Signatur: BStU, MfS, ZAIG, Nr. 5730, Bl. 1-4
Im SED-SPD-Grundsatzpapier zeigt sich der Wille der handelnden Akteure, an der friedlichen Koexistenz beider deutscher Staaten festzuhalten. Das MfS wies auf die Bedenken und Einwände aus den verschiedenen Kreisen der SPD hin.
Zunächst von der Öffentlichkeit fast unbemerkt führten SED und SPD von 1984 bis 1987 intensive Gespräche, die 1987 in eine gemeinsame Erklärung mündeten. In den Gesprächen zwischen der Akademie für Gesellschaftswissenschaften beim ZK der SED und der Grundwertekommission der SPD wurden weltanschauliche und politische Grundsatzfragen diskutiert. Dies galt in einer Phase verschärfter Spannungen zwischen Ost und West als ein historisch bedeutsamer Dialog.
Das vorliegende Dokument über die Reaktionen führender SPD-Politiker wurde vom MfS als "streng geheim" eingestuft. Danach befürchteten einige westdeutsche Politiker, dass das SED-SPD-Grundsatzpapier der SPD im Wahlkampf schaden könne, da "der SPD eine ungenügende Abgrenzung vom Kommunismus" zum Vorwurf gemachte werden könne.
Insgesamt hält das MfS in dem Dokument Kritik und Bedenken sowohl des linken als auch des rechten Flügels der SPD fest. Das MfS beobachtete recht genau, wer welche Meinung vertritt und welche Kritikpunkte hat.
Ministerium für Staatssicherheit [handschriftliche Ergänzung: Hag]
Streng geheim!
Um Rückgabe wird gebeten!
Berlin, 18.12.87
4 Blatt
[Handschriftliche Ergänzung: 4. Exemplar
Nr. 461/87
Information
über
Wertungen und Argumente führender SPD-Funktionäre zum Dokument "Der Streit der Ideologien und die gemeinsame Sicherheit"
Nach Äußerungen und Einschätzungen aus SPD-Führungskreisen halten die Diskussionen um das Dokument "Der Streit der Ideologien und die gemeinsame Sicherheit" an. Die SPD-Führung habe mit diesen Diskussionen gerechnet, da es bei derartig grundsätzlichen Entscheidungen immer unterschiedliche Auffassungen gebe. [Unterstrichen: In der Parteiführung werde das Dokument mehrheitlich unterstützt,] wie es u.a. im Beschluß des Parteirates vom 18. November 1987 zum Ausdruck komme, der bei einer Stimmenthaltung ohne Gegenstimmen angenommen worden sei. [Unterstrichen: Bedenken und Einwände gebe es in verschiedenen Kreisen des rechten wie auch des linken Spektrums der Partei.] Die Argumente seien jedoch nicht einheitlich und sehr unterschiedlich motiviert. Die Kritik von rechts ziele auf das Dokument an sich, weil sich die SPD mit seiner Ausarbeitung und seiner Annahme auf gemeinsame Positionen mit der SED begeben habe und [unterstrichen und am Rand markiert: die SED als "demokratisch legitimierte Partei" erscheinen lasse. Dies könne der SPD insbesondere bei Wahlkämpfen schaden, weil es den Koalitionsparteien ermögliche, der SPD eine ungenügende Abgrenzung vom Kommunismus vorzuwerfen.] Zu den inhaltlichen Positionen gebe es dagegen von dieser Seite kaum Einwände. Vorgebracht würde diese Kritik vor allem von Kräften des "Seeheimer Kreises" um Wischnewski, Stobbe, Renger u.a. sowie von älteren Mitgliedern und Funktionären der Parteibasis und von ehemaligen DDR-Bürgern. In diesen Kreisen gebe es Zweifel, ob die SED die von ihr eingegangenen Verpflich-
[Teile des Absatzes wurden am Rand handschriftlich markiert.]
Die AIG entstanden mit der Einführung des einheitlichen Auswertungs- und Informationssystems 1965 aus den in den Bezirksverwaltungen und zentralen operativen Diensteinheiten des MfS schon bestehenden Informationsgruppen. In ihrem Zuständigkeitsbereich oblag ihnen die Bewertung und Selektion von Informationen, die Gewährleistung des Informationsflusses und die Fertigung der Berichte für die Partei- und Staatsfunktionäre. Die AIG unterstanden der fachlichen Anleitung und Kontrolle der ZAIG. 1978/79 wurden sie zu Auswertungs- und Kontrollgruppen erweitert.
Die ZAIG war das "Funktionalorgan" des Ministers für Staatssicherheit, die Schaltstelle im MfS, in der nahezu alle komplexen Stabsfunktionen konzentriert waren: die zentrale Auswertung und Information, einschließlich der Berichterstattung an die politische Führung, die Optimierung der entsprechenden Verfahren und Strukturen im Gesamtapparat des MfS, die zentralen Kontrollen und Untersuchungen und die Analyse der operativen Effektivität des MfS, die zentrale Planung und die Erarbeitung dienstlicher Bestimmungen, zudem die übergeordneten Funktionen im Bereich EDV sowie die Gewährleistung des internationalen Datenaustauschsystems der kommunistischen Staatssicherheitsdienste (SOUD). Nach der Eingliederung der Abteilung Agitation 1985 waren auch die Öffentlichkeitsarbeit und die Traditionspflege des MfS in der ZAIG als "Bereich 6" funktional verankert. Die ZAIG war im direkten Anleitungsbereich des Ministers angesiedelt; ihr waren zuletzt die formal selbständigen Abt. XII, XIII (Rechenzentrum) und die Rechtsstelle fachlich unterstellt.
Die ZAIG geht auf die nach dem Juniaufstand 1953 gegründete und von Heinz Tilch geleitete Informationsgruppe (IG) der Staatssicherheitszentrale zurück, die erstmals eine regelmäßige Lage- und Stimmungsberichterstattung für die Partei- und Staatsführung hervorbrachte. Diese entwickelte sich 1955/56 zur Abteilung Information mit drei Fachreferaten, wurde aber 1957 als Resultat des Konfliktes zwischen Ulbricht und Wollweber wieder stark reduziert. 1957 erhielt die Abteilung mit Irmler einen neuen Leiter, der jedoch bereits 1959 vom ehemaligen stellv. Leiter der HV A Korb abgelöst und zum Stellvertreter zurückgestuft wurde. Gleichzeitig wurde die Diensteinheit in Zentrale Informationsgruppe (ZIG) umbenannt; von da an lief auch die bisher eigenständige Berichterstattung der HV A über sie. 1960 wurde die Berichterstattung an die politische Führung durch einen Ministerbefehl präzise geregelt, und die ZIG erhielt mit der Neueinrichtung von Informationsgruppen in den BV und operativen HA einen soliden Unterbau.
1965 wurde die ZIG in ZAIG umbenannt und ein einheitliches Auswertungs- und Informationssystem eingeführt, das die Recherche und Selektion von Daten sowie die Organisierung von Informationsflüssen gewährleistete. In den operativen HA und BV erhielt die ZAIG mit den AIG entsprechende "Filialen". Im gleichen Jahr ging Korb in den Ruhestand, Irmler wurde wieder Leiter der Diensteinheit.
1968 wurde auch das Kontrollwesen der Staatssicherheit in die ZAIG eingegliedert, das im Dezember 1953 mit der Kontrollinspektion seinen ersten organisatorischen Rahmen erhalten hatte und 1957 mit der Umbenennung in AG Anleitung und Kontrolle erheblich qualifiziert worden war.
1969 erhielt die ZAIG auch die Verantwortung für den Einsatz der EDV. Das im Aufbau begriffene Rechenzentrum (Abt. XIII) wurde ihr unterstellt. In der ersten Hälfte der 70er Jahre bildeten sich vier Arbeitsbereiche der ZAIG heraus. Bereich 1: konkrete Auswertungs- und Informationstätigkeit und Berichterstattung an die politische Führung; Bereich 2: Kontrollwesen, die Erarbeitung von dienstlichen Bestimmungen sowie Prognose- und Planungsaufgaben; Bereich 3: Fragen der EDV; Bereich 4: Pflege und Weiterentwicklung der "manuellen" Bestandteile des Auswertungs- und Informationssystems. 1979 erhielt dieser Bereich auch die Verantwortung für das SOUD ("ZAIG/5").
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Signatur: BStU, MfS, ZAIG, Nr. 5730, Bl. 1-4
Im SED-SPD-Grundsatzpapier zeigt sich der Wille der handelnden Akteure, an der friedlichen Koexistenz beider deutscher Staaten festzuhalten. Das MfS wies auf die Bedenken und Einwände aus den verschiedenen Kreisen der SPD hin.
Zunächst von der Öffentlichkeit fast unbemerkt führten SED und SPD von 1984 bis 1987 intensive Gespräche, die 1987 in eine gemeinsame Erklärung mündeten. In den Gesprächen zwischen der Akademie für Gesellschaftswissenschaften beim ZK der SED und der Grundwertekommission der SPD wurden weltanschauliche und politische Grundsatzfragen diskutiert. Dies galt in einer Phase verschärfter Spannungen zwischen Ost und West als ein historisch bedeutsamer Dialog.
Das vorliegende Dokument über die Reaktionen führender SPD-Politiker wurde vom MfS als "streng geheim" eingestuft. Danach befürchteten einige westdeutsche Politiker, dass das SED-SPD-Grundsatzpapier der SPD im Wahlkampf schaden könne, da "der SPD eine ungenügende Abgrenzung vom Kommunismus" zum Vorwurf gemachte werden könne.
Insgesamt hält das MfS in dem Dokument Kritik und Bedenken sowohl des linken als auch des rechten Flügels der SPD fest. Das MfS beobachtete recht genau, wer welche Meinung vertritt und welche Kritikpunkte hat.
tungen erfülle. Die Kritik der in der SPD weit rechts stehenden Intellektuellen, wie sie von der Westberliner Politologin Gesine Schwan öffentlich formuliert wurde (siehe Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 23.09.1987), werde von den meisten SPD-Mitgliedern kaum zur Kenntnis genommen und spiele in der Diskussion praktisch keine Rolle.
[Unterstrichen: Die Kritik von links beziehe sich auf die von der SPD im Dokument vertretenen inhaltlichen Positionen], die [unterstrichen: zu eindeutig auf das Bekenntnis zur kapitalistischen Gesellschaftsordnung ausgerichtet seien.] Dies könne sich in der Programmdiskussion der SPD negativ für die Glaubwürdigkeit linker Auffassungen, besonders im Bereich der Wirtschaftspolitik, auswirken. [Unterstrichen: Bedenken gebe es auch gegen die Feststellung, daß der Imperialismus friedensfähig sei.] Im Gegensatz zu den Rechten, die der Diskussion um das Dokument aus dem Wege gingen, seien die Linken bestrebt, verstärkt mit dem Dokument zu arbeiten und es in der Mitgliedschaft zu popularisieren.
[Teil des Absatzes wurde am Rand handschriftlich markiert.]
Die Parteiführung forciere die Diskussion nicht, obwohl ihr bekannt sei, [unterstrichen: daß der Wortlaut des Dokumentes in der Partei nur ungenügend verbreitet wurde] und es bei vielen Mitgliedern und Funktionären, die sich nicht selbst mit den Fragen der Beziehungen zwischen der DDR und der BRD beschäftigten, mannigfaltige Unklarheiten und Fragen gebe. [Unterstrichen: Mit dem Argument, daß das Dokument von der Grundwertekommission der SPD und der Akademie für Gesellschaftswissenschaften beim ZK der SED verfaßt worden sei, wäre die SPD-Führung selbst auf eine gewisse Distanz gegangen.] Führende Funktionäre der SPD hätten betont, daß das Dokument 8 [unterstrichen und am Rand markiert: weniger für die innerparteiliche Diskussion als für den Umgang mit der SED gedacht sei.] Vogel habe vor linken Funktionären ausdrücklich hervorgehoben, daß das Zustandekommen des Dokumentes wichtiger sei als sein Inhalt. Auch nach Einschätzung führender Kreise der Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) werde nicht an eine Verstärkung der Diskussion über das Dokument gedacht, [unterstrichen: da sein Wert in erster Linie darin bestehe, Normen für die bilateralen Beziehungen Zwischen SED und SPD zu setzen.]
[Teile des Absatzes wurden am Rand handschriftlich markiert.]
Gegen die Kritik von rechts verteidigt sich die SPD-Führung vor allem mit dem Argument, [unterstrichen: daß es gelungen sei, die SED zu erheblich größeren Zugeständnissen zu veranlassen,als sie die SPD selbst eingeräumt habe.] So erklärte ein Mitglied der Grundwertekommission, daß auf der Grundlage dieses Dokumentes erstmalig SPD-Funktionäre die Möglichkeit erhielten, in der DDR offiziell und
Die AIG entstanden mit der Einführung des einheitlichen Auswertungs- und Informationssystems 1965 aus den in den Bezirksverwaltungen und zentralen operativen Diensteinheiten des MfS schon bestehenden Informationsgruppen. In ihrem Zuständigkeitsbereich oblag ihnen die Bewertung und Selektion von Informationen, die Gewährleistung des Informationsflusses und die Fertigung der Berichte für die Partei- und Staatsfunktionäre. Die AIG unterstanden der fachlichen Anleitung und Kontrolle der ZAIG. 1978/79 wurden sie zu Auswertungs- und Kontrollgruppen erweitert.
Die ZAIG war das "Funktionalorgan" des Ministers für Staatssicherheit, die Schaltstelle im MfS, in der nahezu alle komplexen Stabsfunktionen konzentriert waren: die zentrale Auswertung und Information, einschließlich der Berichterstattung an die politische Führung, die Optimierung der entsprechenden Verfahren und Strukturen im Gesamtapparat des MfS, die zentralen Kontrollen und Untersuchungen und die Analyse der operativen Effektivität des MfS, die zentrale Planung und die Erarbeitung dienstlicher Bestimmungen, zudem die übergeordneten Funktionen im Bereich EDV sowie die Gewährleistung des internationalen Datenaustauschsystems der kommunistischen Staatssicherheitsdienste (SOUD). Nach der Eingliederung der Abteilung Agitation 1985 waren auch die Öffentlichkeitsarbeit und die Traditionspflege des MfS in der ZAIG als "Bereich 6" funktional verankert. Die ZAIG war im direkten Anleitungsbereich des Ministers angesiedelt; ihr waren zuletzt die formal selbständigen Abt. XII, XIII (Rechenzentrum) und die Rechtsstelle fachlich unterstellt.
Die ZAIG geht auf die nach dem Juniaufstand 1953 gegründete und von Heinz Tilch geleitete Informationsgruppe (IG) der Staatssicherheitszentrale zurück, die erstmals eine regelmäßige Lage- und Stimmungsberichterstattung für die Partei- und Staatsführung hervorbrachte. Diese entwickelte sich 1955/56 zur Abteilung Information mit drei Fachreferaten, wurde aber 1957 als Resultat des Konfliktes zwischen Ulbricht und Wollweber wieder stark reduziert. 1957 erhielt die Abteilung mit Irmler einen neuen Leiter, der jedoch bereits 1959 vom ehemaligen stellv. Leiter der HV A Korb abgelöst und zum Stellvertreter zurückgestuft wurde. Gleichzeitig wurde die Diensteinheit in Zentrale Informationsgruppe (ZIG) umbenannt; von da an lief auch die bisher eigenständige Berichterstattung der HV A über sie. 1960 wurde die Berichterstattung an die politische Führung durch einen Ministerbefehl präzise geregelt, und die ZIG erhielt mit der Neueinrichtung von Informationsgruppen in den BV und operativen HA einen soliden Unterbau.
1965 wurde die ZIG in ZAIG umbenannt und ein einheitliches Auswertungs- und Informationssystem eingeführt, das die Recherche und Selektion von Daten sowie die Organisierung von Informationsflüssen gewährleistete. In den operativen HA und BV erhielt die ZAIG mit den AIG entsprechende "Filialen". Im gleichen Jahr ging Korb in den Ruhestand, Irmler wurde wieder Leiter der Diensteinheit.
1968 wurde auch das Kontrollwesen der Staatssicherheit in die ZAIG eingegliedert, das im Dezember 1953 mit der Kontrollinspektion seinen ersten organisatorischen Rahmen erhalten hatte und 1957 mit der Umbenennung in AG Anleitung und Kontrolle erheblich qualifiziert worden war.
1969 erhielt die ZAIG auch die Verantwortung für den Einsatz der EDV. Das im Aufbau begriffene Rechenzentrum (Abt. XIII) wurde ihr unterstellt. In der ersten Hälfte der 70er Jahre bildeten sich vier Arbeitsbereiche der ZAIG heraus. Bereich 1: konkrete Auswertungs- und Informationstätigkeit und Berichterstattung an die politische Führung; Bereich 2: Kontrollwesen, die Erarbeitung von dienstlichen Bestimmungen sowie Prognose- und Planungsaufgaben; Bereich 3: Fragen der EDV; Bereich 4: Pflege und Weiterentwicklung der "manuellen" Bestandteile des Auswertungs- und Informationssystems. 1979 erhielt dieser Bereich auch die Verantwortung für das SOUD ("ZAIG/5").
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Signatur: BStU, MfS, ZAIG, Nr. 5730, Bl. 1-4
Im SED-SPD-Grundsatzpapier zeigt sich der Wille der handelnden Akteure, an der friedlichen Koexistenz beider deutscher Staaten festzuhalten. Das MfS wies auf die Bedenken und Einwände aus den verschiedenen Kreisen der SPD hin.
Zunächst von der Öffentlichkeit fast unbemerkt führten SED und SPD von 1984 bis 1987 intensive Gespräche, die 1987 in eine gemeinsame Erklärung mündeten. In den Gesprächen zwischen der Akademie für Gesellschaftswissenschaften beim ZK der SED und der Grundwertekommission der SPD wurden weltanschauliche und politische Grundsatzfragen diskutiert. Dies galt in einer Phase verschärfter Spannungen zwischen Ost und West als ein historisch bedeutsamer Dialog.
Das vorliegende Dokument über die Reaktionen führender SPD-Politiker wurde vom MfS als "streng geheim" eingestuft. Danach befürchteten einige westdeutsche Politiker, dass das SED-SPD-Grundsatzpapier der SPD im Wahlkampf schaden könne, da "der SPD eine ungenügende Abgrenzung vom Kommunismus" zum Vorwurf gemachte werden könne.
Insgesamt hält das MfS in dem Dokument Kritik und Bedenken sowohl des linken als auch des rechten Flügels der SPD fest. Das MfS beobachtete recht genau, wer welche Meinung vertritt und welche Kritikpunkte hat.
[unterstrichen: öffentlich antikommunistische Positionen zu vertreten.] Die Tatsache, daß SED-Funktionäre in der BRD ebenfalls mit kommunistischen Positionen auftreten könnten, sei ein wesentliches Zeichen dafür, daß beide Seiten friedensfähig und friedenswillig wären. [Unterstrichen: Dagegen stehe die Einschätzung von Kurt Hager, daß der Imperialismus erst friedensfähig gemacht werden müsse, im Widerspruch zum Dokument.] Es wäre jedoch falsch, solche Äußerungen überzubewerten, da bei derartig grundlegenden Dokumenten extreme Interpretationen auf der einen oder anderen Seite vorkommen könnten. Für die SPD gehe es darum, das mit dem Dokument Erreichte zu bewahren und [unterstrichen und am Rand markiert: das Interesse der SED an der Fortsetzung des Dialoges zu nutzen, um diese ständig einem gewissen Druck zu immer weitergehenden Kompromissen auszusetzen.] Von Bruns und Eppler nach Abstimmung mit anderen führenden Funktionären veröffentlichte Äußerungen, daß das Papier nicht nachträglich umgedeutet werden dürfe und sich die SED in ihren Handlungen gegenüber der sog. inneren Opposition in der DDR an diesem Dokument messen lassen müsse, seien ein eindeutiger Ausdruck dieser Bestrebungen, die unter Hinweis auf die Existenz der DKP und der SEW von einigen Rechten [unterstrichen: bis zu der Forderung nach Schaffung eigener Institutionen in der DDR getrieben] worden wären.
[Teile des Absatzes wurden am Rand handschriftlich markiert.]
Realistischere, der Parteiführung nahestehende und linke Kreise warnten vor derartig provokatorischen Forderungen. [Unterstrichen: Nach ihrer Auffassung sollte auf der Grundlage dieses Dokumentes Realpolitik und keine subtilere Form der Konfrontation betrieben werden.] Das setze den Abbau von Vorurteilen und die Vertrauensbildung voraus. Damit sei man erst am Anfang. Linke Bundestagsabgeordnete sehen die historische Dimension des Dokumentes darin, daß erstmalig die gemeinsamen und unterschiedlichen Positionen von Sozialdemokraten und Kommunisten in der Grundfrage unserer Zeit in einem Dokument festgeschrieben worden seien. Es zeige, wie ohne Aufgabe oder Verwischen der eigenen Position Trennendes überwunden und Gemeinsames zur Grundlage der weiteren Zusammenarbeit gemacht werden könne. Leider gäbe es in der SPD, auch in der Bundestagsfraktion, noch immer Kräfte, [unterstrichen: die nicht begreifen wollten, daß das konfrontative Element aus den Beziehungen zwischen deutschen Sozialdemokraten und Kommunisten heraus müsse.] Die Linken strebten deshalb an, das Dokument auf allen Ebenen der Partei zu diskutieren, um klare Positionen zu erreichen. Aber selbst wenn dies nicht gelänge, wäre das Dokument ein hervorragendes Beispiel dafür, wie gemeinsame und unterschiedliche Auffassungen fixiert werden könnten. Nach Einschätzung dieser linken Kräfte erfordere die Logik des Dokumentes, [unterstrichen: auch die Frage der Beziehungen zwischen SPD und DKP neu zu durchdenken.] Dafür bestünde in der Parteiführung jedoch keinerlei Bereitschaft.
Die AIG entstanden mit der Einführung des einheitlichen Auswertungs- und Informationssystems 1965 aus den in den Bezirksverwaltungen und zentralen operativen Diensteinheiten des MfS schon bestehenden Informationsgruppen. In ihrem Zuständigkeitsbereich oblag ihnen die Bewertung und Selektion von Informationen, die Gewährleistung des Informationsflusses und die Fertigung der Berichte für die Partei- und Staatsfunktionäre. Die AIG unterstanden der fachlichen Anleitung und Kontrolle der ZAIG. 1978/79 wurden sie zu Auswertungs- und Kontrollgruppen erweitert.
Bekämpfung von Widerstand und Opposition umschreibt, was zwischen 1950 und 1989 als eine Kernaufgabe des MfS galt. Gegen den Willen eines Großteils der ostdeutschen Bevölkerung wurde eine Diktatur etabliert, die nicht durch Wahlen legitimiert war: Dies war einer der Gründe für die Bildung des MfS am 8.2.1950.
Um ihren gesellschaftlichen Alleinvertretungs- und Herrschaftsanspruch zu sichern, schuf sich die SED als Repressions- und polizeistaatliche Unterdrückungsinstanz das MfS - das konsequenterweise so auch offiziell von ihr als "Schild und Schwert der Partei" bezeichnet wurde. Bereits in der "Richtlinie über die Erfassung von Personen, die eine feindliche Tätigkeit durchführen und von den Organen des MfS der DDR festgestellt wurden" vom 20.9.1950 wurde dementsprechend festgelegt, dass "alle Personen" zu registrieren seien, deren Verhalten geeignet war, die "Grundlagen" der DDR in Frage zu stellen.
Ferner wurde bestimmt, dass "über Personen, die eine feindliche Tätigkeit ausüben, [...] Vorgänge" anzulegen sind und über "die erfassten Personen [...] eine zentrale Kartei" einzurichten ist. Das offensive Vorgehen gegen Regimegegner erfuhr eine Ergänzung in den gleichzeitig getroffenen Festlegungen zur Übergabe der als "feindlich" klassifizierten Personen an die Staatsanwaltschaften.
Das MfS wurde somit bei der Bekämpfung von Widerstand und Opposition zur Ermittlungsinstanz; die nachfolgenden Urteile gegen Oppositionelle und Regimekritiker ergingen in enger Kooperation mit den vom MfS zumeist vorab instruierten Gerichten und zum Schein vermeintlicher Rechtsstaatlichkeit unter Hinzuziehung von mit dem MfS häufig zusammenarbeitenden Rechtsanwälten.
Inhalte, Auftreten und Erscheinungsbild von politisch abweichendem Verhalten, Widerstand und Opposition wandelten sich im Laufe der DDR-Geschichte. Zugleich änderten sich auch die Strategien und Methoden des MfS in Abhängigkeit vom konkreten Erscheinungsbild von Protest und Widerstand, aber auch analog zum Ausbauniveau des Apparates und seines Zuträger- und Informantennetzes sowie zur jeweils getroffenen Lageeinschätzung und unter Berücksichtigung der politischen Rahmenbedingungen.
Zu allen Zeiten gab es in beinahe allen Bevölkerungsgruppen und in allen Regionen Aufbegehren, Opposition und Widerstand. In den ersten Jahren nach Gründung der DDR gingen die SED und das MfS mit drakonischen Abschreckungsstrafen (u. a. Todesurteilen) gegen politische Gegner vor. Gefällt wurden die Urteile nicht selten in penibel vorbereiteten Strafprozessen mit präparierten Belastungszeugen und unter Verwendung erzwungener Geständnisse.
In mehreren Orten der DDR wurden z. B. Oberschüler (Werdau, Leipzig, Werder, Eisenfeld, Fürstenberg/Oder, Güstrow), die anknüpfend an das Vorbild der Gruppe "Weiße Rose" in der NS-Diktatur Widerstand geleistet hatte, zum Tode oder zu langjährigen Zuchthausstrafen verurteilt, weil sie Informationen gesammelt und Flugblätter verteilt hatten. Manch einer von ihnen überlebte die Haftbedingungen nicht oder nur mit dauerhaften gesundheitlichen Schäden.
Im Laufe der 50er Jahre ging das MfS schrittweise zum verdeckten Terror über. Nach wie vor ergingen langjährige Zuchthausstrafen; politische Opponenten, die von Westberlin aus die Verhältnisse in der DDR kritisierten, wurden - wie Karl Wilhelm Fricke 1955 - in geheimen Operationen entführt, nach Ostberlin verschleppt, in MfS-Haft festgehalten und vor DDR-Gerichte gestellt (Entführung).
Das Bestreben der SED, sich in der westlichen Öffentlichkeit aufgrund dieser ungelösten Fälle und angesichts eklatanter Menschenrechtsverletzungen nicht fortlaufender Kritik ausgesetzt zu sehen, führte, begünstigt durch die Absicht, der maroden Finanz- und Wirtschaftslage mit westlicher Unterstützung beizukommen, schrittweise zu einem Wandel. Im Ergebnis kam es auch zu einer Modifikation der MfS-Strategien im Vorgehen gegenüber Widerstand und Opposition.
Neben die im Vergleich zu den 50er Jahren zwar niedrigeren, für die Betroffenen aber nach wie vor empfindlich hohen Haftstrafen traten als beabsichtigt "lautloses" Vorgehen die Strategien der Kriminalisierung und Zersetzung. In einem "Entwurf der Sektion politisch-operative Spezialdisziplin" des MfS, der auf 1978 zu datieren ist, wird hierzu ausgeführt: "Um der Behauptung des Gegners die Spitze zu nehmen, dass wir ideologische Meinungsverschiedenheiten oder Andersdenkende mit Mitteln des sogenannten politischen Strafrechts bekämpfen, sind dazu noch wirksamer Maßnahmen zur Kriminalisierung dieser Handlungen sowie nicht strafrechtliche Mittel anzuwenden."
In der Richtlinie 1/76 "zur Entwicklung und Bearbeitung Operativer Vorgänge" vom Januar 1976 wurden unter Punkt 2.6 "die Anwendung von Maßnahmen der Zersetzung" geregelt und unter Punkt 2.6.2 die "Formen, Mittel und Methoden der Zersetzung" erörtert. Jene reichten u. a. von der "systematischen Diskreditierung des öffentlichen Rufes" auch mittels "unwahrer […] Angaben" und der "Verbreitung von Gerüchten" über das "Erzeugen von Misstrauen", dem "Vorladen von Personen zu staatlichen Dienststellen" bis zur "Verwendung anonymer oder pseudonymer Briefe, […] Telefonanrufe".
Mit der "Ordnungswidrigkeitenverordnung" (OWVO) von 1984 ging man zudem verstärkt dazu über, politisch unliebsame Personen, sofern sie sich an Protesten beteiligten, mit Ordnungsstrafen zu überziehen und sie somit materiell unter Druck zu setzen. All diese Maßnahmen sollten nach außen hin den Eindruck erwecken, dass das MfS weniger rigoros als in früheren Jahren gegen Regimegegner vorging.
Nach der Freilassung von Oppositionellen, die kurz zuvor während der Durchsuchung der Umweltbibliothek 1987 und nach den Protesten am Rande der Liebknecht-Luxemburg-Demonstration 1988 in Berlin inhaftiert worden waren, äußerten selbst SED-Mitglieder Zweifel, ob das MfS noch in der Lage sei, offensiv und effektiv gegen politische Opponenten vorzugehen.
Hochgerüstet und allemal zum Einschreiten bereit, trat das MfS jedoch noch bis in den Herbst 1989 gegenüber weniger prominenten Menschen in Aktion, die Widerstand leisteten, inhaftierte diese und ließ gegen sie hohe Haftstrafen verhängen. Bis zum Ende der DDR schritt das MfS bei sog. Demonstrativhandlungen ein und ging gegen - wie es hieß - ungesetzliche Gruppenbildungen vor.
Die ZAIG war das "Funktionalorgan" des Ministers für Staatssicherheit, die Schaltstelle im MfS, in der nahezu alle komplexen Stabsfunktionen konzentriert waren: die zentrale Auswertung und Information, einschließlich der Berichterstattung an die politische Führung, die Optimierung der entsprechenden Verfahren und Strukturen im Gesamtapparat des MfS, die zentralen Kontrollen und Untersuchungen und die Analyse der operativen Effektivität des MfS, die zentrale Planung und die Erarbeitung dienstlicher Bestimmungen, zudem die übergeordneten Funktionen im Bereich EDV sowie die Gewährleistung des internationalen Datenaustauschsystems der kommunistischen Staatssicherheitsdienste (SOUD). Nach der Eingliederung der Abteilung Agitation 1985 waren auch die Öffentlichkeitsarbeit und die Traditionspflege des MfS in der ZAIG als "Bereich 6" funktional verankert. Die ZAIG war im direkten Anleitungsbereich des Ministers angesiedelt; ihr waren zuletzt die formal selbständigen Abt. XII, XIII (Rechenzentrum) und die Rechtsstelle fachlich unterstellt.
Die ZAIG geht auf die nach dem Juniaufstand 1953 gegründete und von Heinz Tilch geleitete Informationsgruppe (IG) der Staatssicherheitszentrale zurück, die erstmals eine regelmäßige Lage- und Stimmungsberichterstattung für die Partei- und Staatsführung hervorbrachte. Diese entwickelte sich 1955/56 zur Abteilung Information mit drei Fachreferaten, wurde aber 1957 als Resultat des Konfliktes zwischen Ulbricht und Wollweber wieder stark reduziert. 1957 erhielt die Abteilung mit Irmler einen neuen Leiter, der jedoch bereits 1959 vom ehemaligen stellv. Leiter der HV A Korb abgelöst und zum Stellvertreter zurückgestuft wurde. Gleichzeitig wurde die Diensteinheit in Zentrale Informationsgruppe (ZIG) umbenannt; von da an lief auch die bisher eigenständige Berichterstattung der HV A über sie. 1960 wurde die Berichterstattung an die politische Führung durch einen Ministerbefehl präzise geregelt, und die ZIG erhielt mit der Neueinrichtung von Informationsgruppen in den BV und operativen HA einen soliden Unterbau.
1965 wurde die ZIG in ZAIG umbenannt und ein einheitliches Auswertungs- und Informationssystem eingeführt, das die Recherche und Selektion von Daten sowie die Organisierung von Informationsflüssen gewährleistete. In den operativen HA und BV erhielt die ZAIG mit den AIG entsprechende "Filialen". Im gleichen Jahr ging Korb in den Ruhestand, Irmler wurde wieder Leiter der Diensteinheit.
1968 wurde auch das Kontrollwesen der Staatssicherheit in die ZAIG eingegliedert, das im Dezember 1953 mit der Kontrollinspektion seinen ersten organisatorischen Rahmen erhalten hatte und 1957 mit der Umbenennung in AG Anleitung und Kontrolle erheblich qualifiziert worden war.
1969 erhielt die ZAIG auch die Verantwortung für den Einsatz der EDV. Das im Aufbau begriffene Rechenzentrum (Abt. XIII) wurde ihr unterstellt. In der ersten Hälfte der 70er Jahre bildeten sich vier Arbeitsbereiche der ZAIG heraus. Bereich 1: konkrete Auswertungs- und Informationstätigkeit und Berichterstattung an die politische Führung; Bereich 2: Kontrollwesen, die Erarbeitung von dienstlichen Bestimmungen sowie Prognose- und Planungsaufgaben; Bereich 3: Fragen der EDV; Bereich 4: Pflege und Weiterentwicklung der "manuellen" Bestandteile des Auswertungs- und Informationssystems. 1979 erhielt dieser Bereich auch die Verantwortung für das SOUD ("ZAIG/5").
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Reaktionen in der SPD und der Bundesregierung auf das gemeinsame Dokument von SED und SPD Dokument, 8 Seiten
Reaktion der Bevölkerung auf das SED-SPD-Grundsatzpapier Dokument, 9 Seiten
Information über zunehmende Kontakte führender SPD-Funktionäre zu kirchlichen Gremien und Amtsträgern in der DDR Dokument, 6 Seiten
Abschlussbericht der MfS-Bezirksverwaltung Frankfurt (Oder) zur Aktion "Optimismus" Dokument, 5 Seiten