Signatur: BStU, MfS, VRD, Nr. 11143, Bl. 153-163
Die DDR praktizierte eine israelfeindliche Politik, doch parallel dazu bemühte sich die SED-Führung in den 80er Jahren, die Sympathien von Menschen jüdischen Glaubens im In- und Ausland zu gewinnen. Dafür griff die Regierung sogar in Bauprojekte ein. Auch die Stasi, die mehrere Bauvorhaben auf einem am Adass-Jisroel-Friedhof angelagerten Gelände verfolgte, hatte dabei das Nachsehen.
Ab Mitte der 80er Jahre widmete die SED-Führung den jüdischen Bürgerinnen und Bürgern in der DDR zunehmend fürsorgliche Aufmerksamkeit. Grund dafür waren handfeste wirtschaftliche und außenpolitische Interessen. Man wollte jüdische Lobbyisten in den Vereinigten Staaten als Fürsprecher gewinnen, um Vorteile im Außenhandel zu erhalten und die Beziehungen zu den USA zu verbessern. Die neue Akzentuierung zeigte sich unter anderem darin, dass ab 1985 auch jüdische Widerstandskämpfer und Opfer geehrt wurden.
Für den jüdischen Friedhof an der Herbert-Baum-Straße in Berlin-Weißensee griff die DDR-Führung direkt in die Ost-Berliner Verkehrsplanung ein. Über das Gelände sollte eine Straße gebaut werden. Im März 1983 notierte die Stasi erste Proteste dagegen, im September 1986 schrieb der Vorsitzende der jüdischen Gemeinde West-Berlins, Heinz Galinski, in dieser Sache an Erich Honecker. Er bat darum, den Autobahnbau zu stoppen. Die SED-Führung ordnete den Baustopp an, um Galinskis Wohlwollen gegenüber der DDR-Führung zu gewinnen, so beschreibt es der Staatssekretär für Kirchenfragen in einer Information.
Eine ähnliche Situation, ebenfalls in Weißensee, ergab sich auf einem dem Adass-Jisroel-Friedhof angelagertem Gelände an der Wittlicher Straße. Hier plante ausgerechnet die Stasi ein Gebäude für zwei Kreisdienststellen sowie zwei Wohnblocks für ihre Mitarbeiter. Die bereits begonnenen Bauarbeiten seit Juni 1986 wurden nach massiven Protesten der Adass-Jisroel-Gemeinde aus West-Berlin ebenfalls abgebrochen. Selbst die Stasi hatte nicht ausreichend Hausmacht, um sich gegen den Wunsch der SED-Führung nach Beilegung des Streits mit Adass Jisroel und besseren Beziehungen zu jüdischen Vereinigungen durchzusetzen.
In der vorliegenden Information über das Bauvorhaben argumentiert MfS-Oberst Studt, Leiter des Bereichs Bauwesen der Verwaltung Rückwärtige Dienste (VRD), dass das Gelände nicht zum Friedhofsbereich gehöre und "die Rechtslage nicht zu beanstanden" sei. Auch gäbe es keine Hinweise auf früher erfolgte Bestattungen auf dem Gelände. Nachdem die Bauarbeiten gestoppt wurden, wies Stasi-Minister Erich Mielke an, unverzüglich einen anderen Standort für die dort geplanten Bauvorhaben des MfS zu bestimmen.
Zur Beantwortung der Eingabe erfolgt noch eine Abstimmung des stellvertretenden Oberbürgermeisters für Inneres, mit dem Gen. Krack.
Derzeitiger Bautenstand:
- das Gelände ist eingezäumt, als Baustelle kenntlich gemacht;
- die Kulturbodenschicht ist vom gesamten Gelände abgeschoben und abtransportiert;
- die Baugrube für den 1. Wohnblock ist ausgebaggert und die des 2. Wohnblockes ist zu zwei Dritteln fertiggestellt.
Anlagen
[Unterschrift]
Studt
Oberst
[Paraphe]
Die Kreisdienststellen waren neben den Objektdienststellen die territorial zuständigen Diensteinheiten. Sie waren entsprechend den regionalen Gegebenheiten unterschiedlich strukturiert und personell ausgestattet. Einige verfügten über ein Referat zur komplexen Spionageabwehr oder zur Sicherung der Volkswirtschaft und andere nur über spezialisierte Mitarbeiter in diesen Bereichen. Ihre Aufgaben waren die Kontrolle der Wirtschaft, des Verkehrswesens, des Staatsapparates, des Gesundheitswesens, der kulturellen Einrichtungen, der Volksbildung, ggf. von Einrichtungen des Hoch- und Fachschulwesens, wissenschaftlich-technischer Einrichtungen sowie die Überwachung besonders interessierender Personenkreise.
Die Kreisdienststellen waren maßgeblich an den Genehmigungsverfahren für dienstliche bzw. private Auslandsreisen beteiligt, führten Sicherheitsüberprüfungen durch und erstellten Stimmungs- und Lageberichte. Zur Realisierung der Aufgaben bedurfte es einer engen Zusammenarbeit mit den Partnern des POZW, insbesondere mit der Volkspolizei, den Räten und anderen Einrichtungen der Kreise. Die Kreisdienststellen unterhielten ständige Verbindungen zu den SED Kreisleitungen. Zwei Drittel der hauptamtlichen Mitarbeiter der Kreisdienststellen waren operativ tätig. Die Kreisdienststellen führten 50 Prozent der IM und bearbeiteten etwa 60 Prozent der OV zu einzelnen Personen oder Gruppen.
Die Kreisdienststellen gliederten sich in 2 bis 16 Fachreferate sowie das Referat Auswertung und Information (ZAIG) und die Wache/Militärische Sicherungsgruppe. In jeder Kreisdienststelle gab es einen Offizier, der teilweise oder ganz (IM-führender Mitarbeiter/XV) für die Belange der HV A vor Ort zuständig war.
Die Verwaltung Rückwärtige Dienste (VRD) entstand 1974 aus der HA VuW, der HV B und ihr unterstellter bzw. zugeordneter Diensteinheiten sowie der Abteilung Finanzen. Ihre Aufgaben waren die materiell-technische Sicherstellung der Arbeit der MfS-Diensteinheiten, insbesondere durch Planung und Bereitstellung des materiellen Bedarfs, Bestands- und Lagerhaltung sowie der Bilanzierung.
Dazu gehörten auch Sicherungsaufgaben zur Unterbindung jedweder Feindtätigkeit im Anleitungsbereich, vor allem in Betrieben im bzw. beim MfS sowie Erfassung, Lagerung und Verteilung und Verwertung der in den Diensteinheiten des MfS angefallenen Asservate mit Ausnahme von Zahlungsmitteln, Schmuck und Edelmetallen.
Signatur: BStU, MfS, VRD, Nr. 11143, Bl. 153-163
Die DDR praktizierte eine israelfeindliche Politik, doch parallel dazu bemühte sich die SED-Führung in den 80er Jahren, die Sympathien von Menschen jüdischen Glaubens im In- und Ausland zu gewinnen. Dafür griff die Regierung sogar in Bauprojekte ein. Auch die Stasi, die mehrere Bauvorhaben auf einem am Adass-Jisroel-Friedhof angelagerten Gelände verfolgte, hatte dabei das Nachsehen.
Ab Mitte der 80er Jahre widmete die SED-Führung den jüdischen Bürgerinnen und Bürgern in der DDR zunehmend fürsorgliche Aufmerksamkeit. Grund dafür waren handfeste wirtschaftliche und außenpolitische Interessen. Man wollte jüdische Lobbyisten in den Vereinigten Staaten als Fürsprecher gewinnen, um Vorteile im Außenhandel zu erhalten und die Beziehungen zu den USA zu verbessern. Die neue Akzentuierung zeigte sich unter anderem darin, dass ab 1985 auch jüdische Widerstandskämpfer und Opfer geehrt wurden.
Für den jüdischen Friedhof an der Herbert-Baum-Straße in Berlin-Weißensee griff die DDR-Führung direkt in die Ost-Berliner Verkehrsplanung ein. Über das Gelände sollte eine Straße gebaut werden. Im März 1983 notierte die Stasi erste Proteste dagegen, im September 1986 schrieb der Vorsitzende der jüdischen Gemeinde West-Berlins, Heinz Galinski, in dieser Sache an Erich Honecker. Er bat darum, den Autobahnbau zu stoppen. Die SED-Führung ordnete den Baustopp an, um Galinskis Wohlwollen gegenüber der DDR-Führung zu gewinnen, so beschreibt es der Staatssekretär für Kirchenfragen in einer Information.
Eine ähnliche Situation, ebenfalls in Weißensee, ergab sich auf einem dem Adass-Jisroel-Friedhof angelagertem Gelände an der Wittlicher Straße. Hier plante ausgerechnet die Stasi ein Gebäude für zwei Kreisdienststellen sowie zwei Wohnblocks für ihre Mitarbeiter. Die bereits begonnenen Bauarbeiten seit Juni 1986 wurden nach massiven Protesten der Adass-Jisroel-Gemeinde aus West-Berlin ebenfalls abgebrochen. Selbst die Stasi hatte nicht ausreichend Hausmacht, um sich gegen den Wunsch der SED-Führung nach Beilegung des Streits mit Adass Jisroel und besseren Beziehungen zu jüdischen Vereinigungen durchzusetzen.
In der vorliegenden Information über das Bauvorhaben argumentiert MfS-Oberst Studt, Leiter des Bereichs Bauwesen der Verwaltung Rückwärtige Dienste (VRD), dass das Gelände nicht zum Friedhofsbereich gehöre und "die Rechtslage nicht zu beanstanden" sei. Auch gäbe es keine Hinweise auf früher erfolgte Bestattungen auf dem Gelände. Nachdem die Bauarbeiten gestoppt wurden, wies Stasi-Minister Erich Mielke an, unverzüglich einen anderen Standort für die dort geplanten Bauvorhaben des MfS zu bestimmen.
Abschrift der vom Magistrat erarbeiteten Darstellung des Sachverhaltes
Eingabe von Dr. Mario Offenberg zur Abtrennung des Ödlandes (am Brodenbacher Weg) hinter dem Jüdischen Friedhof "Adass Jisroel" in Berlin-Weißensee, Wittlicher Straße und den Baumaßnahmen auf diesem Gelände
Die Jüdische Gemeinde Berlin hat dem Magistrat angeboten, dieses Ödland zu übernehmen. Entsprechende Angebote wurden durch Dr Kirchner, Vorsitzender der JG gegenüber dem Stobi gen G.Hofmann (im Juli 1980) und gegenüber dem Leiter der Arbeitsgruppe Kirchen-Fragen im ZK der SED, Gen. R. Bellmann gemacht (September 1981).
Im November 1982 stellte die JG einen schriftlichen Antrag an den Magistrat Abt. Finanzen.
Ursache für das Bemühen der JG dieses Geländer abzugeben waren die zunehmenden Beschwerden über den Pflegezustand des Friedhofes. Der Friedhof, der sich vom Ödland darin unterscheidet, daß er entsprechend gestaltet ist (Wegenetz, landschaftsgärtnerische Anlage, Abteilungen und Bewuchs) ist mit einer Mauer umfriedet, aber zum Ödland offen. Die provisorische Abgrenzung zum Ödland ein Drahtzaun, war in einem schlechten Zustand, so daß von dort Unbefugte auf den Friedhof gelangen konnte. Das hatte zum Teil mutwillige Zerstörungen zur Folge, auch Unrat gelangte so auf den Friedhof. Diese Umstände wirkten sich besonders negativ auf den Pflegezustand des Friedhofes aus. Deshalb war die JG daran interessiert, daß der neue Rechtsträger baldmöglichst eine Mauer als Abgrenzung zum Friedhof errichtet.
Nach Prüfung des Antrages und Abstimmung mit dem Staatssekretär für Kirchenfragen wurde der Erwerb des Ödlandes eingeleitet. Da es auf der nach 1945 entstandenen Rechtslage ein Kaufvertrag nicht möglich ist wurde, nach Abstimmung mit dem Amt für Rechtsschutz bei der Regierung der DDR, der JG für diese Fläche eine Entschädigung in Höhe des Kaufpreise aus "Billigkeitsgründen" gezahlt. Die JG bestätigte, daß sie per 23.12.1982 für die obengenannte Fläche 28.456 M erhalten hat.
Die Grundstücksgrenze wurde so festgelegt, daß sich alle Gräber und Urnenstellen (das Spandauer Feld und auch die 1942/43 beigesetzten Urnen) im Bereich des Friedhofes befinden. Schon die in Vorbereitung der Abtrennung des Ödlandes durchgeführten Prüfungen (an Unterlagen der Jüdischen Gemeinde) ergab, daß es auf das Ödland keine Beisetzungen gab. Im Jahre 1984 hat der neue Rechtsträger die gewünschte Mauer zum Friedhof errichten lassen. Bei den Erdarbeiten für die Mauer gab es keinerlei Anzeichen bzw. hinwiese auf Urnen oder Gräber.
Die Kirchen gerieten nicht selten unter Verdacht, gegen die politischen Verhältnisse in der DDR zu opponieren. Das lag an ihrer weitgehenden Eigenständigkeit, an der christlichen Botschaft, die von den kommunistischen Ideologen als konkurrierendes Sinn- und Erklärungsangebot abgelehnt wurde, sowie an ihrem Beharren auf Mitsprache und Gestaltungsanspruch in gesellschaftlichen Fragen. Im Auftrag der SED wurde daher das MfS tätig, um die von den Kirchen ausgehenden vermeintlichen und tatsächlichen Gefahren für das politisch-ideologische System der DDR abzuwehren.
Die SED-Kirchenpolitik war in den vier Jahrzehnten der DDR Wandlungen unterworfen. In den 50er Jahren führte die SED mehrfach einen offenen Kirchenkampf. Dieser richtete sich u. a. gegen die kirchliche Jugend- und Studentenarbeit, v. a. bei der Einführung der Jugendweihe, sowie gegen karitative Einrichtungen wie die Bahnhofsmissionen. Mehrere Religionsgemeinschaften wurden verboten und deren Anhänger verfolgt.
Die SED war zudem bestrebt, die Verlesung von solchen Hirtenbriefen und Kanzelabkündigungen zu unterbinden, in denen sozialethische, gesellschaftskritische oder politische Fragen aufgegriffen wurden. Von der Polizei und dem MfS wurden kirchliche Einrichtungen durchsucht und Literatur beschlagnahmt. Neben kirchlichen Mitarbeitern wurden unter Mitwirkung des MfS auch Pfarrer – zwischen 1950 und 1960 mindestens 140 – inhaftiert.
Ab den 60er Jahren beschränkte sich die SED zunehmend darauf, durch eine rigorose Auslegung der Veranstaltungsordnung unerwünschte kirchliche Aktivitäten zu behindern. Das offizielle Eindringen in kirchliche Räume wie im November 1987, als es nachts in der Zionsgemeinde in Ostberlin zu Durchsuchungen und Festnahmen kam, war in den 70er und 80er Jahren eher untypisch, weil dies die Staat-Kirche-Beziehungen erheblich belastete. Vor allem seit 1978 bemühte sich die SED, ein Stillhalteabkommen zwischen Kirchenleitungen und Staat zu respektieren.
Das MfS versuchte aber stets, indirekt Einfluss auf kirchliche Entscheidungen zu nehmen. Dies und die verdeckte Informationsbeschaffung zählten zu den Hauptbetätigungsfeldern des MfS im Rahmen der von der SED konzipierten Kirchenpolitik. Die Informationsbeschaffung erfolgte mittels Observation, IM-Einsatz und auf dem Weg der sog. Gesprächsabschöpfung. Dabei gelang es in Einzelfällen auch, Christen in kirchlichen Leitungspositionen als IM zu gewinnen.
So arbeitete der thüringische Kirchenjurist und Oberkirchenrat Gerhard Lotz seit 1955 mit dem MfS als IM "Karl" zusammen. Durch die Positionierung eines Offiziers im besonderen Einsatz im Konsistorium in Magdeburg, Detlev Hammer, der ab 1974 juristischer, dann Oberkonsistorialrat war, vermochte es das MfS, einen hauptamtlichen Mitarbeiter innerhalb der Leitungsstruktur der provinzsächsischen Kirche zu platzieren. Außerdem hatte das MfS gegenüber den Kirchen dann tätig zu werden, wenn Verdachtsmomente dafür vorlagen, dass die Kirchen über den ihnen von der SED zugewiesenen religiös-kultischen Bereich hinaus tätig wurden.
Dementsprechend observierte das MfS Kirchengemeinden und Pfarrer, die – wie es beim MfS hieß – im Rahmen der "Partnerschaftsarbeit" Besuchskontakt zu Kirchengemeinden in der Bundesrepublik unterhielten. Das MfS legte hierzu OV an und ermittelte gegen die Organisatoren der Zusammenkünfte.
Als Ziele der MfS-Aufklärung galten ebenso kirchliche Synoden und Basistreffen, auf denen grundsätzlich die potenzielle Gefahr bestand, dass Kritik an den Verhältnissen in der DDR geübt werden würde. In das Blickfeld des MfS rückten die evangelischen Kirchen insbesondere ab Mitte der 70er Jahre: Zunächst rief die auch unter nichtkirchlichen Jugendlichen an Attraktivität gewinnende kirchliche Jugendarbeit, dann die Friedens-, Umwelt- und Menschenrechtsarbeit unter dem Dach der Kirche den Argwohn des MfS hervor.
Insgesamt war das MfS nur eine von mehreren Institutionen des SED-Staates, die im Rahmen der SED-Kirchenpolitik tätig wurden. Im Zusammenspiel mit ihnen versuchte das MfS, die Kirchen zu kontrollieren und zu disziplinieren.
In Auswertung der kirchenpolitischen Kampagnen der 50er Jahre und bestärkt durch konzeptionelle Arbeiten, drängte die SED-Führung ab Anfang der 80er Jahre zunehmend auf ein koordiniertes Vorgehen. Die vom MdI und den Abteilungen für Inneres erstellten Rapportmeldungen, Berichte und Personeneinschätzungen zu Gottesdiensten und kirchlichen Mitarbeitern wurden vereinbarungsgemäß dem MfS zur Verfügung gestellt und bildeten häufig den Grundstock jener Berichte und Personencharakteristiken, die sich in den Beständen des MfS wiederfinden.
Bereits vor Gründung des MfS hatte bei der Deutschen Verwaltung des Innern in der Abteilung K 5 das Referat C 3 existiert. Als Aufgabenbeschreibung wurde die "Aufklärung und Bekämpfung der kirchlichen Feindtätigkeit" genannt. Ab 1950 bestand im MfS zunächst die Abteilung V, die sich ab 1953 Hauptabteilung V nannte und 1964 im Zuge einer Umstrukturierung zur Hauptabteilung XX wurde.
Innerhalb dieser Organisationsstruktur zeichnete die Abt. 4 für die "Bearbeitung" der Kirchen verantwortlich. 1988 gliedert sich diese in sechs Fachreferate, wobei je eins für die evangelischen Kirchen, die katholische Kirche sowie die Religionsgemeinschaften und Sekten zuständig war. Ein Referat widmete sich Operativen Vorgängen. Als Schwerpunkt der Arbeit wurde die "Bekämpfung der politischen Untergrundtätigkeit" benannt. Zwei weitere Referate nahmen koordinierende Funktionen wahr.
Neben der Hauptabteilung XX/4 stützte sich das MfS bei der Bekämpfung und Infiltration der Kirchen auf die Zuarbeit verschiedener Hauptabteilungen und Abteilungen - so u. a. auf die Dienste der HV A bei der "Aufklärung" von westlichen Partnergemeinden und Pfarrern, die die kirchliche Friedensarbeit in den ostdeutschen Gemeinden unterstützten. Im Fall der Inhaftierung kirchlicher Mitarbeiter übernahm die Hauptabteilung IX als Untersuchungsorgan den Vorgang.
Hinzu kamen andere institutionalisierte Formen der "Bearbeitung". Als politisch-ideologische fungierte ab 1958 das Referat Familienforschung, das Verwicklungen missliebiger Kirchenvertreter in das NS-Regime aufdecken oder konstruieren sollte, um die so Diffamierten unter Druck setzen zu können. Angesiedelt war es beim Deutschen Zentralarchiv in Potsdam. Es verwaltete verschiedene aus NS-Beständen stammende Unterlagen und wertete sie aus. Dabei handelte es sich um eine verdeckt arbeitende Einrichtung des MfS.
Um den steigenden Informationsbedarf – unter Berücksichtigung der Spezifik kirchlicher und religiöser Angelegenheiten – zu decken und um Sonderaufträge u. a. auch im Ausland ausführen zu können, etablierte das MfS 1960 die sog. Auswertungsgruppe, die dem Referat V zugeordnet wurde. In einem konspirativen Objekt in Berlin-Pankow ("Institut Wandlitz") arbeiteten hauptamtliche IM und mehrere OibE zusammen.
Seine "Absicherung" fand das Vorgehen des MfS gegenüber den Kirchen durch ein umfangreiches Netz von OibE und IM, die das MfS im Staatssekretariat für Kirchenfragen und in den Kirchenabteilungen der DDR-Bezirke unterhielt. 1989 gab es im Staatssekretariat drei OibE; zudem berichtete der persönliche Referent und Büroleiter der Staatssekretäre Hans Seigewasser und Klaus Gysi, Horst Dohle, ab 1975 als IM "Horst" dem MfS. Insgesamt aber gelang es dem MfS nicht, die Kirchen umfassend zu unterwandern.
Die Kreisdienststellen waren neben den Objektdienststellen die territorial zuständigen Diensteinheiten. Sie waren entsprechend den regionalen Gegebenheiten unterschiedlich strukturiert und personell ausgestattet. Einige verfügten über ein Referat zur komplexen Spionageabwehr oder zur Sicherung der Volkswirtschaft und andere nur über spezialisierte Mitarbeiter in diesen Bereichen. Ihre Aufgaben waren die Kontrolle der Wirtschaft, des Verkehrswesens, des Staatsapparates, des Gesundheitswesens, der kulturellen Einrichtungen, der Volksbildung, ggf. von Einrichtungen des Hoch- und Fachschulwesens, wissenschaftlich-technischer Einrichtungen sowie die Überwachung besonders interessierender Personenkreise.
Die Kreisdienststellen waren maßgeblich an den Genehmigungsverfahren für dienstliche bzw. private Auslandsreisen beteiligt, führten Sicherheitsüberprüfungen durch und erstellten Stimmungs- und Lageberichte. Zur Realisierung der Aufgaben bedurfte es einer engen Zusammenarbeit mit den Partnern des POZW, insbesondere mit der Volkspolizei, den Räten und anderen Einrichtungen der Kreise. Die Kreisdienststellen unterhielten ständige Verbindungen zu den SED Kreisleitungen. Zwei Drittel der hauptamtlichen Mitarbeiter der Kreisdienststellen waren operativ tätig. Die Kreisdienststellen führten 50 Prozent der IM und bearbeiteten etwa 60 Prozent der OV zu einzelnen Personen oder Gruppen.
Die Kreisdienststellen gliederten sich in 2 bis 16 Fachreferate sowie das Referat Auswertung und Information (ZAIG) und die Wache/Militärische Sicherungsgruppe. In jeder Kreisdienststelle gab es einen Offizier, der teilweise oder ganz (IM-führender Mitarbeiter/XV) für die Belange der HV A vor Ort zuständig war.
Die Verwaltung Rückwärtige Dienste (VRD) entstand 1974 aus der HA VuW, der HV B und ihr unterstellter bzw. zugeordneter Diensteinheiten sowie der Abteilung Finanzen. Ihre Aufgaben waren die materiell-technische Sicherstellung der Arbeit der MfS-Diensteinheiten, insbesondere durch Planung und Bereitstellung des materiellen Bedarfs, Bestands- und Lagerhaltung sowie der Bilanzierung.
Dazu gehörten auch Sicherungsaufgaben zur Unterbindung jedweder Feindtätigkeit im Anleitungsbereich, vor allem in Betrieben im bzw. beim MfS sowie Erfassung, Lagerung und Verteilung und Verwertung der in den Diensteinheiten des MfS angefallenen Asservate mit Ausnahme von Zahlungsmitteln, Schmuck und Edelmetallen.
Signatur: BStU, MfS, VRD, Nr. 11143, Bl. 153-163
Die DDR praktizierte eine israelfeindliche Politik, doch parallel dazu bemühte sich die SED-Führung in den 80er Jahren, die Sympathien von Menschen jüdischen Glaubens im In- und Ausland zu gewinnen. Dafür griff die Regierung sogar in Bauprojekte ein. Auch die Stasi, die mehrere Bauvorhaben auf einem am Adass-Jisroel-Friedhof angelagerten Gelände verfolgte, hatte dabei das Nachsehen.
Ab Mitte der 80er Jahre widmete die SED-Führung den jüdischen Bürgerinnen und Bürgern in der DDR zunehmend fürsorgliche Aufmerksamkeit. Grund dafür waren handfeste wirtschaftliche und außenpolitische Interessen. Man wollte jüdische Lobbyisten in den Vereinigten Staaten als Fürsprecher gewinnen, um Vorteile im Außenhandel zu erhalten und die Beziehungen zu den USA zu verbessern. Die neue Akzentuierung zeigte sich unter anderem darin, dass ab 1985 auch jüdische Widerstandskämpfer und Opfer geehrt wurden.
Für den jüdischen Friedhof an der Herbert-Baum-Straße in Berlin-Weißensee griff die DDR-Führung direkt in die Ost-Berliner Verkehrsplanung ein. Über das Gelände sollte eine Straße gebaut werden. Im März 1983 notierte die Stasi erste Proteste dagegen, im September 1986 schrieb der Vorsitzende der jüdischen Gemeinde West-Berlins, Heinz Galinski, in dieser Sache an Erich Honecker. Er bat darum, den Autobahnbau zu stoppen. Die SED-Führung ordnete den Baustopp an, um Galinskis Wohlwollen gegenüber der DDR-Führung zu gewinnen, so beschreibt es der Staatssekretär für Kirchenfragen in einer Information.
Eine ähnliche Situation, ebenfalls in Weißensee, ergab sich auf einem dem Adass-Jisroel-Friedhof angelagertem Gelände an der Wittlicher Straße. Hier plante ausgerechnet die Stasi ein Gebäude für zwei Kreisdienststellen sowie zwei Wohnblocks für ihre Mitarbeiter. Die bereits begonnenen Bauarbeiten seit Juni 1986 wurden nach massiven Protesten der Adass-Jisroel-Gemeinde aus West-Berlin ebenfalls abgebrochen. Selbst die Stasi hatte nicht ausreichend Hausmacht, um sich gegen den Wunsch der SED-Führung nach Beilegung des Streits mit Adass Jisroel und besseren Beziehungen zu jüdischen Vereinigungen durchzusetzen.
In der vorliegenden Information über das Bauvorhaben argumentiert MfS-Oberst Studt, Leiter des Bereichs Bauwesen der Verwaltung Rückwärtige Dienste (VRD), dass das Gelände nicht zum Friedhofsbereich gehöre und "die Rechtslage nicht zu beanstanden" sei. Auch gäbe es keine Hinweise auf früher erfolgte Bestattungen auf dem Gelände. Nachdem die Bauarbeiten gestoppt wurden, wies Stasi-Minister Erich Mielke an, unverzüglich einen anderen Standort für die dort geplanten Bauvorhaben des MfS zu bestimmen.
Zu der Feststellung von Dr. Offenberg, gestützt auf die Erklärung von Herrn Brass "daß auf dem ganzen Gelände des Friedhofes" Urnen beigesetzt wurden, ist das insoweit berechtigt, wenn es sich nur auf das als Friedhof gestaltete und umfriedete Gelände bezieht. In diesem Gelände sind Urnen im Bereich des Spandauer Feldes in den verschiedenen Abteilungen und zum Teil auf Wegen beigesetzt. Das besagen die Unterlagen der JG und das hat sich auch bei der gründlichen Instandsetzung und Säuberung des Friedhofes im Frühjahr 1986 bestätigt.
Dr. Offenberg hat sich beim Baubeginn auf dem Gelände am Brodenbacher Weg am 31.07.1986 an den Staatssekretär für Kirchenfragen gewandt mit der Forderung, die Baumaßnahmen einzustellen. Die von ihm angeführten Gründe sind gleichlautend mit den vorliegenden Eingaben.
Dr. Offenberg wurde Anfang August in der Dienststelle des Staatssekretäre für Kirchenfragen mitgeteilt (Information von Gen. H. Wilke)
- Der neue Rechtsträger hat das Gelände frei von Rechten Dritter erworben. Auf Grund der bestehenden Rechtslage gibt es keine Möglichkeit, Baumaßnahmen zu stoppen.
- Der Baubetrieb, die Bauarbeiter sind angewiesen, sollten trotz gewissenhafter vorheriger Prüfung bei den Erdarbeiten Urnen- bzw. Grabstellen gefunden werden, werden die Arbeiten sofort unterbrochen.
- Unter Hinzuziehung der Jüdischen Gemeinde werden die Urnen- bzw. Grabreste gesichert und geborgen und unter Beachtung jüdischen Ritus auf dem Friedhof beigesetzt.
Ergänzung zum Sachverhalt:
Aus Unterlagen des Magistrats wurde herausgearbeitet, daß das jetzige Baugelände im Jahre 1953 von der Jüdischen Gemeinde einem Gartenbaubetrieb überlassen und von diesem genutzt wurde. Dieser Fakt belegt aktenkundig, daß das jetzige Baugelände nie zum Friedhof gehörte.
Die Kreisdienststellen waren neben den Objektdienststellen die territorial zuständigen Diensteinheiten. Sie waren entsprechend den regionalen Gegebenheiten unterschiedlich strukturiert und personell ausgestattet. Einige verfügten über ein Referat zur komplexen Spionageabwehr oder zur Sicherung der Volkswirtschaft und andere nur über spezialisierte Mitarbeiter in diesen Bereichen. Ihre Aufgaben waren die Kontrolle der Wirtschaft, des Verkehrswesens, des Staatsapparates, des Gesundheitswesens, der kulturellen Einrichtungen, der Volksbildung, ggf. von Einrichtungen des Hoch- und Fachschulwesens, wissenschaftlich-technischer Einrichtungen sowie die Überwachung besonders interessierender Personenkreise.
Die Kreisdienststellen waren maßgeblich an den Genehmigungsverfahren für dienstliche bzw. private Auslandsreisen beteiligt, führten Sicherheitsüberprüfungen durch und erstellten Stimmungs- und Lageberichte. Zur Realisierung der Aufgaben bedurfte es einer engen Zusammenarbeit mit den Partnern des POZW, insbesondere mit der Volkspolizei, den Räten und anderen Einrichtungen der Kreise. Die Kreisdienststellen unterhielten ständige Verbindungen zu den SED Kreisleitungen. Zwei Drittel der hauptamtlichen Mitarbeiter der Kreisdienststellen waren operativ tätig. Die Kreisdienststellen führten 50 Prozent der IM und bearbeiteten etwa 60 Prozent der OV zu einzelnen Personen oder Gruppen.
Die Kreisdienststellen gliederten sich in 2 bis 16 Fachreferate sowie das Referat Auswertung und Information (ZAIG) und die Wache/Militärische Sicherungsgruppe. In jeder Kreisdienststelle gab es einen Offizier, der teilweise oder ganz (IM-führender Mitarbeiter/XV) für die Belange der HV A vor Ort zuständig war.
Die Verwaltung Rückwärtige Dienste (VRD) entstand 1974 aus der HA VuW, der HV B und ihr unterstellter bzw. zugeordneter Diensteinheiten sowie der Abteilung Finanzen. Ihre Aufgaben waren die materiell-technische Sicherstellung der Arbeit der MfS-Diensteinheiten, insbesondere durch Planung und Bereitstellung des materiellen Bedarfs, Bestands- und Lagerhaltung sowie der Bilanzierung.
Dazu gehörten auch Sicherungsaufgaben zur Unterbindung jedweder Feindtätigkeit im Anleitungsbereich, vor allem in Betrieben im bzw. beim MfS sowie Erfassung, Lagerung und Verteilung und Verwertung der in den Diensteinheiten des MfS angefallenen Asservate mit Ausnahme von Zahlungsmitteln, Schmuck und Edelmetallen.
Übersicht der Abteilung XX der Bezirksverwaltung Berlin über jüdische Einrichtungen Dokument, 15 Seiten
Brief von Heinz Galinski, Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde zu Berlin, an Erich Honecker Dokument, 2 Seiten
Information über den Besuch des Vorsitzenden der Jüdischen Gemeinde zu Berlin Heinz Galinski beim Staatssekretär für Kirchenfragen Klaus Gysi Dokument, 3 Seiten
Information über Kontakte "kirchlich-negativer Kreise" zur jüdischen Gemeinde Dokument, 1 Seite