Meldung der KD Pankow über eine Unterschriftensammlung in der EOS "Carl von Ossietzky"
Signatur: BStU, MfS, ZOS, Nr. 3280, Bl. 3
1988 wurden vier Schüler der Carl-von-Ossietzky-Schule in Berlin-Pankow der Schule verwiesen, weil sie sich offen gegen Militärparaden ausgesprochen hatten und vor dem Rechtsextremismus in der DDR gewarnt hatten.
Am 30. September 1988 wurden vier Schüler der Carl-von-Ossietzky-Schule im Ost-Berliner Stadtteil Pankow der Schule verwiesen, weil sie sich offen gegen Militärparaden ausgesprochen und vor dem Rechtsextremismus in der DDR gewarnt hatten. Zwei weitere wurden an andere Schulen versetzt, zwei erhielten einen Verweis. Die Betroffenen wurden durch ein systematisches Zusammenspiel von Schule, Leitung der Freien Deutschen Jugend (FDJ) und Elternrat gemaßregelt und gedemütigt. Anders als viele ähnliche Fälle wurde dieser Vorgang jedoch öffentlich. Die sogenannte Ossietzky-Affäre schlug hohe Wellen. Der Mut der Schüler rief eine bis dahin ungekannte Welle der Solidarität hervor.
Das vorliegende Dokument ist eine Meldung der Kreisdienststelle Pankow an den Zentralen Operativstab der Staatssicherheit (ZOS). Er sammelte sicherheitspolitisch wichtige Meldungen aus verschiedenen Diensteinheiten des MfS. Auch eigentlich harmlose Vorkommnisse wurden protokolliert, wenn die Stasi darin "feindlich-negative Handlungen" gegen den SED-Staat und seine Ordnung sah. Hier war die Kreisdienststelle vom zuständigen Schulrat über die Unterschriftensammlung informiert worden, mit der die Auseinandersetzungen an der Schule begannen.
Metadaten
- Diensteinheit:
- Zentraler Operativstab
- Datum:
- 16.9.1988
Rapport Allgemeine Vorkommnisse Nr. 260 vom 16./17.09.88 07.00 Uhr
Datum
16.09.
Zeit
17.40
Meldung
KD Pankow Gen. Ultn. Kößler meldet Unterschriftensammlung:
Gegen 16.25 Uhr wurde KD durch den Schulrat bekannt, daß gegen 10.30 Uhr an der EOS "C.v.Ossietzky" in 1100 Berlin, Görschstr. 42 durch den
Feller, Kai (16)
[geschwärzt] 71 in Berlin [geschwärzt]
1100 Berlin, [geschwärzt]
Schüler der 11. Klasse der o.g. Schule
eine Unterschriftensammlung stattfand. Unter den Text:" Wir lehnen die Parade am 7.10.88 ab. Denn Säbelrasseln, das Demonstrieren der militärischen Stärke, zur Schau Stellung todbringender Waffen ist nicht mehr zeitgemäß" hatten 40 Schüler ihre Unterschrift gegeben. Das Schreiben sollte mit den Unterschriften an den Gen. H. Keßler gesandt werden.
Maßnahmen:
Am 17.9.88 wird eine politisch-ideologische Auseinandersetzung mit dem Initiator und den Unterschreibern durch die Abt. Volksbildung im ZW mit der KL der SED geführt.
veranlasst
1. Gen. General durch KD verst.
2. Gen. OSL Zeiseweis [Anmerkung: Kurt Zeiseweis] verst.
3. Überprüfung: nicht erfaßt.