Signatur: BStU, MfS, JHS, Nr. 23983, Bl. 4-11
Auszug aus Schulungsmaterial der "Juristischen Hochschule" Potsdam mit Hinweisen zur Beeinflussung und Auflösung von Jugendgruppen.
"Gesellschaftswidrige Verhaltensweisen" von Jugendlichen beschäftigten die Stasi in großem Umfang. In der "Juristischen Hochschule", der Hochschule des MfS in Potsdam forschten Stasi-Mitarbeiter unter dem Deckmantel der Wissenschaft nach Möglichkeiten, unliebsame Jugendgruppen zu beeinflussen oder aufzulösen. Das vorliegende Dokument ist ein Auszug aus Schulungsmaterialien der Stasi aus dem Jahr 1982. Der Titel des Schriftstücks lautete: "Die vorbeugende Verhinderung, Aufklärung und Bekämpfung des feindlichen Mißbrauchs gesellschaftswidriger Verhaltensweisen Jugendlicher der DDR - Lektion für die zentrale politisch-operative Fachschulung". Speziell in den hier ausgewählten Seiten wird deutlich, welche Maßnahmen die Geheimpolizei bei der Bekämpfung unliebsamer Jugendgruppen anwandte und welche Ziele sie damit verfolgte.
zu begangenen Normverletzungen, ausschließlich sprachliche Einflußnahme anstelle notwendiger Aufgabenstellungen und praktischer aktiver Einbeziehung dieser Jugendlichen in Wiedergutmachungsleistungen u. ä.
Neben dem Einwirken auf solche Erziehungsfehler sind die Partner des Zusammenwirkens aufgabenbezogen am konkreten Fall auf differenzierte Fragen der materiellen und organisatorischen Sicherstellung einer positiven Einbeziehung solcher Gruppierungen/Gruppen Jugendlicher zu orientieren. Das bezieht sich z. B. auf die Erhöhung des kulturellen Niveaus und die strikte Einhaltung jugendfördernder Regelungen in bestimmten Freizeitzentren, Gaststätten, Sportheimen, bei Tanzveranstaltungen und anderen gesellschaftlichen Ereignissen mit besonderer Anziehungskraft auch auf Jugendliche mit gesellschaftswidrigen Verhaltensweisen.
- die gezielte individuelle und einheitliche Einwirkung auf einzelne Jugendliche in Gruppierungen oder Gruppen, an denen operatives Interesse besteht.
Zu solchen Maßnahmen gehören neben der mitunter aus operativen Gründen zweckmäßigen Gewinnung des Jugendlichen als IM insbesondere
Inoffizielle Mitarbeiter (IM) waren das wichtigste Instrument des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS), um primär Informationen über Bürger, die Gesellschaft, ihre Institutionen und Organisationen der DDR oder im Ausland zu gewinnen. Unter Umständen hatten IM auf Personen oder Ereignisse in der DDR steuernden Einfluss zu nehmen.
In der DDR-Gesellschaft hießen sie "Spitzel", "Denunzianten" oder "Kundschafter". Mit der deutschen Einheit hat sich die Bezeichnung Inoffizieller Mitarbeiter des MfS für die heimlichen Zuträger etabliert. Sie lieferten u. a. Informationen über Stimmungen und Meinungen in der Bevölkerung.
Die SED-Führung wollte stets über die konkrete Situation und Lage in der DDR unterrichtet sein. Die IM hatten den Auftrag, "staatsgefährdende" Bestrebungen zu ermitteln, was beim MfS "politisch ideologische Diversion" bzw. "politische Untergrundtätigkeit" hieß. Der Bogen hierfür war weit gespannt und reichte von einer privaten Meinungsäußerung bis hin zu politischen Aktivitäten. Überdies sollten sie, wenn auch selten, direkt auf gesellschaftliche Entwicklungen oder einzelne Personen einwirken.
Die IM waren das wichtigste Repressionsinstrument in der DDR. IM wurden auf bestimmte Schwerpunkte angesetzt, von denen tatsächliche oder vermeintliche Gefahren ausgehen konnten. Diese Objekte und Territorien, Bereiche oder Personen waren so zahlreich, dass die geheimpolizeiliche Durchdringung tendenziell den Charakter einer flächendeckenden Überwachung annahm.
Die Anzahl der vom MfS geführten inoffiziellen Mitarbeiter umfasste im Jahre 1989 ungefähr 189.000 IM, darunter 173.000 IM der Abwehrdiensteinheiten, ferner 13.400 IM in der DDR und 1.550 IM in der Bundesrepublik, die von der Hauptverwaltung A geführt wurden, sowie diverse andere wie Zelleninformatoren usw. Auf 89 DDR-Bürger kam somit ein IM. In der Zeit von 1950 bis 1989 gab es insgesamt ca. 620.000 IM.
Die Entwicklung des IM-Netzes ist nicht allein von einem kontinuierlichen Anstieg geprägt, sondern verweist auf besondere Wachstumsphasen in Zeiten innergesellschaftlicher Krisen wie dem 17. Juni 1953 oder am Vorabend des Mauerbaus. Im Zuge der deutsch-deutschen Entspannungspolitik wurde das IM-Netz ebenfalls erweitert. So umfasste es Mitte der 70er Jahre – hochgerechnet – über 200.000 IM. Angesichts wachsender oppositioneller Bewegungen hatte es in den 80er Jahren gleichfalls ein hohes Niveau.
Die flächendeckende Überwachung der Gesellschaft fiel regional recht unterschiedlich aus. Im Land Brandenburg, das die Bezirke Cottbus, Frankfurt (Oder) und Potsdam vereint, war sie stärker als in Thüringen. Die höchste IM-Dichte wies der ehemalige Bezirk Cottbus auf.
Das MfS operierte formal nach territorialen Gesichtspunkten und Sicherungsbereichen, setzte jedoch operative Schwerpunkte in der geheimpolizeilichen Arbeit. Bezogen auf das Gesamtministerium lagen diese – sowohl auf Kreis-, als auch auf Bezirks- und Hauptabteilungsebene – bei der Volkswirtschaft, der Spionageabwehr und auf der "politischen Untergrundtätigkeit", der "Bearbeitung " von oppositionellen Milieus und den Kirchen.
Die Motive zur Kooperation mit dem MfS waren überwiegend ideeller, seltener materieller Natur, noch seltener war Erpressung der Grund. Die Kooperation währte durchschnittlich sechs bis zehn Jahre oder länger. Augenfällig ist, dass darunter nicht wenige soziale Aufsteiger waren. Der Anteil von weiblichen IM lag in der DDR bei 17 Prozent, in der Bundesrepublik bei 28 Prozent. Über die Hälfte der IM war Mitglied der SED. Von den 2,3 Mio. Mitgliedern der Partei ausgehend, waren 4 bis 5 Prozent zuletzt inoffiziell aktiv, d. h. jedes zwanzigste SED-Mitglied.
Das MfS differenzierte IM nach Kategorien: Gesellschaftliche Mitarbeiter für Sicherheit, IM zur Sicherung und Durchdringung des Verantwortungsbereichs, IM im besonderen Einsatz, Führungs-IM und IM zur Sicherung der Konspiration und des Verbindungswesens. Die wichtigste Kategorie waren IM mit "Feindverbindungen" bzw. solche, die Personen zu "bearbeiten" hatten, die "im Verdacht der Feindtätigkeit" standen. Im Laufe der 80er Jahre nahm der Anteil von IM in der Kategorie IMB bis Dezember 1988 auf rund 3.900 zu.
Der Anteil von Bundesbürgern oder Ausländern unter den IM des MfS betrug nicht einmal 2 Prozent. 1989 waren mindestens 3.000 Bundesbürger inoffiziell im Dienste des MfS, zusätzlich mehrere Hundert Ausländer. In der Zeit von 1949 bis 1989 waren insgesamt mindestens 12.000 Bundesbürger und Westberliner IM.
Die operativen Ziele des MfS waren über die gesamte Bundesrepublik Deutschland verteilt. Darüber hinaus gab es Schwerpunkte in Europa, im Nahen Osten und Asien, nachgeordnet auch in Afrika und Lateinamerika. Nachrichtendienstliche Schwerpunkte waren vor allem die Wissenschafts- und Technikspionage, erst danach die politische und mit etwas Abstand die Militärspionage. Die Bundesrepublik Deutschland wurde folglich vor allem als Ressource zur Systemstabilisierung genutzt.
Die politische Spionage diente vornehmlich dazu, die politische Gefährdungslage des herrschenden Systems in der DDR bestimmen zu können. Dieses Profil deutet an, dass die Spionage der Bewahrung des Status quo dienen sollte. Von einer Unterwanderung der Bundesrepublik war die Geheimpolizei zahlenmäßig weit entfernt. Vielmehr waren ihre inoffiziellen Mitarbeiter damit beschäftigt, das DDR-System zu stabilisieren.
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"Gesellschaftswidrige Verhaltensweisen" von Jugendlichen beschäftigten die Stasi in großem Umfang. In der "Juristischen Hochschule", der Hochschule des MfS in Potsdam forschten Stasi-Mitarbeiter unter dem Deckmantel der Wissenschaft nach Möglichkeiten, unliebsame Jugendgruppen zu beeinflussen oder aufzulösen. Das vorliegende Dokument ist ein Auszug aus Schulungsmaterialien der Stasi aus dem Jahr 1982. Der Titel des Schriftstücks lautete: "Die vorbeugende Verhinderung, Aufklärung und Bekämpfung des feindlichen Mißbrauchs gesellschaftswidriger Verhaltensweisen Jugendlicher der DDR - Lektion für die zentrale politisch-operative Fachschulung". Speziell in den hier ausgewählten Seiten wird deutlich, welche Maßnahmen die Geheimpolizei bei der Bekämpfung unliebsamer Jugendgruppen anwandte und welche Ziele sie damit verfolgte.
[Ende des Auszugs]
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Spezifische Zersetzungsmaßnahmen gegen staatsfeindliche Gruppen Dokument, 18 Seiten
Abschlussbericht zum Operativen Vorgang "Tramper" Dokument, 8 Seiten
Dienstanweisung Nr. 4/66 zur "Bekämpfung politisch-ideologischer Diversion" unter Jugendlichen Dokument, 28 Seiten