Signatur: BStU, MfS, HA XX, Nr. 13782, Bl. 13
Mit Unverständnis begegneten die Mitarbeiter des DDR-Kulturministeriums der Tatsache, dass Udo Lindenberg ein Konzert in Ost-Berlin gab. Die Stasi verfasste darüber einen Bericht.
Seit den Siebziger Jahren bemühte sich Udo Lindenberg um einen Gastauftritt in der DDR, wo er sich großer Beliebtheit erfreute. Der SED-Führung war der "mittelmäßige Schlagersänger der BRD" allerdings suspekt. Als Lindenberg im Februar 1983 das Lied "Sonderzug nach Pankow" veröffentlichte und darin einen Auftritt im Osten Deutschlands forderte, fühlten sich die Mächtigen in Ost-Berlin provoziert. Honecker, im Text mit reichlich Ironie bedacht, ließ das Lied verbieten.
Am 25. Oktober 1983 gab Udo Lindenberg dennoch ein Konzert im Palast der Republik vor ausgesuchten FDJ-Mitgliedern. In einer Information der Hauptabteilung XX ("Politischer Untergrund") wird die Stimmung der Mitarbeiter des Ministeriums für Kultur zum Ereignis wiedergegeben. Die Informationen könnten von einem Informanten aus dem Ministerium stammen.
Hauptabteilung XX/7
Berlin, 26.10.1983
Information zu dem öffentlichen Auftreten des BRD-Sängers Udo Lindenberg am 25.10.1983 während der Abschlußveranstaltunq der Liedertournee für den Frieden in der DDR
Zahlreiche Mitarbeiter im Ministerium für Kultur sowie nachgeordneter Einrichtungen geben ihren Unwillen darüber zum Ausdruck, daß Lindenberg die Möglichkeit erhielt, in der DDR aufzutreten.
Unzufriedenheit wird darüber geäußert, daß er Gelegenheit erhielt, sich politisch im Sinne westlichen "Friedensvokabolar" zu äußern. Von deutsch-deutscher Eiszeit faselte, von Austausch und gegen sowjetische Raketen auftrat ohne die wirklichen Friedensbemühungen und Vorschläge der UdSSR und der anderen sozialistischen Länder zu würdigen.
Lindenberg wird als eine ganz "fiese Type" bezeichnet, der weder Kunst noch Kultur repräsentiert und durch sein Auftreten nur negative Emotionen verbreitet. Er weckt durch seine Äußerungen, künftig in der DDR auftreten zu dürfen, Erwartungshaltungen unter zahlreichen negativen und politisch schwankenden Jugendlichen.
Von Lindenberg geht eine negative Suggestivkraft aus, die angetan ist, Jugendliche aufzuputschen.
Von Genossen im Ministerium für Kultur wird die Frage gestellt, ob man bei Lindenberg noch von einem vertretbaren Friedenskompromiß sprechen kann.
Die "Lumpen" bekommen durch ihn Auftrieb und die ehrlichen Menschen, die Genossen, bekommen Probleme und Schwierigkeiten wenn sie die Nützlichkeit solcher Auftritte Lindenbergs erklären sollen.
Neben seiner politisch nicht zu akzeptierenden Haltung tritt er mit seinen "Darbietungen" auch die elementarsten Formen der Kultur, der Ästhetik und der Anständigkeit mit Füßen.
Auch von Lehrern der 8. Oberschule in Berlin-Köpenick wird das Auftreten Lindenbergs als politisch nicht geeignet eingeschätzt, da unter Schülern zusätzlich Unklarheiten und Verwirrung auftritt.
Hauptabteilung XX (Staatsapparat, Kultur, Kirchen, Untergrund)
Die Hauptabteilung XX bildete den Kernbereich der politischen Repression und Überwachung der Staatssicherheit. In Struktur und Tätigkeit passte sie sich mehrfach an die sich wandelnden Bedingungen der Herrschaftssicherung an. Die Diensteinheit ging 1964 durch Umbenennung aus der Hauptatbeilung V hervor, die ihrerseits in den Abteilungen V und VI (1950–1953) ihre Vorläufer hatte.
Die Hauptabteilung XX und die ihr nachgeordneten Abteilungen XX in den Bezirksverwaltungen (Linie XX) sowie entsprechende Arbeitsbereiche in den KD überwachten wichtige Teile des Staatsapparates (u. a. Justiz, Gesundheitswesen und bis 1986 das Post- und Fernmeldewesen), die Blockparteien und Massenorganisationen, den Kultur- und Sportbereich, die Medien und die Kirchen sowie SED-Sonderobjekte und Parteibetriebe. Federführend war die Hauptabteilung XX auch bei der Bekämpfung der "politischen Untergrundtätigkeit" (PUT), also der Opposition.
Ab der zweiten Hälfte der 50er Jahre und verstärkt seit dem Beginn der Entspannungspolitik fühlte sich das SED-Regime zunehmend durch die "politisch-ideologische Diversion" (PiD) bedroht. Die Schwächung der "Arbeiter-und-Bauern-Macht" durch "ideologische Aufweichung und Zersetzung" galt als Hauptinstrument des Westens bei der Unterminierung der DDR. Auch bei der Bekämpfung der PiD hatte die Hauptabteilung XX innerhalb des MfS die Federführung.
Das Erstarken der Bürgerrechtsbewegung (Friedens-, Umwelt- und Menschenrechtsgruppen) in der DDR führte in den 80er Jahren zu einem weiteren Bedeutungszuwachs der Linie XX. In der DA 2/85 bestätigte Minister Mielke dementsprechend die Federführung der Hauptabteilung XX bei der Bekämpfung der PUT.
Im Verlauf der fast 40-jährigen Entwicklung der Hauptabteilung XX veränderte sich ihre Struktur mehrfach. In der Endphase verfügte sie über neun operative Abteilungen und vier Funktionalorgane der Leitung (Sekretariat, Arbeitsgruppe der Leitung, Koordinierungsgruppe des Leiters, Auswertungs- und Kontrollgruppe).
Die Hauptabteilung V lag ab 1953 zunächst im unmittelbaren Anleitungsbereich von Mielke in seiner Eigenschaft als 1. Stellvertreter des Staatssicherheitschefs. Ab 1955 war der stellvertretende Minister Bruno Beater und 1964–1974 der stellv. Minister Fritz Schröder auf der Ebene der MfS-Leitung für die Hauptabteilung XX zuständig. Beide waren zuvor selbst (Beater 1953–1955, Schröder 1955–1963) Leiter der Hauptabteilung V. Seit 1975 gehörte die Hauptabteilung XX zum Verantwortungsbereich von Mielkes Stellvertreter Rudi Mittig. Von 1964 bis zur Auflösung des MfS leitete Kienberg die Hauptabteilung XX. Ihm standen seit 1965 zwei Stellvertreter zur Seite.
1954 waren in der Hauptabteilung V insgesamt 139 Mitarbeiter beschäftigt. Im Herbst 1989 verfügte die Hauptabteilung XX über 461 Mitarbeiter, von denen mehr als 200 als IM-führende Mitarbeiter eingesetzt waren.
In den 15 Bezirksverwaltungen waren auf der Linie XX im Oktober 1989 insgesamt knapp 1.000 Kader und damit auf der gesamten Linie XX fast 1.500 hauptamtliche Mitarbeiter im Einsatz. Gleichzeitig konnte allein die Hauptabteilung XX mit etwas mehr als 1.500 IM auf einen überdurchschnittlich hohen Bestand an inoffiziellen Kräften zurückgreifen. Ihrem Aufgabenprofil entsprechend spiegelt sich nicht zuletzt in der Entwicklung der Hauptabteilung XX auch die Geschichte von Opposition, Widerstand und politischer Dissidenz in der DDR. Im Herbst 1989 wurden von der Diensteinheit 31 Operative Vorgänge (10 Prozent aller Operativen Vorgänge im Berliner Ministeriumsbereich) und 59 Operative Personenkontrollen (8,7 Prozent) bearbeitet.
Brief des Generaldirektors der Künstler-Agentur an den Minister für Kultur Dokument, 1 Seite
Zutrittskarte für das Udo-Lindenberg-Konzert am 25.10.1983 Dokument, 1 Seite
IM-Bericht über Meinungen zum Lindenberg-Konzert in Ost-Berlin Dokument, 1 Seite
IM-Bericht über den Kartenverkauf für das Lindenberg-Konzert in Ost-Berlin Dokument, 1 Seite