Signatur: BStU, MfS, JHS, Nr. 23983, Bl. 4-11
Auszug aus Schulungsmaterial der "Juristischen Hochschule" Potsdam mit Hinweisen zur Beeinflussung und Auflösung von Jugendgruppen.
"Gesellschaftswidrige Verhaltensweisen" von Jugendlichen beschäftigten die Stasi in großem Umfang. In der "Juristischen Hochschule", der Hochschule des MfS in Potsdam forschten Stasi-Mitarbeiter unter dem Deckmantel der Wissenschaft nach Möglichkeiten, unliebsame Jugendgruppen zu beeinflussen oder aufzulösen. Das vorliegende Dokument ist ein Auszug aus Schulungsmaterialien der Stasi aus dem Jahr 1982. Der Titel des Schriftstücks lautete: "Die vorbeugende Verhinderung, Aufklärung und Bekämpfung des feindlichen Mißbrauchs gesellschaftswidriger Verhaltensweisen Jugendlicher der DDR - Lektion für die zentrale politisch-operative Fachschulung". Speziell in den hier ausgewählten Seiten wird deutlich, welche Maßnahmen die Geheimpolizei bei der Bekämpfung unliebsamer Jugendgruppen anwandte und welche Ziele sie damit verfolgte.
1. Politisch-operative Maßnahmen der Auflösung und Umwandlung von Gruppen Jugendlicher mit gesellschaftswidrigen Verhaltensweisen
In der politisch-operativen Arbeit unter Jugendlichen zeigt sich, daß gesellschaftswidrige Verhaltensweisen Jugendlicher vorwiegend in feindlich-negativen Zusammenschlüssen im Rahmen bestehender oder sich herausbildender Gruppierungen oder Gruppen erfolgen.
Dieser Umstand erfordert in der politisch-operativen Arbeit die stärkere Beachtung der Herausbildung und Entwicklung solcher Gruppierungen und Gruppen Jugendlicher.
Zur Verhinderung ihres Wirksamwerdens sind politisch-operative Maßnahmen einzuleiten, in deren Ergebnis derartige Gruppierungen oder Gruppen Jugendlicher zersetzt, aufgelöst oder positiv umgewandelt werden.
Derartige Maßnahmen, die sowohl den IM-Einsatz, die Anwendung weiterer operativer Mittel und Methoden als auch die Nutzung der Potenzen der Partner des politisch-operativen Zusammenwirkens umfassen, haben sich vor allem auf Jugendliche zu richten, die innerhalb dieser Gruppierungen oder Gruppen eine Führungsrolle einnehmen und von denen eine feindlich-negative Einflußnahme auf andere Jugendliche ausgeht. Gleichzeitig sind jedoch auch Maßnahmen einzuleiten, die auf die Bearbeitung der Gruppierung oder Gruppe insgesamt gerichtet sind.
Ein wesentliches Ziel der Bearbeitung von Gruppierungen bzw. Gruppen Jugendlicher mit gesellschaftswidrigen Verhaltensweisen besteht in deren Auflösung.
Günstige Möglichkeiten dafür ergeben sich vielfach aus der Tatsache, daß auf Grund unterschiedlicher Interessen, größeren Differenzen im Lebensalter und in der Lebenserfahrung sich Auswirkungen der politisch-ideologischen Diversion, der Kontaktpolitik/Kontakttätigkeit und anderer Feindeinflüsse nicht gleichermaßen bei allen Gruppenmitgliedern zeigen.
Hinzu kommt, daß solche Erscheinungen, wie die kurzfristige Selbstauflösung von Gruppierungen, das ständige Entstehen neuer Gruppierungen und Gruppen und der Wechsel einzelner Personen zwischen mehreren Gruppierungen oder Gruppen spezifische Ansätze für gruppen- und personenbezogene Zersetzungsmaßnahmen bieten.
Inoffizielle Mitarbeiter (IM) waren das wichtigste Instrument des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS), um primär Informationen über Bürger, die Gesellschaft, ihre Institutionen und Organisationen der DDR oder im Ausland zu gewinnen. Unter Umständen hatten IM auf Personen oder Ereignisse in der DDR steuernden Einfluss zu nehmen.
In der DDR-Gesellschaft hießen sie "Spitzel", "Denunzianten" oder "Kundschafter". Mit der deutschen Einheit hat sich die Bezeichnung Inoffizieller Mitarbeiter des MfS für die heimlichen Zuträger etabliert. Sie lieferten u. a. Informationen über Stimmungen und Meinungen in der Bevölkerung.
Die SED-Führung wollte stets über die konkrete Situation und Lage in der DDR unterrichtet sein. Die IM hatten den Auftrag, "staatsgefährdende" Bestrebungen zu ermitteln, was beim MfS "politisch ideologische Diversion" bzw. "politische Untergrundtätigkeit" hieß. Der Bogen hierfür war weit gespannt und reichte von einer privaten Meinungsäußerung bis hin zu politischen Aktivitäten. Überdies sollten sie, wenn auch selten, direkt auf gesellschaftliche Entwicklungen oder einzelne Personen einwirken.
Die IM waren das wichtigste Repressionsinstrument in der DDR. IM wurden auf bestimmte Schwerpunkte angesetzt, von denen tatsächliche oder vermeintliche Gefahren ausgehen konnten. Diese Objekte und Territorien, Bereiche oder Personen waren so zahlreich, dass die geheimpolizeiliche Durchdringung tendenziell den Charakter einer flächendeckenden Überwachung annahm.
Die Anzahl der vom MfS geführten inoffiziellen Mitarbeiter umfasste im Jahre 1989 ungefähr 189.000 IM, darunter 173.000 IM der Abwehrdiensteinheiten, ferner 13.400 IM in der DDR und 1.550 IM in der Bundesrepublik, die von der Hauptverwaltung A geführt wurden, sowie diverse andere wie Zelleninformatoren usw. Auf 89 DDR-Bürger kam somit ein IM. In der Zeit von 1950 bis 1989 gab es insgesamt ca. 620.000 IM.
Die Entwicklung des IM-Netzes ist nicht allein von einem kontinuierlichen Anstieg geprägt, sondern verweist auf besondere Wachstumsphasen in Zeiten innergesellschaftlicher Krisen wie dem 17. Juni 1953 oder am Vorabend des Mauerbaus. Im Zuge der deutsch-deutschen Entspannungspolitik wurde das IM-Netz ebenfalls erweitert. So umfasste es Mitte der 70er Jahre – hochgerechnet – über 200.000 IM. Angesichts wachsender oppositioneller Bewegungen hatte es in den 80er Jahren gleichfalls ein hohes Niveau.
Die flächendeckende Überwachung der Gesellschaft fiel regional recht unterschiedlich aus. Im Land Brandenburg, das die Bezirke Cottbus, Frankfurt (Oder) und Potsdam vereint, war sie stärker als in Thüringen. Die höchste IM-Dichte wies der ehemalige Bezirk Cottbus auf.
Das MfS operierte formal nach territorialen Gesichtspunkten und Sicherungsbereichen, setzte jedoch operative Schwerpunkte in der geheimpolizeilichen Arbeit. Bezogen auf das Gesamtministerium lagen diese – sowohl auf Kreis-, als auch auf Bezirks- und Hauptabteilungsebene – bei der Volkswirtschaft, der Spionageabwehr und auf der "politischen Untergrundtätigkeit", der "Bearbeitung " von oppositionellen Milieus und den Kirchen.
Die Motive zur Kooperation mit dem MfS waren überwiegend ideeller, seltener materieller Natur, noch seltener war Erpressung der Grund. Die Kooperation währte durchschnittlich sechs bis zehn Jahre oder länger. Augenfällig ist, dass darunter nicht wenige soziale Aufsteiger waren. Der Anteil von weiblichen IM lag in der DDR bei 17 Prozent, in der Bundesrepublik bei 28 Prozent. Über die Hälfte der IM war Mitglied der SED. Von den 2,3 Mio. Mitgliedern der Partei ausgehend, waren 4 bis 5 Prozent zuletzt inoffiziell aktiv, d. h. jedes zwanzigste SED-Mitglied.
Das MfS differenzierte IM nach Kategorien: Gesellschaftliche Mitarbeiter für Sicherheit, IM zur Sicherung und Durchdringung des Verantwortungsbereichs, IM im besonderen Einsatz, Führungs-IM und IM zur Sicherung der Konspiration und des Verbindungswesens. Die wichtigste Kategorie waren IM mit "Feindverbindungen" bzw. solche, die Personen zu "bearbeiten" hatten, die "im Verdacht der Feindtätigkeit" standen. Im Laufe der 80er Jahre nahm der Anteil von IM in der Kategorie IMB bis Dezember 1988 auf rund 3.900 zu.
Der Anteil von Bundesbürgern oder Ausländern unter den IM des MfS betrug nicht einmal 2 Prozent. 1989 waren mindestens 3.000 Bundesbürger inoffiziell im Dienste des MfS, zusätzlich mehrere Hundert Ausländer. In der Zeit von 1949 bis 1989 waren insgesamt mindestens 12.000 Bundesbürger und Westberliner IM.
Die operativen Ziele des MfS waren über die gesamte Bundesrepublik Deutschland verteilt. Darüber hinaus gab es Schwerpunkte in Europa, im Nahen Osten und Asien, nachgeordnet auch in Afrika und Lateinamerika. Nachrichtendienstliche Schwerpunkte waren vor allem die Wissenschafts- und Technikspionage, erst danach die politische und mit etwas Abstand die Militärspionage. Die Bundesrepublik Deutschland wurde folglich vor allem als Ressource zur Systemstabilisierung genutzt.
Die politische Spionage diente vornehmlich dazu, die politische Gefährdungslage des herrschenden Systems in der DDR bestimmen zu können. Dieses Profil deutet an, dass die Spionage der Bewahrung des Status quo dienen sollte. Von einer Unterwanderung der Bundesrepublik war die Geheimpolizei zahlenmäßig weit entfernt. Vielmehr waren ihre inoffiziellen Mitarbeiter damit beschäftigt, das DDR-System zu stabilisieren.
Von der Bundesrepublik und anderen westlichen Staaten im Zuge der Entspannungspolitik verfolgte vertragliche Erleichterung und Förderung von Ost-West-Kontakten. Findet sich zumeist mit dem Begriff Kontakttätigkeit als Begriffspaar (KP/KT). Die MfS-Führung war der Überzeugung, dass die Bundesrepublik die Kontaktpolitik nutzte, um durch ideologische Beeinflussung der Bevölkerung die politischen Machtverhältnisse in der DDR in ihrem Sinne zu verändern.
Das westliche Interesse an der Erleichterung des privaten Reiseverkehrs, an Städtepartnerschaften, wissenschaftlichem Austausch, der Entsendung diplomatischer Vertreter und Korrespondenten in die DDR, selbst das Bemühen um den Ausbau der Handelsbeziehungen sah das MfS auch als Ausdruck einer gezielten Kontaktpolitik, die das Normalisierungsinteresse nur als Vorwand nutzte.
Da KPdSU und SED als Initiatoren der Entspannungspolitik auftraten, übte das MfS keine grundsätzliche Kritik, machte seine Mitarbeiter aber intern immer wieder auf die Gefahren dieser Politik aufmerksam und forderte zu vermehrten Anstrengungen auf, die Kontakttätigkeit als Auswirkung der Kontaktpolitik einzudämmen. Letztlich waren die Möglichkeiten des MfS aber zu begrenzt, um nachhaltig Gegenwirkung zu erzeugen. Selbst SED-Mitglieder waren im Laufe der Jahre immer weniger bereit, auf Westkontakte zu verzichten.
Auf der vermeintlichen Kontaktpolitik westlicher Staaten basierende Ost-West-Kontakte, denen vom MfS unterstellt wurde, einer zielgerichteten ideologischen und politischen Unterminierung der DDR und anderer kommunistischer Länder sowie der Beschaffung von Informationen zu dienen. Findet sich zumeist zusammen mit dem Begriff Kontaktpolitik als Begriffspaar (KP/KT).
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Signatur: BStU, MfS, JHS, Nr. 23983, Bl. 4-11
Auszug aus Schulungsmaterial der "Juristischen Hochschule" Potsdam mit Hinweisen zur Beeinflussung und Auflösung von Jugendgruppen.
"Gesellschaftswidrige Verhaltensweisen" von Jugendlichen beschäftigten die Stasi in großem Umfang. In der "Juristischen Hochschule", der Hochschule des MfS in Potsdam forschten Stasi-Mitarbeiter unter dem Deckmantel der Wissenschaft nach Möglichkeiten, unliebsame Jugendgruppen zu beeinflussen oder aufzulösen. Das vorliegende Dokument ist ein Auszug aus Schulungsmaterialien der Stasi aus dem Jahr 1982. Der Titel des Schriftstücks lautete: "Die vorbeugende Verhinderung, Aufklärung und Bekämpfung des feindlichen Mißbrauchs gesellschaftswidriger Verhaltensweisen Jugendlicher der DDR - Lektion für die zentrale politisch-operative Fachschulung". Speziell in den hier ausgewählten Seiten wird deutlich, welche Maßnahmen die Geheimpolizei bei der Bekämpfung unliebsamer Jugendgruppen anwandte und welche Ziele sie damit verfolgte.
Welche Ziele werden mit der Auflösung verfolgt?
Prinzipielles Ziel dabei ist, den negativen Einfluß, insbesondere den ihrer Anführer, zu beseitigen und den beteiligten einzelnen Jugendlichen die Bedingungen und das wesentlichste Wirkungsfeld für weiteres gesellschaftswidriges Verhalten zu entziehen. Mit der Einleitung politisch-operativer Maßnahmen in Verbindung mit Maßnahmen der weiteren gesellschaftlichen Einwirkung ist jedoch keine formale, rein äußerliche Auflösung der Gruppe als kurzzeitiger Erfolg anzustreben. Vielmehr sind mit der Beseitigung des Einflusses der Anführer und der Unterbindung von Zusammenkünften bei den einzelnen Jugendlichen langfristig wirksame Veränderungen ihres Denkens und Verhaltens, ihrer Lebensweise und Persönlichkeit einzuleiten und so das Entstehen neuer Gruppierungen oder Gruppen zu verhindern.
Welche Maßnahmen machen sich dazu erforderlich?
Politisch-operativ erfordern die einzuleitenden Zersetzungsmaßnahmen die Einengung und Beseitigung des negativen Einflusses der Anführer der Gruppe. Operative Erfahrungen weisen darauf hin, daß es sich bei den Anführern um solche Jugendlichen handelt, die ständig in der Gruppierung oder Gruppe verkehren, die mit den negativen Merkmalen ihrer Persönlichkeit beeinflussend wirken, bestimmend auftreten und der Gruppe Ziel und Richtung geben.
Derartige Jugendliche sind auf Grund ihrer persönlichen negativen Vorbildwirkung in der Lage, die Masse der in der Gruppe zusammengeschlossenen Jugendlichen, insbesondere nach reichlichem gemeinsamen Alkoholgenuß, zu negativen Verhaltensweisen, rowdyhaften Ausschreitungen, Zusammenrottungen bis hin zu feindlichen Aktivitäten anzustiften und aufzuwiegeln.
Welche politisch-operativen Maßnahmen sind zur Beseitigung des Einflusses der Anführer einzuleiten?
Um erkannte Anführer in ihrer feindlich-negativen Ausstrahlungskraft auf Jugendliche mit gesellschaftswidrigen Verhaltensweisen einzuschränken, sind vor allem durch den offensiven Einsatz der inoffiziellen Kräfte solche Maßnahmen zu realisieren, die den Ruf, das Prestige der Anführer in der Gruppe abbauen. Das kann u.a. durch solche Maßnahmen, wie ihre systematische Bloßstellung, die Auslösung von Streitigkeiten durch diskriminierende, wahre oder glaubhafte, überprüfbare und nicht widerlegbare Anga-
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Signatur: BStU, MfS, JHS, Nr. 23983, Bl. 4-11
Auszug aus Schulungsmaterial der "Juristischen Hochschule" Potsdam mit Hinweisen zur Beeinflussung und Auflösung von Jugendgruppen.
"Gesellschaftswidrige Verhaltensweisen" von Jugendlichen beschäftigten die Stasi in großem Umfang. In der "Juristischen Hochschule", der Hochschule des MfS in Potsdam forschten Stasi-Mitarbeiter unter dem Deckmantel der Wissenschaft nach Möglichkeiten, unliebsame Jugendgruppen zu beeinflussen oder aufzulösen. Das vorliegende Dokument ist ein Auszug aus Schulungsmaterialien der Stasi aus dem Jahr 1982. Der Titel des Schriftstücks lautete: "Die vorbeugende Verhinderung, Aufklärung und Bekämpfung des feindlichen Mißbrauchs gesellschaftswidriger Verhaltensweisen Jugendlicher der DDR - Lektion für die zentrale politisch-operative Fachschulung". Speziell in den hier ausgewählten Seiten wird deutlich, welche Maßnahmen die Geheimpolizei bei der Bekämpfung unliebsamer Jugendgruppen anwandte und welche Ziele sie damit verfolgte.
ben erfolgen.
Das können aber auch Maßnahmen sein, die persönliche Schwächen der Anführer für das Erzeugen und Verstärken von Spannungen, Konflikten, Rivalitäten in der Gruppe nutzen, wie z. B. für den Streit um die Führung, um die Durchsetzung egoistischer Interessen, um weibliche Mitglieder oder für Auseinandersetzungen über mögliche Ziele, geplante Aktivitäten usw.
Neben dem gezielten IM-Einsatz können des weiteren eine Reihe anderer geeigneter Maßnahmen eingeleitet werden, die zu einer Schwächung der Position des Anführers bzw. zu seiner Entfernung aus der Gruppe führen.
Dazu eignen sich u. a. solche Maßnahmen, wie
Auch unabhängig von Strafverfahren sind verstärkt Möglichkeiten zur Veränderung des persönlichen Rufes von Anführern und der Aufhebung ihrer Einflußmöglichkeiten zu nutzen. Derartige Maßnahmen müssen darauf gerichtet sein, die Anführer in ihrem Umgangskreis als "unsicher", "bestechlich", "unehrlich", u. a. erscheinen zu lassen, um auch damit Unsicherheit, Abwendung, Verlust der eigenen Orientierung bei Gruppenmitgliedern zu bewirken.
Stärker zu nutzen sind auch die Möglichkeiten, die sich aus den Beziehungen der Gruppenmitglieder zueinander ergeben. Sie erfor-
Inoffizielle Mitarbeiter (IM) waren das wichtigste Instrument des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS), um primär Informationen über Bürger, die Gesellschaft, ihre Institutionen und Organisationen der DDR oder im Ausland zu gewinnen. Unter Umständen hatten IM auf Personen oder Ereignisse in der DDR steuernden Einfluss zu nehmen.
In der DDR-Gesellschaft hießen sie "Spitzel", "Denunzianten" oder "Kundschafter". Mit der deutschen Einheit hat sich die Bezeichnung Inoffizieller Mitarbeiter des MfS für die heimlichen Zuträger etabliert. Sie lieferten u. a. Informationen über Stimmungen und Meinungen in der Bevölkerung.
Die SED-Führung wollte stets über die konkrete Situation und Lage in der DDR unterrichtet sein. Die IM hatten den Auftrag, "staatsgefährdende" Bestrebungen zu ermitteln, was beim MfS "politisch ideologische Diversion" bzw. "politische Untergrundtätigkeit" hieß. Der Bogen hierfür war weit gespannt und reichte von einer privaten Meinungsäußerung bis hin zu politischen Aktivitäten. Überdies sollten sie, wenn auch selten, direkt auf gesellschaftliche Entwicklungen oder einzelne Personen einwirken.
Die IM waren das wichtigste Repressionsinstrument in der DDR. IM wurden auf bestimmte Schwerpunkte angesetzt, von denen tatsächliche oder vermeintliche Gefahren ausgehen konnten. Diese Objekte und Territorien, Bereiche oder Personen waren so zahlreich, dass die geheimpolizeiliche Durchdringung tendenziell den Charakter einer flächendeckenden Überwachung annahm.
Die Anzahl der vom MfS geführten inoffiziellen Mitarbeiter umfasste im Jahre 1989 ungefähr 189.000 IM, darunter 173.000 IM der Abwehrdiensteinheiten, ferner 13.400 IM in der DDR und 1.550 IM in der Bundesrepublik, die von der Hauptverwaltung A geführt wurden, sowie diverse andere wie Zelleninformatoren usw. Auf 89 DDR-Bürger kam somit ein IM. In der Zeit von 1950 bis 1989 gab es insgesamt ca. 620.000 IM.
Die Entwicklung des IM-Netzes ist nicht allein von einem kontinuierlichen Anstieg geprägt, sondern verweist auf besondere Wachstumsphasen in Zeiten innergesellschaftlicher Krisen wie dem 17. Juni 1953 oder am Vorabend des Mauerbaus. Im Zuge der deutsch-deutschen Entspannungspolitik wurde das IM-Netz ebenfalls erweitert. So umfasste es Mitte der 70er Jahre – hochgerechnet – über 200.000 IM. Angesichts wachsender oppositioneller Bewegungen hatte es in den 80er Jahren gleichfalls ein hohes Niveau.
Die flächendeckende Überwachung der Gesellschaft fiel regional recht unterschiedlich aus. Im Land Brandenburg, das die Bezirke Cottbus, Frankfurt (Oder) und Potsdam vereint, war sie stärker als in Thüringen. Die höchste IM-Dichte wies der ehemalige Bezirk Cottbus auf.
Das MfS operierte formal nach territorialen Gesichtspunkten und Sicherungsbereichen, setzte jedoch operative Schwerpunkte in der geheimpolizeilichen Arbeit. Bezogen auf das Gesamtministerium lagen diese – sowohl auf Kreis-, als auch auf Bezirks- und Hauptabteilungsebene – bei der Volkswirtschaft, der Spionageabwehr und auf der "politischen Untergrundtätigkeit", der "Bearbeitung " von oppositionellen Milieus und den Kirchen.
Die Motive zur Kooperation mit dem MfS waren überwiegend ideeller, seltener materieller Natur, noch seltener war Erpressung der Grund. Die Kooperation währte durchschnittlich sechs bis zehn Jahre oder länger. Augenfällig ist, dass darunter nicht wenige soziale Aufsteiger waren. Der Anteil von weiblichen IM lag in der DDR bei 17 Prozent, in der Bundesrepublik bei 28 Prozent. Über die Hälfte der IM war Mitglied der SED. Von den 2,3 Mio. Mitgliedern der Partei ausgehend, waren 4 bis 5 Prozent zuletzt inoffiziell aktiv, d. h. jedes zwanzigste SED-Mitglied.
Das MfS differenzierte IM nach Kategorien: Gesellschaftliche Mitarbeiter für Sicherheit, IM zur Sicherung und Durchdringung des Verantwortungsbereichs, IM im besonderen Einsatz, Führungs-IM und IM zur Sicherung der Konspiration und des Verbindungswesens. Die wichtigste Kategorie waren IM mit "Feindverbindungen" bzw. solche, die Personen zu "bearbeiten" hatten, die "im Verdacht der Feindtätigkeit" standen. Im Laufe der 80er Jahre nahm der Anteil von IM in der Kategorie IMB bis Dezember 1988 auf rund 3.900 zu.
Der Anteil von Bundesbürgern oder Ausländern unter den IM des MfS betrug nicht einmal 2 Prozent. 1989 waren mindestens 3.000 Bundesbürger inoffiziell im Dienste des MfS, zusätzlich mehrere Hundert Ausländer. In der Zeit von 1949 bis 1989 waren insgesamt mindestens 12.000 Bundesbürger und Westberliner IM.
Die operativen Ziele des MfS waren über die gesamte Bundesrepublik Deutschland verteilt. Darüber hinaus gab es Schwerpunkte in Europa, im Nahen Osten und Asien, nachgeordnet auch in Afrika und Lateinamerika. Nachrichtendienstliche Schwerpunkte waren vor allem die Wissenschafts- und Technikspionage, erst danach die politische und mit etwas Abstand die Militärspionage. Die Bundesrepublik Deutschland wurde folglich vor allem als Ressource zur Systemstabilisierung genutzt.
Die politische Spionage diente vornehmlich dazu, die politische Gefährdungslage des herrschenden Systems in der DDR bestimmen zu können. Dieses Profil deutet an, dass die Spionage der Bewahrung des Status quo dienen sollte. Von einer Unterwanderung der Bundesrepublik war die Geheimpolizei zahlenmäßig weit entfernt. Vielmehr waren ihre inoffiziellen Mitarbeiter damit beschäftigt, das DDR-System zu stabilisieren.
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Information zu "Erscheinungsformen gesellschaftswidrigen Auftretens und Verhaltens negativ-dekadenter Jugendlicher" Dokument, 18 Seiten
Spezifische Zersetzungsmaßnahmen gegen staatsfeindliche Gruppen Dokument, 18 Seiten
Abschlussbericht zum Operativen Vorgang "Tramper" Dokument, 8 Seiten
Dienstanweisung Nr. 4/66 zur "Bekämpfung politisch-ideologischer Diversion" unter Jugendlichen Dokument, 28 Seiten