Signatur: BStU, MfS, HA III, Nr. 494, Bl. 30-48
Am 25. April 1988 versuchte die Stasi das zweite Mal den Empfang von Radio Glasnost mit Störsendern zu erschweren oder zu verhindern. Dies sollte mögliche Auswirkungen der regimekritischen Sendungen auf die DDR verhindern.
Die Sendung "Radio Glasnost - Außer Kontrolle" mit Beiträgen "aus und über die DDR" wurde von dem privaten Alternativkanal Radio 100 in West-Berlin einmal monatlich ausgestrahlt. Das einstündige Programm war zwischen Juli 1987 und dem Mauerfall sowohl im Westen als auch im Osten Berlins zu empfangen. In einer kurzen Pilotsendung kündigte Moderatorin Marenbach am 22. Juli 1987 an, von nun an würden auf diesem Sendeplatz Oppositionelle aus der DDR zu Wort kommen. Deren Beiträge und Diskussionen wurden in Ostdeutschland formuliert oder aufgenommen, über die Grenze geschmuggelt und dann von Radio 100 in West-Berlin ausgestrahlt. Bis November 1989 verband Radio Glasnost auf diesem Wege die Ost-Berliner Opposition mit der freien Welt.
In der DDR waren Reinhard Schult, Ralf Hirsch und andere für Texte und Organisation verantwortlich. Eine kleine West-Berliner Redaktion, gegründet durch den Radio-100-Redakteur Dieter Rulff und den aus der DDR ausgebürgerten Oppositionellen Roland Jahn, sorgte dann dafür, dass die Beiträge im privaten Radio 100 einen festen Sendeplatz bekamen. Es dauerte nicht lange, bis Radio Glasnost sein Publikum in der DDR gefunden hatte. Auch das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) wurde hellhörig und wertete alle Sendungen im Detail aus. Die Geheimpolizei fahndete nach den Urhebern und untersuchte, welchen Einfluss die Beiträge auf DDR-Bürger haben könnten. Auch erschwerte die Stasi den Empfang von zwei Sendungen durch Störsender.
Die Störsender arbeiteten, wie von der Stasi gewünscht: In vielen Bereichen im Osten Berlins war die achte Sendung vom 28. März 1988 nur noch schwer oder gar nicht zu verstehen. In dem folgenden Dokument dokumentiert die Stasi die Ergebnisse ihrer Aktion "David".
Trotz der vorsichtigen und fast demütigen Forderung der Verhandlungspapieres reagierte der Staat schroff. Staatssekretär Gysi erklärte, die Forderungen bedeuten eine Aufhebung der allgemeinen Wehrpflicht und einen Eingriff in das ureigendste Recht eines Staates. Der Cottbusser Parteichef Werner Walde sprach sogar von friedens- und verfassungsfeindlichen Forderungen. Nachdem aus der Nachrüstung und Stationierung resultierenden zeitweiligen Niedergang der Friedensbewegung nach 1983 trat auch das SOFD-Projekt in eine Latenzphase. Erst 1985 wurde durch unangemessene staatliche Repressionen gegen Totalverweigerer eine neue Welle von Initiativen ausgelöst. Gegen Totalverweigerer hatte sich in den letzten Jahren eine Stillhaltepraxis herausgebildet. In einer nachträglichen Einberufungsüberprüfung wurden Ende September 1985 50 - 80 Totalverweigerer aus der gesamten DDR gemustert und nachdem sie den Einberufungsbefehl erwartungsgemäß verweigert hatten, verhaftet. Im Berliner Polizeipräsidium in der Keibelstraße wurden allein 16 Totalverweigerer festgehalten. Die Kirchenleitung setzte wie üblich auf diskrete Verhandlungen. Die Friedensbewegung hielt demgegenüber Öffentlichkeit für wichtiger. Sie versuchte gegen den Widerstand der Kirchenleitung Informationen zusammenzutragen und formulierte Eingaben. Der Pfarrer der Berliner Sophiengemeinde Passauer, machte zur Eröffnung der Friedensdekade vor Funk und Fernsehen den Eklat öffentlich. Drei kirchliche Mitarbeiter wurden, um kenntlich zu machen, daß die Verhandlung der Kirchenleitung dem Staat am besten gefällt, bereits nach drei Wochen aus der Haft entlassen, die übrigen Totalverweigerer eine Woche später. Verteidigungsminister Hoffmann hatte die Einberufungsbefehle zurückgezogen. Der Militärstaatsanwalt erkundigte sich bei einigen der Verweigerer nach ihren Vorstellungen von einem zivilen Ersatzdienst. Der Grund für das Zurückweichen der Behörden war sicher die erstaunliche internationale Solidarität der Wehrdienstverweigerer. In der folgenden Zeit entstanden überall in der DDR Gruppen, die Konzepte für einen zivilen Ersatzdienst formulierten. Während des Friedensseminares in Stendal entstand eine DDR-weite Grupüpe von, wie es hieß, Menschen, die sich mit der Wehrdienstproblematik beschäftigen. Während anfangs wohl die Hoffnung auf staatliches Entgegenkommen in der Mehrheit der Gruppen zu sehr gemäßigten Konzepten auf der Linie des SOFD-Papieres von 1981 führte, gingen die Forderungen im Laufe des Jahres 1986 auf das anfangs von den, meisten als zu radikal bezeichnete Graswurzelpapier zu, einem politischen Minimalprogramm der Wehrdienstverweigerer.
1. Recht auf Wehrdienstverweigerung.
In der DDR muß eine echte Alternative zur Wehrdienstpflicht und zum sogenannten Wehrersatzdienst geschaffen werden Beide existierende Formen der Wehrdienstableistung werden in keiner Weise den Anforderungen gerecht, die sich aus dem Recht aus Gewissensfreiheit und dem Recht auf Wehrdienstverweigerung ergeben.
Absatz 1
Jeder hat ohne Einschränkung das Recht, den Wehrdienst zu verweigern. Als Alternative dazu muß ein nichtmilitärischer, alternativer Dienst, sprich ziviler Ersatzdienst, geschaffen
werden.
Bekämpfung von Widerstand und Opposition umschreibt, was zwischen 1950 und 1989 als eine Kernaufgabe des MfS galt. Gegen den Willen eines Großteils der ostdeutschen Bevölkerung wurde eine Diktatur etabliert, die nicht durch Wahlen legitimiert war: Dies war einer der Gründe für die Bildung des MfS am 8.2.1950.
Um ihren gesellschaftlichen Alleinvertretungs- und Herrschaftsanspruch zu sichern, schuf sich die SED als Repressions- und polizeistaatliche Unterdrückungsinstanz das MfS - das konsequenterweise so auch offiziell von ihr als "Schild und Schwert der Partei" bezeichnet wurde. Bereits in der "Richtlinie über die Erfassung von Personen, die eine feindliche Tätigkeit durchführen und von den Organen des MfS der DDR festgestellt wurden" vom 20.9.1950 wurde dementsprechend festgelegt, dass "alle Personen" zu registrieren seien, deren Verhalten geeignet war, die "Grundlagen" der DDR in Frage zu stellen.
Ferner wurde bestimmt, dass "über Personen, die eine feindliche Tätigkeit ausüben, [...] Vorgänge" anzulegen sind und über "die erfassten Personen [...] eine zentrale Kartei" einzurichten ist. Das offensive Vorgehen gegen Regimegegner erfuhr eine Ergänzung in den gleichzeitig getroffenen Festlegungen zur Übergabe der als "feindlich" klassifizierten Personen an die Staatsanwaltschaften.
Das MfS wurde somit bei der Bekämpfung von Widerstand und Opposition zur Ermittlungsinstanz; die nachfolgenden Urteile gegen Oppositionelle und Regimekritiker ergingen in enger Kooperation mit den vom MfS zumeist vorab instruierten Gerichten und zum Schein vermeintlicher Rechtsstaatlichkeit unter Hinzuziehung von mit dem MfS häufig zusammenarbeitenden Rechtsanwälten.
Inhalte, Auftreten und Erscheinungsbild von politisch abweichendem Verhalten, Widerstand und Opposition wandelten sich im Laufe der DDR-Geschichte. Zugleich änderten sich auch die Strategien und Methoden des MfS in Abhängigkeit vom konkreten Erscheinungsbild von Protest und Widerstand, aber auch analog zum Ausbauniveau des Apparates und seines Zuträger- und Informantennetzes sowie zur jeweils getroffenen Lageeinschätzung und unter Berücksichtigung der politischen Rahmenbedingungen.
Zu allen Zeiten gab es in beinahe allen Bevölkerungsgruppen und in allen Regionen Aufbegehren, Opposition und Widerstand. In den ersten Jahren nach Gründung der DDR gingen die SED und das MfS mit drakonischen Abschreckungsstrafen (u. a. Todesurteilen) gegen politische Gegner vor. Gefällt wurden die Urteile nicht selten in penibel vorbereiteten Strafprozessen mit präparierten Belastungszeugen und unter Verwendung erzwungener Geständnisse.
In mehreren Orten der DDR wurden z. B. Oberschüler (Werdau, Leipzig, Werder, Eisenfeld, Fürstenberg/Oder, Güstrow), die anknüpfend an das Vorbild der Gruppe "Weiße Rose" in der NS-Diktatur Widerstand geleistet hatte, zum Tode oder zu langjährigen Zuchthausstrafen verurteilt, weil sie Informationen gesammelt und Flugblätter verteilt hatten. Manch einer von ihnen überlebte die Haftbedingungen nicht oder nur mit dauerhaften gesundheitlichen Schäden.
Im Laufe der 50er Jahre ging das MfS schrittweise zum verdeckten Terror über. Nach wie vor ergingen langjährige Zuchthausstrafen; politische Opponenten, die von Westberlin aus die Verhältnisse in der DDR kritisierten, wurden - wie Karl Wilhelm Fricke 1955 - in geheimen Operationen entführt, nach Ostberlin verschleppt, in MfS-Haft festgehalten und vor DDR-Gerichte gestellt (Entführung).
Das Bestreben der SED, sich in der westlichen Öffentlichkeit aufgrund dieser ungelösten Fälle und angesichts eklatanter Menschenrechtsverletzungen nicht fortlaufender Kritik ausgesetzt zu sehen, führte, begünstigt durch die Absicht, der maroden Finanz- und Wirtschaftslage mit westlicher Unterstützung beizukommen, schrittweise zu einem Wandel. Im Ergebnis kam es auch zu einer Modifikation der MfS-Strategien im Vorgehen gegenüber Widerstand und Opposition.
Neben die im Vergleich zu den 50er Jahren zwar niedrigeren, für die Betroffenen aber nach wie vor empfindlich hohen Haftstrafen traten als beabsichtigt "lautloses" Vorgehen die Strategien der Kriminalisierung und Zersetzung. In einem "Entwurf der Sektion politisch-operative Spezialdisziplin" des MfS, der auf 1978 zu datieren ist, wird hierzu ausgeführt: "Um der Behauptung des Gegners die Spitze zu nehmen, dass wir ideologische Meinungsverschiedenheiten oder Andersdenkende mit Mitteln des sogenannten politischen Strafrechts bekämpfen, sind dazu noch wirksamer Maßnahmen zur Kriminalisierung dieser Handlungen sowie nicht strafrechtliche Mittel anzuwenden."
In der Richtlinie 1/76 "zur Entwicklung und Bearbeitung Operativer Vorgänge" vom Januar 1976 wurden unter Punkt 2.6 "die Anwendung von Maßnahmen der Zersetzung" geregelt und unter Punkt 2.6.2 die "Formen, Mittel und Methoden der Zersetzung" erörtert. Jene reichten u. a. von der "systematischen Diskreditierung des öffentlichen Rufes" auch mittels "unwahrer […] Angaben" und der "Verbreitung von Gerüchten" über das "Erzeugen von Misstrauen", dem "Vorladen von Personen zu staatlichen Dienststellen" bis zur "Verwendung anonymer oder pseudonymer Briefe, […] Telefonanrufe".
Mit der "Ordnungswidrigkeitenverordnung" (OWVO) von 1984 ging man zudem verstärkt dazu über, politisch unliebsame Personen, sofern sie sich an Protesten beteiligten, mit Ordnungsstrafen zu überziehen und sie somit materiell unter Druck zu setzen. All diese Maßnahmen sollten nach außen hin den Eindruck erwecken, dass das MfS weniger rigoros als in früheren Jahren gegen Regimegegner vorging.
Nach der Freilassung von Oppositionellen, die kurz zuvor während der Durchsuchung der Umweltbibliothek 1987 und nach den Protesten am Rande der Liebknecht-Luxemburg-Demonstration 1988 in Berlin inhaftiert worden waren, äußerten selbst SED-Mitglieder Zweifel, ob das MfS noch in der Lage sei, offensiv und effektiv gegen politische Opponenten vorzugehen.
Hochgerüstet und allemal zum Einschreiten bereit, trat das MfS jedoch noch bis in den Herbst 1989 gegenüber weniger prominenten Menschen in Aktion, die Widerstand leisteten, inhaftierte diese und ließ gegen sie hohe Haftstrafen verhängen. Bis zum Ende der DDR schritt das MfS bei sog. Demonstrativhandlungen ein und ging gegen - wie es hieß - ungesetzliche Gruppenbildungen vor.
Organisationsstruktur in der MfS-Zentrale, die durch den Minister oder einen seiner Stellvertreter direkt angeleitet wurde. Die zuletzt 13 Hauptabteilungen wurden durch Einzelleiter geführt. Die weiter untergliederten und nach dem Linienprinzip tätigen HA waren für komplexe, abgegrenzte Bereiche operativ zuständig und federführend verantwortlich. Der Zuschnitt der Zuständigkeitsbereiche war an Ressorts oder geheimdienstlichen Praktiken (z. B. Verkehrswesen, Beobachtung, Funkspionage) orientiert.
Signatur: BStU, MfS, HA III, Nr. 494, Bl. 30-48
Am 25. April 1988 versuchte die Stasi das zweite Mal den Empfang von Radio Glasnost mit Störsendern zu erschweren oder zu verhindern. Dies sollte mögliche Auswirkungen der regimekritischen Sendungen auf die DDR verhindern.
Die Sendung "Radio Glasnost - Außer Kontrolle" mit Beiträgen "aus und über die DDR" wurde von dem privaten Alternativkanal Radio 100 in West-Berlin einmal monatlich ausgestrahlt. Das einstündige Programm war zwischen Juli 1987 und dem Mauerfall sowohl im Westen als auch im Osten Berlins zu empfangen. In einer kurzen Pilotsendung kündigte Moderatorin Marenbach am 22. Juli 1987 an, von nun an würden auf diesem Sendeplatz Oppositionelle aus der DDR zu Wort kommen. Deren Beiträge und Diskussionen wurden in Ostdeutschland formuliert oder aufgenommen, über die Grenze geschmuggelt und dann von Radio 100 in West-Berlin ausgestrahlt. Bis November 1989 verband Radio Glasnost auf diesem Wege die Ost-Berliner Opposition mit der freien Welt.
In der DDR waren Reinhard Schult, Ralf Hirsch und andere für Texte und Organisation verantwortlich. Eine kleine West-Berliner Redaktion, gegründet durch den Radio-100-Redakteur Dieter Rulff und den aus der DDR ausgebürgerten Oppositionellen Roland Jahn, sorgte dann dafür, dass die Beiträge im privaten Radio 100 einen festen Sendeplatz bekamen. Es dauerte nicht lange, bis Radio Glasnost sein Publikum in der DDR gefunden hatte. Auch das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) wurde hellhörig und wertete alle Sendungen im Detail aus. Die Geheimpolizei fahndete nach den Urhebern und untersuchte, welchen Einfluss die Beiträge auf DDR-Bürger haben könnten. Auch erschwerte die Stasi den Empfang von zwei Sendungen durch Störsender.
Die Störsender arbeiteten, wie von der Stasi gewünscht: In vielen Bereichen im Osten Berlins war die achte Sendung vom 28. März 1988 nur noch schwer oder gar nicht zu verstehen. In dem folgenden Dokument dokumentiert die Stasi die Ergebnisse ihrer Aktion "David".
Absatz 2
Dieser Ersatzdienst wird von den Wehrdienstverweigerern als Zeichen ihrer gesellschaftlichen Verantwortung geleistet.
Absatz 3
Die Entscheidung zu diesem Ersatzdienst kann jederzeit erfolgen. Erfolgt diese Entscheidung während des Wehrdienstes, so muß der Wehrdienstverweigerer aus dem aktiven Wehrdienst entlassen werden.
Absatz 4
Die Entscheidung zur Wehrdienstverweigerung muß dem zuständigen Wehrkreiskommando schriftlich mitgeteilt werden. Innerhalb von 4 Wochen muß die Registrierung als Wehrdienstverweigerer schriftlich bestätigt werden. Damit erlischt die Zuständigkeit militärischer Dienststellen. Die Anerkennung und Registrierung als Wehrdienstverweigerer darf niemandem verwehrt werden.
Absatz 5
Die Wehrdienstverweigerer werden bei entsprechenden Stellen im Bereich des Ministeriums für Gesundheitswesen bzw. dem Ministerium für Umweltschutz registriert.
Absatz 6
Entscheidungen über Einberufungsdatum, Einsatzort und Einsatzweise erfolgt über diese Dienststellen.
Absatz 7
Die Dauer des zivilen Ersatzdienstes darf nicht von der des Grundwehrdienstes abweichen.
Absatz 8
Der Zivildienstleistende untersteht der Zivilgerichtsbarkeit.
Absatz 9
Eine Unterbringung in Wohnheimen kann vorgesehen werden, wenn das durch Sachzwänge erforderlich ist. Möglichst ist der Dienst am Wohnort abzuleisten
Absatz 10
Entlohnung entsprechend dem Wehrsold, freie Heimfahrt in allen öffentlichen Verkehrsmitteln, Rechte entsprechend dem Arbeitsgesetzbuch, außer Entlohnung und Kündigung.
Absatz 11
Es erfolgt eine Grundausbildung im jeweiligen Einsatzgebiet, die nicht zum Einsatz im Kriegsfall mißbraucht werden kann.
Bekämpfung von Widerstand und Opposition umschreibt, was zwischen 1950 und 1989 als eine Kernaufgabe des MfS galt. Gegen den Willen eines Großteils der ostdeutschen Bevölkerung wurde eine Diktatur etabliert, die nicht durch Wahlen legitimiert war: Dies war einer der Gründe für die Bildung des MfS am 8.2.1950.
Um ihren gesellschaftlichen Alleinvertretungs- und Herrschaftsanspruch zu sichern, schuf sich die SED als Repressions- und polizeistaatliche Unterdrückungsinstanz das MfS - das konsequenterweise so auch offiziell von ihr als "Schild und Schwert der Partei" bezeichnet wurde. Bereits in der "Richtlinie über die Erfassung von Personen, die eine feindliche Tätigkeit durchführen und von den Organen des MfS der DDR festgestellt wurden" vom 20.9.1950 wurde dementsprechend festgelegt, dass "alle Personen" zu registrieren seien, deren Verhalten geeignet war, die "Grundlagen" der DDR in Frage zu stellen.
Ferner wurde bestimmt, dass "über Personen, die eine feindliche Tätigkeit ausüben, [...] Vorgänge" anzulegen sind und über "die erfassten Personen [...] eine zentrale Kartei" einzurichten ist. Das offensive Vorgehen gegen Regimegegner erfuhr eine Ergänzung in den gleichzeitig getroffenen Festlegungen zur Übergabe der als "feindlich" klassifizierten Personen an die Staatsanwaltschaften.
Das MfS wurde somit bei der Bekämpfung von Widerstand und Opposition zur Ermittlungsinstanz; die nachfolgenden Urteile gegen Oppositionelle und Regimekritiker ergingen in enger Kooperation mit den vom MfS zumeist vorab instruierten Gerichten und zum Schein vermeintlicher Rechtsstaatlichkeit unter Hinzuziehung von mit dem MfS häufig zusammenarbeitenden Rechtsanwälten.
Inhalte, Auftreten und Erscheinungsbild von politisch abweichendem Verhalten, Widerstand und Opposition wandelten sich im Laufe der DDR-Geschichte. Zugleich änderten sich auch die Strategien und Methoden des MfS in Abhängigkeit vom konkreten Erscheinungsbild von Protest und Widerstand, aber auch analog zum Ausbauniveau des Apparates und seines Zuträger- und Informantennetzes sowie zur jeweils getroffenen Lageeinschätzung und unter Berücksichtigung der politischen Rahmenbedingungen.
Zu allen Zeiten gab es in beinahe allen Bevölkerungsgruppen und in allen Regionen Aufbegehren, Opposition und Widerstand. In den ersten Jahren nach Gründung der DDR gingen die SED und das MfS mit drakonischen Abschreckungsstrafen (u. a. Todesurteilen) gegen politische Gegner vor. Gefällt wurden die Urteile nicht selten in penibel vorbereiteten Strafprozessen mit präparierten Belastungszeugen und unter Verwendung erzwungener Geständnisse.
In mehreren Orten der DDR wurden z. B. Oberschüler (Werdau, Leipzig, Werder, Eisenfeld, Fürstenberg/Oder, Güstrow), die anknüpfend an das Vorbild der Gruppe "Weiße Rose" in der NS-Diktatur Widerstand geleistet hatte, zum Tode oder zu langjährigen Zuchthausstrafen verurteilt, weil sie Informationen gesammelt und Flugblätter verteilt hatten. Manch einer von ihnen überlebte die Haftbedingungen nicht oder nur mit dauerhaften gesundheitlichen Schäden.
Im Laufe der 50er Jahre ging das MfS schrittweise zum verdeckten Terror über. Nach wie vor ergingen langjährige Zuchthausstrafen; politische Opponenten, die von Westberlin aus die Verhältnisse in der DDR kritisierten, wurden - wie Karl Wilhelm Fricke 1955 - in geheimen Operationen entführt, nach Ostberlin verschleppt, in MfS-Haft festgehalten und vor DDR-Gerichte gestellt (Entführung).
Das Bestreben der SED, sich in der westlichen Öffentlichkeit aufgrund dieser ungelösten Fälle und angesichts eklatanter Menschenrechtsverletzungen nicht fortlaufender Kritik ausgesetzt zu sehen, führte, begünstigt durch die Absicht, der maroden Finanz- und Wirtschaftslage mit westlicher Unterstützung beizukommen, schrittweise zu einem Wandel. Im Ergebnis kam es auch zu einer Modifikation der MfS-Strategien im Vorgehen gegenüber Widerstand und Opposition.
Neben die im Vergleich zu den 50er Jahren zwar niedrigeren, für die Betroffenen aber nach wie vor empfindlich hohen Haftstrafen traten als beabsichtigt "lautloses" Vorgehen die Strategien der Kriminalisierung und Zersetzung. In einem "Entwurf der Sektion politisch-operative Spezialdisziplin" des MfS, der auf 1978 zu datieren ist, wird hierzu ausgeführt: "Um der Behauptung des Gegners die Spitze zu nehmen, dass wir ideologische Meinungsverschiedenheiten oder Andersdenkende mit Mitteln des sogenannten politischen Strafrechts bekämpfen, sind dazu noch wirksamer Maßnahmen zur Kriminalisierung dieser Handlungen sowie nicht strafrechtliche Mittel anzuwenden."
In der Richtlinie 1/76 "zur Entwicklung und Bearbeitung Operativer Vorgänge" vom Januar 1976 wurden unter Punkt 2.6 "die Anwendung von Maßnahmen der Zersetzung" geregelt und unter Punkt 2.6.2 die "Formen, Mittel und Methoden der Zersetzung" erörtert. Jene reichten u. a. von der "systematischen Diskreditierung des öffentlichen Rufes" auch mittels "unwahrer […] Angaben" und der "Verbreitung von Gerüchten" über das "Erzeugen von Misstrauen", dem "Vorladen von Personen zu staatlichen Dienststellen" bis zur "Verwendung anonymer oder pseudonymer Briefe, […] Telefonanrufe".
Mit der "Ordnungswidrigkeitenverordnung" (OWVO) von 1984 ging man zudem verstärkt dazu über, politisch unliebsame Personen, sofern sie sich an Protesten beteiligten, mit Ordnungsstrafen zu überziehen und sie somit materiell unter Druck zu setzen. All diese Maßnahmen sollten nach außen hin den Eindruck erwecken, dass das MfS weniger rigoros als in früheren Jahren gegen Regimegegner vorging.
Nach der Freilassung von Oppositionellen, die kurz zuvor während der Durchsuchung der Umweltbibliothek 1987 und nach den Protesten am Rande der Liebknecht-Luxemburg-Demonstration 1988 in Berlin inhaftiert worden waren, äußerten selbst SED-Mitglieder Zweifel, ob das MfS noch in der Lage sei, offensiv und effektiv gegen politische Opponenten vorzugehen.
Hochgerüstet und allemal zum Einschreiten bereit, trat das MfS jedoch noch bis in den Herbst 1989 gegenüber weniger prominenten Menschen in Aktion, die Widerstand leisteten, inhaftierte diese und ließ gegen sie hohe Haftstrafen verhängen. Bis zum Ende der DDR schritt das MfS bei sog. Demonstrativhandlungen ein und ging gegen - wie es hieß - ungesetzliche Gruppenbildungen vor.
Organisationsstruktur in der MfS-Zentrale, die durch den Minister oder einen seiner Stellvertreter direkt angeleitet wurde. Die zuletzt 13 Hauptabteilungen wurden durch Einzelleiter geführt. Die weiter untergliederten und nach dem Linienprinzip tätigen HA waren für komplexe, abgegrenzte Bereiche operativ zuständig und federführend verantwortlich. Der Zuschnitt der Zuständigkeitsbereiche war an Ressorts oder geheimdienstlichen Praktiken (z. B. Verkehrswesen, Beobachtung, Funkspionage) orientiert.
Die Registrierung war der zentrale Nachweis eines Vorgangs oder einer Akte in der Abteilung XII. Die Diensteinheiten hatten der Abteilung XII alle zur Registrierung notwendigen Dokumente vorzulegen (u. a. zwei Karteikarten F 16 für jede zu erfassende Person). In der Abteilung XII erfolgte der Eintrag im Vorgangsregistrierbuch (F 64) mit Vergabe der Registriernummer, die Ausfertigung der F 22 und F 77 und ggf. weiterer Karteikarten sowie ein Eintrag im Vorgangsheft (F 47) des für den Vorgang verantwortlichen Mitarbeiters.
Bestimmte Formblätter und die Aktenteile waren mit Registriernummer versehen an die Diensteinheit zu senden. Registrierpflichtig waren u. a.: IM-Vorlauf, IM-Vorgang, Operative Personenkontrolle, Operativer Vorgang, Untersuchungs- und Sicherungsvorgang.
Signatur: BStU, MfS, HA III, Nr. 494, Bl. 30-48
Am 25. April 1988 versuchte die Stasi das zweite Mal den Empfang von Radio Glasnost mit Störsendern zu erschweren oder zu verhindern. Dies sollte mögliche Auswirkungen der regimekritischen Sendungen auf die DDR verhindern.
Die Sendung "Radio Glasnost - Außer Kontrolle" mit Beiträgen "aus und über die DDR" wurde von dem privaten Alternativkanal Radio 100 in West-Berlin einmal monatlich ausgestrahlt. Das einstündige Programm war zwischen Juli 1987 und dem Mauerfall sowohl im Westen als auch im Osten Berlins zu empfangen. In einer kurzen Pilotsendung kündigte Moderatorin Marenbach am 22. Juli 1987 an, von nun an würden auf diesem Sendeplatz Oppositionelle aus der DDR zu Wort kommen. Deren Beiträge und Diskussionen wurden in Ostdeutschland formuliert oder aufgenommen, über die Grenze geschmuggelt und dann von Radio 100 in West-Berlin ausgestrahlt. Bis November 1989 verband Radio Glasnost auf diesem Wege die Ost-Berliner Opposition mit der freien Welt.
In der DDR waren Reinhard Schult, Ralf Hirsch und andere für Texte und Organisation verantwortlich. Eine kleine West-Berliner Redaktion, gegründet durch den Radio-100-Redakteur Dieter Rulff und den aus der DDR ausgebürgerten Oppositionellen Roland Jahn, sorgte dann dafür, dass die Beiträge im privaten Radio 100 einen festen Sendeplatz bekamen. Es dauerte nicht lange, bis Radio Glasnost sein Publikum in der DDR gefunden hatte. Auch das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) wurde hellhörig und wertete alle Sendungen im Detail aus. Die Geheimpolizei fahndete nach den Urhebern und untersuchte, welchen Einfluss die Beiträge auf DDR-Bürger haben könnten. Auch erschwerte die Stasi den Empfang von zwei Sendungen durch Störsender.
Die Störsender arbeiteten, wie von der Stasi gewünscht: In vielen Bereichen im Osten Berlins war die achte Sendung vom 28. März 1988 nur noch schwer oder gar nicht zu verstehen. In dem folgenden Dokument dokumentiert die Stasi die Ergebnisse ihrer Aktion "David".
Soweit die Dokumentation zur Remilitarisierung in der DDR und zur Geschichte der Wehrdienstverweigerung. Wir müssen uns darüber im klaren sein, daß selbst das gegenwärtige Patt zwischen Behörden und Wehrdienstverweigerern nur durch ständigen, öffentlichen Druck aufrechtzuerhalten ist. Um so wichtiger ist, daß jeder, der sich angesprochen fühlt, zusammen mit anderen neue Kreise bildet, Konzepte für einen zivilen Ersatzdienst entwirft und durch Veranstaltungen, Eingaben und anderen öffentlichkeitswirksamen Mitteln unser Anliegen ein Stück vorantreibt. Unterzeichnet mit die Graswurzelgruppe.
Dies war ein geschichtlicher Abriß der Graswurzelgruppe zur Remilitarisierung der DDR und der Forderung nach einem sozialen Friedensdienst. Ursprüngliche Gerüchte ‚nach denen in diesem Jahr die Einberufung zum Wehrdienst schon vor dem 1. Mai beginnen soll, haben sich nicht bestätigt. Aud der eingangs schon erwähnten Synode Berlin-Brandeburgs wurde auch zum Problem Wehrdienst und totale Verweigerung ein Beschluß gefaßt. Die Synode hat festgestellt, daß jeder Christ, der vor der Frage des Wehrdienstes gestellt ist, prüfen muß, ob seine Entscheidung mit dem Evangelium des Friedens zu vereinbaren ist. In diesen Tagen gewinnt diese Forderung aktuelle Bedeutung. Christen treffen in ihrer Friedensverantwortung unterschiedliche Entscheidungen. Dienst bei den bewaffneten Einheiten, Dienst bei den Baueinheiten, Angebot eines Dienstes in der Gesellschaft außerhalb jeglicher militärischer Bereiche. Wir sind uns der Notwendigkeit besonderer seelsorgericher Begleitung dieser jungen Christen bewußt. Besonders diejenigen, die dritte Entscheidung treffen, brauchen in diesen Tagen unsere Begleitung. Die Kirchenleitung wird gebeten, zum Ausdruck zu bringen, daß die im Zusammenhang mit der Wehrpflicht getroffenen Gewissensentscheidungen nicht in einem Bewertungszusammenhang mit anderen gesellschaftlichen Vorgängen gebracht werden.
Musiktitel mit Einblendung
Ihr könnt sicher sein, daß wir die Sendung so lange wiederholen,
bis sie störungsfrei empfangen werden kann. Hört Radio 100, dann wißt ihr wann.
Dies war ein Titel eines schwarzen Dichters aus Südafrika, der dort seit Januar im Knast sitzt. Die Kirchenleitung der evangelischen Kirche hat sich positiv zur Entwicklung in der Sowjetunion geäußert. Es gibt ja die sicherlich richtige These, daß wirtschaftliche Schwierigkeiten diese Entwicklung beschleunigen.
Die Kirchen gerieten nicht selten unter Verdacht, gegen die politischen Verhältnisse in der DDR zu opponieren. Das lag an ihrer weitgehenden Eigenständigkeit, an der christlichen Botschaft, die von den kommunistischen Ideologen als konkurrierendes Sinn- und Erklärungsangebot abgelehnt wurde, sowie an ihrem Beharren auf Mitsprache und Gestaltungsanspruch in gesellschaftlichen Fragen. Im Auftrag der SED wurde daher das MfS tätig, um die von den Kirchen ausgehenden vermeintlichen und tatsächlichen Gefahren für das politisch-ideologische System der DDR abzuwehren.
Die SED-Kirchenpolitik war in den vier Jahrzehnten der DDR Wandlungen unterworfen. In den 50er Jahren führte die SED mehrfach einen offenen Kirchenkampf. Dieser richtete sich u. a. gegen die kirchliche Jugend- und Studentenarbeit, v. a. bei der Einführung der Jugendweihe, sowie gegen karitative Einrichtungen wie die Bahnhofsmissionen. Mehrere Religionsgemeinschaften wurden verboten und deren Anhänger verfolgt.
Die SED war zudem bestrebt, die Verlesung von solchen Hirtenbriefen und Kanzelabkündigungen zu unterbinden, in denen sozialethische, gesellschaftskritische oder politische Fragen aufgegriffen wurden. Von der Polizei und dem MfS wurden kirchliche Einrichtungen durchsucht und Literatur beschlagnahmt. Neben kirchlichen Mitarbeitern wurden unter Mitwirkung des MfS auch Pfarrer – zwischen 1950 und 1960 mindestens 140 – inhaftiert.
Ab den 60er Jahren beschränkte sich die SED zunehmend darauf, durch eine rigorose Auslegung der Veranstaltungsordnung unerwünschte kirchliche Aktivitäten zu behindern. Das offizielle Eindringen in kirchliche Räume wie im November 1987, als es nachts in der Zionsgemeinde in Ostberlin zu Durchsuchungen und Festnahmen kam, war in den 70er und 80er Jahren eher untypisch, weil dies die Staat-Kirche-Beziehungen erheblich belastete. Vor allem seit 1978 bemühte sich die SED, ein Stillhalteabkommen zwischen Kirchenleitungen und Staat zu respektieren.
Das MfS versuchte aber stets, indirekt Einfluss auf kirchliche Entscheidungen zu nehmen. Dies und die verdeckte Informationsbeschaffung zählten zu den Hauptbetätigungsfeldern des MfS im Rahmen der von der SED konzipierten Kirchenpolitik. Die Informationsbeschaffung erfolgte mittels Observation, IM-Einsatz und auf dem Weg der sog. Gesprächsabschöpfung. Dabei gelang es in Einzelfällen auch, Christen in kirchlichen Leitungspositionen als IM zu gewinnen.
So arbeitete der thüringische Kirchenjurist und Oberkirchenrat Gerhard Lotz seit 1955 mit dem MfS als IM "Karl" zusammen. Durch die Positionierung eines Offiziers im besonderen Einsatz im Konsistorium in Magdeburg, Detlev Hammer, der ab 1974 juristischer, dann Oberkonsistorialrat war, vermochte es das MfS, einen hauptamtlichen Mitarbeiter innerhalb der Leitungsstruktur der provinzsächsischen Kirche zu platzieren. Außerdem hatte das MfS gegenüber den Kirchen dann tätig zu werden, wenn Verdachtsmomente dafür vorlagen, dass die Kirchen über den ihnen von der SED zugewiesenen religiös-kultischen Bereich hinaus tätig wurden.
Dementsprechend observierte das MfS Kirchengemeinden und Pfarrer, die – wie es beim MfS hieß – im Rahmen der "Partnerschaftsarbeit" Besuchskontakt zu Kirchengemeinden in der Bundesrepublik unterhielten. Das MfS legte hierzu OV an und ermittelte gegen die Organisatoren der Zusammenkünfte.
Als Ziele der MfS-Aufklärung galten ebenso kirchliche Synoden und Basistreffen, auf denen grundsätzlich die potenzielle Gefahr bestand, dass Kritik an den Verhältnissen in der DDR geübt werden würde. In das Blickfeld des MfS rückten die evangelischen Kirchen insbesondere ab Mitte der 70er Jahre: Zunächst rief die auch unter nichtkirchlichen Jugendlichen an Attraktivität gewinnende kirchliche Jugendarbeit, dann die Friedens-, Umwelt- und Menschenrechtsarbeit unter dem Dach der Kirche den Argwohn des MfS hervor.
Insgesamt war das MfS nur eine von mehreren Institutionen des SED-Staates, die im Rahmen der SED-Kirchenpolitik tätig wurden. Im Zusammenspiel mit ihnen versuchte das MfS, die Kirchen zu kontrollieren und zu disziplinieren.
In Auswertung der kirchenpolitischen Kampagnen der 50er Jahre und bestärkt durch konzeptionelle Arbeiten, drängte die SED-Führung ab Anfang der 80er Jahre zunehmend auf ein koordiniertes Vorgehen. Die vom MdI und den Abteilungen für Inneres erstellten Rapportmeldungen, Berichte und Personeneinschätzungen zu Gottesdiensten und kirchlichen Mitarbeitern wurden vereinbarungsgemäß dem MfS zur Verfügung gestellt und bildeten häufig den Grundstock jener Berichte und Personencharakteristiken, die sich in den Beständen des MfS wiederfinden.
Bereits vor Gründung des MfS hatte bei der Deutschen Verwaltung des Innern in der Abteilung K 5 das Referat C 3 existiert. Als Aufgabenbeschreibung wurde die "Aufklärung und Bekämpfung der kirchlichen Feindtätigkeit" genannt. Ab 1950 bestand im MfS zunächst die Abteilung V, die sich ab 1953 Hauptabteilung V nannte und 1964 im Zuge einer Umstrukturierung zur Hauptabteilung XX wurde.
Innerhalb dieser Organisationsstruktur zeichnete die Abt. 4 für die "Bearbeitung" der Kirchen verantwortlich. 1988 gliedert sich diese in sechs Fachreferate, wobei je eins für die evangelischen Kirchen, die katholische Kirche sowie die Religionsgemeinschaften und Sekten zuständig war. Ein Referat widmete sich Operativen Vorgängen. Als Schwerpunkt der Arbeit wurde die "Bekämpfung der politischen Untergrundtätigkeit" benannt. Zwei weitere Referate nahmen koordinierende Funktionen wahr.
Neben der Hauptabteilung XX/4 stützte sich das MfS bei der Bekämpfung und Infiltration der Kirchen auf die Zuarbeit verschiedener Hauptabteilungen und Abteilungen - so u. a. auf die Dienste der HV A bei der "Aufklärung" von westlichen Partnergemeinden und Pfarrern, die die kirchliche Friedensarbeit in den ostdeutschen Gemeinden unterstützten. Im Fall der Inhaftierung kirchlicher Mitarbeiter übernahm die Hauptabteilung IX als Untersuchungsorgan den Vorgang.
Hinzu kamen andere institutionalisierte Formen der "Bearbeitung". Als politisch-ideologische fungierte ab 1958 das Referat Familienforschung, das Verwicklungen missliebiger Kirchenvertreter in das NS-Regime aufdecken oder konstruieren sollte, um die so Diffamierten unter Druck setzen zu können. Angesiedelt war es beim Deutschen Zentralarchiv in Potsdam. Es verwaltete verschiedene aus NS-Beständen stammende Unterlagen und wertete sie aus. Dabei handelte es sich um eine verdeckt arbeitende Einrichtung des MfS.
Um den steigenden Informationsbedarf – unter Berücksichtigung der Spezifik kirchlicher und religiöser Angelegenheiten – zu decken und um Sonderaufträge u. a. auch im Ausland ausführen zu können, etablierte das MfS 1960 die sog. Auswertungsgruppe, die dem Referat V zugeordnet wurde. In einem konspirativen Objekt in Berlin-Pankow ("Institut Wandlitz") arbeiteten hauptamtliche IM und mehrere OibE zusammen.
Seine "Absicherung" fand das Vorgehen des MfS gegenüber den Kirchen durch ein umfangreiches Netz von OibE und IM, die das MfS im Staatssekretariat für Kirchenfragen und in den Kirchenabteilungen der DDR-Bezirke unterhielt. 1989 gab es im Staatssekretariat drei OibE; zudem berichtete der persönliche Referent und Büroleiter der Staatssekretäre Hans Seigewasser und Klaus Gysi, Horst Dohle, ab 1975 als IM "Horst" dem MfS. Insgesamt aber gelang es dem MfS nicht, die Kirchen umfassend zu unterwandern.
Bekämpfung von Widerstand und Opposition umschreibt, was zwischen 1950 und 1989 als eine Kernaufgabe des MfS galt. Gegen den Willen eines Großteils der ostdeutschen Bevölkerung wurde eine Diktatur etabliert, die nicht durch Wahlen legitimiert war: Dies war einer der Gründe für die Bildung des MfS am 8.2.1950.
Um ihren gesellschaftlichen Alleinvertretungs- und Herrschaftsanspruch zu sichern, schuf sich die SED als Repressions- und polizeistaatliche Unterdrückungsinstanz das MfS - das konsequenterweise so auch offiziell von ihr als "Schild und Schwert der Partei" bezeichnet wurde. Bereits in der "Richtlinie über die Erfassung von Personen, die eine feindliche Tätigkeit durchführen und von den Organen des MfS der DDR festgestellt wurden" vom 20.9.1950 wurde dementsprechend festgelegt, dass "alle Personen" zu registrieren seien, deren Verhalten geeignet war, die "Grundlagen" der DDR in Frage zu stellen.
Ferner wurde bestimmt, dass "über Personen, die eine feindliche Tätigkeit ausüben, [...] Vorgänge" anzulegen sind und über "die erfassten Personen [...] eine zentrale Kartei" einzurichten ist. Das offensive Vorgehen gegen Regimegegner erfuhr eine Ergänzung in den gleichzeitig getroffenen Festlegungen zur Übergabe der als "feindlich" klassifizierten Personen an die Staatsanwaltschaften.
Das MfS wurde somit bei der Bekämpfung von Widerstand und Opposition zur Ermittlungsinstanz; die nachfolgenden Urteile gegen Oppositionelle und Regimekritiker ergingen in enger Kooperation mit den vom MfS zumeist vorab instruierten Gerichten und zum Schein vermeintlicher Rechtsstaatlichkeit unter Hinzuziehung von mit dem MfS häufig zusammenarbeitenden Rechtsanwälten.
Inhalte, Auftreten und Erscheinungsbild von politisch abweichendem Verhalten, Widerstand und Opposition wandelten sich im Laufe der DDR-Geschichte. Zugleich änderten sich auch die Strategien und Methoden des MfS in Abhängigkeit vom konkreten Erscheinungsbild von Protest und Widerstand, aber auch analog zum Ausbauniveau des Apparates und seines Zuträger- und Informantennetzes sowie zur jeweils getroffenen Lageeinschätzung und unter Berücksichtigung der politischen Rahmenbedingungen.
Zu allen Zeiten gab es in beinahe allen Bevölkerungsgruppen und in allen Regionen Aufbegehren, Opposition und Widerstand. In den ersten Jahren nach Gründung der DDR gingen die SED und das MfS mit drakonischen Abschreckungsstrafen (u. a. Todesurteilen) gegen politische Gegner vor. Gefällt wurden die Urteile nicht selten in penibel vorbereiteten Strafprozessen mit präparierten Belastungszeugen und unter Verwendung erzwungener Geständnisse.
In mehreren Orten der DDR wurden z. B. Oberschüler (Werdau, Leipzig, Werder, Eisenfeld, Fürstenberg/Oder, Güstrow), die anknüpfend an das Vorbild der Gruppe "Weiße Rose" in der NS-Diktatur Widerstand geleistet hatte, zum Tode oder zu langjährigen Zuchthausstrafen verurteilt, weil sie Informationen gesammelt und Flugblätter verteilt hatten. Manch einer von ihnen überlebte die Haftbedingungen nicht oder nur mit dauerhaften gesundheitlichen Schäden.
Im Laufe der 50er Jahre ging das MfS schrittweise zum verdeckten Terror über. Nach wie vor ergingen langjährige Zuchthausstrafen; politische Opponenten, die von Westberlin aus die Verhältnisse in der DDR kritisierten, wurden - wie Karl Wilhelm Fricke 1955 - in geheimen Operationen entführt, nach Ostberlin verschleppt, in MfS-Haft festgehalten und vor DDR-Gerichte gestellt (Entführung).
Das Bestreben der SED, sich in der westlichen Öffentlichkeit aufgrund dieser ungelösten Fälle und angesichts eklatanter Menschenrechtsverletzungen nicht fortlaufender Kritik ausgesetzt zu sehen, führte, begünstigt durch die Absicht, der maroden Finanz- und Wirtschaftslage mit westlicher Unterstützung beizukommen, schrittweise zu einem Wandel. Im Ergebnis kam es auch zu einer Modifikation der MfS-Strategien im Vorgehen gegenüber Widerstand und Opposition.
Neben die im Vergleich zu den 50er Jahren zwar niedrigeren, für die Betroffenen aber nach wie vor empfindlich hohen Haftstrafen traten als beabsichtigt "lautloses" Vorgehen die Strategien der Kriminalisierung und Zersetzung. In einem "Entwurf der Sektion politisch-operative Spezialdisziplin" des MfS, der auf 1978 zu datieren ist, wird hierzu ausgeführt: "Um der Behauptung des Gegners die Spitze zu nehmen, dass wir ideologische Meinungsverschiedenheiten oder Andersdenkende mit Mitteln des sogenannten politischen Strafrechts bekämpfen, sind dazu noch wirksamer Maßnahmen zur Kriminalisierung dieser Handlungen sowie nicht strafrechtliche Mittel anzuwenden."
In der Richtlinie 1/76 "zur Entwicklung und Bearbeitung Operativer Vorgänge" vom Januar 1976 wurden unter Punkt 2.6 "die Anwendung von Maßnahmen der Zersetzung" geregelt und unter Punkt 2.6.2 die "Formen, Mittel und Methoden der Zersetzung" erörtert. Jene reichten u. a. von der "systematischen Diskreditierung des öffentlichen Rufes" auch mittels "unwahrer […] Angaben" und der "Verbreitung von Gerüchten" über das "Erzeugen von Misstrauen", dem "Vorladen von Personen zu staatlichen Dienststellen" bis zur "Verwendung anonymer oder pseudonymer Briefe, […] Telefonanrufe".
Mit der "Ordnungswidrigkeitenverordnung" (OWVO) von 1984 ging man zudem verstärkt dazu über, politisch unliebsame Personen, sofern sie sich an Protesten beteiligten, mit Ordnungsstrafen zu überziehen und sie somit materiell unter Druck zu setzen. All diese Maßnahmen sollten nach außen hin den Eindruck erwecken, dass das MfS weniger rigoros als in früheren Jahren gegen Regimegegner vorging.
Nach der Freilassung von Oppositionellen, die kurz zuvor während der Durchsuchung der Umweltbibliothek 1987 und nach den Protesten am Rande der Liebknecht-Luxemburg-Demonstration 1988 in Berlin inhaftiert worden waren, äußerten selbst SED-Mitglieder Zweifel, ob das MfS noch in der Lage sei, offensiv und effektiv gegen politische Opponenten vorzugehen.
Hochgerüstet und allemal zum Einschreiten bereit, trat das MfS jedoch noch bis in den Herbst 1989 gegenüber weniger prominenten Menschen in Aktion, die Widerstand leisteten, inhaftierte diese und ließ gegen sie hohe Haftstrafen verhängen. Bis zum Ende der DDR schritt das MfS bei sog. Demonstrativhandlungen ein und ging gegen - wie es hieß - ungesetzliche Gruppenbildungen vor.
Organisationsstruktur in der MfS-Zentrale, die durch den Minister oder einen seiner Stellvertreter direkt angeleitet wurde. Die zuletzt 13 Hauptabteilungen wurden durch Einzelleiter geführt. Die weiter untergliederten und nach dem Linienprinzip tätigen HA waren für komplexe, abgegrenzte Bereiche operativ zuständig und federführend verantwortlich. Der Zuschnitt der Zuständigkeitsbereiche war an Ressorts oder geheimdienstlichen Praktiken (z. B. Verkehrswesen, Beobachtung, Funkspionage) orientiert.