Signatur: BArch, MfS, BdL/Dok., Nr. 8323, Bl. 1-18
Die Stasi überwachte bereits Mitte der 1980er Jahre verschiedene jugendliche Subkulturen wie Punks, Skinheads und Heavy-Metal-Fans. Bei den beiden letzteren stellte sie zunehmend faschistische Ausprägungen fest.
Am Abend des 17. Oktobers 1987 überfielen rechtsextreme Skinheads ein Punkkonzert in der Ost-Berliner Zionskirche. Neben der Punkband "Die Firma" spielte auf dem Konzert auch "Element of Crime" aus West-Berlin. Als die Konzertbesucherinnen und -besucher die vollbesetzte Kirche verließen, schlugen etwa 30 angetrunkene Neonazis aus Ost- und West-Berlin auf sie ein. Dabei brüllten sie faschistische Parolen wie "Juden raus", "Kommunistenschweine" und "Sieg Heil!". Anwesende Volkspolizisten registrierten das Geschehen, hielten sich aber im Hintergrund und griffen erst ein, nachdem ein Notruf eingegangen war.
Bei den anschließenden Ermittlungen arbeiteten Staatssicherheit und Volkspolizei eng zusammen. Der Überfall auf die Zionskirche zeigte, dass es trotz der geleugneten Existenz von Rechtsextremismus in der DDR eine gewaltbereite Neonazi-Szene gab. Da westliche Medien bereits einen Tag später über den Vorfall berichteten, konnten auch die DDR-Medien dieses Ereignis nicht mehr stillschweigend übergehen. Für die Gerichtsverfahren stimmte sich die Staatssicherheit eng mit der Justiz der DDR ab. Im ersten Prozess erhielten die vier Hauptangeklagten zunächst unerwartet niedrige Strafen zwischen einem und zwei Jahren Haft. Nachdem es Proteste gegen die Urteile gegeben hatte, forderte die Generalstaatsanwaltschaft in Abstimmung mit dem Obersten Gericht der DDR in den Berufungsverhandlungen ein höheres Strafmaß. Die Neonazis aus Ost-Berlin erhielten schließlich Haftstrafen bis zu vier Jahren.
In der vorliegenden Information aus dem Jahr 1986 führt die Staatssicherheit die Gruppe der "Skinheads" als eine Erscheinungsform "negativ-dekadenter Jugendlicher" neben den "Punkern" und "Heavy-Metal-Fans" auf. Neonazistische Tendenzen unter "Skinheads" und "Heavy-Metal-Fans" waren der Stasi bereits bekannt: "Diese Personenkreise zeichnen sich neben der Bereitschaft zur Gewaltanwendung durch solche Eigenheiten wie Nationalismus, Ausländerfeindlichkeit bis hin zur Propagierung antikommunistischen und antisowjetischen Gedankenguts aus." Der Bericht zeigt, dass sich die DDR-Geheimpolizei neben den Punks auch mit den Skinheads bzw. "Heavys" zu dieser Zeit bereits ausführlicher auseinandergesetzt hatte. Sie stellte fest, dass sich "bereits eine gewisse Organisationsstruktur erkennen" lasse und sich bestimmte Jugendklubs und Gaststätten als feste Treffpunkte für die Skinhead-Szene etablierten.
Hinsichtlich der Verbindungen von Punks in nicht sozialistische Staaten und Westberlin ist einzuschätzen, daß bestehende Verbindungen zunehmend aktiviert und neue Kontakte geknüpft werden. Die Bearbeitung operativer Vorgangsmaterialien zeigt, daß gegnerische Zentren, Organisationen und Kräfte ein starkes Interesse an direkten Kontakten zu Punkanhängern zeigen.
Insbesondere durch 1985 abgeschlossene Operativ-Vorgänge der Bezirksverwaltungen Potsdam, Dresden und Leipzig wurden Ausmaß, Intensität und Inhalt der Verbindungen der Personen aus dem Operationsgebiet zu Punkanhängern in der DDR deutlich.
Die Mitglieder illegaler Punk-Rock-Gruppen (Paranoia, Schleimkeim, L’Attentat) unterhalten intensive Verbindungen zu Punkanhängern in der BRD und anderen kapitalistischen Staaten. Die Verbindungen insbesondere mit Punks aus der BRD und Westberlin resultieren vor allem aus persönlichen Treffen mit Punkanhängern in der Hauptstadt der DDR, Berlin, und im sozialistischen Ausland.
Es wurde festgestellt, daß durch Schülerreisegruppen der BRD diese Reisen u.a. für Verbindungsaufnahmen zu negativ-dekadenten Jugendlichen genutzt werden.
Durch eingeleitete Beobachtungsmaßnahmen der Abteilung VIII wurde bestätigt, daß sich im Rahmen von BRD-Jugendreisegruppen nach Weimar eingereiste Punkanhänger von ihren Reisegruppen und dem festgelegten Besuchsprogramm absetzten und zielstrebig bekannte Treffobjekte von negativ-dekadenten Jugendlichen im Stadtgebiet von Weimar aufsuchten. Dazu gehörten bekannte Treffgaststätten, Räumlichkeiten der Kirche (JG) sowie Wohnungen von Punkanhängern aus Weimar.
Es ist auch festgestellt worden, daß Punker aus Weimar/Erfurt die eingereisten BRD-Jugendlichen direkt vor deren Unterkünften erwarteten.
Die in einem Vorgang bearbeitete Person aus Dresden erhielt auf die oben beschriebene Art und Weise bei ihrem Aufenthalt in Weimar im Frühjahr 1983 ersten Kontakt zu einem BRD-Bürger. Ausgehend von diesem Erstkontakt erhielt die Vorgangsperson, vor allem durch Weitervermittlung, Kontakt zu einer großen Zahl von Punkanhängern aus der BRD, Westeuropa und Übersee. Bei den Kontaktpartnern handelte es sich in erster Linie um solche Personen, die als Herausgeber sogenannter "Fanzine" fungierten ("Fanzine" sind Punk-Fan-Zeitungen, die, durch Privatpersonen hergestellt und herausgegeben, für ein bestimmtes Territorium mit einer Auflagenhöhe von ca. 100-1000 Exemplaren produziert und vertrieben werden). Weiterhin gehörten zu den Kontaktpartnern auch Personen, die sich mit der Vervielfältigung und dem Vertrieb von Punk-Musik-Kassetten beschäftigen.
Bei den in kirchlichen Objekten stattfindenden Punk-Treffen sowie bei persönlichen Besuchen werden die Anschriften der Punker aus dem Operationsgebiet verbreitet. So ist es zu erklären, daß in Operativ-Vorgängen bearbeitete Punks aus Erfurt, Weimar, Dresden, Leipzig über eine Vielzahl gleicher Kontaktpersonen im Operationsgebiet verfügen, aber auch durch eigene Bemühungen noch einen spezifischen Bekanntenkreis aufbauten.
Kontaktperson (KP)
"Kontaktperson" ist ein unscharfer Begriff, der Personen bezeichnete, mit denen das MfS Kontakte unterschiedlicher Natur hatte. Insbesondere in den 50er Jahren waren Kontaktpersonen oftmals regelrechte Informanten, bei denen allerdings keinerlei formelle Erfassung und Registrierung als inoffizieller Mitarbeiter vorlag. In der IM-Richtlinie von 1958 sind Kontaktpersonen als "vertrauenswürdige Bürger" definiert, die "zur Lösung bestimmter Aufgaben angesprochen werden". In den MfS-Unterlagen der Honecker-Ära werden Funktionsträger, mit denen das MfS offizielle Beziehungen pflegte, häufig als Kontaktperson bezeichnet.
Eine besondere Form von Kontaktperson gab es bei der Abteilung XIV, die seit 1967 Strafgefangene "mit inoffiziellen Aufgaben als Kontaktpersonen" oder auch als "inoffizielle Kontaktpersonen" (iKP) bezeichnete. Eine andere Bedeutung hatte der Begriff bei der HV A. Laut IM-Richtlinie von 1979 handelte es sich hierbei um "Bürger aus dem Operationsgebiet", "die über Zugang zu operativ bedeutsamen Informationen bzw. über Möglichkeiten zur politischen Einflussnahme verfügen" und zu denen "eine stabile Verbindung unterhalten wird", ohne dass diese über "den nachrichtendienstlichen Charakter" der Kontakte im Bilde waren.
Im Zusammenhang mit der Verwaltungsreform der DDR vom Sommer 1952 wurden die fünf Länderverwaltungen für Staatssicherheit (LVfS) in 14 Bezirksverwaltungen umgebildet. Daneben bestanden die Verwaltung für Staatssicherheit Groß-Berlin und die Objektverwaltung "W" (Wismut) mit den Befugnissen einer BV. Letztere wurde 1982 als zusätzlicher Stellvertreterbereich "W" in die Struktur der BV Karl-Marx-Stadt eingegliedert.
Der Apparat der Zentrale des MfS Berlin und der der BV waren analog strukturiert und nach dem Linienprinzip organisiert. So waren die Hauptabteilung II in der Zentrale bzw. die Abteilungen II der BV für die Schwerpunkte der Spionageabwehr zuständig usw. Auf der Linie der Hauptverwaltung A waren die Abteilung XV der BV aktiv. Einige Zuständigkeiten behielt sich die Zentrale vor: so die Militärabwehr (Hauptabteilung I) und die internationalen Verbindungen (Abteilung X) oder die Arbeit des Büros für Besuchs- und Reiseangelegenheiten in Westberlin (Abteilung XVII). Für einige Aufgabenstellungen wurde die Bildung bezirklicher Struktureinheiten für unnötig erachtet. So gab es in den 60er und 70er Jahren für die Abteilung XXI und das Büro der Leitung II Referenten für Koordinierung (RfK) bzw. Offiziere BdL II. Für spezifische Aufgaben gab es territorial bedingte Diensteinheiten bei einigen BV, z. B. in Leipzig ein selbständiges Referat (sR) Messe, in Rostock die Abt. Hafen.
An der Spitze der BV standen der Leiter (Chef) und zwei Stellv. Operativ. Der Stellv. für Aufklärung fungierte zugleich als Leiter der Abt. XV. Die Schaffung des Stellvertreterbereichs Operative Technik im MfS Berlin im Jahre 1986 führte in den BV zur Bildung von Stellv. für Operative Technik/Sicherstellung.
Mit Operationsgebiet bezeichnete das MfS zusammenfassend alle Länder, in denen bzw. gegen die es geheimdienstliche Aktionen durchführte. Zumeist waren damit die Bundesrepublik Deutschland und Westberlin gemeint, der Begriff konnte aber auch jedes andere westliche oder neutrale Land einschließen. Aufgrund besonderer innenpolitischer Entwicklungen galten 1968/69 auch die Tschechoslowakei, spätestens seit den 70er Jahren faktisch Rumänien und in den 80er Jahren auch Polen als Operationsgebiet.
Signatur: BArch, MfS, BdL/Dok., Nr. 8323, Bl. 1-18
Die Stasi überwachte bereits Mitte der 1980er Jahre verschiedene jugendliche Subkulturen wie Punks, Skinheads und Heavy-Metal-Fans. Bei den beiden letzteren stellte sie zunehmend faschistische Ausprägungen fest.
Am Abend des 17. Oktobers 1987 überfielen rechtsextreme Skinheads ein Punkkonzert in der Ost-Berliner Zionskirche. Neben der Punkband "Die Firma" spielte auf dem Konzert auch "Element of Crime" aus West-Berlin. Als die Konzertbesucherinnen und -besucher die vollbesetzte Kirche verließen, schlugen etwa 30 angetrunkene Neonazis aus Ost- und West-Berlin auf sie ein. Dabei brüllten sie faschistische Parolen wie "Juden raus", "Kommunistenschweine" und "Sieg Heil!". Anwesende Volkspolizisten registrierten das Geschehen, hielten sich aber im Hintergrund und griffen erst ein, nachdem ein Notruf eingegangen war.
Bei den anschließenden Ermittlungen arbeiteten Staatssicherheit und Volkspolizei eng zusammen. Der Überfall auf die Zionskirche zeigte, dass es trotz der geleugneten Existenz von Rechtsextremismus in der DDR eine gewaltbereite Neonazi-Szene gab. Da westliche Medien bereits einen Tag später über den Vorfall berichteten, konnten auch die DDR-Medien dieses Ereignis nicht mehr stillschweigend übergehen. Für die Gerichtsverfahren stimmte sich die Staatssicherheit eng mit der Justiz der DDR ab. Im ersten Prozess erhielten die vier Hauptangeklagten zunächst unerwartet niedrige Strafen zwischen einem und zwei Jahren Haft. Nachdem es Proteste gegen die Urteile gegeben hatte, forderte die Generalstaatsanwaltschaft in Abstimmung mit dem Obersten Gericht der DDR in den Berufungsverhandlungen ein höheres Strafmaß. Die Neonazis aus Ost-Berlin erhielten schließlich Haftstrafen bis zu vier Jahren.
In der vorliegenden Information aus dem Jahr 1986 führt die Staatssicherheit die Gruppe der "Skinheads" als eine Erscheinungsform "negativ-dekadenter Jugendlicher" neben den "Punkern" und "Heavy-Metal-Fans" auf. Neonazistische Tendenzen unter "Skinheads" und "Heavy-Metal-Fans" waren der Stasi bereits bekannt: "Diese Personenkreise zeichnen sich neben der Bereitschaft zur Gewaltanwendung durch solche Eigenheiten wie Nationalismus, Ausländerfeindlichkeit bis hin zur Propagierung antikommunistischen und antisowjetischen Gedankenguts aus." Der Bericht zeigt, dass sich die DDR-Geheimpolizei neben den Punks auch mit den Skinheads bzw. "Heavys" zu dieser Zeit bereits ausführlicher auseinandergesetzt hatte. Sie stellte fest, dass sich "bereits eine gewisse Organisationsstruktur erkennen" lasse und sich bestimmte Jugendklubs und Gaststätten als feste Treffpunkte für die Skinhead-Szene etablierten.
Die Mehrheit der festgestellten Verbindungen bestanden nur postalisch und teilweise auch nur einmalig. Andere wiederum werden durch persönliche Treffen in Berlin vertieft und ausgebaut. Charakteristisch ist, daß einige der Kontaktpartner im Operationsgebiet - vor allem im deutschsprachigen Raum - an ihre Partner in der DDR konkrete Fragen zur "Punk-Bewegung" in der DDR bzw. in ihrer Heimatstadt übersandten. Die teilweise direkt als "Fragespiegel" bezeichneten Abschnitte der postalischen Verbindungen beinhalteten z.B. folgende Fragen:
- Welche Rolle spielt "Punk" in dieser Stadt?
- Seit wann gibt es "Punk" in der DDR?
- Von wo aus ist der "Punk" zu Euch durchgedrungen?
- Wie lange gibt es Eure Band?
- Welche Möglichkeiten für eigene Musikdarbietungen bestehen?
- Welche Möglichkeiten der Veröffentlichung gibt es?
- Wer spielt in Eurer Band - was machen die Mitglieder außer Musik zu spielen?
- Gibt es Vorbilder?
- Thema und Inhalt der Texte?
- Was gibt es für Gruppen in der DDR?
- Welche Probleme gibt es bei Konzerten?
- Welche Probleme gibt es mit den Staatsorganen?
- Wie ist das Verhältnis Kirche-Punk?
- Wie stehen Eure Eltern zu Euch?
- Wie sieht Eure Zukunft aus?
Verknüpft wurden derartige Fragen mit Forderungen bezüglich der Übersendung von Fotos bzw. Musikkassetten. Oft geht bereits aus dem Inhalt und Charakter der Briefe der BRD-Personen hervor, daß diese eine antikommunistische, antisowjetische, teilweise faschistische Einstellung besitzen. Dies stellt aber für die Punks in der DDR keinen Hinderungsgrund dar, die gestellten Forderungen zu erfüllen. Aus dem übersandten Material fertigten die Partner in der BRD in ihren "Fanzinen" Berichte über das Leben der Punks in der DDR. Diese Berichte wurden entsprechend den politischen Einstellungen der Herausgeber "frisiert" und stellten dann in jedem Fall Veröffentlichungen dar, die geeignet sind, den Interessen der DDR zu schaden und die Jugend- und Kulturpolitik der SED zu diffamieren.
Aufgrund derartiger Handlungen wurden 1985 u.a. gegen 4 operativ bearbeitete Punker Ermittlungsverfahren gemäß § 219 StGB mit Haft eingeleitet.
Die objektive und subjektive Erfüllung der Anforderung an diesen Straftatbestand der ungesetzlichen Verbindungsaufnahme konnte nachgewiesen werden. Weiterhin wurde bekannt, daß bei persönlichen Treffen mit BRD-Punkanhängern in der Hauptstadt der DDR, Berlin, wiederholt mit "DDR-Punk-Musik" bespielte Kassetten an diese Personen übergeben wurden.
Mit Operationsgebiet bezeichnete das MfS zusammenfassend alle Länder, in denen bzw. gegen die es geheimdienstliche Aktionen durchführte. Zumeist waren damit die Bundesrepublik Deutschland und Westberlin gemeint, der Begriff konnte aber auch jedes andere westliche oder neutrale Land einschließen. Aufgrund besonderer innenpolitischer Entwicklungen galten 1968/69 auch die Tschechoslowakei, spätestens seit den 70er Jahren faktisch Rumänien und in den 80er Jahren auch Polen als Operationsgebiet.
Erstes Stadium des Strafverfahrens, steht formal unter Leitung des Staatsanwaltes (§ 87 StPO/1968). Die eigentlichen Ermittlungen werden von den staatlichen Untersuchungsorganen (Polizei, MfS, Zoll) durchgeführt (§ 88 StPO/1968) und vom Staatsanwalt beaufsichtigt (§ 89 StPO/1968).
Tatsächlich waren für die Ermittlungen des MfS lediglich die zuvor vom MfS ausgewählten Staatsanwälte der Abteilungen IA zuständig, die gemäß MfS-internen Regelungen keine Einsicht in Unterlagen oder Ermittlungen, die nicht der StPO entsprachen, bekommen durften. Faktisch gab es daher eine doppelte Aktenführung in der zuständigen Linie IX: den internen Untersuchungsvorgang und die für Staatsanwaltschaft und Gericht bestimmte Gerichtsakte und somit keine wirksame staatsanwaltschaftliche Aufsicht über die MfS-Ermittlungen. Einleitung wie auch Einstellung des Ermittlungsverfahrens konnten selbständig von den Untersuchungsorganen verfügt werden (§§ 98, 141 StPO/1968).
Mit dem Ermittlungsverfahren verbunden waren Eingriffe in die persönliche Freiheit Beschuldigter durch die Untersuchungsorgane wie die Beschuldigten- und Zeugenvernehmung, die Durchsuchung, die Beschlagnahme, die Festnahme oder die Untersuchungshaft. In der Tätigkeit des MfS stellte das Ermittlungsverfahren einen besonders wirksamen Teil des repressiven Vorgehens gegen politische Gegner dar.
Signatur: BArch, MfS, BdL/Dok., Nr. 8323, Bl. 1-18
Die Stasi überwachte bereits Mitte der 1980er Jahre verschiedene jugendliche Subkulturen wie Punks, Skinheads und Heavy-Metal-Fans. Bei den beiden letzteren stellte sie zunehmend faschistische Ausprägungen fest.
Am Abend des 17. Oktobers 1987 überfielen rechtsextreme Skinheads ein Punkkonzert in der Ost-Berliner Zionskirche. Neben der Punkband "Die Firma" spielte auf dem Konzert auch "Element of Crime" aus West-Berlin. Als die Konzertbesucherinnen und -besucher die vollbesetzte Kirche verließen, schlugen etwa 30 angetrunkene Neonazis aus Ost- und West-Berlin auf sie ein. Dabei brüllten sie faschistische Parolen wie "Juden raus", "Kommunistenschweine" und "Sieg Heil!". Anwesende Volkspolizisten registrierten das Geschehen, hielten sich aber im Hintergrund und griffen erst ein, nachdem ein Notruf eingegangen war.
Bei den anschließenden Ermittlungen arbeiteten Staatssicherheit und Volkspolizei eng zusammen. Der Überfall auf die Zionskirche zeigte, dass es trotz der geleugneten Existenz von Rechtsextremismus in der DDR eine gewaltbereite Neonazi-Szene gab. Da westliche Medien bereits einen Tag später über den Vorfall berichteten, konnten auch die DDR-Medien dieses Ereignis nicht mehr stillschweigend übergehen. Für die Gerichtsverfahren stimmte sich die Staatssicherheit eng mit der Justiz der DDR ab. Im ersten Prozess erhielten die vier Hauptangeklagten zunächst unerwartet niedrige Strafen zwischen einem und zwei Jahren Haft. Nachdem es Proteste gegen die Urteile gegeben hatte, forderte die Generalstaatsanwaltschaft in Abstimmung mit dem Obersten Gericht der DDR in den Berufungsverhandlungen ein höheres Strafmaß. Die Neonazis aus Ost-Berlin erhielten schließlich Haftstrafen bis zu vier Jahren.
In der vorliegenden Information aus dem Jahr 1986 führt die Staatssicherheit die Gruppe der "Skinheads" als eine Erscheinungsform "negativ-dekadenter Jugendlicher" neben den "Punkern" und "Heavy-Metal-Fans" auf. Neonazistische Tendenzen unter "Skinheads" und "Heavy-Metal-Fans" waren der Stasi bereits bekannt: "Diese Personenkreise zeichnen sich neben der Bereitschaft zur Gewaltanwendung durch solche Eigenheiten wie Nationalismus, Ausländerfeindlichkeit bis hin zur Propagierung antikommunistischen und antisowjetischen Gedankenguts aus." Der Bericht zeigt, dass sich die DDR-Geheimpolizei neben den Punks auch mit den Skinheads bzw. "Heavys" zu dieser Zeit bereits ausführlicher auseinandergesetzt hatte. Sie stellte fest, dass sich "bereits eine gewisse Organisationsstruktur erkennen" lasse und sich bestimmte Jugendklubs und Gaststätten als feste Treffpunkte für die Skinhead-Szene etablierten.
Besonders unter den bereits genannten negativen jugendlichen Erscheinungsformen in der DDR, den "Skinheads" und "Heavy-Metal-Fans" ("Heavy’s") charakterisierten sich in deren Denk-und Handlungsweisen deutliche Merkmale heraus, die auf eine Verherrlichung des Faschismus hinweisen. Diese Personenkreise zeichnen sich neben der Bereitschaft zur Gewaltanwendung durch solche Eigenheiten wie Nationalismus, Ausländerfeindlichkeit bis hin zur Propagierung antikommunistischen und antisowjetischen Gedankenguts aus.
In westlichen Medien werden die Zunahmen faschistischer Tendenzen unter Skinheads wie folgt beschrieben:
"Skins betrachten sich selbst als unpolitisch, verhalten sich jedoch sehr wohl politisch, wenn sie durch Sprüche und Symbole, die eindeutig politisch besetzt sind, ihre Anschauungen vertreten. Die Verwendung faschistischer Symbole dient dabei nicht nur der Provokation nach außen, sondern auch der Schaffung eines Zusammengehörigkeitsgefühls nach innen."
"Die bereits vorhandenen Denkmuster machten die Skins zu einem bevorzugten Rekrutierungsfeld z.B. der "Aktionsfront Nationaler Sozialisten" (ANS von Michael Kühnen), der NPD-Jugendorganisation, Junge Nationaldemokraten (JN) u.a.".
"Geschulte neofaschistische Kader wurden gezielt auf die Skin-Gruppen angesetzt, paßten sich ihrer Umgebung an und erwarben persönliches Vertrauen, setzten sich durch körperliche Gewalt in einem oder anderem Fall an die Spitze von Gruppen".
Es ist festzustellen, daß sich diese Jugendlichen in Gruppierungen zusammenschließen, die bereits eine gewisse Organisationsstruktur erkennen lassen. Die Gruppierungen tragen spezielle Namen, die oft in Form selbstgefertigter Aufnäher auf der Kleidung getragen werden, z. B. "Iron Faist" (Eiserne Faust), "Black Eagels" (Schwarze Adler) usw. Besonders stark ausgeprägt ist diese Erscheinung bei den "Heavys". Durch die Massenmedien der DDR wird die Musikrichtung des Heavy-Rock ebenfalls propagiert, da sich eine große Zahl von Berufs- und Amateur-Rockgruppen auf diese aktuelle Musikrichtung eingestellt haben. Veranstaltungen, auf denen solche Gruppen auftreten, stellen mögliche Konzentrationspunkte für die negativ in Erscheinung tretenden "Heavys" dar.
Von besonderem operativen Interesse sind solche Einrichtungen (Jugendklubs, Gaststätten), die sich einseitig auf ein derartiges Musikangebot spezialisieren und sich damit zu Treff- und Konzentrationspunkten der negativ-dekadenten Jugendlichen profilieren. Bei den bisher festgestellten Erscheinungen dieser Art war dies stets auf mangelnde staatliche Autorität, Anleitung, Kontrolle der zuständigen staatlichen und gesellschaftlichen Einrichtungen zurückzuführen. So mußte z.B. 1985 ein Jugendklub in Berlin-Prenzlauer Berg über einen längeren Zeitraum geschlossen werden, da sich dieser in o.g. Art und Weise mit einem speziellen Programm - sogenannter Heavy-Feten - zu einem Konzentrationspunkt negativ-dekadenter Personenkreise entwickelt hatte. Bereits das konzentrierte Auftreten dieser militanten, gewalttätigen, an faschistische "Vorbilder" erinnernde jugendlichen Personen, führt zu einer starken Verunsicherung der Bürger. Dies kam u.a. 1985 in mehreren Eingaben aus der Bevölkerung zum Ausdruck.
Erscheinungsformen "negativ-dekadenter" Jugendlicher Dokument, 1 Seite
Proberaum der Punkband Schleimkeim in Stotternheim bei Erfurt 5 Fotografien
Information an alle Bezirksverwaltungen des MfS und diverse Hauptabteilungen zu "kriminellen/rowdyhaften Jugendlichen" Dokument, 12 Seiten
Eröffnungsbericht zum Operativen Vorgang "Ring" Dokument, 2 Seiten