Signatur: BStU, MfS, HA XVIII, Nr. 21265, Bl. 226-228
Eine inoffizielle Quelle der Stasi berichtete im März 1982 über Probleme im Zusammenhang mit der Zahlungsbilanz der DDR gegenüber dem "nichtsozialistischen Wirtschaftsgebiet" (NSW).
Anfang der 80er Jahre herrschte weltweit eine wirtschaftliche Krisenstimmung. Brisant war die Situation in den Ostblockstaaten. Die Versorgungslage der Bevölkerung war kritisch, die hohen Schulden im Ausland trieben die sozialistischen Staaten zunehmend in den Ruin. Polen erklärte sich bereits 1981 für bankrott, die DDR stand unmittelbar davor. Allein zur Finanzierung ihrer Verbindlichkeiten im Ausland benötigte sie dringend weitere Devisen und neue Kredite, die ihr aber westliche Banken inzwischen verwehrten.
Bei dem vorliegenden Dokument handelt es sich um eine Information der Hauptabteilung XVIII, die im MfS für die Sicherung der Volkswirtschaft zuständig war. Eine inoffizielle Quelle berichtete über Probleme im Zusammenhang mit der Zahlungsbilanz der DDR gegenüber dem NSW. Die Information verdeutlicht auch die unterschiedlichen Vorstellungen der stellvertretenden Finanzministerin Herta König und des ZK-Sekretärs der SED für Wirtschaftsfragen, Günter Mittag, über die Exportentwicklung für das Jahr 1982.
Hauptabteilung XVIII
Berlin, 5. März 1982
Information
Eine inoffizielle Quelle informierte im, Zusammenhang mit der Situation in der Zahlungsbilanz NSW 1982 über folgende Probleme:
1. Der stellvertretende Minister des Ministeriums der Finanzen, Genossin Dr. König, hat in Übereinstimmung mit dem Präsidenten der Deutschen Außenhandelsbank, Genossen Polze, einen persönlichen Standpunkt für Genossen Dr. Mittag in folgender Richtung erarbeitet:
- Da es keine Möglichkeiten gibt, weitere Finanzkredite zur Sicherung der Zahlungsbilanz NSW aufzunehmen, ist es notwendig, eine Umschuldung durchzuführen. Das hat zur Voraussetzung, daß die DDR im Monat Mai 1982 gegenüber den NSW-Gläubigerbanken ihre Zahlungsunfähigkeit erklärt.
Hierzu ist aufgrund der außerordentlichen politischen Auswirkungen eine persönliche Entscheidung des Generalsekretärs des ZK notwendig.
- Es ist zu prüfen, ob im Zusammenhang mit einer erklärten Bereitschaft der BRD, einen größeren Kredit an die DDR auszureichen, der mit entsprechenden politischen Zugeständnissen verbunden sein wird, Verhandlungen mit der BRD aufgenommen werden.
Hierzu ist gleichfalls eine politische Entscheidung des Generalsekretärs des ZK notwendig.
Hauptabteilung XVIII (Volkswirtschaft)
Nach dem Vorbild der "Verwaltung für Wirtschaft" in der sowjetischen Hauptverwaltung für Staatssicherheit erhielt das am 8.2.1950 gebildete MfS eine Einrichtung, die zunächst unter der Bezeichnung Abteilung III bzw. Hauptabteilung III agierte. Vorläufer war die von Mielke geleitete Hauptverwaltung zum Schutz der Volkswirtschaft im MdI. Die Kernaufgaben bestanden in der Sabotageabwehr, im Schutz des Volkseigentums und in der Überwachung der Betriebe. Für die SAG Wismut wurde 1951 eine separate Struktureinheit, die Objektverwaltung "W" gegründet.
1955 wurde die systematische Überprüfung von Leitungskadern (später Sicherheitsüberprüfungen), 1957 der Aufbau des Informantennetzes, die Zusammenarbeit mit staatlichen Leitern und Parteisekretären, der Aufbau von Operativgruppen und Objektdienststellen sowie die Gewinnung von IM für Schlüsselpositionen in wirtschaftsleitenden Organen, Betrieben und Institutionen etabliert. Mit der Auflösung der Abteilung VI erhielt die HA III den Auftrag zur Sicherung volkswirtschaftlicher Maßnahmen auf dem Gebiet der Landesverteidigung.
1964 erfolgte im Zusammenhang mit den Reformen in der DDR-Volkswirtschaft die Umbenennung der HA III in HA XVIII. Die neue Struktur basierte auf dem Produktionsprinzip, das zunächst auf die führenden Wirtschaftszweige Bau und Industrie fokussiert war. Andere Wirtschaftsobjekte wurden nach dem Territorialprinzip von den Kreisdienststellen bearbeitet. Der HA XVIII in der Zentrale entsprachen gemäß dem Linienprinzip auf der Bezirksebene die Abteilungen XVIII der Bezirksverwaltungen. Sicherungsschwerpunkte waren vor allem Außenhandel, Wissenschaft und Technik sowie die Verteidigungsindustrie. Mit der Richtlinie 1/82 wurde der Akzent auf die Gewährleistung der inneren Stabilität verschoben. Strukturelle Auswirkungen hatte insbesondere die Hochtechnologie Mikroelektronik. 1983 wurde die für den Bereich KoKo zuständige AG BKK aus der für den Außenhandel zuständigen Abteilung 7 der HA XVIII herausgelöst.
Zuletzt wies die Organisationsstruktur 6 Arbeitsbereiche und 62 Referate auf. Sie diente vor allem der Aufklärung gegnerischer Geheimdienste ("Arbeit im und nach dem Operationsgebiet"), der inneren Abwehrarbeit in den Betrieben und Institutionen, der Gewährleistung der inneren Stabilität, der Wahrung von Sicherheit, Ordnung und Geheimnisschutz sowie der Unterstützung der Wirtschaft durch "effektivitäts- und leistungsfördernde Maßnahmen". Leiter der HA XVIII waren Knoppe (1950–1953), Hofmann (1953–1957), Weidauer (1957–1963), Mittig (1964–1974) und Kleine (1974–1989). Der hauptamtliche Mitarbeiterbestand stieg 1954–1989 von 93 auf 646, auf der gesamten Linie XVIII waren es zuletzt 1623. 1989 arbeiteten für die Linie XVIII ca. 11.000 IM.
Quelle war eine zentrale IM-Kategorie der Hauptverwaltung A. Als Quelle wurden im sogenannten Operationsgebiet tätige inoffizielle Mitarbeiter bezeichnet, die in der Lage waren, an geheime Informationen über Aktivitäten und Absichten sowie Ressourcen und interne Lagebedingungen gegnerischer Einrichtungen zu gelangen.
Es wurden zwei Typen von Quellen unterschieden:
Zuletzt besaß die HV A (einschließlich der ihr nachgeordneten Abteilungen XV der BV) in der Bundesrepublik und Westberlin 133 A-Quellen und 449 O-Quellen.
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Signatur: BStU, MfS, HA XVIII, Nr. 21265, Bl. 226-228
Eine inoffizielle Quelle der Stasi berichtete im März 1982 über Probleme im Zusammenhang mit der Zahlungsbilanz der DDR gegenüber dem "nichtsozialistischen Wirtschaftsgebiet" (NSW).
Anfang der 80er Jahre herrschte weltweit eine wirtschaftliche Krisenstimmung. Brisant war die Situation in den Ostblockstaaten. Die Versorgungslage der Bevölkerung war kritisch, die hohen Schulden im Ausland trieben die sozialistischen Staaten zunehmend in den Ruin. Polen erklärte sich bereits 1981 für bankrott, die DDR stand unmittelbar davor. Allein zur Finanzierung ihrer Verbindlichkeiten im Ausland benötigte sie dringend weitere Devisen und neue Kredite, die ihr aber westliche Banken inzwischen verwehrten.
Bei dem vorliegenden Dokument handelt es sich um eine Information der Hauptabteilung XVIII, die im MfS für die Sicherung der Volkswirtschaft zuständig war. Eine inoffizielle Quelle berichtete über Probleme im Zusammenhang mit der Zahlungsbilanz der DDR gegenüber dem NSW. Die Information verdeutlicht auch die unterschiedlichen Vorstellungen der stellvertretenden Finanzministerin Herta König und des ZK-Sekretärs der SED für Wirtschaftsfragen, Günter Mittag, über die Exportentwicklung für das Jahr 1982.
Für beide Varianten wird davon ausgegangen, innere Versorgungsfonds für Zusatzexporte gegen Barzahlung in KD einzusetzen.
Genossin Dr. König vertrat dabei die Auffassung, daß es sieh hierbei insbesondere um solche Erzeugnisse wie
Fleisch (hier müßten ca. 25 % der gegenwärtigen Fonds = 300 kt = 700 Mio VM), Zucker, Dieselkraftstoff, Vergaserkraftstoff, Heizöl, und andere Erzeugnisse eingesetzt werden.
Auch dazu sind entsprechende Entscheidungen des Generalsekretärs notwendig, die mit einer entsprechenden Argumentation gegenüber der Bevölkerung verbunden sein müssen.
2. Nach Auffassung der inoffiziellen Quelle wird eine Möglichkeit, die UdSSR um einen Überbrückungskredit zu bitten, deshalb für unmöglich gehalten, weil die UdSSR im Zusammenhang mit umfangreichen Getreideeinkäufen in Kanada und USA, die auf Druck der USA gegen Barzahlung erfolgen, gegenwärtig über keine freien Devisen verfügt.
Die UdSSR hat derzeit bereits im größeren Umfang Goldverkäufe getätigt, die zu einem Absinken der Goldpreise auf dem Weltmarkt geführt haben. Andererseits wird darauf aufmerksam gemacht, daß die UdSSR bereits seit langem die Entwicklung der Beziehungen der DDR zur BRD sowie die Ausnutzung der strategischen Lage unserer Staatsgrenze zur BRD mit Sorge verfolgt.
3. Wie die inoffizielle Quelle weiter berichtete, vertrat Genosse Dr. Mittag die Auffassung, daß die gegenwärtig anstehenden Probleme durch eine Sicherung des NSW-Exportes entkrampft werden müssen. Er hat Genossin Dr. König aufgefordert, dieser Auffassung zu folgen.
Hauptabteilung XVIII (Volkswirtschaft)
Nach dem Vorbild der "Verwaltung für Wirtschaft" in der sowjetischen Hauptverwaltung für Staatssicherheit erhielt das am 8.2.1950 gebildete MfS eine Einrichtung, die zunächst unter der Bezeichnung Abteilung III bzw. Hauptabteilung III agierte. Vorläufer war die von Mielke geleitete Hauptverwaltung zum Schutz der Volkswirtschaft im MdI. Die Kernaufgaben bestanden in der Sabotageabwehr, im Schutz des Volkseigentums und in der Überwachung der Betriebe. Für die SAG Wismut wurde 1951 eine separate Struktureinheit, die Objektverwaltung "W" gegründet.
1955 wurde die systematische Überprüfung von Leitungskadern (später Sicherheitsüberprüfungen), 1957 der Aufbau des Informantennetzes, die Zusammenarbeit mit staatlichen Leitern und Parteisekretären, der Aufbau von Operativgruppen und Objektdienststellen sowie die Gewinnung von IM für Schlüsselpositionen in wirtschaftsleitenden Organen, Betrieben und Institutionen etabliert. Mit der Auflösung der Abteilung VI erhielt die HA III den Auftrag zur Sicherung volkswirtschaftlicher Maßnahmen auf dem Gebiet der Landesverteidigung.
1964 erfolgte im Zusammenhang mit den Reformen in der DDR-Volkswirtschaft die Umbenennung der HA III in HA XVIII. Die neue Struktur basierte auf dem Produktionsprinzip, das zunächst auf die führenden Wirtschaftszweige Bau und Industrie fokussiert war. Andere Wirtschaftsobjekte wurden nach dem Territorialprinzip von den Kreisdienststellen bearbeitet. Der HA XVIII in der Zentrale entsprachen gemäß dem Linienprinzip auf der Bezirksebene die Abteilungen XVIII der Bezirksverwaltungen. Sicherungsschwerpunkte waren vor allem Außenhandel, Wissenschaft und Technik sowie die Verteidigungsindustrie. Mit der Richtlinie 1/82 wurde der Akzent auf die Gewährleistung der inneren Stabilität verschoben. Strukturelle Auswirkungen hatte insbesondere die Hochtechnologie Mikroelektronik. 1983 wurde die für den Bereich KoKo zuständige AG BKK aus der für den Außenhandel zuständigen Abteilung 7 der HA XVIII herausgelöst.
Zuletzt wies die Organisationsstruktur 6 Arbeitsbereiche und 62 Referate auf. Sie diente vor allem der Aufklärung gegnerischer Geheimdienste ("Arbeit im und nach dem Operationsgebiet"), der inneren Abwehrarbeit in den Betrieben und Institutionen, der Gewährleistung der inneren Stabilität, der Wahrung von Sicherheit, Ordnung und Geheimnisschutz sowie der Unterstützung der Wirtschaft durch "effektivitäts- und leistungsfördernde Maßnahmen". Leiter der HA XVIII waren Knoppe (1950–1953), Hofmann (1953–1957), Weidauer (1957–1963), Mittig (1964–1974) und Kleine (1974–1989). Der hauptamtliche Mitarbeiterbestand stieg 1954–1989 von 93 auf 646, auf der gesamten Linie XVIII waren es zuletzt 1623. 1989 arbeiteten für die Linie XVIII ca. 11.000 IM.
Quelle war eine zentrale IM-Kategorie der Hauptverwaltung A. Als Quelle wurden im sogenannten Operationsgebiet tätige inoffizielle Mitarbeiter bezeichnet, die in der Lage waren, an geheime Informationen über Aktivitäten und Absichten sowie Ressourcen und interne Lagebedingungen gegnerischer Einrichtungen zu gelangen.
Es wurden zwei Typen von Quellen unterschieden:
Zuletzt besaß die HV A (einschließlich der ihr nachgeordneten Abteilungen XV der BV) in der Bundesrepublik und Westberlin 133 A-Quellen und 449 O-Quellen.
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