Signatur: BStU, MfS, HA PS, MF, Nr. 245, Bl. 6-10
Während der KSZE-Verhandlungen in Helsinki beobachtete und analysierte das MfS die Berichterstattung der skandinavischen Medien. Besonders interessierte die Staatssicherheit, welche Journalisten sich kritisch gegenüber der DDR äußerten und wie es um die Sicherheit der Botschaftsgebäude in Helsinki bestellt war.
Im August 1975 unterzeichnete die DDR die Schlussakte der Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE). Auf dem Papier verpflichtete sie sich damit zur Wahrung der Menschenrechte und Grundfreiheiten im Land. Nach der Unterschrift unter das Vertragswerk beauftragte jedoch die SED ihre Geheimpolizei, unerwünschte Nebenwirkungen, wie das Beharren der Menschen auf Ausreise oder zunehmende Westkontakte, zu bekämpfen – den Bürgern der DDR also weiterhin ihre Menschenrechte vorzuenthalten.
Das vorliegende Dokument entstand während der KSZE-Verhandlungen in Helsinki. In der Zusammenstellung erfasste das MfS Journalisten, die sich gegenüber der DDR kritisch geäußert hatten oder sich in ihren Artikeln mit der Sicherheit der Botschaften in Helsinki befassten. Neben den – hier zum Schutz der Persönlichkeit anonymisierten – Namen der Journalisten listet das Dokument auch die Medien auf, in denen die aus Sicht der Stasi unliebsamen Artikel erschienen waren. Der zweite Teil des Dokuments gibt Auskunft über den beruflichen Werdegang sowie die von der Stasi vermuteten Kontakte der Journalisten und fasst den Inhalt der Artikel zusammen.
Der Autor des Dokuments wirft den Journalisten Verleumdung, Spionage, "Verherrlichung von Republikflucht" und "Hetze" gegen die DDR vor. Die Medien werden teilweise als Skandal- oder Sensationsblätter bezeichnet.
Die Zusammenstellung geht außerdem auf mehrere vorangegangene medienwirksame Ereignisse ein. Zum einen handelt es sich um die Besetzung der bundesdeutschen Botschaft in Stockholm durch die RAF am 24. April 1975, zum anderen um den MfS-Agenten Günter Guillaume, der am 24. April 1974 verhaftet worden war.
4. [anonymisiert]
Korrespondent der "[anonymisiert]" in [anonymisiert]. Verherrlichte die Republikflucht von 2 DDR-Familien mit dem österreichischen Sattelschlepper am 4.1.1975.
5. [anonymisiert]
Reporter der [anonymisiert] Zeitung "[anonymisiert]". Er ist ehemaliger deutscher Emigrant, der nach dem 2. Weltkrieg ist Schweden geblieben ist. Seit langen verfaßt [anonymisiert] Artikel mit Verleumdungen der DDR, führender Genossen der Partei und Staatsführung. Veröffentlichte am 22.3.1975 Artikel über sein Gespräch mit dem BND-Pressechef Bergmann in Pullach. Auf Grund der Erfahrungen mit [anonymisiert] ist anzunehmen, daß [anonymisiert] mit Materialien gegen die DDR vom BND versorgt wird.
6. [anonymisiert]
Korrespondent von "[anonymisiert]". Veröffentlichte Artikel im Januar 1975 zu Guillaume. Kritisiert Arbeit des BND und verweist auf die durch Gehlen geschaffenen Vorschriften.
7. [anonymisiert]
Korrespondent von "[anonymisiert]". Veröffentlichte einen vermutlich vom dänischen Geheimdienst lanciertcn Artikel über einen Bankräuber, der in der DDR durch eine Verurteilung wegen Spionage zum Verbrecher geworden wäre.Diese Person wurde in der DDR inhaftiert und verurteilt wegen Paßvergehens und beabsichtigter Personenschleusung.
3. [anonymisiert]
Korrespondent der "[anonymisiert]". Schrieb 1974 Artikel über Guillaume und des MfS und verwertet Angaben, die auf eine Geheimdienstverbindung schließen lassen.
9. [anonymisiert]
Korrespondentin der Zeitschrift "[anonymisiert]". Veröffentlichte Artikel über Republikflüchtige DDR-Bürger mit Hetze gegen die DDR.
Straftaten gegen die staatliche Ordnung
Straftaten gegen die staatliche Ordnung waren Straftatbestände des 8. Kapitels des StGB/1968. Insbesondere der 2. Abschnitt ("Straftaten gegen die staatliche und öffentliche Ordnung") enthält politische Strafnormen, die für die strafrechtliche Untersuchungstätigkeit der Staatssicherheit (Untersuchungsorgan) von großer Bedeutung waren.
Das gilt vor allem für § 213 ("Ungesetzlicher Grenzübertritt"), der in der Honecker-Ära Grundlage von rund der Hälfte aller MfS-Ermittlungsverfahren war. Auch § 214 ("Beeinträchtigung staatlicher und gesellschaftlicher Tätigkeit") spielte, vor allem im Zusammenhang mit der Bekämpfung von Ausreiseantragstellern, in den 80er Jahren eine immer wichtigere Rolle.
Ähnliches gilt für § 219 ("Ungesetzliche Verbindungsaufnahme") und § 220 ("Öffentliche Herabwürdigung der staatlichen Ordnung"), die die ähnlichen, aber schwerer wiegenden Strafnormen aus dem 2. Kapitel des StGB/1968 § 100 ("Staatsfeindliche Verbindungen", ab 1979 "Landesverräterische Agententätigkeit") und § 106 ("Staatsfeindliche Hetze") weitgehend verdrängten (Staatsverbrechen).
Organisationsstruktur in der MfS-Zentrale, die durch den Minister oder einen seiner Stellvertreter direkt angeleitet wurde. Die zuletzt 13 Hauptabteilungen wurden durch Einzelleiter geführt. Die weiter untergliederten und nach dem Linienprinzip tätigen HA waren für komplexe, abgegrenzte Bereiche operativ zuständig und federführend verantwortlich. Der Zuschnitt der Zuständigkeitsbereiche war an Ressorts oder geheimdienstlichen Praktiken (z. B. Verkehrswesen, Beobachtung, Funkspionage) orientiert.
Das MfS hat als ein Instrument der DDR, insbesondere der SED-Führung, die politischen Interessen des Staates inoffiziell in der Bundesrepublik Deutschland unterstützt. Die Westarbeit des MfS bestand aus Spionageaktivitäten, also der nachrichtendienstlichen Beschaffung von Informationen, Patenten, Verfahren und Mustern durch das MfS.
Die Bezeichnungen Westarbeit und Spionage meinen in diesem Kontext das, was beim MfS mit "operative Arbeit im und nach dem Operationsgebiet" bezeichnet wird. Im engeren Sinne also die Arbeit mit Inoffiziellen Mitarbeitern im "Operationsgebiet", bei dem es sich überwiegend um die Bundesrepublik Deutschland und Westberlin handelte, aber auch die in der NATO und der Europäischen Gemeinschaft verbundenen Staaten einschloss.
Im weiteren Sinne fallen darunter auch die Funkaufklärung und der Einsatz von Offizieren im besonderen Einsatz in Botschaften, Konsulaten usw. Erfolgte diese operative Arbeit bis Anfang der 70er Jahre wesentlich "illegal", ergaben sich mit der zunehmenden Anerkennung der DDR auch verstärkt "legale" Zugänge über die Einrichtung von Botschaften, von denen aus das MfS mit "legal abgedeckten Residenturen" arbeiten konnte.
Für die Beschaffung von wissenschaftlich-technischen, politischen und militärischen Informationen war vor allem die Hauptverwaltung A zuständig, aber nahezu gleichrangig zahlreiche Abwehrdiensteinheiten des MfS. Die Hauptabteilung I, in der DDR für die Absicherung des Militärkomplexes verantwortlich, erkundete auch die Bundeswehr, den Bundesgrenzschutz, den Zollgrenzdienst, die Bayerische Grenzpolizei und diverse Einrichtungen der NATO.
Die Hauptabteilung II, mit der "offensiven Abwehr" ausländischer Nachrichtendienste in der DDR befasst, arbeitete zeitweise auch gegen den Bundesnachrichtendienst, das Bundesamt und die Landesämter für Verfassungsschutz sowie den Militärischen Abschirmdienst. Die Hauptabteilung VI überwachte neben dem Ein-, Ausreise- und Transitverkehr in der DDR auch den über innerdeutsche Grenzen hinaus von und nach Westberlin.
Die Hauptabteilung VII unterhielt im "Operationsgebiet" ebenfalls ein Netz, das im klassischen Sinne kriminelle Aktivitäten wie Schmuggel aufzuklären hatte. Die Hauptabteilung VIII war für Ermittlungen und Beobachtungen zuständig. Zugleich war sie Servicediensteinheit für alle Diensteinheiten des MfS, indem sie den Informationsbedarf über Bundesbürger bediente.
Neben der Sicherungsarbeit in den Bereichen Staatsapparat, Blockparteien und "politischer Untergrundtätigkeit" war die Hauptabteilung XX im "Operationsgebiet" für alle Einrichtungen zuständig, die sich mit der DDR befassten. Im Visier der Hauptabteilung XXII standen links- und rechtsextremistische, überwiegend terroristische Gruppen.
Schließlich wäre auf Hauptabteilungsebene noch die Zentrale Kontrollgruppe anzuführen, die sich mit besonders DDR-kritischen Gruppen befasste, wie z. B. der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte oder den Fluchthilfeorganisationen. Mit der Westarbeit waren nicht allein die zentralen Abwehrdiensteinheiten befasst, sondern ihre Linien (Linienprinzip) erstreckten sich meist auch auf Bezirks- und im Einzelfall auf Kreisverwaltungsebene des MfS.
In den Kontext der Westarbeit sind auch die etwa 400 Entführungen von Bürgern aus der Bundesrepublik Deutschland und Westberlin zu zählen sowie vereinzelte Versuche und Erwägungen, Bürger zu töten, wobei bislang ein Mord nicht nachgewiesen ist. Das MfS selbst verstand unter der "Arbeit im und nach dem Operationsgebiet" die "Gesamtheit der politisch-operativen Kräfte des MfS im Operationsgebiet und die Nutzung solcher Personen aus dem Operationsgebiet, die zur Erfüllung operativer Aufgaben geeignet sind".
Die HV A und ihre Abteilungen XV in den Bezirksverwaltungen arbeiteten nach Schwerpunkten im "Operationsgebiet", ihre innere Struktur drückte die entsprechende Interessenlage aus.
Demnach konzentrierte sich die Abt. I auf Politik und strategische Absichten der Bundesregierung, die Abt. II auf die Parteien, Gewerkschaften, Landsmannschaften im "Operationsgebiet", die Abt. III steuerte die operative Arbeit der "legal abgedeckten Residenturen" in DDR-Botschaften, Konsulaten und Handelseinrichtungen, und die Abt. IV beschäftigte sich mit den militärischen Zentren" in der Bundesrepublik Deutschland, wozu das Bundesministerium der Verteidigung, Wehrbezirkskommandos der Bundeswehr und diverse US-amerikanische Einrichtungen gehörten. Die Abt. IX befasste sich mit westlichen Nachrichtendiensten, die Abt. XI mit den USA und die Abt. XII mit der NATO.
Die Abteilungen XIII bis XV gehörten zum Sektor Wissenschaft und Technik, der systematisch Patente, Verfahren und Muster für die DDR- und osteuropäische Forschung und Wirtschaft beschaffte. Schwerpunkte waren die Fachgebiete Energie, Biologie, Chemie, Elektronik, Elektrotechnik und Maschinenbau sowie das Bemühen, die Embargopolitik zu unterlaufen. Für offizielle, mithin dienstliche Kontakte zwischen beispielsweise DDR- und bundesdeutschen Wissenschaftlern oder Politikern war eigens die Abt. XVI der HV A zuständig, die auf diesem Weg an relevante Informationen gelangen sollte.
Während all diese Abteilungen der HV A überwiegend informationsbeschaffend tätig waren, verfügte sie mit der Abt. X eigens über eine Struktureinheit, die systematisch aktive Maßnahmen in der Bundesrepublik zu entfalten suchte.
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Signatur: BStU, MfS, HA PS, MF, Nr. 245, Bl. 6-10
Während der KSZE-Verhandlungen in Helsinki beobachtete und analysierte das MfS die Berichterstattung der skandinavischen Medien. Besonders interessierte die Staatssicherheit, welche Journalisten sich kritisch gegenüber der DDR äußerten und wie es um die Sicherheit der Botschaftsgebäude in Helsinki bestellt war.
Im August 1975 unterzeichnete die DDR die Schlussakte der Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE). Auf dem Papier verpflichtete sie sich damit zur Wahrung der Menschenrechte und Grundfreiheiten im Land. Nach der Unterschrift unter das Vertragswerk beauftragte jedoch die SED ihre Geheimpolizei, unerwünschte Nebenwirkungen, wie das Beharren der Menschen auf Ausreise oder zunehmende Westkontakte, zu bekämpfen – den Bürgern der DDR also weiterhin ihre Menschenrechte vorzuenthalten.
Das vorliegende Dokument entstand während der KSZE-Verhandlungen in Helsinki. In der Zusammenstellung erfasste das MfS Journalisten, die sich gegenüber der DDR kritisch geäußert hatten oder sich in ihren Artikeln mit der Sicherheit der Botschaften in Helsinki befassten. Neben den – hier zum Schutz der Persönlichkeit anonymisierten – Namen der Journalisten listet das Dokument auch die Medien auf, in denen die aus Sicht der Stasi unliebsamen Artikel erschienen waren. Der zweite Teil des Dokuments gibt Auskunft über den beruflichen Werdegang sowie die von der Stasi vermuteten Kontakte der Journalisten und fasst den Inhalt der Artikel zusammen.
Der Autor des Dokuments wirft den Journalisten Verleumdung, Spionage, "Verherrlichung von Republikflucht" und "Hetze" gegen die DDR vor. Die Medien werden teilweise als Skandal- oder Sensationsblätter bezeichnet.
Die Zusammenstellung geht außerdem auf mehrere vorangegangene medienwirksame Ereignisse ein. Zum einen handelt es sich um die Besetzung der bundesdeutschen Botschaft in Stockholm durch die RAF am 24. April 1975, zum anderen um den MfS-Agenten Günter Guillaume, der am 24. April 1974 verhaftet worden war.
10. [anonymisiert]
Korrespondent der Zeitschrift "[anonymisiert]". Arbeitete mit dem Fotoreporter [anonymisiert] zusammen. Veröffentlichte Artikel im Zusammenhang mit der IB-Affäre. Sie veröffentlichten Artikel über die Spionage des schwedischen Informationsbüros in Finnland gegen die UdSSR.
11. und 12. [anonymisiert] und [anonymisiert]
Korrespondenten der Zeitschrift "[anonymisiert]". Veröffentlichten Artikelserie über den CSSR-Verräter Robek. Vermutlich verfügen beide über spezielle Verbindungen zur schwedischen SÄPO bzw. IB.
13. und 14. [anonymisiert] und [anonymisiert]
Korrespondenten der Zeitschrift "[anonymisiert]". Mit 2 westdeutschen Personen inszenierten sie fingierte Waffentransporte (Spielzeugwaffen) über die Grenze BRD/Schweden und provozierten vor dem BRD-Generalkonsulat in Göteborg. Damit wollten sie Beweise schaffen, daß die schwedische Grenz- und Zollkontrolle der Einfuhr von Waffen durch Terroristen keine Aufmerksamkeit schenkt. Vermutlich dienen diese Beweise auch der Entlastung der Terroristen des "Kommandos Holger Meins".
[anonymisiert]
Hetzartikel gegen den Aufbau und Sozialismus in der DDR und VR Polen. Angeblich handelt es sich um eigene Reiseeindrücke bei einer Reise in die DDR.
16. [anonymisiert]
Korrespondent der Zeitung "[anonymisiert]". Schrieb Hetzartikel zur Mauer im Zusammenhang mit der Fußballweltmeisterschaft.
17. [anonymisiert]
Reporter der Zeitschrift "[anonymisiert]". [anonymisiert] hat an einer Schleusung von DDR-Bürgern teilgenommen und sie fotografisch dokumentiert.
Straftaten gegen die staatliche Ordnung
Straftaten gegen die staatliche Ordnung waren Straftatbestände des 8. Kapitels des StGB/1968. Insbesondere der 2. Abschnitt ("Straftaten gegen die staatliche und öffentliche Ordnung") enthält politische Strafnormen, die für die strafrechtliche Untersuchungstätigkeit der Staatssicherheit (Untersuchungsorgan) von großer Bedeutung waren.
Das gilt vor allem für § 213 ("Ungesetzlicher Grenzübertritt"), der in der Honecker-Ära Grundlage von rund der Hälfte aller MfS-Ermittlungsverfahren war. Auch § 214 ("Beeinträchtigung staatlicher und gesellschaftlicher Tätigkeit") spielte, vor allem im Zusammenhang mit der Bekämpfung von Ausreiseantragstellern, in den 80er Jahren eine immer wichtigere Rolle.
Ähnliches gilt für § 219 ("Ungesetzliche Verbindungsaufnahme") und § 220 ("Öffentliche Herabwürdigung der staatlichen Ordnung"), die die ähnlichen, aber schwerer wiegenden Strafnormen aus dem 2. Kapitel des StGB/1968 § 100 ("Staatsfeindliche Verbindungen", ab 1979 "Landesverräterische Agententätigkeit") und § 106 ("Staatsfeindliche Hetze") weitgehend verdrängten (Staatsverbrechen).
Organisationsstruktur in der MfS-Zentrale, die durch den Minister oder einen seiner Stellvertreter direkt angeleitet wurde. Die zuletzt 13 Hauptabteilungen wurden durch Einzelleiter geführt. Die weiter untergliederten und nach dem Linienprinzip tätigen HA waren für komplexe, abgegrenzte Bereiche operativ zuständig und federführend verantwortlich. Der Zuschnitt der Zuständigkeitsbereiche war an Ressorts oder geheimdienstlichen Praktiken (z. B. Verkehrswesen, Beobachtung, Funkspionage) orientiert.
Schleuser waren IM, die Personen, Materialien oder Fahrzeuge inoffiziell über die Staatsgrenze der DDR in das Operationsgebiet einschleusten oder von dort zurückbeförderten. Dementsprechend unterschied das MfS auch zwischen Personenschleuse, bei der einer oder mehrere Schleuser aus der DDR oder dem Westen zum Einsatz kamen, und der Materialschleuse. Die Schleuser wurden teilweise auch als Grenz-IM (GIM) bezeichnet. Im Dezember 1988 gab es in der Bundesrepublik und Westberlin 47 GIM.
Das MfS hat als ein Instrument der DDR, insbesondere der SED-Führung, die politischen Interessen des Staates inoffiziell in der Bundesrepublik Deutschland unterstützt. Die Westarbeit des MfS bestand aus Spionageaktivitäten, also der nachrichtendienstlichen Beschaffung von Informationen, Patenten, Verfahren und Mustern durch das MfS.
Die Bezeichnungen Westarbeit und Spionage meinen in diesem Kontext das, was beim MfS mit "operative Arbeit im und nach dem Operationsgebiet" bezeichnet wird. Im engeren Sinne also die Arbeit mit Inoffiziellen Mitarbeitern im "Operationsgebiet", bei dem es sich überwiegend um die Bundesrepublik Deutschland und Westberlin handelte, aber auch die in der NATO und der Europäischen Gemeinschaft verbundenen Staaten einschloss.
Im weiteren Sinne fallen darunter auch die Funkaufklärung und der Einsatz von Offizieren im besonderen Einsatz in Botschaften, Konsulaten usw. Erfolgte diese operative Arbeit bis Anfang der 70er Jahre wesentlich "illegal", ergaben sich mit der zunehmenden Anerkennung der DDR auch verstärkt "legale" Zugänge über die Einrichtung von Botschaften, von denen aus das MfS mit "legal abgedeckten Residenturen" arbeiten konnte.
Für die Beschaffung von wissenschaftlich-technischen, politischen und militärischen Informationen war vor allem die Hauptverwaltung A zuständig, aber nahezu gleichrangig zahlreiche Abwehrdiensteinheiten des MfS. Die Hauptabteilung I, in der DDR für die Absicherung des Militärkomplexes verantwortlich, erkundete auch die Bundeswehr, den Bundesgrenzschutz, den Zollgrenzdienst, die Bayerische Grenzpolizei und diverse Einrichtungen der NATO.
Die Hauptabteilung II, mit der "offensiven Abwehr" ausländischer Nachrichtendienste in der DDR befasst, arbeitete zeitweise auch gegen den Bundesnachrichtendienst, das Bundesamt und die Landesämter für Verfassungsschutz sowie den Militärischen Abschirmdienst. Die Hauptabteilung VI überwachte neben dem Ein-, Ausreise- und Transitverkehr in der DDR auch den über innerdeutsche Grenzen hinaus von und nach Westberlin.
Die Hauptabteilung VII unterhielt im "Operationsgebiet" ebenfalls ein Netz, das im klassischen Sinne kriminelle Aktivitäten wie Schmuggel aufzuklären hatte. Die Hauptabteilung VIII war für Ermittlungen und Beobachtungen zuständig. Zugleich war sie Servicediensteinheit für alle Diensteinheiten des MfS, indem sie den Informationsbedarf über Bundesbürger bediente.
Neben der Sicherungsarbeit in den Bereichen Staatsapparat, Blockparteien und "politischer Untergrundtätigkeit" war die Hauptabteilung XX im "Operationsgebiet" für alle Einrichtungen zuständig, die sich mit der DDR befassten. Im Visier der Hauptabteilung XXII standen links- und rechtsextremistische, überwiegend terroristische Gruppen.
Schließlich wäre auf Hauptabteilungsebene noch die Zentrale Kontrollgruppe anzuführen, die sich mit besonders DDR-kritischen Gruppen befasste, wie z. B. der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte oder den Fluchthilfeorganisationen. Mit der Westarbeit waren nicht allein die zentralen Abwehrdiensteinheiten befasst, sondern ihre Linien (Linienprinzip) erstreckten sich meist auch auf Bezirks- und im Einzelfall auf Kreisverwaltungsebene des MfS.
In den Kontext der Westarbeit sind auch die etwa 400 Entführungen von Bürgern aus der Bundesrepublik Deutschland und Westberlin zu zählen sowie vereinzelte Versuche und Erwägungen, Bürger zu töten, wobei bislang ein Mord nicht nachgewiesen ist. Das MfS selbst verstand unter der "Arbeit im und nach dem Operationsgebiet" die "Gesamtheit der politisch-operativen Kräfte des MfS im Operationsgebiet und die Nutzung solcher Personen aus dem Operationsgebiet, die zur Erfüllung operativer Aufgaben geeignet sind".
Die HV A und ihre Abteilungen XV in den Bezirksverwaltungen arbeiteten nach Schwerpunkten im "Operationsgebiet", ihre innere Struktur drückte die entsprechende Interessenlage aus.
Demnach konzentrierte sich die Abt. I auf Politik und strategische Absichten der Bundesregierung, die Abt. II auf die Parteien, Gewerkschaften, Landsmannschaften im "Operationsgebiet", die Abt. III steuerte die operative Arbeit der "legal abgedeckten Residenturen" in DDR-Botschaften, Konsulaten und Handelseinrichtungen, und die Abt. IV beschäftigte sich mit den militärischen Zentren" in der Bundesrepublik Deutschland, wozu das Bundesministerium der Verteidigung, Wehrbezirkskommandos der Bundeswehr und diverse US-amerikanische Einrichtungen gehörten. Die Abt. IX befasste sich mit westlichen Nachrichtendiensten, die Abt. XI mit den USA und die Abt. XII mit der NATO.
Die Abteilungen XIII bis XV gehörten zum Sektor Wissenschaft und Technik, der systematisch Patente, Verfahren und Muster für die DDR- und osteuropäische Forschung und Wirtschaft beschaffte. Schwerpunkte waren die Fachgebiete Energie, Biologie, Chemie, Elektronik, Elektrotechnik und Maschinenbau sowie das Bemühen, die Embargopolitik zu unterlaufen. Für offizielle, mithin dienstliche Kontakte zwischen beispielsweise DDR- und bundesdeutschen Wissenschaftlern oder Politikern war eigens die Abt. XVI der HV A zuständig, die auf diesem Weg an relevante Informationen gelangen sollte.
Während all diese Abteilungen der HV A überwiegend informationsbeschaffend tätig waren, verfügte sie mit der Abt. X eigens über eine Struktureinheit, die systematisch aktive Maßnahmen in der Bundesrepublik zu entfalten suchte.
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Signatur: BStU, MfS, HA PS, MF, Nr. 245, Bl. 6-10
Während der KSZE-Verhandlungen in Helsinki beobachtete und analysierte das MfS die Berichterstattung der skandinavischen Medien. Besonders interessierte die Staatssicherheit, welche Journalisten sich kritisch gegenüber der DDR äußerten und wie es um die Sicherheit der Botschaftsgebäude in Helsinki bestellt war.
Im August 1975 unterzeichnete die DDR die Schlussakte der Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE). Auf dem Papier verpflichtete sie sich damit zur Wahrung der Menschenrechte und Grundfreiheiten im Land. Nach der Unterschrift unter das Vertragswerk beauftragte jedoch die SED ihre Geheimpolizei, unerwünschte Nebenwirkungen, wie das Beharren der Menschen auf Ausreise oder zunehmende Westkontakte, zu bekämpfen – den Bürgern der DDR also weiterhin ihre Menschenrechte vorzuenthalten.
Das vorliegende Dokument entstand während der KSZE-Verhandlungen in Helsinki. In der Zusammenstellung erfasste das MfS Journalisten, die sich gegenüber der DDR kritisch geäußert hatten oder sich in ihren Artikeln mit der Sicherheit der Botschaften in Helsinki befassten. Neben den – hier zum Schutz der Persönlichkeit anonymisierten – Namen der Journalisten listet das Dokument auch die Medien auf, in denen die aus Sicht der Stasi unliebsamen Artikel erschienen waren. Der zweite Teil des Dokuments gibt Auskunft über den beruflichen Werdegang sowie die von der Stasi vermuteten Kontakte der Journalisten und fasst den Inhalt der Artikel zusammen.
Der Autor des Dokuments wirft den Journalisten Verleumdung, Spionage, "Verherrlichung von Republikflucht" und "Hetze" gegen die DDR vor. Die Medien werden teilweise als Skandal- oder Sensationsblätter bezeichnet.
Die Zusammenstellung geht außerdem auf mehrere vorangegangene medienwirksame Ereignisse ein. Zum einen handelt es sich um die Besetzung der bundesdeutschen Botschaft in Stockholm durch die RAF am 24. April 1975, zum anderen um den MfS-Agenten Günter Guillaume, der am 24. April 1974 verhaftet worden war.
18. - 27. Reporter der Zeitschrift "Sa"
Die aufgeführten Reporter und Bildreporter führten Teste über die Sicherung der Botschaften in Stockholm durch. Benutzte Legenden wurden aufgeführt und die angetroffenen Situationen an den Eingängen fotografisch dokumentiert.Es bestand zwar die Absicht, die Sicherheit der Botschaften zu prüfen, jedoch läßt sich dieser Versuch auch als entlastendes Moment für die Anklage der Terriristen werten. An dieser Aktion waren beteiligt und folgende Botschaften wurden aufgesucht:
18. u. 19. [anonymisiert] und [anonymisiert] Botschaften Chinas und Algeriens
2o. u. 21. [anonymisiert] und [anonymisiert] Botschaften Ägyptens und Brasiliens
22. u. 23. [anonymisiert] und [anonymisiert]
Botschaften Jugoslawiens und der UdSSR
24. u. 25. [anonymisiert] und [anonymisiert]
Botschaften Israels und Frankreichs
26. u. 27. [anonymisiert] und [anonymisiert] Botschaften Japans und der USA
28. [anonymisiert]
Korrespondent bei "[anonymisiert]" (schwedischer Rundfunk) und Free-Lancer für schwedische Zeitungen.
[anonymisiert] war bis [anonymisiert] DDR-Rundfunk-Korrespondent in Schweden.
[anonymisiert] wurde er republikflüchtig.
Straftaten gegen die staatliche Ordnung
Straftaten gegen die staatliche Ordnung waren Straftatbestände des 8. Kapitels des StGB/1968. Insbesondere der 2. Abschnitt ("Straftaten gegen die staatliche und öffentliche Ordnung") enthält politische Strafnormen, die für die strafrechtliche Untersuchungstätigkeit der Staatssicherheit (Untersuchungsorgan) von großer Bedeutung waren.
Das gilt vor allem für § 213 ("Ungesetzlicher Grenzübertritt"), der in der Honecker-Ära Grundlage von rund der Hälfte aller MfS-Ermittlungsverfahren war. Auch § 214 ("Beeinträchtigung staatlicher und gesellschaftlicher Tätigkeit") spielte, vor allem im Zusammenhang mit der Bekämpfung von Ausreiseantragstellern, in den 80er Jahren eine immer wichtigere Rolle.
Ähnliches gilt für § 219 ("Ungesetzliche Verbindungsaufnahme") und § 220 ("Öffentliche Herabwürdigung der staatlichen Ordnung"), die die ähnlichen, aber schwerer wiegenden Strafnormen aus dem 2. Kapitel des StGB/1968 § 100 ("Staatsfeindliche Verbindungen", ab 1979 "Landesverräterische Agententätigkeit") und § 106 ("Staatsfeindliche Hetze") weitgehend verdrängten (Staatsverbrechen).
Organisationsstruktur in der MfS-Zentrale, die durch den Minister oder einen seiner Stellvertreter direkt angeleitet wurde. Die zuletzt 13 Hauptabteilungen wurden durch Einzelleiter geführt. Die weiter untergliederten und nach dem Linienprinzip tätigen HA waren für komplexe, abgegrenzte Bereiche operativ zuständig und federführend verantwortlich. Der Zuschnitt der Zuständigkeitsbereiche war an Ressorts oder geheimdienstlichen Praktiken (z. B. Verkehrswesen, Beobachtung, Funkspionage) orientiert.
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Ländernummern des MfS für die Auslandsvertretungen der DDR Dokument, 2 Seiten
Rede von Mielke zur Unterzeichnung des Abschlussdokuments des KSZE-Folgetreffens in Wien Dokument, 63 Seiten
"Einweisungskonzeption" für MfS-Mitarbeiter bei der KSZE-Konferenz in Helsinki Dokument, 13 Seiten
Bericht über die Aktivitäten von Biermann-Freunden in der DDR nach dessen Ausbürgerung Dokument, 10 Seiten