Material zur Argumentation über Meinungsfreiheit in der DDR
Signatur: BArch, MfS, SED-Kreisleitung, Nr. 1106, Bl. 1-6
Anlässlich der X. Weltfestspiele der Jugend 1973 in Ost-Berlin gab die SED die Linie für Diskussionen mit den internationalen Gästen vor. Mit Hilfe vorformulierter Antworten sollten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer befähigt werden, Kritik an den Verhältnissen in der DDR sofort zu entkräften.
Die Spiele fanden vom 28. Juli bis zum 5. August 1973 in Ost-Berlin statt. Unter dem Motto "Für antiimperialistische Solidarität, Frieden und Freundschaft" kamen mehr als 25.000 Festival-Teilnehmerinnen und -Teilnehmer aus 140 Ländern in die Hauptstadt der DDR, darunter auch Delegationen aus der Bundesrepublik.
Für die SED-Führung waren die Weltfestspiele Chance und Herausforderung zugleich. Sie konnte die DDR einerseits der Welt als ein offenes und selbstbewusstes Land präsentieren, fürchtete aber den westlichen Einfluss auf die eigene Jugend.
Die Planung der Weltfestspiele lag in der Verantwortung des "nationalen Vorbereitungskomitees". Es wurde 1972 unter der Leitung des Ersten Sekretärs des Zentralkomitees der SED Erich Honecker gegründet. Die Staatssicherheit war an der Vorbereitung und Durchführung der Veranstaltung beteiligt. Die generalstabsmäßig geplante Kontrolle der Spiele lief bei der Stasi unter dem Namen Aktion "Banner".
Wie so oft bei Großveranstaltungen überließ die SED bei den Weltfestspielen wenig dem Zufall. Kritik am Leben in der Diktatur durch internationale Gäste etwa wollte man direkt und offensiv begegnen. Mehr als 300.000 Festivalteilnehmerinnen und teilnehmer wurden vorab geschult und politisch auf Kurs gebracht. In "Materialien zur Argumentation" formulierte die Kreisleitung der SED im MfS Antworten zu Fragen wie: "Wie steht die DDR zum Austausch von Meinungen und Ideen?" sowie "Existiert nicht noch immer eine deutsche Nation?" oder gar "Ist Sex in der DDR verboten?".
Metadaten
- Diensteinheit:
- SED-Kreisleitung
- Datum:
- 1973
- Rechte:
- BArch
SED-Kreisleitung 18 - 01
Material zur Argumentation
Wie steht die DDR zum Austausch von Meinungen und Ideen?
Wir sind für die ungehinderte Verbreitung von Ideen und Meinungen. Aber wir machen immer wieder die Erfahrung,
- daß die Kommunisten nicht vor die Rundfunkmikrofone und Fernsehkameras der BRD-Sender kommen;
- daß man in den Buchläden vieler westlicher Länder lange suchen muß, um die Werke von Marx, Engels und Lenin zu finden;
- daß die Kommunistin Angela Davis in den USA Vorlesungsverbot hat;
- daß in Spanien allein die Solidarität der Gewerkschafter für das Gefängnis reicht;
- daß in der BRD sogar diejenigen Lehrer und Beamten gekündigt werden, die mit dem Marxismus-Leninismus auch nur sympathisieren;
- während die halbe Welt heute bereits sozialistischen Ideen und Beispielen folgt, ist die bürgerliche Presse noch lange nicht bereit, auch nur ein Zehntel ihrer Spalten für sachliche Berichte aus der Welt des Sozialismus zu öffnen.
Diejenigen also, die jetzt ihre Vorliebe für den freizügigen Austausch von Ideen und Meinungen entdecken, taten bislang am wenigsten dafür. Das wundert uns nicht, denn das entspricht den Klasseninteressen der Bourgeoisie.
Wir haben auch Klasseninteressen. Das sind die Interessen der Arbeiterklasse und ihrer Verbündeten. Sie verlangen, solche Ideen und Meinungen zu verbreiten, die dem Frieden, der Völkerverständigung und dem gesellschaftlichen Fortschritt dienen. Das aber ist die internationale Norm. Anders läßt sich kein Vertrauen zwischen den Völkern schaffen. Anders kann man nur die Souveränität jedes Landes sowie seine Gesetze, Sitten und Gebräuche mißachten.
Die sozialistischen Staaten haben in Helsinki praktische Vorschläge für den Austausch von Ideen und Meinungen gemacht. Über gegenseitig vorteilhafte ökonomische Beziehungen, über die Möglichkeiten des