Maßnahmen der Stasi im Vorfeld der Rosa-Luxemburg-Demonstration gegen die "Arbeitsgruppe Staatsbürgerschaftsrecht"
Signatur: BStU, MfS, HA IX, Nr. 9665, Bl. 132-133
Bei der Liebknecht-Luxemburg-Demonstration 1988 wollte auch die AG Staatsbürgerschaftsrecht auf ihre Forderungen aufmerksam machen. Die Stasi wußte Bescheid und traf frühzeitig Maßnahmen zur "Absicherung".
Am 17. Januar 1988 fand anlässlich des 69. Jahrestages der Ermordung von Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg die alljährliche "Kampfdemonstration" in Ost-Berlin statt. An der Veranstaltung, an der traditionell die Partei- und Staatsführung teilnahm, beteiligten sich nach Angaben des Neuen Deutschland "über 200.000" Menschen.
Teilzunehmen beabsichtigten auch über hundert Angehörige unabhängiger Menschenrechtsgruppen und Ausreisewillige. Ihre Transparente waren mit Luxemburg-Zitaten beschriftet wie "Freiheit ist immer die Freiheit der Andersdenkenden" und "Wer sich nicht bewegt, spürt die Fesseln nicht". Bürgerrechtler forderten politischen Wandel in der DDR, Ausreisewillige, die ihren bislang erfolglosen Ausreiseantrag durchsetzen wollten, demonstrierten für das Recht auf Freizügigkeit.
Da die Gegendemonstranten bereits im Vorfeld die Öffentlichkeit suchten, war das Vorhaben den Sicherheitsorganen frühzeitig bekannt. Mit Drohungen, Versprechungen und Ausweisungen ergriffen sie Maßnahmen zur Absicherung der Kampfdemonstration bzw. zur Verhinderung "feindlicher" Handlungen.
Metadaten
- Urheber:
- MfS
- Datum:
- 14.1.1988
- Rechte:
- BStU
Zentrale Koordinierungsgruppe
Berlin, 14. Januar 1988
Information Nr. 1
über Ergebnisse der Maßnahmen gegen eine feindlich-negative Gruppierung
Am 13.01.1988 wurden entsprechend den getroffenen Festlegungen durch Mitarbeiter der HA IX und der BV Berlin, Abteilung IX, als "Bereich Inneres" gemeinsam mit Mitarbeitern der Abteilungen Innere Angelegenheiten in den Räten der Stadtbezirke Mitte, Friedrichshain, Prenzlauer Berg, Lichtenberg, Marzahn, Hohenschönhausen, Pankow, Treptow und Köpenick insgesamt [unterstrichen: 28 Belehrungen mit 44 Personen,] die zur "Arbeitsgruppe Staatsbürgerschaftsrecht der DDR" gehören, geführt.
Im Ergebnis der Aussprachen unterschrieben 20 Personen den vorgegebenen Belehrungstext und erklärten ihre Nichtteilnahme an der Provokation am 17.01.1988. Weiteré 4 Personen lehnten zwar aus unterschiedlichen Gründen eine Unterschriftsleistung ab, betonten aber, daß sie nicht zu dieser Demonstration kommen werden. 8 Personen äußerten, daß sie trotz Belehrung an der Provokation teilnehmen werden, weitere 12 Personen waren sich noch unschlüssig.
Im Rahmen der geführten Gespräche wurden [unterstrichen: 6 Auflassungen] erteilt, darunter [anonymisiert] - [anonymisiert] einer der Organisatoren der "Arbeitsgruppe", mit der Auflage zur [unterstrichen: Ausreise innerhalb von 48 Stunden,] [anonymisiert] - [anonymisiert] und [anonymisiert] - [anonymisiert] mit der Auflage, aus der DDR bis zum 16.01.1988 auszureisen.
Die geplante Zahl der Belehrungen konnte nicht vollauf realisiert werden, da einige der zu benachrichtigenden Personen nicht angetroffen wurden. Der [anonymisiert] - [anonymisiert] lehnte es telefonisch ab, bei Abteilung Inneres zur Aussprache zu erscheinen. Es wird geprüft, diese Person auf der Grundlage des VP-Gesetzes am 14.01.1988 der VPI Marzahn zuzuführen und durch Mitarbeiter der HA IX zu belehren.
Als Reaktion auf die eingeleiteten Maßnahmen wurde intern bekannt, daß sich mehrere Personen gegenseitig über die weitere Vorgehensweise abstimmten. Ein großer Teil erwartet ähnlich wie bei [anonymisiert] die Genehmigung zur Übersiedlung in nächster Zeit. Bei ihnen ist davon auszugehen,