um einen Kabarettisten des Westberliner Kabaretts "Tornados" namens [geschwärzt] Der andere wurde namentlich nicht bekannt.
Lindenberg wurde durch den Abenddienstleiter der "Möwe" in den Barraum geführt, wo sich etwa 10 bis 12 Gäste aufhielten. Seine Anwesenheit wurde durch die Gäste kaum zur Kenntnis genommen, da er vom Publikum aufgrund seines zurückhaltenden Auftretens und seiner unauffälligen Kleidung nicht erkannt wurde.
Lediglich das Personal, daß sich im Barraum befand und Lindenberg erkannte, äußerte den Wunsch, ein Autogramm von ihm zu erhalten. Diesem Wunsch wurde entsprochen.
Hauptabteilung XX (Staatsapparat, Kultur, Kirchen, Untergrund)
Die Hauptabteilung XX bildete den Kernbereich der politischen Repression und Überwachung der Staatssicherheit. In Struktur und Tätigkeit passte sie sich mehrfach an die sich wandelnden Bedingungen der Herrschaftssicherung an. Die Diensteinheit ging 1964 durch Umbenennung aus der Hauptatbeilung V hervor, die ihrerseits in den Abteilungen V und VI (1950–1953) ihre Vorläufer hatte.
Die Hauptabteilung XX und die ihr nachgeordneten Abteilungen XX in den Bezirksverwaltungen (Linie XX) sowie entsprechende Arbeitsbereiche in den KD überwachten wichtige Teile des Staatsapparates (u. a. Justiz, Gesundheitswesen und bis 1986 das Post- und Fernmeldewesen), die Blockparteien und Massenorganisationen, den Kultur- und Sportbereich, die Medien und die Kirchen sowie SED-Sonderobjekte und Parteibetriebe. Federführend war die Hauptabteilung XX auch bei der Bekämpfung der "politischen Untergrundtätigkeit" (PUT), also der Opposition.
Ab der zweiten Hälfte der 50er Jahre und verstärkt seit dem Beginn der Entspannungspolitik fühlte sich das SED-Regime zunehmend durch die "politisch-ideologische Diversion" (PiD) bedroht. Die Schwächung der "Arbeiter-und-Bauern-Macht" durch "ideologische Aufweichung und Zersetzung" galt als Hauptinstrument des Westens bei der Unterminierung der DDR. Auch bei der Bekämpfung der PiD hatte die Hauptabteilung XX innerhalb des MfS die Federführung.
Das Erstarken der Bürgerrechtsbewegung (Friedens-, Umwelt- und Menschenrechtsgruppen) in der DDR führte in den 80er Jahren zu einem weiteren Bedeutungszuwachs der Linie XX. In der DA 2/85 bestätigte Minister Mielke dementsprechend die Federführung der Hauptabteilung XX bei der Bekämpfung der PUT.
Im Verlauf der fast 40-jährigen Entwicklung der Hauptabteilung XX veränderte sich ihre Struktur mehrfach. In der Endphase verfügte sie über neun operative Abteilungen und vier Funktionalorgane der Leitung (Sekretariat, Arbeitsgruppe der Leitung, Koordinierungsgruppe des Leiters, Auswertungs- und Kontrollgruppe).
Die Hauptabteilung V lag ab 1953 zunächst im unmittelbaren Anleitungsbereich von Mielke in seiner Eigenschaft als 1. Stellvertreter des Staatssicherheitschefs. Ab 1955 war der stellvertretende Minister Bruno Beater und 1964–1974 der stellv. Minister Fritz Schröder auf der Ebene der MfS-Leitung für die Hauptabteilung XX zuständig. Beide waren zuvor selbst (Beater 1953–1955, Schröder 1955–1963) Leiter der Hauptabteilung V. Seit 1975 gehörte die Hauptabteilung XX zum Verantwortungsbereich von Mielkes Stellvertreter Rudi Mittig. Von 1964 bis zur Auflösung des MfS leitete Kienberg die Hauptabteilung XX. Ihm standen seit 1965 zwei Stellvertreter zur Seite.
1954 waren in der Hauptabteilung V insgesamt 139 Mitarbeiter beschäftigt. Im Herbst 1989 verfügte die Hauptabteilung XX über 461 Mitarbeiter, von denen mehr als 200 als IM-führende Mitarbeiter eingesetzt waren.
In den 15 Bezirksverwaltungen waren auf der Linie XX im Oktober 1989 insgesamt knapp 1.000 Kader und damit auf der gesamten Linie XX fast 1.500 hauptamtliche Mitarbeiter im Einsatz. Gleichzeitig konnte allein die Hauptabteilung XX mit etwas mehr als 1.500 IM auf einen überdurchschnittlich hohen Bestand an inoffiziellen Kräften zurückgreifen. Ihrem Aufgabenprofil entsprechend spiegelt sich nicht zuletzt in der Entwicklung der Hauptabteilung XX auch die Geschichte von Opposition, Widerstand und politischer Dissidenz in der DDR. Im Herbst 1989 wurden von der Diensteinheit 31 Operative Vorgänge (10 Prozent aller Operativen Vorgänge im Berliner Ministeriumsbereich) und 59 Operative Personenkontrollen (8,7 Prozent) bearbeitet.
Organisationsstruktur in der MfS-Zentrale, die durch den Minister oder einen seiner Stellvertreter direkt angeleitet wurde. Die zuletzt 13 Hauptabteilungen wurden durch Einzelleiter geführt. Die weiter untergliederten und nach dem Linienprinzip tätigen HA waren für komplexe, abgegrenzte Bereiche operativ zuständig und federführend verantwortlich. Der Zuschnitt der Zuständigkeitsbereiche war an Ressorts oder geheimdienstlichen Praktiken (z. B. Verkehrswesen, Beobachtung, Funkspionage) orientiert.
Die ZMA dienten der Schriftgutverwaltung operativer Diensteinheiten. Sie wurden überwiegend personenbezogen geführt und entstanden im Kontext der Erfassung auf Kerblochkarten (KK) bzw. Sichtlochkarten (SLK) sowie vor allem in Vorverdichtungs-, Such- und Hinweiskarteien (VSH).
In ZMA wurden Vermerke und zusammengetragene Unterlagen (sog. sogenannte "Originalinformationen") verwahrt. Der Zugang fand über die o. g. Karteien (KK, SLK, VSH) statt. ZMA waren zu meist als Hängeregistraturen mit numerischer Ablage organisiert. ZMA über Personen, die nicht zu einem registrierten Vorgang (Registrierung) geführt hatten, für die operative Arbeit nicht mehr benötigt, aber als bedeutsam betrachtet wurden (z. B. Ergebnisse aus Sicherheitsüberprüfungen), kamen in der Abteilung XII als "Archiviertes Material über Personen" (Personenablage, Allgemeine/AP) zur Ablage.
Informationen zum Auftritt des Sängers Udo Lindenberg im Palast der Republik Dokument, 2 Seiten
Hinweis über Reaktionen der Bevölkerung zum bevorstehenden Auftritt von Udo Lindenberg Dokument, 3 Seiten
Information des IME "Robert" zu einem geplanten Konzert von Udo Lindenberg Dokument, 1 Seite
Information über Tourneen von BAP und Udo Lindenberg in der DDR Dokument, 2 Seiten