Signatur: BStU, MfS, ZAIG, Nr. 5337, Bl. 55-63
Die Entwicklung demokratischer Reformen in den Ostblockstaaten Ungarn und Polen wurde von der DDR-Regierung sehr genau verfolgt. Die Staatssicherheit berichtete der Partei- und Staatsführung über die halbfreien Parlamentswahlen in Polen am 4. Juni 1989 und dem Sieg der oppositionellen Gewerkschaft Solidarność.
Im Sommer 1989 war bereits seit Monaten zu erkennen, dass sich die DDR-Führung mit ihrem reformfeindlichen Kurs von den Entwicklungen der anderen Warschauer-Pakt-Staaten isolierte (vgl. 7.4.1989). Auch der SED-Spitze war das nicht verborgen geblieben, sie wiegte sich aber in dem Glauben, die DDR sei eine Insel der Stabilität, während die Reformstaaten (Ungarn, Polen und Sowjetunion) immer tiefer in Turbulenzen gerieten. Im Juni und Juli 1989 kamen mehrere Ereignisse zusammen, die zeigten, wie illusionär die Auffassung war, die DDR könne sich dem entziehen.
Im Nachbarland Polen errang die oppositionelle Solidarność bei den ersten halbfreien Wahlen am 4. und am 18. Juni 1989 einen erdrutschartigen Sieg. Bei den Verhandlungen am Runden Tisch beharrte die regierende "Koalition" aus Polnischer Vereinigter Arbeiterpartei (PVAP) und Blockparteien (Bauernpartei und Demokratische Partei) für die halbfreien Wahlen auf einem festen Kontingent von 65 Prozent der Mandate des Sejm (des Parlaments).
Für die gleichzeitigen Wahlen zur zweiten Kammer, des Senats, gab es eine solche Einschränkung der Wahlfreiheit nicht. Es wurde nach dem Mehrheitswahlrecht gewählt, was zum Sieg von Solidarność beitrug. So errang Solidarność im 1. Wahlgang am 4. Juni mit einem Stimmenanteil von 64 Prozent bereits 92 der 100 Senatssitze (über die restlichen 8 Sitze musste am 16. Juni in einer Stichwahl entschieden werden).
Der vorliegende Bericht der Staatssicherheit dokumentiert, dass die polnischen Kommunisten auf echte Wahlen geistig und konzeptionell nicht vorbereitet waren, und dass auf der anderen Seite die Opposition davor zurückschreckte, eventuell in die Regierung eintreten zu müssen.
Am ersten Wahlgang der Wahlen zu Sejm und Senat der VR Polen am 4. 6. 1989 beteiligten sich 62,11 Prozent der Wahlberechtigten. Territorial differenziert betrug die Wahlbeteiligung zwischen 49,17 Prozent (Katowice) und 71,47 Prozent (Rzeszow).
Entsprechend den am "Runden Tisch" getroffenen Vereinbarungen kandidierten für 65 Prozent der Sejm Mandate (299) Vertreter der Regierungskoalition und für die restlichen 35 Prozent (161) parteilose Vertreter der Opposition.
Davon wurden im 1. Wahlgang lediglich 5 Abgeordnete der Regierungskoalition, jedoch 160 Abgeordnete der "Solidarnosc"-Opposition mit einem Stimmenanteil zwischen 70 und 85 Prozent gewählt. Von den gesondert auf der "Landesliste" aufgestellten 35 Kandidaten der Regierungskoalition für den Sejm erzielten im 1. Wahlgang nur zwei die erforderlichen 50 Prozent der gültigen Stimmen und wurden somit gewählt. Die übrigen Kandidaten erhielten nur zwischen 38,76 und 49,98 Prozent der Stimmen.
Somit müssen sich 294 Kandidaten der Koalition, darunter 33 über die "Landesliste", im 2. Wahlgang erneut der Wahl stellen.
Für den Senat war am "Runden Tisch" eine "freie Wahl" vereinbart worden. Von den 100 Senatoren wurden im 1. Wahlgang 92 - ausschließlich Vertreter von "Solidarnosc" - gewählt. Dabei erhielten in Warschau alle 3 "Solidarnosc"-Kandidaten über 70 Prozent der Wählerstimmen, der beste PVAP-Kandidat lediglich 11,5 Prozent. In Krakow erreichten die beiden "Solidarnosc"-Kandidaten 75 und 82 Prozent der Wählerstimmen, die PVAP-Kandidaten nur 6 und 11,5 Prozent.
Für die verbleibenden 8 Mandate verfügen in sechs Fällen "Solidarnosc"-Kandidaten über die besten Ausgangspositionen für den 2. Wahlgang.
Der "Solidarnosc"-Sprecher Onyskiewicz wertete das Wahlergebnis als Ausdruck des Protestes der Wähler gegenüber der Regierung.
Der Sprecher des ZK der PVAP, Genosse Bisztyga, erklärte unmittelbar nach den Wahlen, das Ergebnis sei ungünstig für die Koalition. "Solidarnosc" habe eine entscheidende Mehrheit erreicht. Die Partei werde sich aber nicht vom Weg der Demokratie und der Reformen zurückziehen.
Die ZAIG war das "Funktionalorgan" des Ministers für Staatssicherheit, die Schaltstelle im MfS, in der nahezu alle komplexen Stabsfunktionen konzentriert waren: die zentrale Auswertung und Information, einschließlich der Berichterstattung an die politische Führung, die Optimierung der entsprechenden Verfahren und Strukturen im Gesamtapparat des MfS, die zentralen Kontrollen und Untersuchungen und die Analyse der operativen Effektivität des MfS, die zentrale Planung und die Erarbeitung dienstlicher Bestimmungen, zudem die übergeordneten Funktionen im Bereich EDV sowie die Gewährleistung des internationalen Datenaustauschsystems der kommunistischen Staatssicherheitsdienste (SOUD). Nach der Eingliederung der Abteilung Agitation 1985 waren auch die Öffentlichkeitsarbeit und die Traditionspflege des MfS in der ZAIG als "Bereich 6" funktional verankert. Die ZAIG war im direkten Anleitungsbereich des Ministers angesiedelt; ihr waren zuletzt die formal selbständigen Abt. XII, XIII (Rechenzentrum) und die Rechtsstelle fachlich unterstellt.
Die ZAIG geht auf die nach dem Juniaufstand 1953 gegründete und von Heinz Tilch geleitete Informationsgruppe (IG) der Staatssicherheitszentrale zurück, die erstmals eine regelmäßige Lage- und Stimmungsberichterstattung für die Partei- und Staatsführung hervorbrachte. Diese entwickelte sich 1955/56 zur Abteilung Information mit drei Fachreferaten, wurde aber 1957 als Resultat des Konfliktes zwischen Ulbricht und Wollweber wieder stark reduziert. 1957 erhielt die Abteilung mit Irmler einen neuen Leiter, der jedoch bereits 1959 vom ehemaligen stellv. Leiter der HV A Korb abgelöst und zum Stellvertreter zurückgestuft wurde. Gleichzeitig wurde die Diensteinheit in Zentrale Informationsgruppe (ZIG) umbenannt; von da an lief auch die bisher eigenständige Berichterstattung der HV A über sie. 1960 wurde die Berichterstattung an die politische Führung durch einen Ministerbefehl präzise geregelt, und die ZIG erhielt mit der Neueinrichtung von Informationsgruppen in den BV und operativen HA einen soliden Unterbau.
1965 wurde die ZIG in ZAIG umbenannt und ein einheitliches Auswertungs- und Informationssystem eingeführt, das die Recherche und Selektion von Daten sowie die Organisierung von Informationsflüssen gewährleistete. In den operativen HA und BV erhielt die ZAIG mit den AIG entsprechende "Filialen". Im gleichen Jahr ging Korb in den Ruhestand, Irmler wurde wieder Leiter der Diensteinheit.
1968 wurde auch das Kontrollwesen der Staatssicherheit in die ZAIG eingegliedert, das im Dezember 1953 mit der Kontrollinspektion seinen ersten organisatorischen Rahmen erhalten hatte und 1957 mit der Umbenennung in AG Anleitung und Kontrolle erheblich qualifiziert worden war.
1969 erhielt die ZAIG auch die Verantwortung für den Einsatz der EDV. Das im Aufbau begriffene Rechenzentrum (Abt. XIII) wurde ihr unterstellt. In der ersten Hälfte der 70er Jahre bildeten sich vier Arbeitsbereiche der ZAIG heraus. Bereich 1: konkrete Auswertungs- und Informationstätigkeit und Berichterstattung an die politische Führung; Bereich 2: Kontrollwesen, die Erarbeitung von dienstlichen Bestimmungen sowie Prognose- und Planungsaufgaben; Bereich 3: Fragen der EDV; Bereich 4: Pflege und Weiterentwicklung der "manuellen" Bestandteile des Auswertungs- und Informationssystems. 1979 erhielt dieser Bereich auch die Verantwortung für das SOUD ("ZAIG/5").
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Signatur: BStU, MfS, ZAIG, Nr. 5337, Bl. 55-63
Die Entwicklung demokratischer Reformen in den Ostblockstaaten Ungarn und Polen wurde von der DDR-Regierung sehr genau verfolgt. Die Staatssicherheit berichtete der Partei- und Staatsführung über die halbfreien Parlamentswahlen in Polen am 4. Juni 1989 und dem Sieg der oppositionellen Gewerkschaft Solidarność.
Im Sommer 1989 war bereits seit Monaten zu erkennen, dass sich die DDR-Führung mit ihrem reformfeindlichen Kurs von den Entwicklungen der anderen Warschauer-Pakt-Staaten isolierte (vgl. 7.4.1989). Auch der SED-Spitze war das nicht verborgen geblieben, sie wiegte sich aber in dem Glauben, die DDR sei eine Insel der Stabilität, während die Reformstaaten (Ungarn, Polen und Sowjetunion) immer tiefer in Turbulenzen gerieten. Im Juni und Juli 1989 kamen mehrere Ereignisse zusammen, die zeigten, wie illusionär die Auffassung war, die DDR könne sich dem entziehen.
Im Nachbarland Polen errang die oppositionelle Solidarność bei den ersten halbfreien Wahlen am 4. und am 18. Juni 1989 einen erdrutschartigen Sieg. Bei den Verhandlungen am Runden Tisch beharrte die regierende "Koalition" aus Polnischer Vereinigter Arbeiterpartei (PVAP) und Blockparteien (Bauernpartei und Demokratische Partei) für die halbfreien Wahlen auf einem festen Kontingent von 65 Prozent der Mandate des Sejm (des Parlaments).
Für die gleichzeitigen Wahlen zur zweiten Kammer, des Senats, gab es eine solche Einschränkung der Wahlfreiheit nicht. Es wurde nach dem Mehrheitswahlrecht gewählt, was zum Sieg von Solidarność beitrug. So errang Solidarność im 1. Wahlgang am 4. Juni mit einem Stimmenanteil von 64 Prozent bereits 92 der 100 Senatssitze (über die restlichen 8 Sitze musste am 16. Juni in einer Stichwahl entschieden werden).
Der vorliegende Bericht der Staatssicherheit dokumentiert, dass die polnischen Kommunisten auf echte Wahlen geistig und konzeptionell nicht vorbereitet waren, und dass auf der anderen Seite die Opposition davor zurückschreckte, eventuell in die Regierung eintreten zu müssen.
Die Konsequenz der Wahlergebnisse müsse für die Opposition die Übernahme von Mitverantwortung im Staat sein. Genosse Jaruzelski habe bereits vor den Wahlen eine große Koalition vorgeschlagen. Der erste Schritt der Opposition dazu müsse die Mitverantwortung für Ruhe und Ordnung im Land sein.
Der Stellvertreter des Regierungssprechers der VR Polen, Genosse Rykowski, erklärte, daß entsprechend den Regeln des polnischen Parlaments die Regierung Rakowski nach den Wahlen zurücktreten wird.
Die polnische Parteiführung schätzte die Ergebnisse des 1. Wahlganges als ernste Niederlage der Partei ein, die so weitgehend nicht erwartet worden sei. Die PVAP habe ihre Konzeption zur Führung der Wahlkampagne auf in hohem Maße wirklichkeitsfremde Einschätzungen gestützt. Die Orientierung auf Personen im Wahlkampf und nicht auf die Partei bzw. den Koalitionsblock habe sich als falsch erwiesen. Die politischen Gegner der Partei hätten entgegen den Absprachen das Konkurrenzprinzip nicht eingehalten, sondern auf eine Volksabstimmung hingesteuert. Die katholische Kirche sei trotz anderslautender Erklärungen zur vollen Identifizierung mit der "Solidarnosc" übergegangen. Die eindeutige Unterstützung der Kirche für "Solidarnosc" sei ein wesentlicher Faktor für die Wahlergebnisse. "Solidarnosc" selbst habe einen vollen Angriff auf die Kandidaten der Landesliste gerichtet und dabei auf die "totale Streichung aller Kandidaten" orientiert.
Die Haltung der westlichen Staaten während der Wahlkampagne sei durch die propagandistische Diversion gegen die PVAP und die Koalitionsparteien geprägt gewesen, verbunden mit der offenen materiellen und ideologischen Unterstützung. Es habe keine gesetzlichen Möglichkeiten gegeben, dagegen vorzugehen.
Die PVAP sei sich jedoch - wie weiter eingeschätzt wurde - dessen bewußt, daß vorgenannte Faktoren allein das vorliegende Wahlergebnis nicht beeinflußt hätten, wenn nicht seit 40 Jahren angehäufte
Die ZAIG war das "Funktionalorgan" des Ministers für Staatssicherheit, die Schaltstelle im MfS, in der nahezu alle komplexen Stabsfunktionen konzentriert waren: die zentrale Auswertung und Information, einschließlich der Berichterstattung an die politische Führung, die Optimierung der entsprechenden Verfahren und Strukturen im Gesamtapparat des MfS, die zentralen Kontrollen und Untersuchungen und die Analyse der operativen Effektivität des MfS, die zentrale Planung und die Erarbeitung dienstlicher Bestimmungen, zudem die übergeordneten Funktionen im Bereich EDV sowie die Gewährleistung des internationalen Datenaustauschsystems der kommunistischen Staatssicherheitsdienste (SOUD). Nach der Eingliederung der Abteilung Agitation 1985 waren auch die Öffentlichkeitsarbeit und die Traditionspflege des MfS in der ZAIG als "Bereich 6" funktional verankert. Die ZAIG war im direkten Anleitungsbereich des Ministers angesiedelt; ihr waren zuletzt die formal selbständigen Abt. XII, XIII (Rechenzentrum) und die Rechtsstelle fachlich unterstellt.
Die ZAIG geht auf die nach dem Juniaufstand 1953 gegründete und von Heinz Tilch geleitete Informationsgruppe (IG) der Staatssicherheitszentrale zurück, die erstmals eine regelmäßige Lage- und Stimmungsberichterstattung für die Partei- und Staatsführung hervorbrachte. Diese entwickelte sich 1955/56 zur Abteilung Information mit drei Fachreferaten, wurde aber 1957 als Resultat des Konfliktes zwischen Ulbricht und Wollweber wieder stark reduziert. 1957 erhielt die Abteilung mit Irmler einen neuen Leiter, der jedoch bereits 1959 vom ehemaligen stellv. Leiter der HV A Korb abgelöst und zum Stellvertreter zurückgestuft wurde. Gleichzeitig wurde die Diensteinheit in Zentrale Informationsgruppe (ZIG) umbenannt; von da an lief auch die bisher eigenständige Berichterstattung der HV A über sie. 1960 wurde die Berichterstattung an die politische Führung durch einen Ministerbefehl präzise geregelt, und die ZIG erhielt mit der Neueinrichtung von Informationsgruppen in den BV und operativen HA einen soliden Unterbau.
1965 wurde die ZIG in ZAIG umbenannt und ein einheitliches Auswertungs- und Informationssystem eingeführt, das die Recherche und Selektion von Daten sowie die Organisierung von Informationsflüssen gewährleistete. In den operativen HA und BV erhielt die ZAIG mit den AIG entsprechende "Filialen". Im gleichen Jahr ging Korb in den Ruhestand, Irmler wurde wieder Leiter der Diensteinheit.
1968 wurde auch das Kontrollwesen der Staatssicherheit in die ZAIG eingegliedert, das im Dezember 1953 mit der Kontrollinspektion seinen ersten organisatorischen Rahmen erhalten hatte und 1957 mit der Umbenennung in AG Anleitung und Kontrolle erheblich qualifiziert worden war.
1969 erhielt die ZAIG auch die Verantwortung für den Einsatz der EDV. Das im Aufbau begriffene Rechenzentrum (Abt. XIII) wurde ihr unterstellt. In der ersten Hälfte der 70er Jahre bildeten sich vier Arbeitsbereiche der ZAIG heraus. Bereich 1: konkrete Auswertungs- und Informationstätigkeit und Berichterstattung an die politische Führung; Bereich 2: Kontrollwesen, die Erarbeitung von dienstlichen Bestimmungen sowie Prognose- und Planungsaufgaben; Bereich 3: Fragen der EDV; Bereich 4: Pflege und Weiterentwicklung der "manuellen" Bestandteile des Auswertungs- und Informationssystems. 1979 erhielt dieser Bereich auch die Verantwortung für das SOUD ("ZAIG/5").
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Die Entwicklung demokratischer Reformen in den Ostblockstaaten Ungarn und Polen wurde von der DDR-Regierung sehr genau verfolgt. Die Staatssicherheit berichtete der Partei- und Staatsführung über die halbfreien Parlamentswahlen in Polen am 4. Juni 1989 und dem Sieg der oppositionellen Gewerkschaft Solidarność.
Im Sommer 1989 war bereits seit Monaten zu erkennen, dass sich die DDR-Führung mit ihrem reformfeindlichen Kurs von den Entwicklungen der anderen Warschauer-Pakt-Staaten isolierte (vgl. 7.4.1989). Auch der SED-Spitze war das nicht verborgen geblieben, sie wiegte sich aber in dem Glauben, die DDR sei eine Insel der Stabilität, während die Reformstaaten (Ungarn, Polen und Sowjetunion) immer tiefer in Turbulenzen gerieten. Im Juni und Juli 1989 kamen mehrere Ereignisse zusammen, die zeigten, wie illusionär die Auffassung war, die DDR könne sich dem entziehen.
Im Nachbarland Polen errang die oppositionelle Solidarność bei den ersten halbfreien Wahlen am 4. und am 18. Juni 1989 einen erdrutschartigen Sieg. Bei den Verhandlungen am Runden Tisch beharrte die regierende "Koalition" aus Polnischer Vereinigter Arbeiterpartei (PVAP) und Blockparteien (Bauernpartei und Demokratische Partei) für die halbfreien Wahlen auf einem festen Kontingent von 65 Prozent der Mandate des Sejm (des Parlaments).
Für die gleichzeitigen Wahlen zur zweiten Kammer, des Senats, gab es eine solche Einschränkung der Wahlfreiheit nicht. Es wurde nach dem Mehrheitswahlrecht gewählt, was zum Sieg von Solidarność beitrug. So errang Solidarność im 1. Wahlgang am 4. Juni mit einem Stimmenanteil von 64 Prozent bereits 92 der 100 Senatssitze (über die restlichen 8 Sitze musste am 16. Juni in einer Stichwahl entschieden werden).
Der vorliegende Bericht der Staatssicherheit dokumentiert, dass die polnischen Kommunisten auf echte Wahlen geistig und konzeptionell nicht vorbereitet waren, und dass auf der anderen Seite die Opposition davor zurückschreckte, eventuell in die Regierung eintreten zu müssen.
Frustration und Unzufriedenheit zu einer emotionellen Entladung geführt hätten. Die PVAP sei sich auch der Wirkung der seit Wochen verschlechterten Marktlage bewußt.
Genosse Czyrek betonte intern, das Wahlergebnis sei in dieser Form nicht erwartet worden, der 2. Wahlgang werde an diesem Bild auch nichts ändern. Die Realität erfordere, die Macht zu teilen.
Das Politbüro des ZK der PVAP hat den Parteimitgliedern in einem Brief an die Parteiorganisationen die Aufgabe gestellt, den 2. Wahlgang intensiv vorzubereiten und gegen eine niedrige Wahlbeteiligung zu kämpfen.
In einem Kommunique der "Verständigungskommission" des "Runden Tisches" vom 9. Juni wurde unterstrichen, daß die Nichtbesetzung von 33 Mandaten der Landesliste die vereinbarte Sitzaufteilung im Parlament verändere und zudem der Verfassung entgegenstünde, die 460 Sejm-Abgeordnete vorsehe. In Übereinstimmung mit dem Kommunique der Verständigungskommission wurde durch den Staatsrat der VR Polen am 12. Juni ein Dekret über die Veränderung der Wahlordnung erlassen, um das am "Runden Tisch" festgelegte Kräfteverhältnis im Sejm zu wahren. Der Staatsrat setzte eine Nachwahl für die beim 1. Wahlgang nicht besetzten 33 Mandate der Landesliste für den 18. Juni 1989 an. Ursprünglich war für die Landesliste kein zweiter
Wahlgang vorgesehen. Gemäß dem Dekret des Staatsrates wurden 66 neue Kandidaten benannt und auf 33 Wahlkreise verteilt.
Polnische Genossen verweisen in diesem Zusammenhang darauf, daß die Gewährleistung des vereinbarten Kräfteverhältnisses im Sejm auch wichtig für die Schaffung einer sicheren Mehrheit in der Nationalversammlung bei der Präsidentenwahl sein werde.
In den letzten Tagen führten Wahlstäbe der Opposition Treffen mit Kandidaten der PVAP bzw. der Koalitionspartner, die Sympathie für "Solidarnosc" erkennen lassen, durch. Für diese Kandidaten soll das Wählerpotential der "Solidarnosc" mobilisiert werden.
Auf einer Konsultation der Parteiführung mit ZK-Mitgliedern wurde die Befürchtung zum Ausdruck gebracht, daß nach der Wahlniederlage nunmehr auch im 2. Wahlgang kein einheitliches Vorgehen der Mitglieder der Partei zu erreichen sein werde.
Die ZAIG war das "Funktionalorgan" des Ministers für Staatssicherheit, die Schaltstelle im MfS, in der nahezu alle komplexen Stabsfunktionen konzentriert waren: die zentrale Auswertung und Information, einschließlich der Berichterstattung an die politische Führung, die Optimierung der entsprechenden Verfahren und Strukturen im Gesamtapparat des MfS, die zentralen Kontrollen und Untersuchungen und die Analyse der operativen Effektivität des MfS, die zentrale Planung und die Erarbeitung dienstlicher Bestimmungen, zudem die übergeordneten Funktionen im Bereich EDV sowie die Gewährleistung des internationalen Datenaustauschsystems der kommunistischen Staatssicherheitsdienste (SOUD). Nach der Eingliederung der Abteilung Agitation 1985 waren auch die Öffentlichkeitsarbeit und die Traditionspflege des MfS in der ZAIG als "Bereich 6" funktional verankert. Die ZAIG war im direkten Anleitungsbereich des Ministers angesiedelt; ihr waren zuletzt die formal selbständigen Abt. XII, XIII (Rechenzentrum) und die Rechtsstelle fachlich unterstellt.
Die ZAIG geht auf die nach dem Juniaufstand 1953 gegründete und von Heinz Tilch geleitete Informationsgruppe (IG) der Staatssicherheitszentrale zurück, die erstmals eine regelmäßige Lage- und Stimmungsberichterstattung für die Partei- und Staatsführung hervorbrachte. Diese entwickelte sich 1955/56 zur Abteilung Information mit drei Fachreferaten, wurde aber 1957 als Resultat des Konfliktes zwischen Ulbricht und Wollweber wieder stark reduziert. 1957 erhielt die Abteilung mit Irmler einen neuen Leiter, der jedoch bereits 1959 vom ehemaligen stellv. Leiter der HV A Korb abgelöst und zum Stellvertreter zurückgestuft wurde. Gleichzeitig wurde die Diensteinheit in Zentrale Informationsgruppe (ZIG) umbenannt; von da an lief auch die bisher eigenständige Berichterstattung der HV A über sie. 1960 wurde die Berichterstattung an die politische Führung durch einen Ministerbefehl präzise geregelt, und die ZIG erhielt mit der Neueinrichtung von Informationsgruppen in den BV und operativen HA einen soliden Unterbau.
1965 wurde die ZIG in ZAIG umbenannt und ein einheitliches Auswertungs- und Informationssystem eingeführt, das die Recherche und Selektion von Daten sowie die Organisierung von Informationsflüssen gewährleistete. In den operativen HA und BV erhielt die ZAIG mit den AIG entsprechende "Filialen". Im gleichen Jahr ging Korb in den Ruhestand, Irmler wurde wieder Leiter der Diensteinheit.
1968 wurde auch das Kontrollwesen der Staatssicherheit in die ZAIG eingegliedert, das im Dezember 1953 mit der Kontrollinspektion seinen ersten organisatorischen Rahmen erhalten hatte und 1957 mit der Umbenennung in AG Anleitung und Kontrolle erheblich qualifiziert worden war.
1969 erhielt die ZAIG auch die Verantwortung für den Einsatz der EDV. Das im Aufbau begriffene Rechenzentrum (Abt. XIII) wurde ihr unterstellt. In der ersten Hälfte der 70er Jahre bildeten sich vier Arbeitsbereiche der ZAIG heraus. Bereich 1: konkrete Auswertungs- und Informationstätigkeit und Berichterstattung an die politische Führung; Bereich 2: Kontrollwesen, die Erarbeitung von dienstlichen Bestimmungen sowie Prognose- und Planungsaufgaben; Bereich 3: Fragen der EDV; Bereich 4: Pflege und Weiterentwicklung der "manuellen" Bestandteile des Auswertungs- und Informationssystems. 1979 erhielt dieser Bereich auch die Verantwortung für das SOUD ("ZAIG/5").
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